Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Die komplette Gebührenfreiheit, um die es wirklich geht und die letztlich das politische Ziel sein muss, wäre natürlich viel leichter umzusetzen, wenn wir wieder die Steuern von 1995 hätten, zu Zeiten Helmut Kohls, mit höherem Spitzensteuersatz, mit höherer Erbschaftssteuer, mit einer Vermögenssteuer. Ich weiß, dass viele von Ihnen hier im Haus - einige haben gerade tief Luft geholt - diesen Punkt nicht gerne hören, aber es gehört immer zur Wahrheit dazu: Multimillionäre bekommen üppige Steuergeschenke, Familien werden gnadenlos zur Kasse gebeten. So ist das, das ist bedauerlich, und da muss man gegensteuern.

(Minister Commerçon)

(Beifall bei der LINKEN.)

Denn wohin diese Politik führt, konnten wir die Tage auch in der Antwort der Landesregierung auf unsere große Anfrage zur Armut und Ungleichheit im Saarland nachlesen. Die Zahl der Einkommensmillionäre wächst auch im Saarland, ebenso wächst in vielen Bereichen die Armut. Die berühmte Schere geht immer weiter auseinander, auch bei uns.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, was mir in der Debatte ein bisschen fehlt - einiges ist angerissen worden -, ist die Frage, wie das Ganze denn funktioniert, die Betreuung der Kleinsten. Was ist mit denen, die sich um die Kleinsten kümmern? Es gibt Ankündigungen und Willensbekundungen, viele Missstände zu ändern. Wir müssen aber mehr über die tatsächliche Entlastung der Erzieherinnen und Erzieher und über eine bessere Personalausstattung im Kitabereich reden. Die schlagen längst Alarm. Auch das kostet Geld, das wissen wir, aber das ist dringend notwendig. Das gehört in diese Diskussion rund um Kinderbetreuung und -bildung mit hinein, es darf nicht ausgeblendet werden.

Wir hören dann: Der Saarland-Pakt macht Kitas besser. Das hat das Bildungsministerium in einer großen Werbekampagne verkündet. Das gestehe ich einem Minister zu. Das ist ja in gewissem Sinne auch ein politischer Erfolg. Wir hoffen, dass das Abstandsgebot zur Kommunalwahl entsprechend eingehalten ist, was die Werbung anbelangt.

(Sprechen und einzelne Zurufe.)

In dieser großen Werbekampagne heißt es, ich darf zitieren: Es gibt Kitas, die besonders viel leisten, damit Kinder gute Chancen haben. Diese Kitas brauchen Unterstützung und mehr Personal. Das macht der Saarland-Pakt möglich. - So wird darin eine Erzieherin zitiert.

Das ist so weit in Ordnung. Ich finde es aber sehr aussagekräftig, was daraufhin zum Beispiel auf Facebook an Reaktionen kam. Auch da möchte ich zitieren. Alle Kitas leisten besonders viel und allen Kitas fehlt es an Unterstützung, Personal, optimalen Rahmenbedingungen, heißt es da etwa als Kommentar auf dieser Seite. Oder: In welchen Einrichtungen wurde denn nun am Personalschlüssel etwas verbessert? Wann soll denn das stattfinden? Es kommen immer mehr Aufgaben dazu, so heißt es. An die Kinder wird in höheren Ebenen nicht gedacht. - Das würde ich so nicht unterschreiben, aber so wird es kommuniziert.

(Abg. Renner (SPD) : Aber Hauptsache, man hat zitiert!)

Oder: Die Aufgabenkataloge sind gewachsen, der Personalschlüssel ist auf dem Minimum, die Krankenscheine häufen sich gerade wegen der höheren Belastung. - Das sind ganz bezeichnende Antworten

und das wollte ich in dieser Debatte auch in die Diskussion mit hineingeben. Es fehlt hier einiges. Die Kitas sind mit ihren Erzieherinnen und Erziehern längst am Limit. Das darf nicht vergessen werden, ganz im Gegenteil, das muss viel ernster genommen werden.

(Beifall bei der LINKEN.)

Deswegen unterstützen wir in diesen Fragen die Gewerkschaften Verdi und GEW. Die Kolleginnen und Kollegen waren ja in fast allen Fraktionen unterwegs zu Gesprächen. Das ist auch gut so. Die notwendige personelle Aufstockung darf nicht immer einfach weggewischt werden nach dem Motto „Es ist im Moment kein Geld da, anderes geht vor“. Das geht einfach nicht! All das darf hier nicht unter die Räder kommen.

Es geht auch um die Verbesserung der viel beschworenen Betreuungsqualität, die funktioniert aber nur mit hoch motivierten Erzieherinnen und Erziehern. Hier muss dringend an den Stellschrauben im System gedreht werden. Sie haben ja eben einiges angekündigt, das fand ich auch sehr gut. Sie haben die Ausbildungsverbesserung angesprochen, Sie haben Entlastung angekündigt.

Aber um es noch einmal zusammenzufassen: In den vergangenen Jahren ist nicht nur die Zahl der Kinder in der Ganztagsbetreuung gestiegen, auch die Problemlagen sind vielfältiger geworden mit der Folge, dass für die pädagogischen Kräfte erheblich mehr Arbeit anfällt. Das muss sich doch im Betreuungsverhältnis von Fachkräften zu Kindern widerspiegeln, sonst geht das salopp gesagt wirklich schief, und die Kinder und alle anderen im Kitabetrieb leiden darunter. Es braucht also mehr Personal.

Eine klare Sprache sprechen auch die Unterstützerzahlen der entsprechenden Online-Petition der Verdi-Fachgruppe „Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe“, die Sie hoffentlich alle mit unterzeichnet haben. Von 10.000 Unterstützenden war am Schluss die Rede, zum Ende, als sie eingestellt worden ist, um übergeben zu werden, circa 8.220 aus dem Saarland. Das spricht schon Bände, das ist eine Leistung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich sage es noch einmal: Es ist richtig, den hohen Anteil der Bundesmittel zur Senkung der Elternbeiträge zu nutzen. Sie müssen aber auch sehen, dass es schon Bauchschmerzen bereitet, dass wir gar nicht wissen, wie wir all das in vier, fünf Jahren weiter finanzieren können. Denn die Bundesregierung hat sich zwar einen schönen Namen ausgedacht, der ist wirklich gelungen für das Gesetz, das Gute-KiTa-Gesetz, aber sie hüllt sich in Schweigen, ob es ab 2022 weiterhin Geld für die guten Kitas geben wird. Das ist eine ganz zentrale Frage, die heute noch nicht beantwortet worden ist. Hier sind wir wieder an dem Punkt, dass wir nur hoffen können auf den politischen

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

Druck aus dem Land. Der funktioniert ja nicht überall, wie wir heute Morgen in einer spannenden Aktuellen Aussprache nachvollziehen konnten - zumindest aus unserer Sicht.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es sind noch viele Fragen offen. Trotzdem und trotz Kritik an manchen Stellen geht der Gesetzentwurf in die richtige Richtung. Das Land zieht endlich nach auf dem Weg hin zur Beitragsfreiheit. Deswegen stimmen wir zu, ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN.)

Ich danke der Kollegin und rufe für die SPD-Landtagsfraktion Frau Kollegin Martina Holzner auf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! 08.00 Uhr morgens in einer beliebigen Kita bei uns im Saarland: Eine Kitaleiterin empfängt eine Mutter, die ihr Kind anmelden möchte. Nach der Vorstellung des pädagogischen Konzepts kommt der finanzielle Teil 350 Euro plus Essens- und Pflegegeld. Die Mutter überlegt und entscheidet, dass es sich nicht lohnt zu arbeiten, wenn sie Fahrtkosten zur Arbeit und ihren Teilzeitjob den Ausgaben für die Krippe entgegenstellt.

Das ist nur ein Beispiel, aber genau für diese Mutter und alle anderen Familien im Saarland machen wir heute endlich einen großen Schritt zu mehr Bildungsgerechtigkeit. Wir steigen in die schrittweise Senkung der Elternbeiträge für die Betreuung der Kitas ein und werden auch die Eltern in Horten und in der Kindertagespflege entlasten. Wir beginnen jetzt! Zum 01. August dieses Jahres werden die Beiträge, die Eltern maximal zahlen müssen, von 25 Prozent auf 21 Prozent der Personalkosten gesenkt. Nächstes Jahr sind es maximal noch 17 Prozent, 2021 13 Prozent und ab dem 01. August 2022 zahlen Eltern für die Betreuung ihrer Kinder in Kitas nur noch maximal 12,5 Prozent der Personalkosten. Wer heute beispielsweise 182 Euro im Monat für einen Kitaplatz bezahlt, spart in den nächsten drei Jahren rund 3.000 Euro. Im Krippenbereich ist die Entlastung noch deutlicher. Die oben genannte Mutter spart bei einem Krippenplatz von heute 350 Euro rund 2.000 Euro im Jahr.

Der Anteil des Landes steigt entsprechend an. Was wir bei den Eltern entlasten, übernimmt künftig das Land. Wir werden die Mittel aus dem Saarland-Pakt und dem Gute-KiTa-Gesetz einbringen, insgesamt 91,8 Millionen Euro, die uns zur Verfügung stehen. Davon sind 46,3 Millionen Euro Bundesmittel. Diese Summe zeigt schon, die Bundesmittel dürfen 2022

nicht wegfallen. Deshalb kämpfen wir schon heute für die Verstetigung der Bundesmittel.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Denn unser Ziel ist ganz klar: Die vollständige Beitragsfreiheit nach 2022 muss kommen!

(Beifall bei der SPD.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Eltern im Saarland sehen im Vergleich zu Eltern aus anderen Bundesländern den höchsten Handlungsbedarf bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Studien der vergangenen Jahre zeigen uns, dass Familien im Saarland besonders stark belastet sind, weil sie hohe Beiträge für die Betreuung ihrer Kinder in Kitas zahlen müssen. Ein Betreuungsplatz kostet sie durchschnittlich 7,2 Prozent ihres Nettoeinkommens.

Wir alle kennen die Situation in den Familien. In der Regel ist es der Arbeitsverdienst der Frauen - nehmen wir unser Beispiel vom Anfang -, der wegen der Betreuungskosten auf der Strecke bleibt, denn sie stellen sich die Frage, ob es sich überhaupt lohnt, arbeiten zu gehen. Diesen strukturellen Problemen begegnen wir. Wir schaffen endlich eine echte Wahlfreiheit für Frauen und bessere Perspektiven zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Eine erst letzte Woche veröffentlichte Studie führt uns noch ein weiteres Problem vor Augen. Wir haben im Saarland einen der höchsten Anteile an Kindern, die in Armut leben. Das ist erschreckend, wie ich finde. Ich kann deswegen nur zu dem Schluss kommen, dass wir handeln müssen. Investitionen in die Bildung unserer Kinder sind keine Frage nach dem Ob, sondern nach dem Wie und das muss uns gelingen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das heißt aber auch, dass der Ausbau weiterer Kitaplätze vorangetrieben werden muss, um allen Kindern einen Kitaplatz zu bieten. Dass mehr Krippen und Kitas entstehen, war in den letzten Jahren eine der Hauptanstrengungen des Ministeriums für Bildung und Kultur gemeinsam mit den Kommunen. Besonders durch die höhere Inanspruchnahme und - erfreulicherweise - gestiegene Geburtenzahlen sowie auch die Zuwanderung besuchen heute fast 4.000 Kinder mehr als in 2012 eine saarländische Kindertageseinrichtung. Damit der Ausbau schneller vorangehen kann, sollen die Förderrichtlinien für Kitabaumaßnahmen neugestaltet und beispielsweise die Fördersätze für Krippen und Kitas angeglichen und erstmals auch die Förderung von Mietkosten, Sanierungen und Umbauten ermöglicht werden.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) )

Der hier vorliegende Gesetzesentwurf enthält noch weitere wichtige Änderungen. Der Minister hat es eben schon erwähnt. Künftig soll der Träger den Beitrag für das ganze Kindergartenjahr verbindlich festlegen. Derzeit erhöhen einige Träger den Beitrag während des laufenden Kindergartenjahres. Nun haben die Eltern für ein Jahr Planungssicherheit und müssen sich keine Sorgen mehr über eventuelle Erhöhungen und damit ungeplante finanzielle Belastungen machen.

Für Geschwisterkinder gilt, dass die Familie ab dem zweiten Kind nicht mehr den vollen Beitrag zahlen muss. Für das zweite Kind reduziert sich der Beitrag um 25 Prozent, für das dritte um 50 Prozent, für das vierte um 75 Prozent, das fünfte kann schließlich sogar beitragsfrei die Kita besuchen. Dies ist wichtig, denn alle kindergeldberechtigten Kinder in einer Familie werden nun berücksichtigt und nicht mehr nur die Kinder bis zum 14. Lebensjahr.

Mehr Bildungsgerechtigkeit, echte und direkt spürbare Entlastungen von Familien, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine Entlastung der Kommunen und schlussendlich eine Stärkung der Wirtschaft, wenn wieder mehr Eltern berufstätig sein können - das erreichen wir mit diesem Gesetz.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Wir wollen aber nicht nur die Eltern entlasten. Wir werden mit den Mitteln aus dem Gute-KiTa-Gesetz natürlich auch in die Qualität unserer Kitas investieren und die pädagogischen Fachkräfte bei ihrer wertvollen Arbeit in den Einrichtungen unterstützen. Kollegin Spaniol, wir werden die pädagogischen Fachkräfte auf dem Weg mitnehmen und weiterhin gemeinsam im Verfahren eine gute Unterstützung der Kräfte vor Ort erreichen.

Ein erster guter Schritt ist bereits gemacht. Mit dem neuen Standort der Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher in Merzig erhöhen wir bereits zum kommenden Schuljahr die Ausbildungskapazitäten und tragen dazu bei, dass interessierte Schülerinnen und Schüler aus dieser Region die Ausbildung wohnortnah absolvieren können. Das ist aber noch nicht alles. Mit dem Einstieg in die praxisintegrierte Ausbildung zum kommenden Schuljahr steigern wir die Attraktivität des Berufs, Erzieherinnen und Erzieher bekommen endlich eine Ausbildungsvergütung.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Denn wer kann sich drei von vier Jahren Ausbildung ohne Einkünfte leisten? Über das Bundesprogramm können wir Schülerinnen und Schülern hier im Saarland eine Ausbildung in dualisierter Form anbieten, inklusive Ausbildungsvergütung. Dieser Einstieg ist wichtig. Wir brauchen mehr junge Menschen, die den Beruf des Erziehers oder der Erzieherin wählen.

Wir brauchen mehr gut ausgebildete Fachkräfte, um den gestiegenen Bedarf abdecken zu können.

Ein zweiter wichtiger Schritt ist, dass mit der Umsetzung des Gute-KiTa-Gesetzes auch Kitas mit besonders hohen Herausforderung bedacht und eine Verbesserung beim Fachkräfte-Kind-Schlüssel in diesen Einrichtungen sichergestellt werden soll. Die Stärkung der Leitungen in Kitas ist ein dritter wichtiger Aspekt. Kitaleitungen sind echte Allrounder. Sie organisieren den Kitabetrieb, sie sind die Personalabteilung der Kita, und meist sind sie die Ansprechperson für Probleme unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie bei den Eltern. Neben ihrer Büroarbeit sind sie in den Gruppen präsent, machen Telefondienst und stehen für alle Anliegen zur Verfügung. Wir alle können uns vorstellen, dass das nicht einfach beziehungsweise eigentlich fast unmöglich ist. Wir wollen deshalb, dass die Leitungen vor Ort entlastet werden und die Freistellung der Leitungen erweitert wird.

Viertens soll die sprachliche Bildung in Kitas weiter ausgebaut werden. Mit der Sprache entdecken unsere Kinder die Welt. Sie ist die Basis für ihr Handeln, ihr Spielen und ihr Lernen. So verstehen sie ihre Umgebung. Deshalb sollte die sprachliche Bildung so früh wie möglich beginnen und in den Alltag der Kinder integriert werden. Wir wollen entsprechende Maßnahmen im Rahmen der Umsetzung des Gute-KiTa-Gesetzes ergreifen. Denn nur mit altersgemäßen Sprachkenntnissen haben alle Kinder von Beginn an gute Bildungschancen.

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)

Des Weiteren soll auch der Ausbau der bilingualen Kitas weiterverfolgt werden.