Protokoll der Sitzung vom 25.01.2008

Was wollen die Linken bzw. die Herrschaften vom Zentralrat mit der heutigen Debatte erreichen?

Sie wollen erklärtermaßen die Tätigkeit der Stiftung Sächsische Gedenkstätten auf eine andere Grundlage stellen und dafür das sächsische Gedenkstättengesetz vom 28. Februar 2003 kippen. Anstoß nimmt DIE LINKE ganz offensichtlich am Leitmotiv der Stiftung selbst. Ich darf zitieren: „Zweck der Stiftung ist es, diejenigen Stätten im Freistaat Sachsen zu erschließen, zu fördern und zu betreuen, die an politische Gewaltverbrechen von überregionaler Tragweite, von besonderer historischer Bedeutung, an politische Verfolgung, an Staatsterror und an staatlich organisierte Morde erinnern.“ Ich zitiere weiter: „Die Stiftung hat die Opfer politischer Gewaltherrschaft und den Widerstand gegen die Diktaturen zu würdigen sowie die Strukturen und Methoden der jeweiligen Herrschaftssysteme für die Öffentlichkeit zu dokumentieren.“

Nicht mehr und nicht weniger. Mit keiner Silbe wird hier irgendetwas bewertet oder gewichtet, gleichgesetzt oder verharmlost. Dennoch setzt der Zentralrat der Juden eine Kampagne in Gang und kündigte im Jahre 2004 die Mitarbeit in den Gremien der Stiftung Sächsische Gedenkstätten auf. Kein Wunder, dass sich dieser Aktion sofort die üblichen Verdächtigen anschlossen, darunter der Zentralrat der Zigeuner, – –

Herr Gansel, ich erteile Ihnen jetzt einen Ordnungsruf! Wenn Sie das noch einmal wiederholen, verweise ich Sie vom Pult!

Oh, sehr streng!

Ich fahre fort in der Aufzählung: die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes sowie die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz. Die Juden und – wie soll man sie denn nennen? Roma und Sinti? Mobile ethnische Minderheit? – die Roma und Sinti wollen die Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit auf die zwölf Jahre Nationalsozialismus verkürzen, damit sie die Deutschen

noch 63 Jahre nach Kriegsende moralisch demütigen, politisch erpressen und finanziell ausquetschen können.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile Ihnen jetzt einen Ordnungsruf für diese Gegenüberstellung!

Und die Altkommunisten von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes wollen die Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit auf zwölf Jahre Nationalsozialismus reduzieren, damit die Staatsverbrechen der SED im Konkreten und die Menschheitsverbrechen des Kommunismus im Allgemeinen in Vergessenheit geraten.

Die Motive für den Boykott der Stiftung Sächsische Gedenkstätten sind also in hohem Maße interessen- und ideologiegeleitet.

DIE LINKE will aber nicht nur das sächsische Gedenkstättengesetz ändern, sondern auch das an sächsischen Vorgaben ausgerichtete Gedenkstättengesetz des Bundes torpedieren, das federführend von dem CDU-Abgeordneten Günther Nooke ausgearbeitet wurde. DIE LINKE will mit ihrer Gedenkstättenpolitik die Ergebnisse des Historikerstreits von 1987 – und damit ihre zeitgeschichtliche Deutungshoheit – zementieren. Das bedeutet die Dämonisierung rechter Diktaturen bei gleichzeitiger Bagatellisierung linker Diktaturen bei striktem Vergleichsverbot, und es bedeutet eine geschmacklose OpferHierarchisierung.

Dem Vorsitzenden des Stiftungsbeirates in Sachsen Tobias Hollitzer drängten sich nach dem Rückzug des Zentralrates der Juden aus dem Stiftungsbeirat einige Fragen auf. Ich zitiere Herrn Hollitzer: „Worin aber soll nun die Unzumutbarkeit der gemeinsamen Arbeit in einem Beirat liegen? Gibt es Opfer verschiedener Klassen? Oder geht es um politisch-ideologisches Kalkül? Alle Beteiligten können nur gewinnen, wenn sie in einem Gremium zusammen gegen das Vergessen arbeiten. Die Arbeit muss vom Respekt vor der individuellen Leidensgeschichte aller Opfer getragen werden

Bitte zum Schluss kommen!

und von wissenschaftlicher Objektivität geprägt sein.“ – Ich komme zum Ende.

Der verstorbene konservative Publizist Johannes Gross gab zu bedenken: „Die Verwaltung der deutschen Schuld und die Pflege des deutschen Schuldbewusstseins sind ein Herrschaftsinstrument. Es liegt in der Hand aller, die Herrschaft über die Deutschen ausüben wollen, drinnen und draußen.“

Dieses Herrschaftsinstrument des Schuldkultes

Schluss jetzt, bitte.

will die NPD-Fraktion nicht in die Hände der PDS gelegt wissen. Deswegen treten wir entschieden

Schluss jetzt!

gegen eine Novellierung des Gedenkstättengesetzes ein.

(Beifall bei der NPD – Martin Dulig, SPD: Ekelhaft!)

Ich erteile das Wort der Fraktion der FDP.

(Karl Nolle, SPD: Guten Morgen, Herr Gansel! – Jürgen Gansel, NPD: Sie hatten vorgestern Ihren Auftritt, Herr Nolle!)

Herr Dr. Schmalfuß, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Demokratie lebt davon, dass sie von uns Bürgern gestaltet wird, dass wir uns einmischen, dass wir wachsam sind. Demokratie muss von innen heraus gelebt werden. Sie ist die Staatsform, die immer wieder neu gelernt werden muss.

Ohne Zweifel ist es deshalb unsere Pflicht, die Erinnerung an die Vergangenheit wach zu halten und an nachfolgende Generationen weiterzugeben. Das ist eine der Grundvoraussetzungen dafür, dass wir künftige Gefährdungen der Demokratie erkennen und ihnen rechtzeitig entgegenwirken können.

Der Erhalt der Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft ist damit grundlegend für die demokratische Erinnerungskultur sowie für die historischpolitische Bildung. Die Gedenkorte dienen dabei nicht nur der Erinnerung und vermitteln geschichtliches Wissen. Sie regen auch die Auseinandersetzung über die Vergangenheit an und sensibilisieren für aktuelle und künftige Gefährdungen unserer Demokratie.

(Beifall bei der FDP)

Ohne Zweifel ist für eine angemessene Gedenkstättenarbeit eine Beteiligung aller Opfergruppen wichtig. Das ist vor allem deshalb von großer Bedeutung, weil es unter dem Dach der Stiftung eine Reihe von sächsischen Gedenkorten gibt, wie zum Beispiel Torgau, an denen vor und nach 1945 politisches Unrecht begangen wurde.

Deshalb ist es umso bedauerlicher, dass der Zentralrat der Juden und die NS-Opferverbände ihre Mitarbeit in den Stiftungsgremien bereits seit 2004 ruhen lassen und dass seitdem noch keine Lösung gefunden wurde.

Sehr geehrte Damen und Herren der Linksfraktion, die Zerwürfnisse um das sächsische Gedenkstättengesetz sind aber für eine parteipolitische Instrumentarisierung denkbar ungeeignet.

(Beifall bei der FDP – Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Der von der Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst aufgenommene Dialog mit allen Beteiligten ist noch im Gange. Es ist äußerst fraglich, welchen Beitrag eine

parteipolitische Auseinandersetzung im Sächsischen Landtag zum jetzigen Zeitpunkt zur Lösung leisten könnte.

(Beifall der Abg. Gunther Hatzsch und Dr. Gisela Schwarz, SPD)

Sie, verehrte Mitglieder der Linksfraktion, setzen dieses Thema zu einer Unzeit auf die Tagesordnung.

(Beifall der Abg. Margit Weihnert, SPD – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Seit vier Jahren passiert nichts!)

Die FDP-Fraktion erwartet von der Staatsministerin, den bereits begonnenen Dialog mit den Opferverbänden fortzusetzen. Wir hoffen, dass es möglichst zeitnah gelingt, eine gute und zufriedenstellende Lösung für alle beteiligten Seiten für dieses sensible Thema zu finden. Die Unterstützung meiner Fraktion haben Sie für diese Gespräche.

(Beifall bei der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Ich erteile der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort; Herr Dr. Gerstenberg, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Für mich gibt es diesbezüglich keine Frage: Der Gegenstand, über den wir heute debattieren, muss behandelt und über diesen muss diskutiert werden; denn es kann nicht angehen, dass die Stiftung weiterarbeitet, als wäre nichts geschehen, während eine Opfergruppe seit Jahren nicht mehr in den Gremien vertreten ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Herr Dr. Hahn, warum aber bemühen Sie dazu eine Aktuelle Debatte? Die Situation ist nicht neu. Ich glaube, eine Aktuelle Debatte ist für die Behandlung dieses Themas die denkbar ungeeignetste Form,

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

einerseits, weil es eines hohen Maßes an Sensibilität bedarf, wenn nicht noch mehr Porzellan zerschlagen werden soll; andererseits beteiligt diese Form einmal mehr nur die Staatsregierung und die Landtagsabgeordneten am Diskurs. Externe Sachverständige und somit auch die Betroffenen und die Opferverbände sind von vornherein ausgeschlossen, und das, obwohl doch gerade die Politikdominanz einer Ihrer Kritikpunkte ist. Deshalb werde ich mich auch nicht am parteipolitischen Schlagabtausch beteiligen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Ich will heute vielmehr auf offene Fragen hinweisen, statt voreilige Antworten zu geben. Wichtig ist, dass nach den Zeiten der Sprachstörung offen miteinander kommuniziert wird.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Das Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, die Opferverbände, die Fördervereine und die Gedenkstättenmitarbeiter müssen sich zu einem neutral moderierten Gespräch zusammenfinden und offen, aber ergebnisorientiert diskutieren, und zwar über die Konflikte und Unzulänglichkeiten, die sich aus dem Gedenkstättengesetz bzw. der Stiftungsstruktur ergeben haben. Eine solche Diskussion wird zeigen, dass die Präambeländerung der Satzung allein völlig unzureichend ist.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)