Protokoll der Sitzung vom 25.01.2008

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Auf diese Weise kann der Prozess zur Novellierung des Gedenkstättengesetzes in Gang kommen, und zwar ehrlich und transparent von Anfang an. Natürlich hatten auch wir in die Änderung der Präambel und die Einrichtung zweier Beiratsausschüsse Hoffnungen gesetzt, und zwar die Hoffnung, dass dies von allen Seiten als erster kleiner Schritt gesehen wird, der alle für den beschriebenen offenen Diskussionsprozess zusammenführt – nicht mehr und nicht weniger. Eine grundsätzliche Überarbeitung des Gesetzes hatte sich für uns dabei nicht erledigt. Dem steht schon allein die Frage der Verbindlichkeit entgegen, denn die Satzung hat keinen Gesetzescharakter; sie kann jederzeit vom Stiftungsrat mit einfacher Mehrheit geändert werden.

Damit wäre ich bei dem Komplex der vielen Unzulänglichkeiten und Konflikte des derzeitigen Gesetzes. Der größte und öffentlich am meisten diskutierte Konflikt ist die Parallelisierung von nationalsozialistischen Verbrechen sowie von Unterdrückung und Verfolgung in der SBZ/DDR.

(Beifall der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Zwar findet sich auch in der Satzung der sächsischen Gedenkstättenstiftung die inzwischen überall zitierte Maxime, dass „weder die nationalsozialistischen Verbrechen relativiert noch das von der SED-Diktatur verübte Unrecht bagatellisiert“ werden dürfe. Aber das reicht nicht. Hier möchte ich mit den Worten von Prof. KlausDietmar Henke sprechen: „Zu unterstreichen ist die kategoriale Differenz der beiden Systeme.“ – Darüber sollte unter demokratischen Parteien in diesem Hause Einigkeit bestehen.

(Beifall der Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, und Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Wenn diese Einigkeit besteht, dann muss sie sich auch im Gesetzestext und in der Satzung niederschlagen. Insofern müsste zumindest die Zweckbestimmung des Gesetzes überarbeitet werden.

Zudem ist zu überlegen, wie weitere Gedenkstätten und Initiativen, die an die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnern, unterstützt werden können. Wir setzen uns dafür ein, dass überregional bedeutsame Gedenkstätten, wie das

KZ Hohnstein, das KZ Sachsenburg und das Zwangsarbeiterlager Leipzig, in die Förderung der Stiftung aufgenommen werden.

(Beifall der Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE, und Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

In diese Überlegungen ist unbedingt der Epochenwechsel im Erinnern zu berücksichtigen. Mit dem Verschwinden einer Erfahrungsgeneration geht das kommunikative Erinnern in ein kulturelles über, was die Verantwortung für die Bildungsträger im Land erhöht.

Ein anderer Konfliktpunkt wurde bereits angesprochen: die Gremienzusammensetzung. Damit verbunden ist auch die Gremienarbeit. Werden in den Gremien tatsächlich grundsätzliche und alltägliche Fragen und Probleme der Gedenkstätten besprochen oder wurden durch das Stiftungskonstrukt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätten nur zusätzliche Barrieren aufgestellt, den Gedenkstätten gar ein Teil ihrer politischen Unabhängigkeit genommen?

Ferner geht es um die Frage: Wie geeignet ist eine unechte Stiftung mit der ihr innewohnenden Haushaltsabhängigkeit? Oder anders gefragt: Wie sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gedenkstätten ihrem Forschungs-, Dokumentations- und vor allem Bildungsauftrag nachkommen, wenn sie ihre Zeit mit Bitten und Betteln nach einer Bürogrundausstattung verbringen müssen?

Als letzten Punkt lassen Sie mich auf das bürgerschaftliche Engagement hinweisen, das sowohl auf dem Gebiet der Aufarbeitung der NS-Verbrechen als auch auf dem Gebiet der Aufarbeitung des Unrechts der SED-Diktatur einen enormen Beitrag geleistet hat, wie zum Beispiel in den Umweltbibliotheken und bei der Zwangsarbeitergedenkstätte Leipzig. Wie kann dieses Engagement gewürdigt werden?

Erinnerung und Aufarbeitung sind keine rein staatlichen Angelegenheiten. Hierfür sind Konzepte nötig, die eine lebendige Aufarbeitung von unten fördern. Sie sehen, werte Kolleginnen und Kollegen, der Handlungsbedarf ist groß.

Ich möchte zum Schluss aber meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der Prozess glücken wird. Was mich optimistisch stimmt, ist die Tatsache, dass übermorgen in diesem Haus Herr Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma, die Gedenkrede für die Opfer des Nationalsozialismus halten wird.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion DIE LINKE das Wort. Herr Dr. Külow, bitte.

(Frank Kupfer, CDU: Jetzt kommt der Richtige!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Den zweiten Teil der heutigen Debatte hat die Linksfraktion mit der

unmissverständlichen Forderung „Gedenkstättengesetz endlich novellieren“ überschrieben. Darum möchte ich, anknüpfend an den Diskussionsbeitrag unseres Fraktionsvorsitzenden, etwas genauer auf die konkreten Vorstellungen der Linksfraktion zu einer entsprechenden Gesetzesänderung eingehen, die offenkundig nun auch von der Staatsregierung als notwendig erkannt wird; zumindest deuten die begrüßenswerten jüngsten Verlautbarungen der zuständigen Ministerin darauf hin.

Bei unseren alternativen Vorschlägen orientieren wir uns an den Kritikpunkten der NS-Opferverbände, mit denen sich in den letzten Jahren leider nicht unvoreingenommen auseinandergesetzt wurde. In diesem Zusammenhang bedaure ich außerordentlich, dass bis auf Herrn Dr. Gerstenberg keiner der Vorredner auch nur auf einen dieser Kritikpunkte eingegangen ist.

Die Rede von Herrn Hatzsch kann ich hier nicht so stehen lassen. Am letzten Dienstag war Frau Ministerin Stange in unserer Fraktion. Es tut mir leid, dass ich das jetzt öffentlich machen muss, aber nach diesem pauschalen Angriff, uns gewissermaßen „Provokation“ vorzuwerfen, muss ich das erwähnen.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Sie hatte uns gebeten, diese Aktuelle Debatte abzusetzen,

(Zuruf des Abg. Gunther Hatzsch, SPD)

aber wir haben abgelehnt und signalisiert, dass wir sehr sensibel, sehr fair mit dem Thema umgehen wollen.

(Widerspruch von der SPD)

Was Sie gemacht haben, Herr Hatzsch:

(Zurufe der Abg. Gunther Hatzsch, SPD, und Johannes Lichdi, GRÜNE)

Sie sind nicht mit einem Wort auf die Vorwürfe der NSOpferverbände, die seit vier Jahren im Raum stehen, eingegangen.

(Zuruf des Abg. Gunther Hatzsch, SPD)

Sie haben Ihre Familiengeschichte bemüht. Das mag ehrenwert sein. Aber warum gehen Sie nicht mit einem Satz auf die Argumente ein, die in der „Leipziger Erklärung“ – Herr Hahn hatte sie zitiert – am 29. Oktober 2007 offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt worden sind?

(Zurufe von der SPD)

Sie haben als Vizepräsident für die Würde des Hauses eine spezielle Verantwortung. Sie haben hier eine Schärfe in die Debatte getragen, die völlig unnötig und auch unwürdig war, Herr Hatzsch. Das muss ich Ihnen an dieser Stelle einmal sagen. Das war auch politisch stillos.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe der Abg. Gunther Hatzsch und Martin Dulig, SPD)

Diese Kritik muss ich zurückweisen, Herr Külow. Herr Hatzsch hat nicht als Vizeprä

sident gesprochen, sondern als Landtagsabgeordneter für seine Fraktion. Bitte jetzt keine Vermischung!

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Insofern bin ich Herrn Dr. Gerstenberg, wie gesagt, sehr, sehr dankbar dafür, dass er den Handlungsbedarf benannt hat, da uns vorgeworfen wurde, wir hätten das zur Unzeit auf die Tagesordnung gesetzt.

Sie wissen, dass wir seit dreieinhalb Jahren einen diesbezüglichen Antrag im Geschäftsgang haben, und wir haben mit Frau Ludwig sowie mit Frau Stange viele Gespräche geführt und bei diesem Thema oftmals zurückgesteckt – dreieinhalb Jahre lang.

(Caren Lay, Linksfraktion: Ja, so ist es!)

Ich weiß nicht, Herr Schmalfuß, ob es in acht Jahren angemessen ist, öffentlich darüber zu debattieren. Und uns parteipolitische Instrumentalisierung vorzuwerfen – dieser Vorwurf geht völlig ins Leere. Wir nutzen lediglich die Möglichkeiten des Parlamentes, diese Kritikpunkte hier endlich einmal zu transportieren. Aber Sie wollen diese Kritikpunkte überhaupt nicht hören. Wenn also die NS-Opferverbände sagen, in Sachsen würde ein – ich zitiere – „gedenk- und erinnerungspolitischer Sonderweg beschritten“, dann ist das doch im politischen Alltagsgeschäft keine Aussage unter vielen. Das ist doch etwas, was uns aufrütteln und alle berühren muss. Es geht doch um das Selbstverständnis und das Ansehen des Freistaates Sachsen.

(Beifall der Abg. Caren Lay und Klaus Bartl, Linksfraktion)

Die NS-Opferverbände monieren, dass das „Recht auf bürgerschaftliche Mitwirkung“ im Grunde genommen zur „politischen Floskel“ erstarrt ist. Dazu hat auch Herr Dr. Gerstenberg einiges gesagt. Wir sind der Auffassung, dass die Gremien geändert werden müssten. Wenn man sich die Zusammensetzung des Stiftungsrates anschaut, dann wird klar, dass in diesem Gremium staatlich gelenkte Erinnerungskultur dominiert. Allein drei Minister sind Mitglied im Stiftungsrat. Auch die Schaffung zweier selbstständiger Stiftungsräte steht für uns völlig außer Frage.

Den eigentlichen politischen Krebsschaden hat Herr Dr. Hahn bereits benannt und kritisiert: die Nivellierung und Verharmlosung der NS-Menschheitsverbrechen durch die Gleichsetzung mit dem Unrecht, das nach 1945 zweifellos begangen wurde.

Vielleicht erleichtert es den anderen demokratischen Fraktionen den Zugang zu unserer Kardinalkritik, wenn sie sich etwas genauer mit der Anhörung im Deutschen Bundestag am 7. November 2007 beschäftigen. Herr Prof. Henke ist bereits zitiert worden; auch Prof. Faulenbach, Martin Sabrow und Peter Steinbach haben die Gleichsetzung der NS-Diktatur mit der DDR strikt zurückgewiesen. Ich möchte zwei Sätze von

Herrn Prof. Henke, der mit Sachsen bekanntlich sehr viel und mit der Linksfraktion sehr wenig am Hut hat, zitieren, damit Sie begreifen, was renommierte Zeithistoriker zu diesem Thema zu sagen haben; und ich denke, Prof. Henke hat es sehr gut auf den Punkt gebracht. Ich zitiere ihn: „Jeder Versuch, selbst der Anschein, den Nationalsozialismus und den diktatorischen Sozialismus in der Endstufe des Ausbaues von Gedenkstätten und Lernorten irgendwie äquivalent zu behandeln, ist historisch falsch, politisch verfehlt und kulturell verstörend.“ An anderer Stelle schrieb Henke den notorischen Gleichsetzern ins Stammbuch: „Es gibt keinerlei substanzielle Erkenntnis über die NS-Zeit, die nur auf dem Wege eines Vergleiches mit der DDR zu erlangen wäre – und umgekehrt.“ Vielleicht sollten Sie über diese Sätze einmal nachdenken.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wird von der CDU-Fraktion nochmals das Wort gewünscht? – Herr Hermsdorfer, bitte.