Protokoll der Sitzung vom 30.10.2019

Das Wort hat nun die Ministerin für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr Anke Rehlinger.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Stahl in Europa, in Deutschland oder im Saarland zu haben, ist existenziell in mehrfacher Hinsicht. Im Einzelnen ist es existenziell für die Beschäftigten, die sich momentan durch die angekündigten Maßnahmen betroffen fühlen. Es ist existenziell für unser Bundesland, wenn man sich die Entstehung ansieht - es ist eben schon mal angesprochen worden. Es ist aber nicht nur für die Entstehung unseres Bundeslandes existenziell, sondern es ist auch für die Zukunft dieses Bundeslandes existenziell. Es ist darüber hinaus existenziell, wenn wir eine der wichtigsten Zukunftsfragen unserer Gesellschaft beantworten wollen, die da lautet: Wie können wir

tatsächlich den Klimawandel stoppen? - Alles in allem wollen wir heute und an vielen anderen Stellen vereint mit allen Kräften für den Erhalt der Stahlindustrie kämpfen.

Es ist eben zu Recht darauf hingewiesen worden, dass es kein anderes Bundesland gibt, das so stark verwurzelt mit Kohle und Stahl ist wie das Saarland. Uns gäbe es gar nicht, wenn es beides nicht in seiner Bedeutung gegeben hätte. So konstitutiv es für unser Entstehen war, so notwendig ist es auch für den Fortbestand unseres Bundeslandes. Das ist etwas, das über die normalen Branchenschwierigkeiten, die es hier und da immer mal gibt, deutlich hinausgehen wird.

Kohle und Stahl waren nicht nur existenziell und konstitutiv für dieses Bundesland, sondern auch für die Europäische Union. Die EGKS, Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, war der Vorläufer der heutigen Europäischen Union. Die Ideen, die die Europäer damals zusammengeführt haben, sind heute noch genauso richtig, wie sie damals richtig gewesen sind. Es ging darum, den Mitgliedsstaaten unter anderem Zugang zu Stahl zu gewähren, ohne Zölle zahlen zu müssen. Das war die Idee. Deutschland gehörte zu den Gründerstaaten. Es ging um den Beginn der institutionellen Zusammenarbeit Europas als Ort des Friedens, des relativen Wachstums und des Wohlstands.

Wenn wir auf der einen Seite sagen, dass es existenziell ist, dann hat das nicht nur etwas damit zu tun, dass es eine Latte von Wirtschaftsdaten gibt, die man rauf und runter beten kann, um deutlich zu machen, wie wichtig die Stahlbranche ist, sondern es hat auch etwas damit zu tun, dass es mehr ist als die eine beschriebene Branche. So wie es damals dort seinen Anfang genommen hat, so liegen auch jetzt eine Vielzahl von Antworten in Europa.

Es ist wichtig, dass wir uns hier im saarländischen Landtag einig sind. Wir sollten uns gar nicht kleiner machen, als das notwendig ist. Denn wenn ich die Vielzahl von Initiativen, Vorstößen und Ansprachen aller Art nehme, die teilweise ausschließlich aus dem Saarland, über die Parteigrenzen und auf unterschiedlichsten Ebenen hinweg erfolgen, dann ist das das Dynamischste und Wirkmächtigste, was ich im Moment in diesem Bereich für den Erhalt der Stahlindustrie in Deutschland erlebe. Ich finde, das kann man mal in aller Deutlichkeit sagen. So schön das für uns ist, so problematisch ist es für uns in der Sache, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Insofern geht es gar nicht darum, dass wir uns auf die Schulter klopfen wollen. Das könnten wir, aber damit wäre nichts erreicht. Es ist vielmehr geeignet, um das Ausmaß des Problems zu beschreiben. Ich sage das ausdrücklich auch mit Blick nach Nordrhein-Westfalen. Von Nordrhein-Westfalen als klassischem Industrieland würde ich mir wünschen, dass man dieses Thema etwas weiter oben auf die Tagesordnung setzt - und zwar in allen Bereichen, vor allen Dingen in Berlin und von Berlin ausgehend in Europa. Denn so stark, wie wir uns hier im Saarland fühlen können, und so gut, wie wir unsere Arbeit machen, so schwierig bleibt es, wenn wichtige industrielle Partner nicht mit gleicher Macht an unserer Seite marschieren.

Wir freuen uns natürlich an dieser Stelle, dass wir eine deutsche Kommissionspräsidentin haben. Ich finde, sie hat ein paar gute Sachen in ihrer Antrittsrede angesprochen. Sie hat dort auch über Stahl geredet. Wir müssen sie an der Stelle dann aber auch packen. Allein die Freude über eine deutsche Kommissionspräsidentin nützt uns nichts, wenn in den wesentlichen Fragen keine Unterstützung kommt. Ich will gar nicht unterstellen, dass sie nicht kommt, aber umgekehrt müssen wir sie genauso vehement einfordern. Ich finde, es wäre eine wunderbare erste Aufgabe für Frau von der Leyen, sich gemeinsam mit uns für die deutsche, die europäische Stahlindustrie einzusetzen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen und der LINKEN.)

So wichtig es ist, bei solch großen Fragen eine historische Betrachtung anzustellen, so wichtig ist es natürlich, in das Hier und Jetzt, aber auch in das Morgen und Übermorgen zu kucken.

Die wirtschaftspolitischen und standortpolitischen Eckdaten sind eben alle hinreichend genannt worden. Ich möchte nur einen Punkt hinzufügen, weil eben gesagt worden ist, dass die Zahl der Beschäftigten in dieser Branche deutlich geringer ist als in anderen Branchen. Ich möchte darauf hinweisen, dass es eine Vielzahl an völlig unumstrittenen Studien gibt, die Aussagen zur volkswirtschaftlichen Bedeutsamkeit der Stahlindustrie treffen. Sie machen deutlich, dass an jedem Arbeitsplatz der Stahlindustrie ein fünf- bis sechsfacher Wert hängt, was die entsprechenden Zuliefererindustrien angeht. Insofern kann man die absolute Zahl mit sechs multiplizieren. Dann weiß man, dass es hier nicht um eine Kleinigkeit geht. Es geht erst recht nicht um eine Kleinigkeit, wenn man auf die Qualität der Arbeitsplätze schaut, die im weiten Sinne am Kriterium der

(Ministerin Rehlinger)

Guten Arbeit orientiert sind. Es ist ein volkswirtschaftlicher Nutzen und umgekehrt ein volkswirtschaftlicher Schaden, wenn wir nicht mit entsprechenden Erfolgen auftreten können.

Die Überschriften sind immer und überall klar. Es ist schön, dass sich so viele dahinter versammeln und alle die Resolution unterschreiben würden, die lautet: Die Stahlindustrie ist das Rückgrat nicht nur der deutschen, sondern auch der europäischen Volkswirtschaft. - Allein damit haben wir aber noch nichts erreicht. Ich finde, wir sind an einem Punkt angekommen, wo das Unterzeichnen einer gemeinsamen Resolution nicht mehr der größtmögliche Erfolg ist, verehrte Damen und Herren. Es geht vielmehr darum, dass die Stahlindustrie nicht von heute auf morgen und nicht bei jedem der genannten Unternehmen sofort und gleich einen Niedergang erfahren wird. Es wird eine schleichende Entwicklung sein aufgrund von Investitionen, die nicht getätigt werden, Verlagerungen von Teilen der Produktion an andere außereuropäische Standorte und dem dazugehörigen Verlust von Arbeitsplätzen.

Stahl muss Zukunft haben, wenn wir eine Zukunft haben wollen - das ist die Formel, unter der wir alle gemeinsam unterwegs sind, um genau die Grundlagen für diese Zukunft zu legen. Wenn wir annehmen, dass das existenzielle Bedeutung hat, dann hat es im Moment auch eine existenzielle Bedeutung für eine andere wichtige Zukunftsfrage, nämlich den Klimaschutz. In diesem Zusammenhang ist Stahl nicht das Problem, sondern Stahl ist in diesem Zusammenhang ein Teil der Lösung allein aufgrund der Produkte, die dort hergestellt werden, wie Leichtbau und Windkraftanlagen. All das funktioniert nur, wenn der Stahl, über den wir jetzt reden, in Zukunft produziert wird. Es funktioniert nur dann, wenn der Stahl, über den wir dort reden, hier produziert wird. Das will ich aber gar nicht ausführen, weil ich mittlerweile den Eindruck habe, dass selbst Grundschulkinder schon den Begriff „Carbon Leakage“ kennen. Es geht darum, zu verhindern, dass die Stahlproduktion, die hier unter guten Bedingungen erfolgt, verlagert wird und Stahl an anderen Orten unter schlechten Bedingungen hergestellt wird. Nichts anderes ist damit gemeint. Wer englische Worte nicht mag, kann letztlich auch sagen, dass die Verlagerung von Produktion nicht dem Klima, sondern allenfalls China hilft. Das ist der Gedanke, der dahintersteht. Es muss auch denjenigen, die Klimaschutz ernsthaft betreiben wollen, ein wichtiges Anliegen sein, genau das zu verhindern.

Es ist richtig, darauf hinzuweisen - auch wenn sich „Klima“ und „China“ sprachlich besser miteinander verbinden lassen -, dass die Tonnagen des nach

Europa importierten Stahls aus China mittlerweile gar nicht mehr das zentrale Problem sind. Da lohnt in der Tat auch ein Blick auf die Türkei: Dort will der Staatspräsident gerade einen autokratischen Staat aufbauen, das Europäische Parlament hat bereits Wirtschaftssanktionen verhängt. Man könnte ja möglicherweise auch einmal einen Blick auf die aus der Türkei stammenden Stahlimporte werfen!

Im Grunde ist das aber ja gar nicht die eigentliche Idee. Die eigentliche Idee von Europa besteht ja nicht darin, ständig Handelshemmnisse aufzubauen oder mit Sanktionen zu antworten. Die eigentliche Idee von Europa ist ja, freien Warenverkehr zu ermöglichen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, das sage ich mit Blick auf die AfD: Ganz sicher nicht hilfreich ist es zu glauben, man müsste einfach nur die Augen fest genug zudrücken, dann würde das mit dem Klimawandel schon wieder vorübergehen. Niemand, der eine ernstzunehmende Politik machen möchte, darf ausblenden, dass wir eine Aufgabe haben, bei der es um den Klimaschutz geht. Klar ist auch, dass es dabei jetzt auch um konkrete Maßnahmen geht, auch um solche, die Einfluss auf bestimmte Branchen haben. Deshalb darf man nun diese Maßnahmen nicht einfach unterlassen, man darf es aber eben auch nicht unterlassen, parallel flankierende und abfedernde Maßnahmen zu ergreifen.

Wir haben erlebt, dass in Saarbrücken 9.000 Saarländerinnen und Saarländer für mehr Klimaschutz demonstriert haben. Sie haben recht; wenn sie auf die Straße gehen, schließen sie sich einer legitimen Forderung an. Ebenso haben die Schülerinnen und Schüler recht, wenn sie fordern, dass mit dem Klimaschutz endlich ernst gemacht werden soll. Ich sage aber genauso deutlich: Wenn die Stahlarbeiterinnen und Stahlarbeiter, unterstützt übrigens von den Beschäftigten der Automobilindustrie, hier vor dem saarländischen Landtag demonstrieren, wenn sie so demonstrieren, wie sie es vor ein paar Jahren in einer riesigen Stahldemo getan haben, haben sie genauso recht. Ihnen geht es darum, für ihren Arbeitsplatz und für den Erhalt ihrer Branche zu kämpfen.

Damit wird aber auch die Aufgabe deutlich, vor der wir stehen, nämlich die Dekarbonisierung unserer Gesellschaft nicht mit der Deindustrialisierung unserer Gesellschaft zu bezahlen. Darum geht‘s - nicht um weniger. Dieser Aufgabe haben wir uns zu verschreiben, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei der LINKEN.)

Wir würden den Menschen, die mit ihrem Fleiß, ihrem Engagement und ihrem Wissen bis zum heuti

(Ministerin Rehlinger)

gen Tag - und hoffentlich noch viele Tage darüber hinaus - in der Industrie arbeiten und damit einen wesentlichen Bestandteil unseres Wohlstandsmodells darstellen, nicht gerecht, müssten wir ihnen sagen, dass das mit Blick auf die Vergangenheit toll war, dass sie aber spätestens ab heute auf der falschen Seite der Geschichte stehen. Das wäre eine Botschaft, die nicht nur in der Sache falsch wäre, sondern auch gesellschaftspolitisch eine Katastrophe darstellen würde.

Denn über das Thema, das wir hier besprechen, reden wir nicht nur aus wirtschaftspolitischer und nicht nur aus standortpolitischer Sicht. Wir reden darüber vielmehr mittlerweile auch aus gesellschaftspolitischer Sicht. Viele Aspekte des Wandels machen den Menschen Angst: Digitalisierung, Globalisierung - und jetzt auch noch der Klimaschutz. Oft haben die Gleichen Angst, Verlierer all dieser Prozesse zu sein. Wir dürfen es einfach nicht zulassen, nun erneut eine Gruppe von Verlierern zu produzieren, hier nun die „Klimaschutzverlierer“. Ich weiß, man sollte das nicht als Kassandra-Ruf sagen, gleichwohl müssen wir es deutlich machen: Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht Beschäftigte, die schlicht nur Angst davor haben, abgehängt zu werden und keine Perspektive mehr zu haben, in die Arme derer treiben, die tatsächlich für nichts eine Lösung haben das haben wir eben noch einmal gehört -, aber für alles und jedes einen Sündenbock haben. Damit stellt sich uns eben nicht nur eine wirtschaftspolitische, sondern auch eine gesellschaftspolitische Aufgabe. Wir müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen, schon aufpassen, damit wir nicht irgendwann in einem Land wachwerden, vor dem wir uns selbst erschrecken! Das geht weit, weit über die Frage, ob wir mit 3 oder 5 Prozent an Safeguard die richtige Maßnahme haben, hinaus, Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Da wir uns das alles hier so erzählen und uns versichern, dass wir das für gut und richtig halten, stellt sich allerdings die Frage, warum das an entscheidenden Stellen noch nicht im ausreichenden Maße geschieht. Diese Frage müssen wir uns stellen. Vielleicht stimmen ja die Argumente nicht, vielleicht sind wir nicht überzeugend genug. Vielleicht gehen wir auch den falschen Weg?

Ich glaube, eine Antwort ist, dass das Thema Industriepolitik seit vielen Jahren tatsächlich nicht mehr en vogue ist. Industriepolitik, das war etwas für Schmuddelkinder. Das ist gebrandmarkt worden, war „old economy“. Man wollte lieber „click off“ statt „Glück auf!“ haben. Damit hat man aber eine ganze

Industrie in die Ecke gestellt. Dann kam die Digitalisierung auch für die Industrie, die Industrie 4.0, und plötzlich hatte man eigentlich ein ganz modernes Gesicht der Industrie. Zeitgleich hatten wir auch eine gute Phase der Wirtschaft; wir erleben nun seit nahezu zehn Jahren in Folge Wirtschaftswachstum. Ich glaube, dass einerseits dieses „die Industrie in die Schmuddelecke Stellen“ und andrerseits eine gewisse Schläfrigkeit in Sachen aktiver Wirtschaftspolitik als Folge der guten Konjunktur dazu beigetragen haben, dass die erforderlichen Kräfte nun nicht mobilisiert sind. Man hat das einfach als Selbstverständlichkeit angenommen.

Das halte ich für falsch. Ich glaube, dass wir eine aktive Wirtschaftspolitik und auch eine aktive Industriepolitik brauchen und dass wir auch vermeintliche Widersprüche benennen müssen. Allerdings sehe ich diese Widersprüche noch nicht einmal! Legt man eine allzu kurzfristige Betrachtung an, mag man sie erkennen. Entscheidet man, jetzt den billigen Stahl haben zu wollen, weil er eben jetzt zu haben ist, und riskiert man damit, dass die deutsche und die europäische Stahlindustrie verschwinden, ist man nachher von anderen abhängig, für die zumindest ich nicht sicher voraussetzen würde, dass sie anschließend ihre Preise weiter niedrig halten. Ich sage das hier nicht zum ersten Mal, und ich glaube, dass wir das heute auch nicht zum letzten Mal sagen müssen.

Ich freue mich, um auch das einmal zu sagen, dass die IG Metall hier im Saarland diesen Widerspruch so nicht aufmacht. Denn die Forderungen, die auf dem Zettel stehen, sind nicht nur aus Sicht der Stahlbranche niedergeschrieben worden. Diese Zettel tragen vielmehr das Logo der IG Metall in Gänze. Auch unter diesem Gesichtspunkt wäre es nicht schlecht, würde der eine oder andere in der Republik mal einen Blick in dieses Land werfen. Hier demonstriert nicht nur Fridays‑for‑Future zusammen mit der Stahlindustrie, sondern auch die IG Metall und die Wirtschaftsverbände betreiben eben nicht die angesprochene Unterscheidung, die ich für komplett falsch halte. Es ist richtig, die Dinge an dieser Stelle zusammen zu denken, und zwar auf einer langen Zeitachse. Das gilt sowohl für die IG Metall als auch für den BDI. Hier zu unterscheiden ist falsch, das führt mit Blick auf die Zukunft in die falsche Richtung. Wir hier im Saarland machen es besser, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Neben dem Umstand, dass einige die Industrie nicht mögen, ist auch das Verstehen der Antworten schwierig. Denn das, was ich hier nun vortrage, hat

(Ministerin Rehlinger)

nichts mit einem gewünschten Schwarz-Weiß- oder Gut-Böse-Schema zu tun. Das ist vielmehr ein komplizierter Weg in der Mitte.

Man muss auch - das ist ein dritter Grund - das Bild zurechtrücken, wenn der Eindruck entsteht, es ginge um eine Branche, die per se, sozusagen aus ihrem Geschäftsmodell heraus, kränkelnd sei. Das ist völlig falsch! Diese Branche ist gut aufgestellt. Es gibt allerdings verschärfte politische, auch ordnungspolitische, Rahmenbedingungen, die es ihr nicht ermöglichen, ihre Wettbewerbsstärke auszuspielen. Denn mit diesen Rahmenbedingungen belasten wir die Branche hier anders, als das bei außereuropäischen Standorten der Fall ist. Angesichts dessen geht es hier nicht um die Subventionierung einer Branche, vielmehr versuchen wir, wieder Wettbewerbsgleichheit herzustellen.

In diesem Sinne fordern wir, dass die Unternehmen der Stahlindustrie auch unterstützt werden. Das ist keineswegs eine allein auf das Saarland bezogene Forderung, sondern eine Forderung zugunsten der deutschen Stahlindustrie insgesamt. Insofern ist das Saarland kein abgrenzbarer Einzelfall, erst recht kein „abkanzelbarer“ Einzelfall, sondern ein Bundesland, bei dem die Notwendigkeit, aktive Industriepolitik zu betreiben, früher offenkundig wird als in anderen Bundesländern. Man sollte uns geradezu dankbar sein, dass wir diesen Umstand offenlegen, bevor das Ganze nicht mehr einzufangen ist, weil es in der gesamten Republik um sich greift. Und deshalb ist die Zeit noch da zu handeln, aber umgekehrt ist es auch notwendig, genau jetzt zu handeln, und zwar konkret.

Viele von uns sagen in ihren Reden immer, wir müssen jetzt den sozial-ökologischen Umbau, den Erhalt der Schöpfung - jeder auch gerne in seiner ParteiRhetorik - hinbekommen, und zwar ohne dass die Menschen dafür mit ihrem Arbeitsplatz bezahlen müssen. Aber wenn das auch in Zukunft stimmen soll, müssen wir jetzt etwas tun, denn jetzt haben wir einen konkreten Anwendungsfall. Das ist dann nicht mehr nur eine abstrakte Überschrift für irgendeine Rede, sondern jetzt geht es genau darum, das zu tun, wofür wir uns die ganze Zeit rühmen und was wir für das Wichtigste für die Zukunft halten. Die Zukunft ist genau jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen! Und deshalb muss jetzt gehandelt und nicht mehr so furchtbar viel geredet werden, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Es gibt dabei Forderungen an uns selbst, an die Politik auf Bundesebene und auch auf europäischer Ebene. Ich will sie gar nicht mehr alle wiederholen,

wir sind da in nahezu allen Punkten, glaube ich, völlig im Gleichklang miteinander unterwegs, das hat der Ministerpräsident auch ausgeführt. Wir brauchen zum einen jetzt Unterstützung für Investitionen, wir müssen aber auch die Frage klären, wie es mit erhöhten Betriebskosten für die Zukunft sein wird. Wir wollen ja nicht nur, dass das, was neu gemacht werden muss, einmal hingestellt wird, sondern wir wollen, dass das Produkt, was herauskommt, am Ende wettbewerbsfähig auf dem Markt platziert werden kann. Wenn wir uns da die Rahmenbedingungen ankucken, wird das nicht einfach sein.

Da gibt es auch noch ein paar ganz praktische Fragen zu klären. Wenn man erstens nicht auf Cattenom angewiesen sein will und zweitens nicht davon ausgeht, dass man mit der Errichtung weiterer Windkraftanlagen allein den Strom produzieren kann, den man für einen Elektrolichtbogenofen braucht, wird man jetzt im Rahmen des Kohleausstiegsgesetzes solche Anreize setzen müssen, dass Kraftwerksbetreiber hier im Saarland einen Investitionsanreiz dafür sehen, ihre Kraftwerke von Kohle auf Gas umzurüsten. Das sind kleine praktische Fragen, über die ich gern mal diskutieren würde, allerdings sind so viele auf der Metaebene unterwegs, dass es geradezu anstrengend erscheint, sich mit der Realität zu befassen. Dieser Punkt muss überwunden werden, weil es hier nicht einfach nur um Texte, Beschlüsse oder Sonstiges geht, sondern um viele Tausend Arbeitsplätze. Letztendlich geht es um den Standort hier im Saarland, aber es geht noch um mehr, es geht um die Wirtschaft und die Industrie in ganz Deutschland, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ja, und auch wenn die CO2-Abgabe nicht mein liebstes Instrument ist, weil ich nicht glaube, dass der Welthandel in erster Linie darauf ausgerichtet sein sollte, werden wir auch darüber diskutieren müssen, aber in einer WTO-konformen Ausgestaltung. Am Ende geht es ja nicht darum, Europa wieder abzuschotten, das war ja gar nicht die Aufgabe. Es war aber schon die Aufgabe, das, was einzelne Länder nicht durchsetzen können, als starkes Europa durchzusetzen. Deshalb muss man aber auch dann stark sein, wenn es gilt! Insofern glaube ich, dass neben dem, was wir gegenüber der Bundesregierung gefordert haben, natürlich auch der auf europäischer Ebene geforderte Innovationsfonds ein großes Potenzial bietet für Antworten insbesondere auf die Frage der Betriebskosten.

Ich will noch einmal kurz auf das Unternehmen eingehen. Es ist eben völlig richtig gesagt worden: Man muss erst mal kucken, was man produzieren will, wo

(Ministerin Rehlinger)

man es verkaufen will und was für Produktionsabläufe man dafür braucht. Anschließend muss man sich anschauen, wie viele Leute man dafür braucht. Dann weiß man, welche Möglichkeiten man hat, um Personal einzusparen oder auch nicht. Das hielte ich für eine kluge Reihenfolge. Wenn es dann dazu kommt, dass man abbauen muss, gilt immer, dass die Sozialverträglichkeit an erster Stelle steht. Das gilt nicht nur für fest Beschäftigte, sondern ausdrücklich auch für Befristete. Es gilt auch da, die Montanmitbestimmung nicht mit Füßen zu treten, sondern mit ihr eine Lösung zu erreichen, denn ohne sie wird es keine Lösung geben.

Ich sage auch klar und in aller Deutlichkeit: Ich bin seit Monaten und Jahren unterwegs, egal mit wem, ob es die Gewerkschaften und Betriebsräte sind oder die Unternehmensleitungen, um dafür zu sorgen, dass Gelder zur Verfügung stehen. Ich habe aber umgekehrt auch die Erwartungshaltung an das Unternehmen, dass man dann, wenn Geld zur Verfügung steht, auch in der Lage ist, ein Konzept zu präsentieren und sich um diese Gelder zu bewerben. Das ist die Mindesterwartung, die ich habe. Und das Konzept, das einzig und allein Unterstützung von mir erfahren wird, ist eines, das eine Realisierung und eine Investition im Saarland zum Gegenstand hat, denn darum geht es. Wir wollen nicht die Arbeitsplätze ins außereuropäische Ausland verlagert wissen, sondern wir wollen hier für die Beschäftigten an der Saar sorgen. Darum geht es bei allen Investitionen, die wir unterstützen und bei allem Geld, das ich gerne und überall einfordern will, Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)