Protokoll der Sitzung vom 25.01.2008

(Beifall bei der SPD)

Aber sie müssen von den Gerichten konsequent genutzt werden und es darf keine Toleranz gegenüber Gewalttätern geben. Dazu gehört auch, dass Jugendliche sofort nach Abschluss der Ermittlungen vor den Richter kommen und dass eben nicht wegen Überlastung der Justiz erst Monate bis zu einem Urteilsspruch vergehen.

(Beifall bei der SPD – Karl Nolle, SPD: Jawohl!)

Die Fachwelt ist sich einig – das will ich hier festhalten –, dass die Erhöhung der Höchststrafe im Jugendstrafrecht von zehn auf 15 Jahre eben gerade nicht die Aussichten bei jungen Menschen auf ein künftiges Leben ohne Straftaten verbessern. Ein Teil der Debatte dreht sich auch um die Frage, ob bei Heranwachsenden – also 18- bis 21Jährigen – das Jugendstrafrecht zu häufig und in der Tat sogar als Regelfall angewendet wird.

Wenn wir uns die Zahlen aus dem Jahr 2006 im Freistaat Sachsen anschauen, dann sehen wir, dass von 5 906 verurteilten Heranwachsenden – also genau in diesem Alter – 3 107 nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurden. Das sind, wenn man das einmal überschläglich betrachtet, mehr als 50 %. Also gibt es in der Anwendungspraxis im Freistaat Sachsen de facto keinen Vorrang des Jugendstrafrechtes, sondern die Mehrzahl der Heranwachsenden wird nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt.

Es verwundert mich ein Stück weit, wenn einige Justizminister in vielen anderen Fragen – nicht beim Jugendstrafrecht – nicht müde werden, die Unabhängigkeit der

Justiz zu betonen, dann aber plötzlich Quoten bei der individuellen Beurteilung junger Menschen fordern.

Die Forderung, Heranwachsende grundsätzlich aus dem Jugendstrafrecht herauszunehmen, ist altbekannt. Altbekannt ist auch, dass sie nicht nur vom Deutschen Juristentag, sondern von der gesamten Fachwelt einhellig abgelehnt wird. Stellen wir uns einmal vor, was eine Gesetzesänderung dann bringen würde. Bei einer solchen Gesetzesänderung stünden für Heranwachsende nur noch die Geld- und Freiheitsstrafen als Sanktionen bereit, und die viel größeren Möglichkeiten, die das Jugendstrafrecht bietet, zum Beispiel Arrest und Weisung, lassen sich wesentlich effizienter einsetzen, um jugendlichen Heranwachsenden das Unrecht ihrer Tat zu verdeutlichen und weitere Taten zu verhindern.

Was Kollege Koch und weitere Diskussionsteilnehmer auch gern verschweigen, ist, dass natürlich im Kampf gegen Jugendkriminalität auch die Personalsituation in Polizei und Justiz eine Rolle spielt.

(Karl Nolle, SPD: Natürlich!)

Auch die Frage, wie viel Geld wir denn tatsächlich für Resozialisierung ausgeben, wird gerne unterschlagen. Es ist ja auch viel einfacher und bequemer, der Gesetzeslage die Schuld zuzuweisen, wenn die Rückfallquoten angeblich steigen.

Schauen wir einmal in die Kriminalstatistik. Da sehen wir, dass die Kriminalitätsentwicklung speziell bei jungen Tätern keinesfalls befriedigend ist. Das geben wir zu. Aber sie hat sich auch in letzter Zeit nicht dramatisch zum Negativen verändert. In einzelnen Bereichen sind sogar signifikante Verbesserungen zu beobachten. Nichts weiter als purer Populismus ist es, meine Damen und Herren, wenn wir Jugendkriminalität als Ausländerdomäne darstellen, denn das geben die Zahlen nun weiß Gott nicht her.

Lassen Sie mich noch kurz auf die Diskussion zu den sogenannten Erziehungscamps eingehen, egal nun, ob Boot- oder Erziehungscamp. Einrichtungen, die darauf abzielen, die Persönlichkeit junger Menschen zu brechen, verstoßen natürlich gegen die Menschenwürde, und sie bringen im Kampf gegen Jugendkriminalität keinerlei Fortschritte.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Zu Recht haben nach einem Aufschrei in der Fachwelt auch die Befürworter solcher Einrichtungen zurückgerudert. Da werden plötzlich sehr gute Resozialisierungseinrichtungen freier Träger quasi per Etikettenwechsel zu Erziehungscamps deklariert, auch wenn das den Betreibern dieser Einrichtungen teilweise gar nicht so richtig gefällt.

Die ultimative These, die wir in diesen Diskussionen gehört haben, ist, die Strafmündigkeitsgrenze von 14 Jahren herabzusetzen und damit quasi Kinder in den Knast zu stecken. Aber diese ist, wie so vieles andere auch, aus guten Gründen im Verlauf der Debatte gefloppt.

Meine Damen und Herren! Jede Straftat ist eine Straftat zu viel. Wir müssen alles tun, um vor allem Taten gegen wehrlose Kinder und alte Menschen zu verhindern. Darin sind wir uns, denke ich, einig. Aber wir müssen auch aufrichtig sein und dürfen nicht den Eindruck erwecken, wir könnten hundertprozentige Sicherheit garantieren. Die Bürgerinnen und Bürger haben Anspruch auf bestmöglichen Schutz und bestmögliche Sicherheit. Sie haben aber auch Anspruch auf eine sachliche und realistische Rechtspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Wir sollten uns genau überlegen, ob wir die Strafrechtsschraube nach jedem Verbrechen, das mutmaßlich durch schärfere Gesetze hätte verhindert werden können, weiter andrehen.

Jugendgewalt ist letztlich auch ein Ergebnis von sozialer Ausgrenzung und fehlenden Bildungs- und Aufstiegschancen. Deshalb denke ich, dass eine gute Sozialpolitik auch ein Stück weit eine gute Rechts- und Innenpolitik ist.

(Beifall bei der SPD und der Linksfraktion)

Soziale Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit sind keine Entschuldigung für Kriminalität, aber sie sind dennoch ihre Ursache. Deshalb brauchen wir bessere Betreuung, bessere Bildung, mehr Ganztagsbetreuung, mehr Chancen, ausreichend Ausbildungsplätze für Jugendliche. Ich bin froh darüber, dass das Wirtschaftsministerium unter Führung von Thomas Jurk gerade im Bereich der Ausbildungsplätze große Erfolge vorzuweisen hat. Wer Chancen und Arbeit hat, kommt auch weniger auf dumme Gedanken. Für meine Fraktion kann ich sagen, dass wir die heutigen Anträge guten Gewissens ablehnen können, weil es dort, wo wir in Regierungsverantwortung stehen, keine Stammtischpolitik geben wird.

(Beifall bei der SPD)

Dem Berichtsanliegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat, denke ich, der Staatsminister der Justiz durch Presseinformationen in jüngster Zeit im Wesentlichen entsprochen.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Die NPD, bitte; Herr Abg. Apfel.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kurz vor Jahresbeginn wurde in Deutschland ein Tabu gebrochen. Seit über vier Wochen wird kaum über etwas anderes als über die zunehmende Brutalisierung der Gesellschaft diskutiert, die auf dem Gebiet der Jugendkriminalität vor allem bei ausländischen Tätern gerade in Großstädten ihren sichtbaren Ausdruck gefunden hat. Anstatt als Urheber und geistiger Wegbereiter der sittlichen Verwahrlosung und Entwurzelung großer Teile der Jugend schamhaft das Haupt zu senken, plädiert DIE LINKE weiterhin für den auch von vielen Fachleuten als

unerträglich empfundenen Laisser-faire-Stil im Umgang mit besserungs- und einsichtsresistenten jungkriminellen Intensivtätern.

Wir sprechen also heute über die aller Vernunft zum Trotz aufgestellten Forderungen der Linken, das Jugendstrafrecht nicht zu verschärfen. Erwartungsgemäß fordern die GRÜNEN stattdessen neue Programme, konkret die landesweite Einführung eines angeblich mustergültigen Projektes in Dresden, ein Projekt, das in Wahrheit nichts anderes verheißt als ausufernde AB-Maßnahmen für das klassische Wählerpotenzial der GRÜNEN, nämlich Sozialarbeiter, Schmusetherapeuten und Kuscheldeckenvertreter. Als Beweis für die Bedeutung dieser Vorbildprojekte führen sie eine Auszeichnung des Bundesjustizministeriums von 2002 an.

Meine Damen und Herren! Ein linkes Ministerium propagiert ein linkes Projekt – ein beeindruckender Beweis! So etwas nennt man in der Soziologie selbstreferenziell. Man zitiert nur die eigenen Kreise, etikettiert diese als seriöse, ernstzunehmende Wissenschaftler, verunglimpft Andersdenkende und blendet die Fakten aus, die der Theorie im Wege stehen. Aber wenn dieses Dresdner Projekt so bahnbrechend wäre, dann hätte doch wohl der Leiter der Jugendabteilung bei der Staatsanwaltschaft Dresden, der langjährige Jugendrichter Christian Avenarius, in seinem Interview mit den „DNN“ vom 17. Januar darauf zurückgreifen können. Doch Avenarius erwähnt Ihr Musterprojekt mit keiner Silbe, vielmehr tritt er für die erhebliche Verschärfung des Jugendstrafrechtes ein, wohl geprägt durch die tägliche Konfrontation mit dem realen Leben auf der Straße.

Ähnlich verhält sich die Linksfraktion im Umgang mit dem Problem grassierender Kriminalität. Für sie ist ein Rückgriff auf die angeblich seriöse Deutsche Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshöfe unverzichtbar, die eine Verschärfung des Jugendstrafrechtes ablehnt und natürlich ein längst überfälliges modernes und rationales Jugendstrafrecht fordert.

Noch mitfühlender als im bisher schon lax gehandhabten Jugendstrafrecht versteift man sich vollkommen auf Prävention und Interventionsarbeit, Aspekte der Straßensozialarbeit, täterorientierte Antigewaltarbeit, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und der Öffentlichkeitsarbeit und natürlich die Mobilisierung der Mitverantwortung und des finanziellen Engagements gesellschaftlicher Gruppen und Institutionen. Also auch hier wieder die Bereitstellung der rechtlichen, fachlichen, organisatorischen, personellen und finanziellen Maßnahmen zur komplexen Qualifizierung der Prävention und Interventionsarbeit. Auf gut Deutsch: Klientelpatronage.

Übrigens, während man in diesem Verein ansonsten für jeden noch so schweren Straftatbestand bei Jugendlichen liberalstes Mitgefühl und Verständnis aufbringt, gibt es auch hier Grenzen der Liberalität. Eine Strafrechtsverschärfung fordert man für die so genannte Hasskriminalität, wobei vor allem die Strafaussetzung zur Bewährung weitgehend eingeschränkt werden soll. Dass man dort

allerdings nicht so sehr an die Hasskriminalität ausländischer Krimineller gegenüber Deutschen denkt, versteht sich bei diesem Verein schon fast von selbst. Interessanterweise glaubt man an die heilende Wirkung der Abschreckung bei angeblich politisch motivierten Delikten, während man im Bereich der gewöhnlichen gegen Deutsche gerichteten Gewalttaten glaubt, auf Abschreckung verzichten zu können.

(Karl Nolle, SPD: Gehen Sie mal zum Nervenarzt!)

Die NPD springt aber auch nicht einfach auf den Wahlkampfzug der CDU in Hessen auf. Anlass, Zeitpunkt und Absicht der von Roland Koch losgetretenen Debatte sind so heuchlerisch, verlogen und der Wahlkampftaktik geschuldet, dass selbst viele gutmütige Wähler das Spiel durchschauen. Roland Koch, der in Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden, Kassel und Offenbach über Jahre die dramatische Zunahme ausländischer Jugendkriminalität aus nächster Nähe beobachten konnte, benötigte ausgerechnet einen Vorfall in der Münchner U-Bahn, der ihm die Augen öffnete.

Seit über 20 Jahren hat die NPD vor dieser Form der Kriminalität gewarnt – zu einem Zeitpunkt, als dieses Problem durch die erheblich geringere Zahl der hier lebenden Ausländer leicht hätte bekämpft werden können: durch Prävention – durch ein abschreckendes Strafmaß, die gesellschaftliche Ächtung dieser Form asozialen Verhaltens und eine konsequente Abschiebung straffällig gewordener Ausländer in ihre Heimat.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos – Martin Dulig, SPD: Wie viele Kriminelle sind in der NPD-Fraktion?)

Gerade diese unwiderrufliche Abschiebung – medienwirksam, den vielfach von Deutschen unerwünschten ausländischen Gästen klar vor Augen geführt – hätte abschreckende Wirkung gehabt.

(Karl Nolle, SPD: Wie viele Vorstrafen gibt es in Ihrer Fraktion?)

Diese Äußerungen wurden von CDU und SPD permanent als ausländerfeindlich kriminalisiert und ihre Urheber vor Gericht gebracht. Wenn Roland Koch nur einen Funken Anstand im Leib hätte, würde er jetzt sich selbst wegen ausländerfeindlicher Äußerungen anzeigen. Trotzdem wissen die Menschen, dass die CDU nur die hastig hergestellte billige Kopie ist, das Original aber von der NPD verkörpert wird.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das stimmt!)

Ja, ich kenne Ihren Einwand: Was faselt die NPD permanent von Ausländerkriminalität, wenn es doch in Sachsen kaum Ausländer gibt. Doch zunächst einmal gibt es in Dresden, Leipzig und Chemnitz durchaus eine wahrnehmbare, immer größer werdende Zahl von Ausländern, die wie in Westdeutschland überproportional kriminell auffällig ist. Ein Blick in die Kriminalstatistik Sachsens

zeigt, dass zum Beispiel Görlitz 2006 einen Ausländeranteil von 67 % an den Tatverdächtigen ausweist; im Weißeritzkreis sind es 29,7 %. Diese Zahlen dokumentieren, welche Bedeutung das Thema Ausländerkriminalität auch und gerade hier in Sachsen hat. In den Zeitungen liest man oft verschämt, die Täter hätten südländisches Aussehen – auf Deutsch: Es waren aller Wahrscheinlichkeit nach Türken oder Araber. Jüngstes Beispiel ist der brutale Überfall auf einen Dresdner Juwelier, der fast totgeschlagen wurde; der flüchtige Täter – welch Wunder! –: ein Ausländer.

Wenn wir heute über Jugendkriminalität sprechen, die eben vor allem auch ein Problem ausländischer Kriminalität ist, so tun wir das deshalb, weil die Mehrheit der Menschen hier im Lande keine Verhältnisse wie in Köln, München, Frankfurt am Main und anderswo will, wo sich Deutsche heute wegen ausländischer Jugendbanden kaum noch auf die Straße trauen können.

(Martin Dulig, SPD: Kümmern Sie sich doch um die Straftäter in Ihrer Fraktion!)

Sie aber handeln mit der Verdrängung des größten bevölkerungspolitischen und kriminologischen Problems wie ein Zahnarzt, der Karies entdeckt hat, den Zahn aber nicht sofort behandeln will, sondern so lange wartet, bis er verfault und nicht mehr zu retten ist.

(Karl Nolle, SPD: Es lebe das deutsche Suppenhuhn!)

Das zeigt Ihr Niveau, Herr Nolle.

Die wirklichen Fachleute, die tagtäglich als Richter und Staatsanwälte mit der Jugendkriminalität zu tun haben, vertreten das genaue Gegenteil Ihrer Antragsforderungen. Sie haben auch keine Illusionen, wie weit die Verwahrlosung vieler Jugendlicher heute bereits fortgeschritten ist. Der mutige Oberstaatsanwalt Roman Reusch aus Berlin – inzwischen von der roten Ausländerlobby weggemobbt – stellte fest, dass Tausende junger Menschen inzwischen gegen jede Form von Erziehung, vor allem aber gegen Präventionsgequatsche und Diskursangebote immun sind.