Protokoll der Sitzung vom 13.06.2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt viele einleuchtende Argumente für eine Absenkung. Ein Hauptargument für ein Wahlrecht ab 16 Jahren ist, junge Heranwachsende dadurch stärker für Politik zu interessieren, sie so zu früh wie möglich an demokratischen Prozessen zu beteiligen und damit gegen eine allgemeine Politikverdrossenheit entgegenzuwirken. Nur gelebte Demokratie ist gute Demokratie. Mit 16 beginnt man vielleicht schon eine Ausbildung, bezahlt bei entsprechendem Verdienst Steuern, man ist straf- und religionsmündig, das Recht zu wählen wird einem jedoch vorenthalten. Das, was am meisten einleuchtet, hat vielleicht tatsächlich der liebe Kollege Sebastian Thul seinerseits im Winter 2017 kurz vor den Landtagswahlen gebracht. Ich zitiere jetzt - mit Erlaubnis des Präsidenten - entgegen meiner Ankündigung wirklich aus seiner Rede: „Ich habe mir gerade eine Frage gestellt, der Kollege Hermann Scharf kennt das vielleicht aus eigener Erfahrung. Ich habe in einer Werkstatt für Menschen mit geistiger Behinderung gearbeitet. Diese Menschen durften, egal wie reif sie sind, egal wie sehr sie in ihrer Stimmabgabe vielleicht eingeschränkt sind, trotzdem wählen gehen, und das ist gut so. Sie können mir nicht erklären, warum jemand, der schwerst mehrfachbehindert ist, wählen gehen darf, aber einem 17-jährigen die Reife dazu abgesprochen wird. Das ist unlogisch, liebe Kolleginnen und Kollegen!“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nachdem ich in meiner Rede sehr oft einen Satz mit dem Wort „Ja“ begonnen habe, werde ich zum Ende nun auch einmal ein „Nein“ einsetzen. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE, wir werden Ihrem Gesetzesentwurf nicht zustimmen. Wir geben Ihnen nicht die Möglichkeit, die Koalition zwischen der SPD und der CDU zu torpedieren. Wir sind Vertragspartner auf Augenhöhe, und das ist für dieses Land mit seinen vielfältigen sonstigen Problemen auch gut so. - Danke schön.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. - Es wird vorgeschlagen, den Gesetzesentwurf an den Ausschuss für Justiz,

(Abg. Zimmer (SPD) )

Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung zu überweisen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzesentwurf der Landtagsfraktion DIE LINKE Drucksache 16/436. Wer für die Annahme des Gesetzesentwurfes Drucksache 16/436 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Ich stelle fest, dass der Gesetzesentwurf Drucksache 16/436 in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die Landtagsfraktion DIE LINKE. Dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen. Enthalten hat sich die AfD-Landtagsfraktion.

Wir kommen damit zu Punkt 3 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der Landesregierung eingebrachten Gesetzes zur Anpassung des bereichsspezifischen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 (Drucksa- che16/438)

Zur Begründung des Gesetzesentwurfes erteile ich Herrn Minister Klaus Bouillon das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beraten heute den Regierungsentwurf des Gesetzes zur Anpassung des bereichsspezifischen Datenschutzrechts an die Verordnung in Erster Lesung. Seit dem 25. Mai 2018 ist die Europäische DatenschutzGrundverordnung unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedsstaaten der EU. Ziel ist es, ein gleichwertiges Schutzniveau für die Rechte und Freiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung von Daten in allen Mitgliedsstaaten herzustellen. Diese Datenschutz-Grundverordnung bringt aber auch Anpassungserfordernisse für die Datenschutzpraxis mit sich. Sie sieht zum einen für den nationalen Gesetzgeber eine Reihe von Öffnungsklauseln vor und enthält zum anderen konkrete, an die Mitgliedsstaaten gerichtete Regelungsaufträge.

Nach der Anpassung des Saarländischen Datenschutzgesetzes sowie des Gesetzes zur Anpassung dienstrechtlicher Vorschriften an die DatenschutzGrundverordnung dient der nun vorliegende Gesetzentwurf der Anpassung des Fachrechts an diese Datenschutz-Grundverordnung im öffentlichen Bereich bei Behörden, Ämtern und Kommunen in unserem Lande. Um eine Einbringung von mehreren Gesetzentwürfen zu vermeiden, die sich mit der Anpassung an die Datenschutz-Grundverordnung befassen, wurde beschlossen, einen Gesetzentwurf zu konzipieren, an dem sich alle Ressorts, die fach

rechtlichen Anpassungsbedarf an die DatenschutzGrundverordnung sehen, beteiligen können.

In der gebotenen Kürze darf ich folgende Fachgesetze nennen: Änderung des Gesundheitsdienstgesetzes, des Saarländischen Wohn-, Betreuungsund Pflegequalitätsgesetzes, des Saarländischen Krebsregistergesetzes, des Saarländischen Krankenhausgesetzes, des Gesetzes zur Änderung des Saarländischen Heilberufekammergesetzes, des Saarländischen Gesetzes über den Europäischen Vorwarnmechanismus und den Europäischen Berufsausweis für die Berufe im Gesundheitswesen zur Umsetzung der Richtlinie 2005/36/EG, des Saarländischen Archivgesetzes, des Saarländischen Hochschulgesetzes, des Saarländischen Vermessungsund Katastergesetzes, des Saarländischen Geodateninfrastrukturgesetzes, des Saarländischen Sicherheitsüberprüfungsgesetzes, des Saarländischen Informationsfreiheitsgesetzes, des Saarländischen Gesetzes zur Ausführung des Bundesmeldegesetzes, der Meldedatenübermittlungsverordnung, des Saarländischen Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland, des Saarländischen Spielbankgesetzes, des Gesetzes über den Brandschutz, die Technische Hilfe und den Katastrophenschutz im Saarland, des Saarländischen Rettungsdienstgesetzes, des Gesetzes über die Errichtung und den Betrieb der Integrierten Leitstelle des Saarlandes, des Saarländischen Polizeigesetzes, des Kommunalabgabengesetzes, des Saarländischen Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen. In allen diesen Gesetzen das hat sicherlich jeder verstanden - steht die Anpassung im Vordergrund. - Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich danke dem Herrn Minister und eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache. - Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres und Sport zu überweisen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/438. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs Drucksache 16/438 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Sport ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/438 in Erster Lesung einstimmig angenommen ist und zur weiteren Beratung an den Ausschuss für Inneres und Sport überwiesen ist. Alle Fraktionen haben dem Gesetzentwurf zugestimmt.

(Präsident Toscani)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen damit zu Punkt 4 der Tagesordnung:

Erste Lesung des von der CDU-Landtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion, der DIE LINKE-Landtagsfraktion und der AfD-Landtagsfraktion eingebrachten 27. Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Landtages des Saarlandes (Drucksache 16/445)

Die Fraktionen haben diesen Gesetzentwurf gemeinsam vorgelegt. Sie haben mich gebeten, ihn heute einzubringen. Diesem Wunsch komme ich gerne nach. Seit dem 25. Mai ist die DatenschutzGrundverordnung der EU unmittelbar geltendes Recht in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Diese Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union macht eine Vielzahl von Gesetzesänderungen erforderlich. Der Innenminister hat im Tagesordnungspunkt zuvor deutlich gemacht, wie viele Gesetze allein im Landesrecht - es sind insgesamt 22 - mit dem Gesetz, das wir unter Tagesordnungspunkt 3 behandelt haben, angepasst werden.

Der Datenschutz-Grundverordnung liegt ein ganz umfassendes Begriffsverständnis von personenbezogenen Daten und deren Verarbeitung zugrunde. Es geht dort im Kern um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Zweifellos werden auch hier bei uns in der Landtagsverwaltung bezogen auf die Abgeordneten personenbezogene Daten verarbeitet, Daten von uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber auch von unseren Angehörigen. Deshalb ist es notwendig, auch das Abgeordnetengesetz, das unsere Rechtsverhältnisse regelt, an die DatenschutzGrundverordnung anzupassen.

Die Verarbeitung der Daten der Abgeordneten, ihrer Angehörigen und der Hinterbliebenen erfolgt zu ganz unterschiedlichen Zwecken, beispielsweise wenn es darum geht, Abgeordnetenentschädigung zu zahlen, wenn es darum geht, Zuschüsse zu den Kosten in Krankheits-, Pflege-, Geburts- oder Todesfällen zu zahlen, wenn es um die Hilfskasse der Abgeordneten geht oder auch um unsere Verhaltensregeln. Dies als Beispiele, die Aufzählung ist nicht vollständig. Sie dient dazu, dass Sie sich ein Bild darüber machen können, in wie vielen Fällen die Datenschutz-Grundverordnung auch für uns im Bereich des Abgeordnetenrechts gilt.

Es gibt zwei Möglichkeiten, wie wir damit umgehen können. Die eine Möglichkeit wäre, dass jeder einzelne Abgeordnete, seine Angehörigen und Hinterbliebenen in jedem einzelnen Fall der Datenverarbeitung zustimmen, dass also eine Einwilligung eingeholt werden muss. Das ist ein sehr hoher Verwaltungsaufwand und außerdem auch fehleranfällig.

Deshalb haben sich die Fraktionen für eine andere Vorgehensweise entschieden. Da die Verarbeitung von Daten von Abgeordneten, ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen ausschließlich zum Zwecke einer geordneten Verwaltung erfolgt, haben sich die Fraktionen dazu entschlossen, eine umfassende Ermächtigungsgrundlage in das Abgeordnetengesetz aufzunehmen, die all die beschriebenen datenbezogenen Vorgänge erfasst.

Konkret schlagen die Fraktionen vor, § 29 des Abgeordnetengesetzes so zu regeln, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten im Geltungsbereich des Abgeordnetengesetzes für die gesetzlich vorgegebenen Aufgaben des Landtagspräsidenten oder einer Landtagspräsidentin und damit der Landtagsverwaltung insgesamt möglich wird. Dadurch tragen wir den Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung der EU Rechnung.

Da bei der Auszahlung von Ansprüchen von Abgeordneten oder ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen das Landesamt für Zentrale Dienste eine wichtige Rolle spielt, da diese Auszahlung von Ansprüchen von Abgeordneten quasi an das Landesamt für Zentrale Dienste delegiert ist, wird die Ermächtigung zur Datenverarbeitung insoweit entsprechend auf dieses Landesamt ausgedehnt. Auf diese Weise erfolgt künftig die Datenverarbeitung in Bezug auf die personenbezogenen Daten von Abgeordneten, ehemaligen Abgeordneten und ihren Hinterbliebenen nach den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung. Ich darf Sie bitten, diesem von allen Fraktionen vorgelegten Gesetzentwurf zuzustimmen. - So weit zur Begründung.

Ich eröffne die Aussprache. - Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 16/445 in Erster Lesung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs in Erster Lesung ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf Drucksache 16/445 in Erster Lesung einstimmig angenommen ist. Alle Fraktionen haben zugestimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren, wie wir eingangs der Sitzung vereinbart haben, kommen wir jetzt zu den Punkten 11, 17 und 18 der Tagesordnung, in denen es um das Thema Neue Halberg Guss geht:

Beschlussfassung über den von der die DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Solidarität mit den Beschäftigten bei der Neuen Halberg Guss - Arbeitsplätze sichern, Belegschaftsbeteiligungen anstreben (Drucksache 16/437 - neu)

(Präsident Toscani)

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion und SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Für den Erhalt der Arbeitsplätze bei der Neuen Halberg Guss - keine unternehmerischen Konflikte auf dem Rücken der Beschäftigten austragen

(Drucksache 16/456)

Beschlussfassung über den von der AfDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Für den Erhalt der Arbeitsplätze bei der Neuen Halberg Guss - keine unternehmerischen Konflikte auf dem Rücken der Beschäftigten austragen (Drucksache 16/455)

Zur Begründung des Antrags der DIE LINKE-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das heutige Thema ist sehr umfassend und beschäftigt die Landespolitik schon viele Jahre. Zunächst einmal zum aktuellen Anlass: Es geht um die Gefahr des Arbeitsplatzabbaus bei Halberg Guss. Ich glaube, dass ich bei Zustimmung der großen Mehrheit dieses Hauses sagen kann, dass wir mit der Belegschaft solidarisch sind und dass wir an alle, die beteiligt sind, appellieren, alles zu tun, um einen Arbeitsplatzabbau bei Halberg Guss zu vermeiden. Für die Mehrheit des Hauses kann ich von hier aus sagen: Wir wollen, dass der Tarifvertrag, den die IG Metall anstrebt und jetzt verhandelt, abgeschlossen wird, denn er dient dem Schutz der Beschäftigen. Wir wünschen der IG Metall Erfolg bei diesen Verhandlungen.

(Beifall von der LINKEN, bei den Regierungsfrak- tionen und der AfD.)

Ich glaube, es gibt keinen Dissens im Hause, was diese Frage angeht. Ich will das Thema etwas umfassender angehen, denn es ist so alt wie die Bundesrepublik Deutschland. Mit Blick auf die Kolleginnen und Kollegen der CDU, aber auch mit Blick auf die einzige Tageszeitung in diesem Land zitiere ich Karl Arnold von der CDU, den ersten Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, der ab 1947 für neun Jahre in Nordrhein-Westfalen regierte. Er war ein Gewerkschafter, der seine Politik aus der christlichen Soziallehre entwickelt hat und der damals, am Anfang der Bundesrepublik Deutschland, sinngemäß sagte: Bei einer Formaldemokratie in der Politik und bei Vorhandensein eines Absolutismus in der Wirtschaft kann niemals eine Neuordnung des gesellschaftlichen Lebens stattfinden. Was wir heute haben, ist eine Auseinandersetzung mit dem Absolutismus in der Wirtschaft, der sich aus Gewinninteresse rücksichtslos über die Interessen

der Beschäftigten hinwegsetzt. Deshalb müssen wir dieses Thema endlich angehen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von der LINKEN.)

Es genügt nicht, dass wir unsere Solidarität mit den Beschäftigten erklären, denn sie ist selbstverständlich. Jeder muss sich doch einmal in die Lage versetzen und sich vorstellen, wie es ihm ginge, wenn er wieder einmal vom Arbeitsplatzabbau betroffen wäre. Ich denke dabei nicht nur an die Kolleginnen und Kollegen in Saarbrücken, sondern auch an die in Leipzig und an anderen Standorten, die Opfer einer solchen verfehlten Politik geworden sind. Das ist das große Problem unserer Gesellschaft und auch unserer Demokratie. Wenn die Beschäftigen im Wirtschaftsleben erfahren, dass ihre existenziellen Interessen im Grunde genommen nicht demokratisch entschieden werden, sondern immer wieder über ihre Köpfe hinweg entschieden wird, dann verzweifeln sie auch an der Demokratie in unserer Gesellschaft. Ich beziehe mich deshalb bewusst auf Karl Arnold, das ist keine taktische Variante, um Sie von der Regierung anzusprechen. Ich bin der Überzeugung, wenn wir auf der einen Seite Formaldemokratie in der Politik und auf der anderen Seite Absolutismus in der Wirtschaft haben, dann kann das auf Dauer nicht gut gehen. Der Absolutismus in der Wirtschaft ist mittlerweile ein globales Problem. Er hat dazu geführt, dass der Autoritarismus immer weiter zunimmt. Es gibt nicht nur Oligarchensysteme im Osten, es gibt sie auch im Westen, auch wenn wir sie nicht so nennen.

(Beifall von der LINKEN.)

Das ist die große Herausforderung, vor der wir stehen. Wir haben es im Saarland in den letzten Jahren immer wieder erlebt. Die Auseinandersetzung bei Saarstahl war in erster Linie eine Auseinandersetzung mit den Anteilseignern. Es ging um die Frage, ob die Anteilseigner in den Jahren zuvor richtig entschieden haben. Ich will nicht noch einmal die ganze Geschichte aufrollen, aber sie hatten falsch entschieden. Sie hatten so entschieden, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie an der Saar nicht mehr gegeben war. Wir haben als Land unter Beteiligung der Belegschaften und der Gewerkschaften alle Anstrengungen unternommen, um die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlindustrie wiederherzustellen. Die Methoden, die wir damals angewandt haben, sind bekannt. Ich werde noch darauf zurückkommen.

Nun haben wir im Saarland insbesondere im Weiterverarbeitungsbereich beobachtet, wie sich der Absolutismus in der Wirtschaft auswirken kann, dies in einer Zeit, in der vom rheinischen Kapitalismus überhaupt nicht mehr die Rede sein kann. Im rheinischen Kapitalismus hat man in der Wirtschaft noch werte

(Präsident Toscani)

orientiert gearbeitet, man hat nicht ohne Weiteres Arbeitsplätze abgebaut, nur um den Gewinn noch zu vergrößern, wie es derzeit bei Halberg Guss der Fall ist. Heute leben wir in einer Wirtschaftsordnung, in der die Werteorientierung der Nachkriegszeit erheblich zurückgegangen ist. Das wird niemand von Ihnen, der sich die Entwicklung vor Augen führt, in Zweifel ziehen. Im Grunde genommen dominiert das nackte Gewinninteresse. Das ist eine Tatsache. Deshalb stehen wir vor Entscheidungen, wie wir sie jetzt bei Halberg Guss haben. Wir standen beispielsweise bei SaarGummi oder bei den Schraubenwerken in Beckingen vor der gleichen Entscheidung. Es war immer dasselbe Spiel.

In der Bundesrepublik wurde das Wort von den Heuschrecken kreiert und auf diese Situationen angewandt. Es wurde darauf hingewiesen, dass Leute kommen, die Unternehmen kaufen und versuchen, Geld herauszuziehen, um dann wieder abzuwandern und das Unternehmen anderen zu überlassen. So sind viele Arbeitsplätze in Deutschland verlorengegangen und viele Unternehmen in Deutschland sind kaputtgegangen. Das ist die Entwicklung der letzten Jahre.

Wenn wir uns hier im Saarland ansehen, was in Beckingen oder Büschfeld geschehen ist, so erkennen wir, dass Stabilität erst hineingekommen ist, als keine Heuschrecken mehr Anteilseigner wurden, sondern als die Chinesen, die mehr oder weniger eine staatliche Anteilseignerschaft haben, in diesen Unternehmen die Mehrheit übernommen haben.

Was immer man über diesen Punkt denkt, so muss man doch eines sehen. Als die Belegschaft mich gefragt hat, was ich davon halte, habe ich geantwortet, dass sie zumindest an einer Stelle besser aufgehoben ist als bei den Heuschrecken, und zwar an der Stelle, dass nun langfristige Ziele verfolgt werden. Auf der einen Seite möchte der Anteilseigner das Unternehmen erhalten und auch gewinnerzielend weiterführen, auf der anderen Seite möchte er natürlich vom Know-how des Unternehmens profitieren und dieses Know-how nach China zum Aufbau der dortigen Wirtschaft transferieren. Das sind die Ziele, aber immerhin ist eine langfristige Orientierung festzustellen, die ansonsten weitgehend verloren ist.

Bei Halberg Guss haben wir es beispielhaft gesehen. Zuerst hatten wir einen holländischen Investmentfonds, dann kam für einige Monate - allein dieser kurze Zeitraum ist schon verrückt - ein Investmentfonds aus Süddeutschland. Danach kam auf einmal eine Unternehmensgruppe, die PreventGruppe, von der man weiß, dass sie im Konflikt mit den großen Automobilherstellern in Deutschland liegt. Es war klar, dass diese Unternehmensgruppe kein Segen für das Unternehmen sein kann. Denn wie kann überhaupt irgendeine langfristige Stabilisierung des Unternehmens erreicht werden, wenn