Protokoll der Sitzung vom 06.03.2008

Sie haben bemängelt, dass die Untersuchungen im vierten Lebensjahr in den Kindertagesstätten noch nicht in Gänze vollzogen werden. Das wissen wir, dort haben wir ein Problem. Wir arbeiten aber daran. Es geht jedoch nicht nur um die Untersuchungen im vierten Lebensjahr. Die Vorsorgeuntersuchungen gibt es generell von den Kassen und damit bei den ambulanten, den niedergelassenen Ärzten. Diese Untersuchungen können alle Eltern wahrnehmen und sie können auch einmal öfter hingehen. Das will ich noch einmal klar betonen, sonst bleibt vielleicht der Eindruck bei den Besuchern, bei den Zuhörern, dass man überhaupt keine Möglichkeit hätte, seine Kinder untersuchen zu lassen. Dem ist nicht so.

Vieles, was das Modellprojekt betrifft, ist von meinen Vorrednerinnen und -rednern schon ausgeführt worden. Das will ich hier nicht noch einmal in Gänze darstellen. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle noch auf ein weiteres wichtiges Maßnahmenpaket näher eingehen. Es handelt sich hierbei um den im Januar dieses Jahres stattgefundenen Kinderschutzgipfel auf der Kommunalkonferenz, auf dem der Ministerpräsident – aber auch die Frau Staatsministerin – ein Handlungskonzept zum präventiven Kinderschutz verkündet hat. Ich möchte an dieser Stelle der Ministerin nicht die Möglichkeit nehmen, dieses Konzept in seiner

Gesamtheit näher vorzustellen, sondern möchte mich auf zwei Punkte konzentrieren, die ich im Zusammenhang mit dem sozialen Frühwarnsystem als wesentlich erachte:

Das ist zum einen die Sensibilisierung aller Beteiligten hinsichtlich der Problematik des Kinderschutzes. Hebammen, Kinderärzte oder zum Beispiel Erzieherinnen sind ein Teil der Erstbetroffenen, wenn es um Kindesmisshandlungen oder Vernachlässigungen geht. Andererseits sind sie oft die Personen, welche Einfluss auf die Eltern nehmen und natürlich auch ein Bindeglied darstellen. Um in dieser Situation richtig zu handeln, ist es notwendig, eine Qualifizierung und Sensibilisierung umzusetzen. Es ist daher auf der Landesebene geplant, unterschiedliche Fortbildungsmaßnahmen, die finanziell und organisatorisch unterstützt werden, umzusetzen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass die Öffentlichkeit – das ist schon des Öfteren angesprochen worden – dementsprechend sensibilisiert wird. Wir wollen, dass eine entsprechende Kampagne in naher Zukunft umgesetzt wird.

Eine Debatte in diesem Hohen Haus ist aber auch eine Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, damit diese sehen, dass wir uns dieses sensiblen Themas annehmen, das immer wieder auf die Tagesordnung gerufen werden muss. Deshalb verstehe ich nicht, dass von einigen Vorrednern diese Aktuelle Debatte infrage gestellt wird. Wir müssen immer wieder darüber sprechen, damit auch die Bürgerinnen und Bürger wissen, dass wir uns mit diesem Thema befassen und dass nicht weggesehen wird, wenn solche Dinge in der Nachbarschaft bekannt werden. Diesbezüglich haben wir noch einiges zu tun.

Wir wissen auch, dass die Erziehungskompetenz ein wesentlicher Faktor ist, um mit den gegebenen Vernachlässigungen umzugehen. Ich hatte in meinem ersten Redebeitrag bereits ausgeführt, dass viele Eltern entweder die Erziehungskompetenz nicht mehr haben oder mit dem täglichen Klein-Klein nicht mehr umgehen bzw. es koordinieren können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vernachlässigungen und Misshandlungen gibt es in allen Schichten der Bevölkerung. Es geht nicht allein darum, dass Kinder verprügelt werden, sondern auch darum, dass Kinder mit psychischem Druck und physischen Attacken misshandelt werden und Vernachlässigungen eintreten.

Wir wollen in diesem Hohen Haus mit dieser Debatte eine weitere Sensibilisierung der Bevölkerung erreichen. Es ist wichtig, dass wir uns hier weiterhin mit diesem Thema befassen.

Ich möchte Sie alle auffordern und einladen, sich diesem Thema zum Wohle unserer Kinder auch weiterhin zu stellen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Wird von der SPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich die Linksfraktion, das Wort zu nehmen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schütz hat schon darauf hingewiesen, dass das Thema sehr umfangreich ist, sodass ich meinen zweiten Redebeitrag dazu nutzen möchte, den zweiten Punkt der Aktuellen Debatte zu behandeln.

Ich möchte auf die aktuelle Studie der BertelsmannStiftung zu sprechen kommen, die in den letzten Tagen unter der Überschrift „Volkswirtschaftlicher Nutzen von frühkindlicher Bildung in Deutschland“ erschienen ist. Die Bertelsmann-Stiftung ist gewiss nicht verdächtig, der Linken nahezustehen. Die Methode, den persönlichen und gesellschaftlichen Nutzen prinzipiell auf Euro und Cent ausrechnen zu wollen, ist uns eher fremd. Die Studie tut dies und kommt nach einer Berechnung zu dem Ergebnis, dass ein Krippenplatz der Gesellschaft einen Nutzen bringt, der circa 2,7-mal so hoch ist wie die Kosten der Gesellschaft für diesen Krippenplatz. Kinderkrippen sind also Motoren der wirtschaftlichen Entwicklung – die CDU möge zuhören.

Das Bemerkenswerte daran ist, dass die Studie nicht wie andere Studien an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei den Eltern ansetzt – darüber wurde schon oft gesprochen –, sondern vielmehr kommt die Studie zu dem Schluss, dass sich für die Kinder die Wahrscheinlichkeit, das Gymnasium zu besuchen, von 36 auf 50 % erhöht, wenn sie zuvor eine Krippe besucht haben. Den gesellschaftlichen Nutzen einer höheren Bildung der Kinder versucht die Studie dann wieder in Euro und Cent zu beziffern. Auch wenn man der rein ökonomistischen Argumentation nicht folgt, ist doch der Zusammenhang zwischen frühkindlicher Bildung und späterer Abiturmöglichkeit bzw. allgemein besseren Bildungschancen frappierend.

Sehr geehrte Damen und Herren, eine glänzende Bestätigung entsprechender Thesen aus der PISA-Diskussion. Selbst demjenigen, der an einen einfachen kausalen Zusammenhang nicht glaubt, sollten doch wenigstens die differenzierten Daten zu denken geben. Haben die Eltern selbst Abitur, steigen die Abiturchancen der Kinder nach dem Krippenbesuch um ein Viertel. Haben die Eltern aber nur einen Hauptschulabschluss, steigen die Chancen der Kinder nach dem Krippenbesuch auf das Doppelte. Besser kann man kaum den Beweis der Notwendigkeit von Kinderkrippen zur Überwindung sozial bedingter Bildungsbarrieren erbringen.

(Beifall der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Meine Damen und Herren! Was hat das alles mit Sachsen zu tun? Sachsen ist in der Zwischenzeit – wir haben es schon oft besprochen – das ostdeutsche Schlusslicht in puncto Krippenbetreuung. Das war in den Neunzigerjahren noch anders. Natürlich scheint beim Vergleich mit den westdeutschen Ländern die rote Lampe in den ostdeut

schen Ländern noch komfortabel, aber das kann sich durch den begonnenen Krippenausbau im Westen verändern. Die Diskussionen in Sachsen waren in den vergangenen Jahren leider viel zu oft durch falsche Entscheidungen gekennzeichnet, seien es die Zugangskriterien zu den Kitas oder sei es die schleichende Ersetzung von Krippenbetreuung durch die Tagespflege.

Um nicht missverstanden zu werden: Das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern stellen wir nicht infrage, doch gerade die aktuellen Zahlen aus der Bertelsmann-Studie sollten auch der Koalition zu denken geben. Aber die Krippe ist nur der erste Schritt für eine gute Bildung für unsere Kinder und die Bertelsmann-Studie ist nicht das einzige Ereignis.

Sehr geehrte Damen und Herren! So gab es eine Klausurtagung der SPD-Landtagsfraktion. In deren Ergebnis teilte uns die SPD nicht nur mit, dass sie sich nunmehr unserer Forderung nach einem kostenlosen Schulessen angeschlossen hat, welches Sie vor wenigen Monaten noch gemeinsam mit der CDU in diesem Haus abgelehnt haben – wir begrüßen das natürlich ausdrücklich –, sondern auch die Forderung nach „tatsächlicher Lernmittelfreiheit“ wurde einmal mehr erhoben. Dazu kann ich nur sagen: Richtig, liebe SPD! Auch die Lernmittel gehören zu einer guten Bildung für unsere Kinder. Allerdings habe ich diesen Slogan „Tatsächliche Lernmittelfreiheit“ schon ein dutzend Mal von Ihnen gehört. Ganz ehrlich: Von einer Regierungspartei erwarte ich keine Tageslosungen, sondern reale Veränderungen in Sachsen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Volker Bandmann, CDU: Aber Tageslosungen können schon Orientierungen geben, Herr Kollege!)

Mit diesen realen Veränderungen sieht es jedoch mehr als bescheiden aus. Die tatsächliche Lernmittelfreiheit gibt es genauso wenig wie das immer wieder von der SPD postulierte kostenlose Vorschuljahr.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Gemessen an ihren bildungspolitischen Wahlversprechen wird die sächsische SPD innerhalb der sächsischen Koalition leider immer aufs Neue entzaubert.

(Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Da hilft es auch nicht, wenn Sie die alten Versprechen ständig wiederholen oder durch neue ersetzen. Selbst die kleinen Veränderungen, die der Doppelhaushalt 2007/2008 bei der vorschulischen Bildung gebracht hatte, konnten monatelang nicht umgesetzt werden, weil die entsprechenden Verordnungen nicht ergangen sind.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Bessere Bildung, sehr geehrte Damen und Herren der SPD, entsteht nicht dadurch, dass immer wieder heiße Luft durch die Zeitungen geschaufelt wird, sondern bessere Bildung erfordert, dass ein Vorschlag auch umgesetzt wird.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion, der FDP und den GRÜNEN)

Wird von der Fraktion noch das Wort gewünscht? – Bitte schön, Frau Herrmann.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen hier von sozialen Frühwarnsystemen, von Vorsorgeuntersuchungen und von Sensibilisierung der Bevölkerung. Sind wir uns darüber klar, was die Folgen sein werden? Die Folgen werden sein, dass wir mehr Fälle von Kindesvernachlässigung und von Gewalt an Kindern entdecken. Wenn wir diese Fälle entdecken, dann müssen wir darauf reagieren; das heißt, wir müssen die Jugendhilfe entsprechend ausstatten und die Angebote im medizinischen Bereich vorhalten.

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass schon heute das, was wir an Unterstützung anbieten, nicht ausreichend ist. Dafür möchte ich als Beispiel die Frühförderung nennen. Wenn wir heute bei Untersuchungen entdecken, dass Kinder von Behinderung bedroht sind bzw. unter einer Behinderung bereits leiden, dann werden diese Kinder an Frühförderstellen bzw. an sozialpädiatrische Zentren überwiesen. Dabei gibt es nach wie vor das Problem, dass die Kinder viel zu lange auf einen Termin im sozialpädiatrischen Zentrum warten müssen, obwohl es nötig ist, dass die Behandlung sehr schnell einsetzt. Das ist ein entscheidendes Problem.

Ferner ist es so, dass bestimmte Fachzentren in diese Frühförderangebote überhaupt nicht einbezogen sind, und nach wie vor ist es so, dass bestimmte Teile dieser Komplexleistungen, nämlich die Vernetzung, teilweise oder gar nicht finanziert werden.

Es ist Augenwischerei, wenn wir sagen, dass wir immer bessere Angebote brauchen, um frühzeitig aufmerksam zu werden, wenn Kinder entweder vernachlässigt werden oder eine Behinderung droht, wir aber die Folgeleistungen in Sachsen nicht vorhalten können. Wir sollten uns genau an dieser Stelle auch darüber Gedanken machen, sonst sind wir nämlich unglaubwürdig.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort; Herr Dr. Hähle, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Was wir heute diskutiert haben, ist zum großen Teil gut, richtig und wichtig. Natürlich müssen wir Kinder mit der ganzen Kraft der Gesellschaft schützen und wir müssen sie gut bilden. Aber ich denke, wir können nicht so schnell darüber hinweggehen, was der Abg. Neubert in seinem ersten Beitrag gesagt hat – mit heftigen Angriffen auf Ministerpräsident Böhmer und unseren Staatsminister Flath, weil sie sich erlaubt haben, einmal ein ganz existenzielles Problem

anzusprechen. Ich will Herrn Böhmer nicht in der Denkrichtung unterstützen, es sei alles von der DDR hergekommen und die Mütter bzw. das DDR-System seien nun zu kritisieren. Das gehört vielleicht nicht unbedingt hierher.

Ich möchte jedoch gern noch einen Hinweis zur Rechtslage in Deutschland geben, was die Frage betrifft: Wann beginnt Leben? Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt: Das selbstständige Grundrecht auf Leben und die Wahrung seiner Würde steht bereits dem Embryo zu, und zwar deshalb, weil dieser nach dem Verständnis von zwei verfassungsrechtlichen Urteilen von Anfang an Mensch ist. An dieser Rechtsauffassung hat sich bis heute, meine Damen und Herren, nichts geändert; und – was nicht oft genug betont werden kann –: Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 28. Mai 1993 klargestellt, dass der Embryo im Mutterleib ein von der Mutter unabhängiges Recht auf Leben hat. Daher ist die Tötung des Kindes im Mutterleib ein Verstoß gegen dieses Grundrecht. Das Gericht legt daher größten Wert auf die Feststellung, dass die Abtreibung nach Beratung zwar straflos, aber dennoch rechtswidrig ist.

(Beifall des Abg. Prof. Dr. Günther Schneider, CDU)

Dies haben sowohl Ministerpräsident Böhmer als auch Staatsminister Flath erwähnt, und diesen Aspekt ihrer Meinungsäußerung sollte man nicht ganz unter den Tisch kehren, sondern ich halte es für wichtig, dass dies immer mal wieder in der Öffentlichkeit gesagt und auch diskutiert wird.

(Beifall bei der CDU)

Wie sieht die Praxis aus? Wir haben eine ganz neue Statistik vom Bundesamt für Statistik in Wiesbaden. Danach sank zwar die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um 2,4 % – gemeint ist das Jahr 2007 – auf rund 117 000. Das ist eine mittlere Stadt in Deutschland. Nun zu den Relationen:

Sachsen lag bundesweit etwa im Mittelfeld und hatte die niedrigste Abtreibungsquote der neuen Bundesländer. Laut Statistik ließen im Freistaat rund 6 350 Frauen eine Abtreibung vornehmen. Dies sind 2,1 % weniger als 2006; aber das heißt, auf 1 000 Geburten kamen in Sachsen 194,5 Abtreibungen; das sind fast 20 %. Die relativ meisten Abtreibungen gab es in Berlin: 323,5 pro 1 000 Geburten. Die wenigsten gab es in Bayern: 127,1. Nun kann man sagen, Bayern sei eine ganz verstaubte, konservative Ecke in Deutschland. Aber ich sage Ihnen: Wenn jemand am Ende hier von sich behaupten kann, wir hätten etwas für die künftige Generation getan, dann sind es immer noch die Verstaubten und Konservativen, die sich einfach nicht mit einer solchen Praxis abfinden können. Ich weiß um die Nöte von Müttern und will auch niemanden verurteilen. Man kann der Sache vielleicht auch nur mit Liebe und Zuwendung entgegengehen; aber es einfach nicht mehr zu diskutieren halte ich für inakzeptabel.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Bitte, Frau Dr. Schwarz.