Protokoll der Sitzung vom 14.11.2018

Bevor ich die weiteren Wortmeldungen aufrufe: Es gibt eine Kurzintervention des Kollegen Oberhausen.

Ich möchte, liebe Kolleginnen und Kollegen, nur kurz darauf hinweisen: Die Stichworte „Angst“ und „Hetze“ waren natürlich auf die Kollegen aus der AfDFraktion gemünzt und nicht auf die Saarbrücker Zeitung. Ich möchte daran erinnern, dass bei der AfDFraktion, wie der heutige Nachmittag zeigt, eine Mi

schung besteht zwischen schlechten Anträgen und anschließend Debattenbeiträgen, bei denen es einem schlecht wird.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Es besteht die Möglichkeit einer Gegenäußerung, Herr Kollege Müller.

Ich weiß ja, dass der Herr Oberhausen gesundheitlich etwas angeschlagen ist -

(Zuruf: Komm, huck dich hin! - Weitere Zurufe von den Regierungsfraktionen.)

Okay, ich darf nunmehr die weitere Wortmeldung aufrufen: Für die SPD-Landtagsfraktion Herr Kollege Jürgen Renner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag ist ja, das zunächst einmal festgestellt, von einem stattlichen Textumfang. Das muss man sagen. Auch wenn der Beschlussvorschlag nur aus einem Satz besteht das sind wir ja schon gewohnt -, mal ganz im Ernst: Sie formulieren hier etwas, weil Ihnen Ihr Hauptquartier in Berlin etwas vorgegebenen hat, um in dieser Debatte und in den Länderparlamenten insgesamt Anträge zu stellen. Wir wissen, dass das in Sachsen, in Berlin, in Brandenburg so ist, und im Bundestag war ja in der vergangenen Woche ebenfalls die Debatte. Es geht erkennbar nur darum, eine Kampagne zu führen, und um Desinformation. Es geht erkennbar um Desinformation!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Denn was ist die Debattenlage seit spätestens 2015? Es geht um den Zuzug. Es geht um Migration. Es geht darum, wie wir damit intern im Land umgehen, und es geht darum, wie wir Zuzug auch steuern können und welche Möglichkeiten wir dazu ausloten können. Genau diesem Zweck dient der Migrationspakt der Vereinten Nationen! Wir brauchen dabei kein Oben und Unten. Welches Volk ist höherwertig, welches Volk ist minderwertig? Wir brauchen kein Freund-Feind-Schema. Wir müssen vielmehr in der internationalen Staatengemeinschaft auf Augenhöhe miteinander diskutieren.

60 Millionen Menschen sind im Moment auf dieser Erde unterwegs. 60 Millionen! Und wir wissen doch um die Zustände in den Lagern in Libyen. Ich will die Frage, wer an der Situation deutlich Mitschuld hat, einmal ausklammern. Wir kennen aber doch die Situation! Ich habe die Bilder im Internet gesehen: Mi

(Abg. Müller (AfD) )

granten, die gefangen gehalten werden, die mit den Füßen oben gefesselt werden, die auf dem Sklavenmarkt herumgereicht werden. Das sind doch Dinge, die wir als aufgeklärte Menschen keinesfalls hinnehmen können! Wir müssen doch auch dafür sorgen, dass vor Ort Zustände gegeben sind, durch die der Migrationsdruck in Richtung Europa und Deutschland nicht stärker wird. Genau das ist Sinn dieses Migrationspaktes. Es ist vernünftig, diesen Weg zu beschreiten.

Wir haben auch erlebt, dass es im Nahen Osten große Lager gab, Lager mit Hunderttausenden wenn nicht gar Millionen Flüchtlingen. Als die Staatengemeinschaft die Finanzierung eingestellt hat und es dort nichts mehr zu essen gab, haben sich diese Menschen auf den Weg gemacht und sind nach Europa gekommen, auch nach Deutschland. Insofern verpflichten wir uns natürlich mit der Zustimmung zu dem UN-Migrationspakt, dafür zu sorgen, dass das nicht mehr vorkommt. Wir wollen, dass den Zuständen vor Ort abgeholfen wird, damit die Leute eben nicht gezwungen sind weiterzugehen.

Der Migrationspakt nennt noch einen ganzen Fächer von anderen Bereichen, in denen Handlungsbedarf besteht, unter anderem ist auch das Bestandteil des UN-Migrationspaktes, was wir vorhin diskutiert haben, nämlich die Frage von Stipendien im Rahmen von Arbeitsmigration in dem Sinne, wie Sie es auch beantragt hatten.

Warum soll man sich gegen den Migrationspakt wehren? Es ist ja nicht so, dass der völkerrechtlich verbindlich ist, es ist eine Absichtserklärung. Aber es ist doch ein Meilenstein, dass die internationale Staatengemeinschaft genau diese Debatte, die so vielen Staaten auf den Nägeln brennt, jetzt angeht. Auch wenn er unvollkommen ist. Ich würde mir sogar wünschen, dass noch mehr darin geregelt wird und sogar noch verbindlicher.

Aber Sie sind ja an Zahlen, Daten, Fakten überhaupt nicht interessiert. Fakten stören Sie nur. Ich will ein Beispiel aus der Republik Österreich nennen. Bundeskanzler Kurz hat noch in 2017 die Arbeiten an dem UN-Migrationspakt verteidigt, sogar noch relativ lange in 2018. Die FPÖ-Außenministerin Kneissl verteidigt den UN-Migrationspakt heute noch. Was also ist passiert, dass Österreich aussteigt? Passiert ist, dass Strache der eigenen Außenministerin Knüppel zwischen die Beine geworfen hat, weil er das Diffamierungspotenzial erkannt hat, das in diesem Pakt steckt. Passiert ist, dass rechtsradikale Verdrehungen Eingang in die Ministerratsvorlage des österreichischen Bundeskabinetts gefunden haben.

Der Titel des Paktes heißt: „Globaler Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“. Die Kabinettsvorlage in Österreich titelt: „Globaler Pakt für

gesicherte, geordnete und planmäßige Migration“. Damit ist doch klar, worauf Sie hier - Sie sind ja Brüder und Schwestern im Geiste - hinauswollen. Es geht Ihnen einzig und allein um das Diffamierungspotenzial. Es geht Ihnen mit keiner Silbe darum, Hilfe zu schaffen, Menschen zu helfen, den Migrationsdruck zu lindern und Verbesserungen herzustellen. Es gibt viele Punkte in diesem Migrationspakt. Aber bei Ihnen ist es ja eh verlorene Liebesmüh. Wir haben ja eben schon mitbekommen: Sie brauchen Ihre ganze Kraft zum Nachdenken, da ist für Zuhören wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit.

Aber ich glaube, hinter der AfD-Kritik steht noch etwas ganz anderes, und ich bin dafür, dass wir das hier einmal auf den Punkt bringen. Hinter der AfDKritik steht doch das Konzept oder die behauptete Bedrohung durch die „Umvolkung“, durch „Bevölkerungsaustausch“, der systematisch geplant sei durch die herrschende Elite. Deswegen habe ich Sie, Herr Müller, vorhin gefragt, was Sie aus Ihrer Kritik ableiten. In anderen Wortmeldungen Ihrer Truppe auf Bundesebene wird dadurch ein Widerstandsrecht gegen die herrschende Ordnung, gegen das Rechtssystem und gegen die Demokratie in Deutschland abgeleitet. Ich glaube, das können wir nicht dulden. Wir müssen erkennen, dass es Ihnen nicht um die Sache geht, sondern genau darum, durch falsche Behauptungen, durch Faktenverdrehungen den öffentlichen, auf Werten und Fakten basierenden Diskurs unmöglich zu machen, um Wasser auf Ihre Mühlen zu leiten. Das ist das Einzige, worum es Ihnen hier geht.

Ich zitiere an dieser Stelle auch gerne die Schriftstellerin Joanne K. Rowling, die in anderem Zusammenhang - Donald Trump - getwittert hat: Wo Worte nichts bedeuten und wo Fakten nichts bedeuten, sind wir verloren. Da droht nämlich wirklich der Zivilisationsbruch. Genau das ist Ihr Ansinnen. Ich glaube, dieses Haus ist gut beraten, sich dem zu widersetzen und auch einmal diese Debatte auf den Punkt zu bringen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich gehe noch einen Schritt weiter. Sie haben ja auch den Begriff „das eigene Volk“ genannt, um damit zu sagen: Wir und die und das eigene Volk und die fremden Völker… Es steht doch Ihre Vorstellung dahinter, welches Volk, welche Nation gegenüber dem eigenen Volk und gegenüber der eigenen Nation als minderwertig anzuerkennen ist. Es geht um Freund und Feind, es geht um oben und unten, es geht um gleichwertig und minderwertig. Das sind allesamt Nazikategorien und Argumentationsfiguren aus der Nazizeit.

(Abg. Müller (AfD) : Dummschwätzer!)

Nein, nicht Dummschwätzer. Zum Dummschwätzen sage ich Ihnen gleich noch etwas. Damit Ihre gan

(Abg. Renner (SPD) )

zen rhetorischen Figuren funktionieren, brauchen Sie einen Sündenbock. Da komme ich zurück auf die Debatte heute Morgen zum Antisemitismusbeauftragten, wo Sie sich ja den Feind ausgesucht haben, nämlich all diejenigen, die der islamischen Religion angehören. Sie brauchen einen Sündenbock und Sie brauchen - das wird auch deutlich in dieser Debatte um den UN-Migrationspakt - auch noch eine Weltverschwörung, weil Sie es darunter nicht machen. Irgendjemand muss ja schuld sein, der hier unser Volk unter die Knute nimmt und etwas Böses will.

Weil Sie jetzt seit mehreren Wochen einen gewissen Druck verspüren, hat ja Ihr Hauptquartier in Berlin offenbar, wenn man Medienberichten Glauben schenken darf, auch eine Sprachfibel für Sie ausgedacht, welche Begriffe Sie möglichst nicht mehr in den Mund nehmen sollen - „Umvolkung“ und „Bevölkerungsaustausch“ habe ich ja schon genannt -, aber doch nicht aus innerer Überzeugung, sondern um sich nicht dem Verdacht auszusetzen, dass Sie verfassungsfeindliche Bestrebungen haben, um einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu entgehen. Das ist doch der wahre Grund, warum Sie das hier tun. Sie verdecken damit Ihre Absichten. Es ist reine Camouflage, die Sie hier betreiben. Aber ich glaube, wir müssen dafür sorgen, dass dieser Trick nicht zieht.

(Beifall von der SPD und Teilen der CDU.)

Es gibt einen Spruch - wenn ich richtig informiert bin, war das Marx in Abwandlung zu Hegel; vielleicht kann mir da später noch einer helfen -: Geschichte wiederholt sich nicht, und wenn, dann als Farce beziehungsweise als Posse. - Die Posse sitzt hier, drei Leute hintereinander. Das ist die Posse. Sie führen eine erbärmliche parlamentarische Existenz in diesem Haus.

(Lachen bei der LINKEN. - Beifall der Abgeordne- ten Spaniol (DIE LINKE).)

Das ist eben an der Debatte über das Wahlrecht deutlich geworden. Sie wollen hier als große Anführer einer Bewegung gelten und sich beweisen. Herr Dörr hat ja schon gesagt, irgendwann einmal auf einem Parteitag vor der Landtagswahl 2017, er will ein Feuer entfachen und die Flammen tun sich zusammen zu einem riesengroßen Feuersturm. Ich habe den bisher noch nicht gesehen.

(Zuruf des Abgeordneten Scharf (CDU).)

Sie wollen als stramme deutsche Patrioten durch die Gegend gehen. Ich möchte Sie noch einmal an die letzte Sitzung erinnern, als es um Chemnitz ging und die Frage, mit wem Sie da marschiert sind, wie Sie sich auf jämmerliche Art und Weise hier herausgeredet haben, als Sie gesagt haben, da waren halt die AfD-Fürsten in der ersten Reihe und irgendje

mand hat mir eine weiße Rose in die Hand gedrückt, ansonsten habe ich nichts davon gewusst, dass ich vor der ganzen PEGIDA und vor identitären Kriminellen stehe und drei Reihen dahinter der Hitlergruß gezeigt wird. Ich muss ehrlich sagen, so einfach können Sie sich da nicht herausschleichen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

Warum tun Sie das? Es gibt zwei Erklärungen. Entweder meinen Sie das ernst und sagen uns das alles aus innerer Überzeugung oder Sie fahren auf der Ölspur Ihrer eigenen Dummheit Karussell.

(Lachen bei der SPD.)

Kollege Renner, ich bitte, bei der Wortwahl etwas Zurückhaltung zu üben.

Ich markiere es hier als Zitat von Franz Josef Strauß. Vielleicht ist es dann in Ordnung.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) : Du kannst auch das Wort „Karussell“ zurücknehmen!)

Genau. Ich ziehe das Wort „Karussell“ mit großem Bedauern zurück. Aber in beiden Fällen kann es nicht dazu führen, dass er aus diesem Haus Zustimmung für diesen Antrag bekommt, weil er ideologisch geprägt ist, weil er nichts mit der Sache zu tun hat und weil Sie mitnichten darauf aus sind, in Bezug auf die Verhältnisse bei uns wie auch in den Staaten, wo Bürgerkrieg, wo Hunger, wo Elend herrscht, oder auch für die Migranten, die unterwegs sind, irgendetwas Gutes zu tun. Das ist völlig erkennbar und deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab.

(Beifall von den Regierungsfraktionen, der LIN- KEN und der Abgeordneten Ensch-Engel (frakti- onslos).)

Ich rufe auf für die DIE LINKE-Landtagsfraktion Herrn Abgeordneten Dennis Lander.

Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Wie Sie sich sicher vorstellen können, gibt es auch für uns eine ganze Reihe von Gründen, weshalb wir diesen Antrag der AfD heute ablehnen. Zuerst einmal ein formaler Grund und auch wirklich ein Evergreen der AfD-Fraktion im saarländischen Landtag. Der saarländische Landtag ist das völlig falsche Gremium für den UN-Migrationspakt, weil er schlicht und ergreifend nicht zuständig ist. Wann, Herr Müller, verstehen Sie und Ihre Fraktion endlich, wie das hier funktioniert?

(Abg. Renner (SPD) )

(Abg. Müller (AfD) : Ich verstehe es und kann sagen, was ich will und was der Auftrag meiner Wähler ist.)

Sie müssten wissen, dass eigentlich der Deutsche Bundestag hierfür das richtige Gremium wäre. Da wurde das letzte Woche auch bereits debattiert.

(Abg. Müller (AfD) : Was Sie sagen, interessiert mich überhaupt nicht.)

Deshalb lehnen wir den Antrag schon aus rein formalen Gründen ab.