Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Der Lkw-Verkehr endet manchmal im Gesundheitssystem – leider, also ist die Reihenfolge der Tagesordnungspunkte ganz gut gewählt.
Wir haben heute zwei Anträge auf der Tagesordnung, die schon längere Zeit auf ihre Umsetzung warten. Liest man diese Anträge, dann sind sie noch genauso aktuell wie Mitte des Jahres 2006. Die Themen „Schwester Agnes“ und „Medizinische Versorgungszentren“ haben nichts an ihrer Aktualität eingebüßt. Das Modellprojekt „AGnES“ ist seit circa einem Dreivierteljahr in der Probephase. Es zeichnet sich ab, dass „Schwester AGnES“ ein Erfolgsschlager werden könnte, sofern man sie lässt. Lässt man es zu bei einer linken Idee?
Durch die wissenschaftliche Begleitung der Uni Greifswald können unsere Problemstellungen zum Teil beantwortet werden. Das Tätigkeitsprofil reicht von der Umsetzung der Anweisungen und Aufträge der Ärzte, der Überprüfung des Gesundheits- und Pflegezustandes der Patienten, der Medikamentenkontrolle und der Sturzprophylaxe über die Prüfung der geriatrischen Fähigkeiten, die Palliativversorgung bis hin zur Dokumentation. Eine erforderliche fachliche Voraussetzung wird wissenschaftlich begleitet geschaffen. Der Aus- und Weiterbildung wird eine hohe Bedeutung beigemessen. Warum also jetzt dieser Antrag?
Ich werde es Ihnen begründen. Wir gehen in diesem Jahr in die Haushaltsplanung, deshalb müssen wir jetzt die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen. Berufs- und haftungsrechtliche Voraussetzungen für eine Kompetenzerweiterung sind erforderlich. Nur so können wir die Voraussetzungen für eine flächendeckende Übernahme des Modellprojektes in ein Programm für ganz Sachsen schaffen. Die Arbeitsaufgaben und der Arbeitsumfang zeigen, dass „Schwester AGnES“ gebraucht wird, nicht nur in ausgewählten Regionen. In diesen sind sie jetzt schon die Feuerwehr im Gesundheitssystem.
Wen betreut die Gemeindeschwester eigentlich? Es sind meist Patienten mit einem Durchschnittsalter von 79 Jahren, meist ohne Pflegestufe. Sie ist also keine Konkurrenz zu ambulanten Pflegediensten. Sie arbeitet in einem Umkreis von circa 15 Kilometern, also sehr eng begrenzt, und spart für den Arzt circa 300 Stunden im Jahr, die er oder sie mehr Zeit für ihre Patienten haben. Es ist natürlich nicht so, dass „Schwester AGnES“ weniger Ärzte benötigt. Eine Gemeindeschwester ersetzt keinen Arzt, sie entlastet ihn. Es werden also auch weiterhin mehr Ärzte für Sachsen gebraucht.
Sehr geehrte Damen und Herren! Der Gemeinsame Bundesausschuss ist für die Berücksichtigung der wirklichen Regionaldaten verantwortlich. Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen fordert diese Berücksichtigung, der Gemeinsame Bundesausschuss sieht ebenfalls Änderungsbedarf. – Toll, sage ich. Hier wird die Verantwortung nur hin- und hergeschoben; denn der Gemeinsame Bundesausschuss wartet jetzt auf einen formalen Antrag der KV, sonst kann er nicht tätig werden.
Ja, sehr geehrte Koalition, ich möchte Sie auffordern, schnellstens die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Sachsen zu schaffen und mit einem Finanzkonzept für ein flächendeckendes Gemeindeschwesternprogramm für Sachsen aufzuwarten mit dem Ziel, dieses in die Haushaltsplanung einzuordnen und in Zusammenarbeit mit der KV Sachsen und dem Gemeinsamen Bundesausschuss die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, die Maßstäbe der Bedarfsermittlung zu korrigieren.
Aber es müssen natürlich noch weitere Projekte folgen. Fördermittel allein reichen nicht aus, damit sich junge Ärztinnen und Ärzte in ländlichen Regionen niederlassen. Das sehen wir an den Erfahrungen aus Torgau-Oschatz. Ich finde es schon spitze, dass eine Allgemeinärztin aus Torgau nicht jammert und redet. Nein, sie will Medizinstudenten für ihren Beruf begeistern. Solche Projekte sollten wir fördern.
Sie dürfen keine Eintagsfliegen sein. Wenn Mediziner, die schon an ihrer Leistungsgrenze arbeiten, nun auch noch
Studenten für ihre Region begeistern wollen, dann sollten wir dieses gezielt unterstützen und fördern. Nur so können wir junge Ärzte für den ländlichen Raum motivieren. Dann helfen auch die Fördermittel;
denn bereits jetzt arbeiten 16 000 deutsche Ärzte im Ausland, aber nur 1 000 ausländische Ärzte in Deutschland. Weitere Ideen sind hier also gefragt.
Danke schön. – Die CDU-Fraktion, vertreten durch Frau Strempel, sagt uns nun, was sie von AGnES hält.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Leider ist Herr Dr. Hahn nicht da. Trotzdem möchte ich ganz kurz sagen: Das, was er gestern in der Presse losgelassen hat, ist einfach schlimm und unverantwortlich. Sachlichkeit, wie Sie sie jetzt gebracht haben, Frau Lauterbach, ist richtig; aber solche Pressedarstellungen verunsichern die Bevölkerung und bringen uns absolut nicht voran.
Sie wissen nur zu gut, dass seit Jahren Bemühungen von allen Beteiligten unternommen werden, um die medizinische Versorgung für die Zukunft auf relativ gute Füße zu stellen. Dass es Probleme gibt, wissen wir tatsächlich seit Jahren, und das wird auch nicht verschwiegen. Dazu bedarf es auch nicht der Aufforderung zu einem Ruck, so wie es in der Presse stand; denn dieser Ruck ist schon vor mindestens fünf Jahren in der Sächsischen Staatsregierung erfolgt. Der Zug der Bemühungen aller Beteiligten, nicht nur der Staatsregierung, sondern auch der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkassen und aller niedergelassenen bzw. auch der angestellten Ärzte in den Krankenhäusern rollt. Also: Ihre Aufforderung gestern in der Presse
Ich möchte an eine Diskussion erinnern, die im November letzten Jahres stattgefunden hat und inhaltlich in etwa vergleichbar ist. Es war eine Diskussion aufgrund eines Antrages der FDP. Drei Monate später haben wir zwei gleiche Themen wieder auf der Tagesordnung, und man muss der Fairness halber sagen: Wesentliche Veränderungen hat es innerhalb dieser drei Monate nicht gegeben; aber von 77 Medizinischen Versorgungszentren ausgehend gibt es jetzt bereits 79, allerdings überwiegend in Ballungszentren.
Das Gemeindeschwesternprojekt AGnES, auch dies sagten Sie bereits, wird seit März letzten Jahres in Sachsen durchgeführt. Es ist sehr, sehr gut angenommen worden, sowohl von den Patientinnen als auch von den Patienten. Nun werde ich einige Ausführungen machen.
Medizinische Versorgungszentren sind eine fach- und berufsgruppenübergreifende Einrichtung bzw. Versorgungsform der ambulanten Leistungserbringung. Sie sind eine Art der integrierten Versorgung mit enger Kooperation von ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern. Zugleich bedeuten sie kurze Wege für Patientinnen und Patienten. Ich zitiere aus der Mitteilung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung: „Als Teil der vertragsärztlichen Versorgung unterliegen sie der Bedarfsplanung. Die Zulassung erfolgt über den jeweiligen Zulassungsausschuss der Kassenärztlichen Vereinigung für den Ort der Betriebsstätte.“ Also, wie gesagt, es liegt in der Verantwortung der Kassenärztlichen Vereinigung.
Medizinische Versorgungszentren sind für Ärztinnen und Ärzte eine Alternative, ihre Berufstätigkeit in der ambulanten Versorgung auszuüben, ohne sich massiv einer Verschuldung aussetzen zu müssen. Gerade für junge Ärztinnen und Ärzte ist dies eine Chance, im Angestelltenverhältnis ohne großes ökonomisches Risiko zu arbeiten. Positiv ist weiterhin für sie, dass sie nicht mehr wie Freiberufler praktisch rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen, sondern eine geregeltere Arbeitszeit haben. Dadurch ist es vor allem attraktiver für Ärztinnen mit Kindern, die zurück in den Beruf wollen.
Wichtig ist, dass die Medizinischen Versorgungszentren gleichberechtigte Leistungserbringer neben freiberuflich tätigen Vertragsärzten sind. Ich betone aber: Sie ersetzen sie nicht; sie ersetzen nicht die niedergelassenen Ärzte! Medizinische Versorgungszentren sind nur ein Teil der Möglichkeiten, die künftigen Spannungen in der Versorgung zu relativieren. Wir können auf keinen Fall zulassen, dass sich niedergelassene Haus- und Fachärzte verdrängt fühlen. Ihr Stellenwert muss in Form einer adäquaten Honorierung in Euro und nicht in Punktwerten gewürdigt werden. Dies ist nicht allein Aufgabe der Politik, sondern es liegt in der Verantwortung der gesetzlich beauftragten Gremien wie der Kassenärztlichen Vereinigung.
Lassen Sie mich zum Modell AGnES kommen. Frau Lauterbach, auch dies stimmt nicht: AGnES ist keine Idee der Linksfraktion. AGnES ist eine Idee – ich sagte dies bereits im November letzten Jahres – von Prof. Dr. Hoffmann von der Uni Greifswald. Er ist der geistige Vater dieses Modellprojektes AGnES.
Dann lügen die Medien, und dann lügt auch Herr Prof. Hoffmann? Also, schmücken Sie sich nicht mit den Federn, die anderen zukommen!
Dieses Modellprojekt „AGnES“ findet in der Zwischenzeit auch in den alten Bundesländern sehr viel Aufmerksamkeit, denn die stehen ebenfalls vor den Problemen der mangelnden Versorgung in ländlichen Gebieten.
Zwischenzeitlich ist „AGnES“ in den neuen Bundesländern integriert. „AGnES“ heißt arztentlastende, gemeindenahe, E-Health-gestützte, Systemische Intervention. Die Schwester unterstützt den Hausarzt durch Arbeiten wie beispielsweise gesundheitliche Überwachung des Patienten, dabei vielfach unterstützt durch telemedizinische Technik, oder auch die Überwachung von älteren Patienten wie Sturzprophylaxe, Medikamentenkontrolle und weitere Beurteilungen zu Fähigkeiten und Defiziten.
Wir haben in Sachsen fünf Hausärzte, die von fünf Schwestern bzw. Betreuungsassistentinnen unterstützt werden. Immerhin über 1 000 Hausbesuche haben seit der Einführung stattgefunden.
Ich komme jetzt zum Sachverständigenrat. Man kann hier viel fordern und sagen, die Mittel müssen in den Haushalt eingestellt werden. Aber die Verantwortung für „AGnES“ bzw. die Indikation eines solchen Projektes liegt nicht auf der Ebene von Sachsen. Sachsen setzt sich dafür ein.
Ja, es ist richtig, der Sachverständigenrat hat in seinem Gutachten – auch das habe ich bereits im November letzten Jahres gesagt – bestätigt, dass solche Projekte wie Gemeindeschwester „AGnES“ ihre feste Implementierung in der Versorgungslandschaft finden müssen, das heißt also, die rechtliche Regelung im SGB V und auch die finanzielle Unterstützung durch die Kostenträger müssen erfolgen. Aber, meine Damen und Herren, Fakt ist eines: Bevor dies erfolgen kann, muss der zukunftsfähige Nachweis erbracht werden. Dazu braucht man eine gesicherte Datengrundlage.
Ich möchte deshalb aus der letzten Broschüre der Ersatzkassen zitieren – wer nachlesen will: Nummer 10/2007 –: „Erst wenn eine wissenschaftliche Evaluation positive Effekte dieser Modellvorhaben nachgewiesen hat, kann dann im letzten Schritt die Einführung der neuen Aufgabenverteilung in die Regelversorgung erfolgen.“
Die Steuerungsgruppe Gemeindeschwester der neuen Bundesländer erarbeitete ein Argumentationspapier als Grundlage für die gesetzliche Verankerung dieses Projektes auf der Bundesebene. Deshalb ist die Forderung mit dem Haushalt in Sachsen reiner Populismus.
Grundsätzlich müssen wir noch über andere Dinge diskutieren, nämlich über die Möglichkeiten zur Aufgabenneuverteilung in und zwischen den ärztlichen und nichtärztlichen Gesundheitsberufen.
Auch was die Zusammenarbeit der Gesundheitsberufe betrifft, sollten sich die Berufsgruppen auf die wachsende Bedeutung von Kooperation und Koordinierung einstel
Kooperation und Koordinierung heißt unter anderem eine wachsende Bereitschaft für eine gemeinsame Datendokumentation und vor allen Dingen eine verstärkte Einführung der Telemedizin.
Auch hier möchte ich noch einmal auf meinen Beitrag im November 2007 zurückkommen. Andere Länder machen es Deutschland schon lange vor. Länder wie Schweden und Finnland können sich eine Arbeit ohne moderne Telemedizin nicht mehr vorstellen. Nur so besteht in diesen Flächenländern die Möglichkeit, rasche Diagnosen für Patienten von einem medizinischen Versorgungszentrum aus zu treffen, obwohl sich der Patient zum Teil mehrere hundert Kilometer entfernt in einem medizinischen Kleinzentrum befindet.
In diesen Flächenländern wie Finnland stöhnt man ebenfalls über das Problem der Absicherung der medizinischen Versorgung. Aber bitte, lassen Sie uns doch ehrlicherweise nicht vergessen, dass es sich dort um Entfernungen – wir haben es vor Ort selbst gehört – von bis zu 460 Kilometern handelt.
Absolut nicht nachvollziehbar ist für uns, dass sich die Bundesärztekammer massiv gegen die elektronische Patientenkarte ausspricht. Wovor hat sie Angst? Vor einem gläsernen Arzt oder dem Wegfall der Rolle ihres Verbandes? Da sind unsere sächsischen Ärzte viel fortschrittlicher, denn sie stehen der Karte wesentlich offener gegenüber.
Selbstverständlich haben die Ärzte recht, wenn sie sagen, dass eine Einführung dann notwendig und auch machbar ist, wenn die Voraussetzungen wahrlich wasserdicht sind. Dazu können wir einfach nur sagen: Das stimmt, das ist richtig.
Meine Damen und Herren! Es gibt viele, sehr viele gute Ideen und Modelle sowie ständig neue Bemühungen aller Beteiligten, die an der Sicherung der medizinischen Versorgung interessiert sind. Ich habe in meinem Beitrag nur einige Varianten genannt, nicht nur die Medizinischen Versorgungszentren, nicht nur das Modell „AGnES“. Diese Maßnahmen zu würdigen, anzuerkennen sowie kreativ mitzuwirken, damit eine gute medizinische Versorgung in der Zukunft gewährleistet wird, ist Aufgabe anständiger und verantwortungsvoller Politik. Für uns als CDU nehmen wir das in Anspruch.