Protokoll der Sitzung vom 01.12.2020

Ich will nun zur Krankheit selbst kommen und einige Punkte ansprechen. Einig sind wir uns alle, nehme ich an - was ich hier sage, gilt ausdrücklich für die Landesregierung, für die Koalitionsfraktionen, für jeden -, dass wir bei unseren Entscheidungen versuchen wollen, den Schaden, den diese Krankheit verursachen kann, so gering wie möglich zu halten, und dass wir versuchen wollen, so zu entscheiden, dass möglichst wenige Menschen sterben. Also geht es nur um die Frage, was wir tun können, um dieses Ziel zu erreichen. Die Nachverfolgung ist ein Instrument, die Frage ist, ob es sinnvoll ist. Dies kollidiert mit dem von mir bereits angesprochenen Punkt der Inzidenz, 50 Infektionen in einer Woche. Es gibt erhebliche Kritik. Ich habe eine ganze Reihe von Aufsätzen dazu gelesen. Man sieht, dass die Mediziner, die unterschiedlich wissenschaftlich arbeiten, zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Man kann kaum noch von sich aus etwas dazu sagen, man kann nur die Plausibilität bemühen, um zu beurteilen. Ich wiederhole es noch einmal, ich bin der Auffassung, dass diese PCR-Tests nicht die Grundlage sein sollten. Ich bin der Auffassung, wie eine ganze Reihe von Medizinern, die sich dazu geäußert haben, dass wir in erster Linie die Krankenhausbelegung - dazu ist bereits etwas gesagt worden -, die Belegung der Intensivbetten und letztendlich der Beatmungsbetten und dann eben die Todeszahlen heranziehen sollten. Das sind für mich die Zahlen, die relativ unstrittig sind und aufgrund derer man operieren kann.

Dazu kann ich sagen, dass zurzeit die Belegung der Intensivbetten und der Beatmungsplätze immer noch nicht Veranlassung zur besonderen Sorge geben. Es geht mir immer darum, dass die Menschen das einordnen können, was hier erzählt wird. Wenn man Zahlen nennt, ohne den Rahmen zur erwähnen, worum es eigentlich geht, dann können die Menschen das nicht einordnen. Ich habe Ihnen gesagt, wenn man gefragt hat, wie viele Menschen im Saarland sterben, wissen das die meisten nicht.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Dann können sie aber die Zahl von 287 Toten natürlich nicht einordnen. Der eine oder andere meint, das wäre ganz schlimm, demnächst würde er auch sterben. Ich habe nicht umsonst darauf hingewiesen, dass im letzten Jahr im Saarland 851 Menschen an Atemwegserkrankungen gestorben sind, und die kühne Prognose gewagt, dass wir diese Zahl in keinem Fall übertreffen werden.

Sie haben natürlich recht, Frau Kollegin Heib, dass wir bei der Bewertung der Zahlen die Einschränkungen beachten müssen, denn es ist klar, dass etwa die Grippewelle gebrochen wird, wenn wir in dieser Form auf Distanz gehen und Hygienemaßnahmen durchführen. Dennoch können wir gar nicht anders, als Zahlen heranzuziehen, um zu einigermaßen gesicherten Urteilen zu kommen - das meint evidenzbasierte Medizin. Wir sind also der Auffassung, dass wir uns stärker an diesen Zahlen orientieren und sie nicht überbewerten sollten. Ich habe sogar eine ganze Reihe von medizinischen Aufsätzen gelesen, die zu dem Ergebnis kommen, dass in letzter Zeit falsch getestet worden ist, weil der PCR-Test eben eine Bestätigung im Labor braucht. In dem Moment, wo die Nachfrage sehr groß war, wurde nur die erste Runde gemacht, aber die zweite nicht mehr.

Hinzu kommt - ich will Sie nicht länger in Anspruch nehmen, die Zeit läuft davon -, dass der Test nicht standardisiert ist. Ein Test mit 40 Zyklen ist anders zu bewerten als einer mit zehn Zyklen. Es gibt Mediziner, die sagen, ein Test mit 40 Zyklen ist wertlos, denn wenn er eine Infektion aufweist, ist es nicht richtig und die oder der Betreffende ist auf keinen Fall infektiös. Ich erwähne das, um zu verdeutlichen, warum ich diese Ziffer nach wie vor anzweifle, dies auch nach der Lektüre vieler Aufsätze.

Entscheidend für uns ist nach wie vor, dass es kaum irgendwo die Zahlengrundlage gibt, die wir brauchen. Warum dies in den letzten Monaten nicht in Angriff genommen worden ist, weiß ich nicht. An der Zeit kann es nicht mehr liegen. Wenn man eine solche Entscheidung auf gesicherter Grundlage treffen will, dann braucht man repräsentative Untersuchungen.

(Beifall bei der LINKEN.)

Das haben wir immer wieder gesagt, deshalb wollen wir auch eine Debatte. Wir sind überzeugt, und es ist wissenschaftlich unbestritten, dass repräsentative Untersuchungen natürlich eine viel bessere Grundlage sind, um Entscheidungen zu treffen. Das gilt für alle denkbaren Wissenschaften. Hier wäre das auf jeden Fall dringend geboten gewesen. Wir bedauern, dass das immer noch nicht gemacht wird. Wenn es irgendwo gemacht worden ist, dann sind es nur rudimentäre Ansätze. Die eigentliche Forderung, die eben heißt, es würde um einige Tausende gehen, die ständig getestet werden, ist aber nicht erfüllt worden. Warum? Das entzieht sich meiner oder un

serer Kenntnis. Wenn man also keine gesicherte Grundlage hat, dann steht man auch in einer gewissen Unsicherheit, wenn es um Entscheidungen geht. Es ist richtig, wir wüssten für unsere Entscheidung gerne, wer sich eigentlich wo ansteckt.

Nun frage ich Sie noch etwas, vielleicht kann jemand dazu etwas sagen: Was passiert eigentlich mit den Zetteln, die wir im Restaurant immer brav ausgefüllt haben? Was passiert eigentlich mit den Zetteln, die wir beim Friseur immer so brav ausfüllen? Ich weiß es nicht. Es besteht die Hoffnung, dass dabei irgendwann irgendetwas herauskommt, wie etwa: Aufgrund einer solchen Untersuchung haben wir festgestellt, dass sich da oder dort so und so viele Leute anstecken. - Dann könnte man auf dieser Grundlage entscheiden. Mir sind solche Untersuchungen aber nicht bekannt. Ich weiß nicht, ob sie jemandem bekannt sind, dann kann er sie hier vortragen. Man kann etwas übersehen, aber mir sind sie nicht bekannt. Das ist wiederum das Vertrauen, von dem ich gesprochen habe und von dem auch der CDU-Politiker und Historiker Rödder gesprochen hat. Wenn die Leute immer brav ihre Zettel ausfüllen, aber nichts kommt, was ist dann? Dann werden die Leute sagen: Warum fülle ich eigentlich immer wieder einen Zettel aus?

Ich komme zu der Frage, ob wir im Saarland noch Nachholbedarf haben. Ich will aufgrund der Zeit nur einen von den vielen Punkten aufgreifen, die anzusprechen wären, und das ist die Pflege. Ich habe auch das letzte Mal darüber gesprochen, ich will nicht alles wiederholen. Das letzte Mal wurde von den Koalitionsparteien und der Ministerin darauf hingewiesen, dass das Saarland bei der Ausbildung durchaus Fortschritte gemacht hat. Das wird auch bundesweit anerkannt, insofern erkenne ich das ebenfalls an, ich danke auch, dass das gemacht worden ist. Nun muss ich leider ein Aber hinzufügen, das Sie dann auch akzeptieren müssen. Wenn man über die Pflege im Saarland reden will, dann braucht man Zahlen. Das habe ich das letzte Mal schon gesagt. Verdi hat beispielsweise 2018 gesagt, dass 3.000 Stellen fehlen. Das mag übertrieben gewesen sein, vielleicht waren es nur 2.000 oder 1.000 Stellen, aber irgendwann hätte ich gerne Zahlen. Irgendwann möchte ich gerne hören, 2018 hatten wir so viel Pflegepersonal, 2019 so viel Pflegepersonal und so viel waren in der Lage, auf der Intensivstation zu arbeiten.

Jetzt kommen wir nämlich zum entscheidenden Punkt. Die Politiker, die an Entscheidungen beteiligt waren, haben alle gesagt, wir wollen eine Überlastung vermeiden. Aber sehr konsequent waren sie nicht! Das sieht man bei den Intensivbetten. Intensivbetten brauchen natürlich Pflegepersonal. Nun hat sich in Deutschland etwas ganz Wundersames ereignet: Wir hatten im Sommer - ich zitiere aus dem Gedächtnis, Sie können das in den Untersuchungen

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

nachlesen - etwas über 30.000 Intensivbetten. Dann auf einmal waren es 26.000, es sind also 5.000 herausgerechnet worden. Mediziner, die befragt wurden, haben gesagt, wir haben das Personal nicht dazu, also haben wir sie wieder herausgenommen. Andere, die sich mit der ökonomischen Seite beschäftigt haben, haben gesagt: Ja, es hat sich gelohnt das zuerst anzumelden, aber als wir die Zuschüsse bekommen haben, haben wir das leise wieder herausgenommen. Ich kann das abschließend nicht beurteilen, aber wenn man sagt, wir wollen die Überlastung vermeiden, dann muss man auch den Engpass zählen. Der Engpass bei der ganzen Entwicklung sind die Intensivbetten und natürlich das Pflegepersonal. In einem haben die Kritiker recht: Die besten Betten nützen gar nichts, wenn man nicht das notwendige Pflegepersonal hat.

(Beifall bei der LINKEN und der fraktionslosen Abgeordneten Ensch-Engel.)

Deswegen sage ich nach wie vor: Bitte Zahlen! Ansonsten ist das für mich etwas nervig; ich sitze dann hier und spiele mit meinem Handy oder so, wenn allgemein hier rumerzählt wird. Nein, ich will konkret wissen, wieviel wann wo! Das fordern auch die betroffenen Arbeitnehmer. Dann kann man dazu doch auch Stellung nehmen und etwas sagen.

Dasselbe gilt für die Altersheime. Herr Ministerpräsident, Sie haben Ihre Kabinettsmitglieder gelobt, um die Stimmung im Kabinett zu verbessern. Das ist völlig in Ordnung, aber was ist in unseren Pflegeheimen? Warum sind in immer mehr Pflegeheimen so viele Erkrankungen festzustellen? Jetzt ziehe ich schon wieder einen CDU-Politiker heran, so gemein bin ich heute mal. Herr Brinkhaus hatte vielleicht recht, als er sagte: Wir haben für die Heime keine richtige Strategie, wir haben für die Tests keine richtige Strategie und wir haben eben für die Impfung keine richtige Strategie. Das hat er im Bundestag gesagt. Nun mag er da oder dort überzogen haben, aber ich muss sagen, mir hat das imponiert, dass man den Eindruck hatte: Moment, hier wird es in der Debatte spannend, hier lässt einer seinen Frust los. Es ging zunächst um die Finanzen, aber es ist richtig, dass da oder dort zum Beispiel immer noch zu wenig Hygienemaßnahmen eingehalten werden können. Das ist ganz einfach: Wenn zu wenig Pflegepersonal da ist, dann leidet die Hygiene darunter, das weiß jeder Praktiker, und das führt zu zusätzlichen Erkrankungen. Deshalb müssen wir diesen Engpass überwinden. Das ist ein ganz zentraler Punkt.

(Beifall von der LINKEN.)

Deshalb nützt es nichts, wenn wir uns hier gegenseitig loben. Als Kinder haben wir immer etwas über Selbstlob erzählt bekommen, das will ich jetzt nicht zitieren, sonst bekäme ich vielleicht eine Rüge. Also: „Selbstlob …“, da haben wir irgendetwas gehört. Es

wäre doch besser, wenn wir diese Engpässe mal anpeilen und sagen würden, die müssen wir überwinden, weil sich sonst das Selbstlob irgendwo im Nirwana verliert.

Ich komme dann zum nächsten Punkt, der Ausbildung. Es ist gut, dass die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin gesagt haben, dass sie die Schulen so lange wie irgend möglich offenhalten. Aber das wird ja auch von allen Parlamenten getragen, soweit ich das sehe. Es ist richtig, die Bildungsministerin ist hier in einer schwierigen Situation, weil sie oft zwischen den Stühlen sitzt, wie Sie gesagt haben. Das erinnert mich an das schöne Epigramm von Arnfried Astel: „Zwischen den Stühlen sitzt der Liberale auf seinem Sessel.“

(Heiterkeit.)

Kennen Sie das nicht? Das ist die Beschreibung, dass man manchmal zwischen den Stühlen auch bequem sitzt. - Die Ministerin sitzt aber nicht bequem zwischen den Stühlen, sondern sie sitzt eben tatsächlich im Feuer. Das ist aber einfach aufzulösen! Ich weiß nicht, ob Sie davon Gebrauch machen, Frau Ministerin, aber auf jeden Fall würde ich runde Tische empfehlen, denn wenn man alle Beteiligten an einen Tisch holt, trägt jeder auch irgendwo Mitverantwortung. Man sollte nicht selbst entscheiden, sondern die Beteiligten alle an einen Tisch holen.

(Beifall von der LINKEN.)

Ich glaube, das ist der einzige Ausweg, weil natürlich jeder seine Interessen sieht, das ist ja verständlich: die Lehrer, die Schüler, die Eltern, und das Kultusministerium muss irgendwie damit zurechtkommen. Auf jeden Fall ist das, glaube ich, ein Weg, das zu machen.

Wir unterstützen ausdrücklich Ihr entscheidendes Argument, dass man vorsichtig sein muss mit Teleunterricht, weil eben die sozial schwächeren Schüler darunter leiden. Sie haben darauf hingewiesen, dass 20 Prozent davon betroffen sind. Sie haben auch darauf hingewiesen, dass oft die Räume dafür gar nicht da sind. Wir unterstützen Sie ausdrücklich, Frau Ministerin, um das in aller Klarheit hier zu sagen. Das ist die Linie, die wir verfolgen.

(Beifall von der LINKEN.)

Deshalb ist vielleicht ein runder Tisch der Ausweg. Vielleicht - man sollte es auf jeden Fall mal versuchen.

Weil wir nicht wissen, wie lange das Ganze noch geht, sind wir der Auffassung, dass man manches vorsichtig öffnen muss. Beim Einzelhandel würde ich raten, so wie Schleswig-Holstein und MecklenburgVorpommern vorzugehen, das sage ich auch als jemand, der öfter einkaufen geht und das Geschehen dort sehr gut kennt. Ich weiß nicht, ob das klug ist,

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

was bei den Supermärkten jetzt bevorsteht, dass sich Schlangen vor dem Eingang bilden. Das ist ja vielfach kritisiert worden, man kann es aber selbstverständlich auch anders sehen. Aber ich will hier sagen, ich würde dazu raten, das so zu lassen wie bisher.

Und, das wird Sie nicht wundern, ich würde auch dazu raten, die Gastronomie vorsichtig zu öffnen. Wenn dort Hygienekonzepte vorgelegt werden, kann man wirklich vorsichtig öffnen. Ich habe hier die Gastronomie immer als Leuchtturm unseres Landes bezeichnet. Das ist mir ein Herzensanliegen, da sollte man vorsichtig öffnen. Da werden nicht alle mitmachen, das muss man dann klären. Aber ich will Ihnen etwas sagen, das ich mehrfach beobachtet habe: Wenn man in einem Restaurant ist, das die entsprechenden Abstandsregelungen hat, ist die Abstandsregelung auch unter Bekannten und Verwandten besser eingehalten, als wenn dieselbe Veranstaltung zu Hause wäre. Ich gebe Ihnen das nur mal zum Nachdenken mit. Wir haben davon Abstand genommen, heute einen Antrag zu formulieren; wie die Abstimmung ausgegangen wäre, kann man sich ja denken. Deshalb geben wir diese beiden Anregungen, sich beim Einzelhandel so zu verhalten wie andere Bundesländer und bei der Gastronomie vorsichtig zu öffnen.

Zusammenfassung: Bei dem Ganzen kommt es darauf an, dass wir das Vertrauen in der Bevölkerung zu erhalten versuchen. Da stimmen wir überein, ich will hier nicht den Eindruck erwecken, dass Sie das nicht wollen. Darauf kommt es an! Nach meiner Auffassung, und das kritisiere ich allerdings nicht nur an den politischen Entscheidungen, sondern auch an der veröffentlichten Meinung, kommt es darauf an, dass man den Menschen die Möglichkeit gibt, die ganzen Meldungen auch einzuordnen! Sie kennen den Vergleich mit Flugzeugabstürzen. Wenn man hört, wie viele Menschen bei Flugzeugabstürzen ums Leben kommen, ist das eine Schreckensbotschaft. Aber wenn irgendjemand auf die Idee kommt, zu sagen, wie wenige Flugzeuge in Deutschland abstürzen, kann der Mensch das einordnen. Es geht also um die Einordnung.

Ich schließe mit dem Hinweis auf die psychologischen Auswirkungen der Pandemie, nicht nur auf die sozialen. Le Monde - ab und zu lese ich die Presse unseres Nachbarlandes - hat jetzt noch einmal darauf hingewiesen, dass in Frankreich erhebliche negative psychologische Auswirkungen festzustellen sind, dazu gibt es Untersuchungen, aufgrund der Angst davor, wie sich die Pandemie ausbreitet. Dies sollte man immer wieder beachten. Deshalb muss man versuchen, möglichst genau die Situation der einzelnen Menschen zu sehen, und man muss zumindest das Anliegen haben, diese Angst nicht zu groß werden zu lassen und sie nicht durch leichtfertige Äußerungen zu steigern. Denn nur, wenn wir

das Vertrauen erhalten, nur, wenn wir auch das Vertrauen in unsere demokratischen Instanzen erhalten, werden wir gut durch die Pandemie kommen, von der keiner genau weiß, wie lange sie dauern wird. Ich schließe mich Ihrem Wunsch an, dass wir in einigen Monaten mithilfe der Impfungen die Pandemie weitgehend überwunden haben, denn auf Dauer würde ein Weiterlaufen dieser Pandemie unserer Gesellschaft nicht guttun.

(Anhaltender Beifall von der LINKEN.)

Für die SPD-Landtagsfraktion spricht nun als Nächster ihr Fraktionsvorsitzender Ulrich Commerçon.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte zunächst einmal auch ein Dankeschön an Herrn Lafontaine aussprechen, damit dem auch mal Genüge getan wird, weil man ihm zu wenig dankt. Ich finde, er hat einiges Wichtige gesagt. Ich teile nicht alles, was Sie gesagt haben, aber auf das eine oder andere komme ich noch mal zurück.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich will mit dem Thema Beteiligung des Landtages beginnen. Die Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin ist kein Verfassungsorgan. Dennoch ist es richtig, in dieser Runde einheitliche Corona-Maßnahmen zu verabreden, denn es hat, das wissen wir, zu Beginn der Corona-Pandemie für einige Verwirrung gesorgt, dass in einem Bundesland die eine Regelung galt und in dem anderen Bundesland eine andere. Insofern findet das unsere ausdrückliche Unterstützung.

Wir wissen auch, Verabredungen alleine reichen nicht aus, es braucht auch Umsetzungen und praktikable Lösungen in den Ländern. Und diese wiederum sind Grundlage dafür, dass die Akzeptanz der Maßnahmen in der Bevölkerung hoch bleibt. Diese Auffassung teile ich ausdrücklich. Nur, wenn die Akzeptanz in der Bevölkerung da ist, werden wir die Pandemie erfolgreich bekämpfen können. Ich glaube, das ist der wesentliche Satz bei der Pandemiebekämpfung.

(Beifall von der SPD und bei der CDU.)

Um das zu erreichen, ist eben die öffentliche Debatte und gerade die Debatte in den Länderparlamenten nicht nur hilfreich, sondern erforderlich, und sie ist auch verfassungsrechtlich erforderlich, das hat uns beispielsweise der Verfassungsgerichtshof des Saarlandes gesagt. Deswegen bin ich der Auffassung, dass wir im Monat 9 der Pandemie endlich auch einen praktikablen Mechanismus zur Beteiligung unseres Parlaments brauchen. Die SPD-Frak

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

tion - die Frau Kollegin Heib hat es bereits angesprochen - hat deshalb einen, wie ich finde, pragmatischen Vorschlag gemacht, um dieses Problem dauerhaft und verlässlich zu lösen. Wir bieten an, mit den anderen Fraktionen darüber weiter zu sprechen. Es bietet sich in der Tat an, in der entsprechenden Projektgruppe darüber zu diskutieren.

Ich sage aber auch: An einer Stelle bin ich anderer Auffassung als Sie, Herr Kollege Lafontaine. Ich will nicht als Parlament jedes Detail einzeln regeln. Ich bin nicht der Auffassung, dass wir im Plenum alle 14 Tage zusammenkommen müssen, um die Frage zu beantworten, ob nun für 10 m² eine Person im Einzelhandel zugelassen wird oder für 20 m². Ich bin der Auffassung, wir als Parlament sind in der Pflicht, wir haben das Recht, wir fordern das auch ein, hier in diesem Hause die Grundlagen zu beschließen, aber nicht jedes Detail. Das muss dann am Schluss die Regierung bewältigen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich glaube auch, und da unterstütze ich Ihre Position, dass es nicht ausreicht, nach der Verordnung das Parlament zu unterrichten und debattieren zu lassen. Entscheidend ist eine Befassung des Parlaments, bevor eine neue Verordnung in Kraft tritt, zumindest wenn sie wesentliche Dinge ändert. Eine Reihe von Ländern, ich habe mir das mal angeschaut, praktiziert dies bereits. Ich habe mal ins Nachbarland Rheinland-Pfalz geschaut, man muss ja nicht immer gleich weit weg schauen. Die dortige Ministerpräsidentin beispielsweise schaltet sich jeweils nach den Runden im Bundeskanzleramt oder nach den Digitalschaltkonferenzen in die dortige Sitzung des Ältestenrates ein. Bei uns heißt dieses Gremium Erweitertes Präsidium. Ich finde, das wäre eine pragmatische Lösung, dass wir sagen könnten: Nach den Runden der MinisterpräsidentInnen mit der Bundeskanzlerin berät das Erweiterte Präsidium darüber, und das kann auch darüber beschließen, ob man dafür eine Sondersitzung des gesamten Plenums braucht oder nicht. Das wäre ein pragmatischer Vorschlag. Ich lade Sie sehr herzlich ein, darüber mit uns konstruktiv zu diskutieren.

Es kommt noch etwas hinzu. Das Parlament muss auch pandemietauglich tagen können, und das jederzeit, auch damit haben wir uns zu beschäftigen. Ich habe deswegen den Landtagspräsidenten gestern im Präsidium gebeten, dass wir im Erweiterten Präsidium mal darüber diskutieren. Ich appelliere an Sie, die Kolleginnen und Kollegen in den anderen Fraktionen, dass wir uns dann darüber unterhalten. Ein bisschen zugespitzt will ich sagen: Ich habe keine Lust, alle 14 Tage darüber zu diskutieren, ob gerade mal eine Halle zur Verfügung steht, damit wir tagen können, oder es in die Terminkalender der Ministerinnen und Minister und des Ministerpräsidenten passt. Ich glaube, es gehört zum Selbstverständ

nis des Parlaments, dass es jederzeit auch in kurzer Frist tagen kann. Ich denke, das müssen wir in Zukunft sicherstellen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Zur pandemischen Lage insgesamt will ich auch ein paar Bemerkungen machen. Die Zahl der Neuinfektionen, das müssen wir leider feststellen, ist nicht in dem Maße gesunken, wie sich das Bund und Länder zunächst erhofft hatten. Stattdessen haben die Belegungszahlen bei Intensivbetten in Teilen Deutschlands schon - bei uns zum Glück noch nicht - einen kritischen Punkt erreicht. Eine Überlastung des Gesundheitssystems und damit extrem ansteigende Todeszahlen müssen, ich glaube, da sind wir uns einig, unbedingt verhindert werden. Das muss im Fokus des Interesses stehen. Deshalb ist die Verlängerung der Einschränkungen über den November hinaus auch nach Ansicht meiner Fraktion richtig. Über Einzelheiten, was geregelt werden muss, haben wir beim letzten Mal diskutiert. Ich glaube immer noch, dass wir die Museen hätten auflassen können. Aber am Schluss wird man einen Kompromiss finden müssen, daran würde ich es jetzt nicht scheitern lassen. Darüber kann man auch geteilter Meinung sein.