Falk Neubert

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist allerdings sehr bezeichnend, dass die Koalition bei diesem wichtigen Thema nichts zu sagen hat. Das finde ich bedauerlich.
Wir befinden uns in einer Bilanzwoche des Sächsischen Landtages. Die Antworten auf die Große Anfrage sind somit eine gute Gelegenheit, eine Bilanz der Entwicklung in Kindertagesstätten der letzten fünf Jahre in Sachsen zu ziehen.
Nun liegt es in der Natur der Sache, dass die Bilanz der Opposition etwas anders, auch kritischer ausfallen muss, als die Bilanz der Regierung und Regierungsfraktionen. Es gehört nun einmal zum Ritual, dass sich die Regierungsparteien selbst schon für die kleinste Andeutung einer Bewegung mächtig loben und dies ständig wiederholen – noch dazu in Wahlkampfzeiten.
Die grundsätzlichste Kritik an der Kita-Politik von CDU und SPD kommt in diesen Tagen noch nicht einmal von der Landtagsopposition, sondern von den Beschäftigten in den Kitas. Der Kita-Streik, sein Notwendigwerden und Verlauf, die Forderung der Beschäftigten und der bisherigen Umgang mit diesen Forderungen sind eine schärfere und deutlichere Kritik an der Kita-Politik der Staatsregierung, als sie die Opposition hier im Haus jemals üben könnte.
Aber anstatt sich dieser Kritik anzunehmen, treiben CDU und SPD in makabrer Weise ihr Spiel mit den Streikenden.
Hören Sie zu, Herr Brangs!
Herr Kollege Dulig, der höchstpersönlich hier im Landtag die Verbesserung des Personalschlüssels von 1 : 13 zu auf 1 : 12 abgelehnt hatte, schiebt auf der gestrigen Demonstration die Schuld dafür allein seinem Koalitionspartner zu. Die SPD bringt es sogar noch fertig, in ihrem Wahlprogramm einen Betreuungsschlüssel von 1 : 7 zu versprechen.
Wer in den Kitas soll Sie bitte noch ernst nehmen – vor allen Dingen vor dem Hintergrund Ihrer vorhin gehaltenen Rede? Herr Brangs, Sie sollten Ihre Zwischenrufe schon etwas überdenken.
Ja, höher und weiter, Sie erinnern sich an den Vorwurf.
Die vormalige Sozialministerin Helma Orosz, die vor Jahresfrist im Oberbürgermeisterwahlkampf die überfällige Verbesserung des Betreuungsschlüssels angekündigt hatte, möchte jetzt als Oberbürgermeisterin die Beschäftigten in den Dresdner Kitas mit ein paar ergonomisch angepassten Stühlen abspeisen – übrigens sind das immer noch viel zu wenige.
Dabei ist die Frage des Betreuungsschlüssels nur eine von vielen in den sächsischen Kitas, wenngleich die gegenwärtig brennendste. Wohlgemerkt, wir reden dabei noch nicht von dem Betreuungsschlüssel, welchen die Fachwelt fordert wie heute erst wieder der Ländermonitor frühkindlicher Bildung. Wir reden von viel weniger. Wir reden von einem Betreuungsschlüssel, der noch hinter dem Land Berlin zurückbleibt.
Sehr geehrte Damen und Herren! Die Große Anfrage offenbart das ganze Spektrum der offenen Probleme in der Kindertagesbetreuung. Das Schlimmste für mich ist, dass es nach wie vor in zwei Dritteln aller sächsischen Landkreise Zugangskriterien für Krippen und Horte gibt.
Nur zur Erinnerung: Noch immer wird Kindern eine ganztägige Bildung und Betreuung verwehrt, weil ihre Eltern arbeitslos sind oder auch nur teilzeitbeschäftigt. Mit dem vollmundigen Bekenntnis zum Stellenwert frühkindlicher Bildung hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. Es ist ein antiquiertes Überbleibsel aus einer Zeit, in der man Kitas als Bewahranstalten für die Kinder berufstätiger Mütter verstanden hat. Dieses Überbleibsel spart aber auf dem Rücken der Kinder in den Landkreisen Geld. Zudem spart es Geld auf dem Rücken der Kinder, die auch sonst, gerade wegen des geringen Einkommens der Eltern, latent beim Zugang zu Bildungseinrichtungen diskriminiert werden. Gegen diese Diskriminierung haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode gekämpft – damals zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD.
Es hat auch zu Beginn dieser Legislaturperiode nicht an Bekenntnissen gegen diese Zugangsbeschränkung gefehlt. Auch im Koalitionsvertrag waren solche Bekenntnisse nachzulesen. Bis heute existieren diese Zugangskriterien. Solange diese nicht verschwunden sind, ist alles andere in punkto Qualitätsentwicklung nur die Hälfte wert. Was nützt eine gute Kita, wenn sie für die Kinder, die sie am dringendsten brauchen, nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung steht?! Wir haben an dieser Stelle schon häufig darüber diskutiert.
Aber es gibt noch ganz andere Möglichkeiten, bei einem Kita-Platz in Sachsen das Nachsehen zu haben. Mindestens in den beiden Großstädten Dresden und Leipzig gibt es lange Wartelisten – Wartelisten für einen Krippenplatz. Es fehlen in erheblichem Umfang Plätze. Die Staatsregierung weiß von alledem nichts. Das meint man zumindest, wenn man die Antworten der Staatsregierung liest.
Nicht umsonst sind Dresden und Leipzig mit Abstand die Spitzenreiter, was die Plätze in der Kindertagespflege anbelangt. Hier wurden die Kindertagespflegeplätze, die vermeintlich ein Wahlrecht der Eltern bedienen sollen, besonders exorbitant ausgebaut. Für dieses vermeintliche Wahlrecht hat sich die CDU besonders starkgemacht. Ganz nebenbei kann man jede Menge Geld damit sparen. Circa 150 Euro pro Monat billiger ist für die Kommunen ein Kindertagespflegeplatz gegenüber einem Krippenplatz. Das kann man auch den Antworten auf die Große Anfrage entnehmen.
In Dresden hat eine Umfrage unter den Eltern der Tagespflegekinder ergeben, dass 90 % dieser Eltern einen Krippenplatz bevorzugen würden, sofern es einen geben würde. Gleiches lässt sich mit einiger Sicherheit auch für einen Großteil der Eltern sagen, die in eine teure private Kita ausweichen. Das hat aber niemand statistisch erfasst.
Nur eines wissen wir mit Sicherheit: Sachsen ist mittlerweile das ostdeutsche Schlusslicht in der Krippenbetreuung. Genauso wird nirgends systematisch erfasst, wie viele Kinder in den Kindergärten nicht mehr an einem gemeinsamen Mittagessen teilnehmen. Nur die entsprechenden Berichte von Betreuerinnen und Betreuern nehmen zu. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, wie wichtig gerade das gemeinsame Mittagessen sowohl physiologisch als auch für die soziale Funktion einer Kita ist – überhaupt wichtig für die soziale Funktion von Kitas.
Es gab in der vergangenen Legislaturperiode ein Modellprojekt zur Ansiedlung von Familienbildung in Kitas. Grundidee war es, dass das Netz von Kitas, welches zumindest im Kindergartenbereich fast alle Kinder und Eltern erreicht, besser niederschwelligere und wirksame Familienbildung betreiben kann. Das Modellprojekt lief sehr erfolgreich an vier Standorten. Das war es dann aber auch. Landesweit implementiert wurde es nicht. Auch dieses Modellprojekt hat keine Probierfunktion, sondern leider nur eine Alibifunktion. Eine Chance zur qualitativen Weiterentwicklung der Kitas wurde an dieser Stelle verspielt.
Die Chance des Bildungsplanes, die auf eine damalige Initiative unserer Fraktion zurückgegangen ist, wird hingegen vor Ort genutzt, wenngleich es bis heute – ich erinnere an vielfältige Diskussionen hier im Hause – an den erforderlichen Ressourcen, am Personal, an Vor- und Nachbereitungszeiten, an Zeiten für Fort- und Weiterbildung fehlt.
Damit hat sich der Kreis geschlossen, und ich bin genau wieder beim Betreuungsschlüssel in Kindertagesstätten.
Wenn ich gerade beim Personal bin – über zwei Dinge muss man sich für die Zukunft im Klaren sein: Weder reichen die Ausbildungskapazitäten aus, um den Bedarf an Erzieherinnen und Erziehern wirklich zu decken, noch kann man erwarten, dass das Personal, wenn es weiterhin so schlecht bezahlt wird, automatisch in Sachsen bleibt.
Bundesweit läuft derzeit der Ausbau der Kindertagesbetreuung auf Hochtouren. Ab 2013 wird es einen
Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auch für unter Dreijährige geben. Dafür wird gerade im Westen viel Personal gebraucht werden.
Zum Schluss noch etwas zu dem Thema, auf das die Koalition so stolz ist: das kostenlose Vorschuljahr. Keine Angst, ich vermiese Ihnen die Freude daran nicht, indem ich jetzt über die konzeptionellen Schwächen rede. Das habe ich schon verschiedentlich getan. Wir halten perspektivisch die kostenlose Kita für erforderlich und haben nicht umsonst hier im Haus immer wieder Einstiegsszenarien diskutiert und vorgeschlagen.
Immerhin ein halbes Jahr vor der Landtagswahl haben Sie das erste kostenlose Kita-Jahr zustande gebracht, ein kostenloses Kita-Jahr in einer Wahlperiode. Wenn in diesem Tempo weiter gearbeitet würde, hätten wir bereits in 25 Jahren kostenlose Krippen und Kindergärten und in 40 Jahren dann den kostenfreien Hort.
Sehr geehrte Damen und Herren! Hier scheint mir eine Beschleunigung dringend nötig. Dazu haben die Sachsen im Herbst ja auch Gelegenheit.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erspare mir eine detaillierte Argumentation. Wir haben die Diskussion schon vielfältig geführt. Es lag in dieser Form schon in Gesetzentwürfen und in Anträgen vor. Wir werden dem zustimmen, auch wenn bei einigen Punkten noch eine differenzierte Diskussion nötig wäre. Aber die Zielrichtung ist die richtige, und das unterscheidet uns von Herrn Krauß. Daher werden wir zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gebe zu, dass ich nicht zu denjenigen gehöre, die sich regelmäßig und mit Begeisterung im Fernsehen Talkshows ansehen. Thematisch hat es in der letzten Woche jedoch gleich zweimal gepasst. Ich möchte daraus gern ein paar Dinge zitieren.
Am Dienstag ging es bei Sandra Maischberger wieder einmal um die Armut in der Gesellschaft. Das Thema lautete: „Lässt der Staat die Armen im Stich?“ – Einer der Gäste war die Schauspielerin Uschi Glas. Sie berichtete, wie sie zur Kenntnis nehmen musste, dass es in der reichen Stadt München Tausende hungernde Kinder in der Grundschule gibt, und wie sie selbst initiativ geworden ist, um persönlich auf karitativer Ebene etwas dagegen zu tun. So weit, so schlecht oder so gut.
Aber das eigentlich Interessante war, dass Uschi Glas ausführte, dass sie es, bevor sie es nicht von den Schulleitern bestätigt bekommen hat, nicht geglaubt hätte, dass es so etwas in der reichen Stadt München gibt.
Uschi Glas, bekanntlich bekennende CSU-Anhängerin, räumte in der Sendung ein, dass sie mit Entsetzen zur Kenntnis genommen habe, dass bis zu 30 % der Grundschüler hungrig in der Schule sitzen. Dabei fühlte ich mich an so manche Debatte zum Thema Kinderarmut in diesem Haus erinnert. Hunger gibt es in der Vorstellung der meisten Ober- und Mittelklasseangehörigen nur in der Dritten Welt, in der journalistischen Übertreibung oder in der Propaganda der Linken. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Folge der politischen Ignoranz in diesem Land.
Es bedurfte bei Uschi Glas eines besonderen Anstoßes, um die Realität zur Kenntnis zu nehmen und Konsequenzen zu ziehen. Die Konsequenz war im konkreten Fall ein ehrenamtlicher Verein, der nunmehr die Kinder in vier Münchener Grundschulen mit Frühstück versorgt. Das ist ein lobenswertes persönliches Engagement, aber keine Lösung für ganz München, geschweige denn darüber hinaus.
Natürlich fehlte in dieser Maischberger-Runde die- bzw. derjenige nicht, der ebenso unbedarft wie altklug über den relativen Charakter der Armutsgrenze schwadronierte und damit versuchte, das Problem zu verniedlichen. In dieser Sendung war es Hugo Müller-Vogg, hier im Haus sind es
meistens die Kollegen der CDU-Fraktion, die diese Rolle übernehmen.
Meine Damen und Herren! Hungernde Kinder sind eine Realität in Deutschland, und das nicht nur in München – das war nur ein Beispiel –, sondern genauso in Dresden, in Leipzig, in Chemnitz, in Zwickau oder in Görlitz.
Ich berichte Ihnen über ein zweites Fernseherlebnis am Sonntagabend bei Anne Will. Auch dort ging es um das Ehrenamt – wir haben schließlich eine Themenwoche – und um Armut. Das Thema lautete: „Ehrenamtlich gegen Armut – machen Suppenküchen satt und bequem?“
Ich will gar nicht auf die Einzelheiten eingehen. Ich war nur schwer beeindruckt von unserer Bundesfamilienministerin Frau von der Leyen – zur Erinnerung: CDU –, die wie immer mit dem alle gewinnenden Ursula-von-derLeyen-Kameralächeln erklärte: Selbstverständlich brauche man in Deutschland Ganztagsschulen für alle und selbstverständlich auch für alle Kinder ein kostenloses Mittagessen in der Schule. Dies sei bitter nötig.
Auf Nachfrage: Als Bundesministerin geht es ja leider nicht – die föderale Ordnung, Sie wissen schon. – Das war die Antwort. Sie ist leider nicht mehr dazu gekommen auszuführen, dass es in dieser föderalen Ordnung auf Landesebene und in den Kommunen sowohl für Ganztagsschulen als auch für ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder Initiativen gab.
Vor allem konnte sie in der Sendung nicht ausführen, dass es die CDU und die von ihr geführte Koalition war, die dies jeweils ablehnten, so auch im Sächsischen Landtag, wo der wichtige und finanzierbare Gesetzentwurf der Linken zu diesem Thema abgelehnt worden ist.
Was Frau von der Leyen im Fernsehen als bitter nötig bezeichnete, hat die CDU im Sächsischen Landtag als Populismus der Linken denunziert. Wenn es in den Kommunen Versuche gab, wenigstens für die bedürftigsten Kinder ein solches Mittagessen zu sichern, dann war das in einigen Fällen erfolgreich, in anderen Fällen, zum Beispiel in Dresden, ist es wieder an dieser CDU gescheitert.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das ist das Dilemma der deutschen Politik bei der Bekämpfung der Kinderarmut, wie hier am Beispiel des kostenlosen Mittagessens angesprochen: Entweder es besteht Realitätsverweigerung oder es gibt Lippenbekenntnisse. Nur verändern tut sich nichts. Das kann nicht sein!
DIE LINKE möchte Ihnen heute wieder einmal die Gelegenheit geben, von diesem Grundmuster abzuweichen und gemeinsam eine sinnvolle Initiative zu unterstützen und zu befördern. Die Initiative kommt diesmal nicht von uns, sondern von Vertretern der Familien- und Sozialverbände und der Wissenschaft, denen wir uns angeschlossen und diesen Antrag angehängt haben. Diese Initiative wartet mit einem Vorschlag auf, der bei den
unmittelbaren Geldtransfers an Eltern von Kindern ansetzt. An die Stelle des ungerechten Gestrüpps von Kindergeld, Kinderfreibeträgen und Hartz-IV-Bedarfssätzen für Kinder soll eine einzige Kindergrundsicherung treten.
Schauen wir uns die gegenwärtige Situation einmal an: Kinder von Erwerbstätigen mit unteren und mittleren Einkommen erhalten monatlich 164 Euro Kindergeld. Die Kinder von Gut- und Spitzenverdienern hingegen profitieren mit steigendem Einkommen von den steuerlichen Kinderfreibeträgen. Diese wirken sich aufgrund des progressiven Steuersystems bei den höchsten Einkommen am stärksten aus. Aktuell beträgt die maximale Entlastung aufgrund der Freibeträge rund 240 Euro im Monat. Zusätzlich können gerade Bezieher höherer Einkommen die steuersparende Absetzung ihrer Ausgaben für häusliche Kinderbetreuung und/oder für Privatschulen ausschöpfen. Demgegenüber wiederum profitieren Kinder aus Hartz-IV-Familien nicht einmal von einer Erhöhung des Kindergeldes, denn das wird ihnen bekanntlich bei Hartz IV komplett gegengerechnet. Der Bedarfssatz von 211 Euro im Monat ist nach höchstrichterlicher Entscheidung jedoch weder bedarfsdeckend noch verfassungsgemäß, aber dennoch nach wie vor unverändert.
Es muss doch mal erklärt werden, warum für ein armes Kind 211 Euro ausreichen sollen, während man für ein reiches Kind bis zu 500 Euro steuerlich geltend machen kann. Der im Raum stehende Vorschlag bedeutet nichts anderes, als alle Kinder gleich zu behandeln: 500 Euro Kindergrundsicherung, das heißt 320 Euro für sächlichen Monatsbedarf eines Kindes und 180 Euro zur Übernahme der Kosten für Bildung und Betreuung, solange diese noch nicht komplett kostenfrei sind. Die 320 Euro entsprechen dem heutigen Freibetrag für das sächliche Existenzminimum und die 180 Euro dem Freibetrag für die Betreuung und Erziehung bzw. Ausbildung. Gleichzeitig sind die 320 Euro näherungsweise der Wert, auf welchen der Sozialgeldbedarfssatz für Kinder nach Meinung der Experten mindestens angehoben werden müsste.
Da diese Kindergrundsicherung in dem Vorschlag auch der Besteuerung unterliegen soll, wäre gewährleistet, dass reiche Familien auch nach der Besteuerung immer noch das Gleiche für ihr Kind erhalten wie bisher, während Kinder aus ärmeren Familien erstmals das finanziell Nötige für gesundes Aufwachsen und ihre Bildung erhielten.
Natürlich wären die 320 Euro nicht fix, sondern müssten dem Lebenshaltungsindex angepasst werden. Die 180 Euro müssten demgegenüber nicht zwingend komplett ausgezahlt werden, sondern wären der finanzielle Rahmen für kostenfreie Kita, kostenloses Mittagsessen und für die tatsächliche Umsetzung der verfassungsmäßig garantierten Lernmittelfreiheit in der Schule, übrigens auch für die Übernahme von etwaigen Elternbeiträgen
von freien Schulen, damit diese nicht nur den Besserverdienenden offenstehen.
Für das Modell gibt es eine finanzielle Gegenrechnung, die Ihnen vorliegt. Es finanziert sich zum Ersten natürlich aus dem Wegfall aller bisherigen Leistungen, die dann in der Kindergrundsicherung aufgehoben wären, und zum Zweiten aus dem Verzicht auf das antiquierte Ehegattensplitting, welches zwar die Ehe, aber nicht die Familie fördert. Was netto an Mehrbedarf übrig bleibt, beziffern die Initiatoren auf circa 10 Milliarden Euro. 10 Milliarden Euro zur Überwindung der Kinderarmut sind geradezu ein Schnäppchen angesichts der Milliardenbeträge, die gegenwärtig für wesentlich weniger bedeutsame Dinge ausgegeben werden.
Leider können wir das in Sachsen nicht direkt beschließen; es muss bundesweit in Angriff genommen werden. Nichtsdestotrotz sollten wir uns nicht so billig aus der Verantwortung nehmen wie Frau von der Leyen am vergangenen Sonntag. Wir sollten nicht nur auf die Kompetenz anderer Ebenen verweisen, sondern ein deutliches Signal aus dem Sächsischen Landtag senden und im Folgenden vor allem unserer eigenen Verantwortung gerecht werden.
Herzlichen Dank.
Herr Krauß, stimmen Sie mir zu, dass bei all diesen Anträgen, die Sie benannt haben, ein gemeinsames Ziel besteht, nämlich die Bekämpfung von Kinderarmut, und dass wir durch Ihre Ablehnung diesem Ziel nicht nähergekommen sind?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich ergreife an dieser Stelle noch einmal das Wort. Vielleicht werden die drei Minuten für das Schlusswort nicht ausreichen.
Uns wird vorgeworfen, dass wir mit dem Antrag die Infrastruktur mit den Geldleistungen für Familien ausspielen. Das ist einfach falsch. Es ist in diesen Antrag integriert. Wir wollen es nicht gegeneinander ausspielen. Wir reden hier über 320 Euro an Leistungen für die Kinder über die Eltern und über 180 Euro für Infrastruktur, solange sie noch nicht kostenlos ist. Wir reden über Elternbeiträge für Schulen, für Kitas, kostenloses Mittagessen und Lernmittelfreiheit.
Frau Schütz, Sie haben es schon angesprochen. Selbstverständlich sind unsere Forderungen kompatibel mit diesem Konzept. Frau Dr. Schwarz, dieses Konzept ist übrigens nichts Neues und kein Schnellschuss, der nicht diskutiert wurde. Das wissen Sie auch. Wir haben schon vor Jahren die Diskussion zur Abschaffung des Ehegattensplittings und der Kindergrundsicherung als eigenständige Leistung und nicht als bevormundendes Sozialsystem, wie es die CDU-Fraktion gern vorträgt, geführt. Dazu hatten wir vor drei Jahren einen Antrag. Das wurde jetzt noch einmal von Sozialverbänden und Wissenschaftlern aufgeschrieben, und wir halten es für vernünftig. Die von mir aufgezählten Forderungen sind in den 180 Euro mit enthalten, entweder als kostenfreie Bereitstellung oder als Zahlung an die Eltern, solange es nicht kostenfrei ist.
Mit dieser Kostenfreiheit bringt man Kinder in der Bildung voran und stopft nicht nur Geld irgendwo hinein. Es geht darum, Kindern den Zugang zu einer Kindertageseinrichtung zu gewähren und sie nicht hungern zu lassen.
Gleich.
Die Lernmittelfreiheit muss durchgesetzt werden, damit die Kinder nicht benachteiligt werden. Das ist ein Beitrag, damit Kinder gleichberechtigt Bildung erfahren können. Man kann doch nicht sagen, es würde nur Geld hin- und hergeschoben.
Wir als Linke sagen erst einmal, dass Bildung überhaupt nichts kosten darf. Es dürfte eigentlich gar kein Schulgeld für eine kommerzielle Schule erhoben werden. Es ist doch ganz einfach: Entweder man macht die Infrastruktur kostenfrei, dann wird man die 180 Euro nicht an die Eltern zahlen, oder die Infrastruktur ist nicht kostenfrei, dann gibt man das Geld an die Eltern. Uns wäre es natürlich lieber, wenn die Infrastruktur in Gänze kostenfrei wäre. Da sind wir beieinander.
Herr Krauß, es existiert nun einmal die Realität, dass es Kinder gibt, die hungern. Ich kann es nicht ändern. Das mag vielleicht in unseren Vorstellungen nur schwer zu verbändeln sein, aber reden Sie bitte mit den Praktikern. Dann sehen Sie, dass es ein reales Problem ist. Dazu kann man nicht einfach sagen, die Eltern sind schuld, ein Häkchen daran machen und die Eltern verantwortlich gemacht haben. Wir haben doch die Realität; wir müssen etwas dagegen tun.
Die CSU-Anhängerin Uschi Glas hat 3 000 Kinder in der Sendung benannt. Sie können sich das im Internet ansehen.
Das war am Anfang aber gesagt, dass das in der allgemeinen Debatte stattfindet.
Was mich in solchen Debatten immer noch ärgert, ist eine Unterstellung: dass, wenn das Geld für die Kinder an die Eltern gezahlt wird, die Gefahr besteht, dass es im Grunde versackt. Das ist der Vorwurf, der dahintersteht. Die Eltern versaufen das Geld für die Kinder. Ich habe das jetzt unterstellt. Das ist für meine Begriffe eine ziemlich anmaßende Bewertung der Lebenssituation. Der Witz ist aber der, dass es heute genauso ist. Auch der Regelsatz bei Hartz IV fließt in den Gesamthaushalt der Eltern ein. Es ist also argumentativ nichts anderes. Ich teile natürlich Ihre Argumentation, dass es den Kindern nicht zugute kommt, nicht. Viele Eltern setzen es verantwortungsvoll für ihre Kinder ein. Deswegen sind diese 500 Euro nötig und wichtig.
Sehr geehrte Damen und Herren! Eine abschließende Bemerkung: Kinderförderung – das haben wir immer wieder vertreten – hat nichts im Steuerrecht zu suchen, denn das führt immer dazu, dass Kinder unterschiedlich viel wert sind. Uns ist aber jedes Kind gleichviel wert und jedes Kind soll die gleiche Unterstützung vom Staat erhalten.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor wenigen Wochen hat das Bundessozialgericht Kassel festgestellt, dass es verfassungswidrig sei, Kindern in Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften nur 60 % des Regelsatzes für Erwachsene zuzubilligen – eine Position, die von Anfang an ein entscheidender Kritikpunkt an der gesamten Hartz-IV-Gesetzgebung war; eine Position, die insbesondere von der Linken ebenfalls von Anfang an vertreten wurde, damals noch von den Vorgängerparteien PDS und WASG.
Aber auch die Sozialverbände haben darauf hingewiesen, dass es ein Unding sei, Kindern einfach nur 60 % des Existenzminimums eines Erwachsenen zuzubilligen. Nun haben wir es auch höchstrichterlich bestätigt: Es geht so nicht.
Sehr geehrte Damen und Herren, wenn Sie das Urteil gelesen haben, wird auch Ihnen sofort klar, dass die inzwischen beschlossene geringfügige Erhöhung auf 70 % des Regelsatzes daran nichts ändert; denn was die Richter einfordern, ist eine eigenständige Bedarfsermittlung für Kinder, die deren elementaren Lebensbedürfnissen gerecht wird. Die Richter verlangen ausdrücklich, dass der für Kinder notwendige Bedarf ermittelt und definiert werden möge – ein Bedarf, der nach unserer festen Überzeugung alle notwendigen Ausgaben einschließen
muss, die sichern, dass ein Kind in seiner Entwicklungsphase Zugang zu einer ausreichenden, ausgewogenen und gesunden Ernährung hat. Er muss auch alles einschließen, was für einen gleichberechtigten Zugang zur Bildung nötig ist, wie beispielsweise notwendiges Material für die Schule. Davon, dass Kinder in der Wachstumsphase viel häufiger Kleidungsstücke brauchen, gar nicht zu sprechen.
Es gibt übrigens, sehr geehrte Damen und Herren, Experten, die vermuten, dass der Regelsatz für Kinder oder Jugendliche sogar höher sein muss als der für Erwachsene. Aber das ist zugegebenermaßen im Moment noch spekulativ. Die sachgerechte Bedarfsermittlung steht noch aus.
Damit bin ich bei unserem Antrag, den wir heute diskutieren. Wir verlangen darin nicht mehr und nicht weniger, als dass dieser kindgerechte Regelsatz unverzüglich ermittelt wird.
Sehr geehrte Damen und Herren! Kaum war das Urteil des Bundessozialgerichtes in der Welt, verlautete es aus dem Bundesfinanzministerium, man habe keinen unmittelbaren Handlungsbedarf und im Jahre 2009 käme es mit Sicherheit nicht mehr zu einer entsprechenden Neuregelung des Regelsatzes für Kinder. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, halte ich für den eigentlichen Skandal. Während Rettungsschirme für Banken und Industrieunternehmen und Konjunkturprogramme zweifelhaften Inhalts in Milliardenhöhe und innerhalb von wenigen Tagen und Wochen durch die Parlamente aller Ebenen durchgepeitscht werden – wir haben es gestern hier selbst erlebt –, löst die gerichtsnotorische Feststellung, dass zwei Millionen Kinder in Deutschland nicht das Notwendige für ihre gedeihliche Entwicklung erhalten, offensichtlich keinerlei Handlungsdruck bei CDU und SPD aus. Während in die Pleitebanken sofort Geld gepumpt wird, scheinen diese Kinder warten zu können. Welch zynische Prioritätensetzung! Damit können und wollen wir uns nicht abfinden.
Unser Antrag hat zwei Punkte zum Ziel: Erstens, der kindgerechte Regelsatz soll unverzüglich ermittelt werden. Zweitens, bis zu seiner Feststellung erhalten Kinder und Jugendliche den vollen Regelsatz wie Erwachsene. Aus unserer Sicht kann dies die einzig mögliche Konsequenz aus dem vorliegenden Urteil sein.
Darüber hinaus können wir uns selbstverständlich auch dem Vorschlag des Bundesrates vom vergangenen Mai anschließen, dass neben dem Regelsatz für Kinder auch noch Sachleistungen gewährt werden können. Da wir, wie Sie wissen, ebenso Verfechter der Lernmittelfreiheit wie auch Befürworter eines kostenlosen Mittagessens in den Kitas und Schulen sind, halten wir einen Rechtsanspruch auf diese konkreten Leistungen für Kinder in Bedarfsgemeinschaften für ausgesprochen sinnvoll.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir sind es leid, dass jede konkrete Verbesserung der Lebenssituation von
Kindern und Jugendlichen immer wieder mit den Argumenten ausgebremst wird, man müsse erstens sparsam sein und zweitens müssten diese Leistungen den Kindern und Jugendlichen dann sowieso vom Regelsatz abgezogen werden. Gerade das zweite Argument – es wurde in der letzten Debatte fast unendlich vertieft – ist ein Argument gewissenloser Bürokraten. Zum Teil sind es dieselben, die Kindern und Jugendlichen jetzt die angemessene Erhöhung des Regelsatzes vorenthalten.
Ich fordere Sie auf, dieser verqueren Logik nicht länger zu folgen. Sie können jetzt nachweisen, dass Ihnen die Gesundheit, die Bildung und das Wohlbefinden mindestens genauso viel wert sind wie die Erneuerung des privaten Autoparks durch Abwrackprämien.
Vielen herzlichen Dank.
Nur um unseren Antrag richtig einzuordnen: Könnten Sie sich vielleicht damit anfreunden, dass Punkt 1 unseres Antrags für das sofortige Handeln und Punkt 2 für das zukünftige Handeln formuliert ist?
Stimmen Sie mir zu, dass es – entgegen der Forderung unserer Bundestagsfraktion – hier darum geht, den Regelsatz entsprechend umzusetzen, bevor es zu einer Neufestsetzung kommt?
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe in meinem Eingangsredebeitrag schon gesagt, dass das Argument, dass kein Geld da sei, im Moment ein schwaches Argument ist. Wir reden über Milliarden, die zur Verfügung gestellt werden, wobei wir an bestimmten Stellen Fragezeichen setzen, wir aber auch in vielen Fällen dabei sind. Das Problem ist, dass dieses steuerfinanzierte Geld eben nicht für die Ärmsten der Armen eingesetzt wird. Das ist der Kritikpunkt.
Warum setzen wir das Geld denn nicht dort ein und können uns ganz sicher sein, dass es auch in den Kreislauf des Konsums hineinkommt?
Herr Krauß – wo sitzt er denn? –,
zu Ihrer Bemerkung, dass es widersprüchliche Forderungen sind: Dieser Antrag besteht aus zwei Punkten, die – ich habe das in einer Zwischenfrage im Grunde schon angedeutet – eine unterschiedliche Zeitperspektive bedienen. Der erste Punkt besagt, dass wir ein Gerichtsurteil haben. Das ist auch das Neue, Herr Brangs, was diese Diskussion von der zuletzt geführten unterscheidet. Wir haben ein Gerichtsurteil, das besagt: Diese Unterteilung seitens der Bundesregierung ist rechtswidrig. Wir sagen, dass wir das beheben möchten. Wir unterbreiten den Vorschlag, es dem Regelsatz der Erwachsenen anzugleichen. Man kann auch andere Vorschläge unterbreiten, wie man sozusagen diesem Richterspruch entgeht, und zwar bis zu dem Punkt, wo eine Expertenkommission einen Bedarf ermittelt.
Wenn der Bedarf jetzt schon vorliegen würde, wenn die in Berlin ihren Job gemacht und den Bedarf ermittelt hätten, dann hätte man den Satz auch jetzt schon genau auf diesen Bedarf heben können. Aber das ist nicht der Fall. Das heißt für uns, die Übergangsforderung zu stellen, die da lautet: Wir gehen auf den Regelsatz der Erwachsenen, und wenn dann der Bedarf ermittelt wird, nehmen wir diesen Bedarf.
Ich habe es angedeutet: Wir haben hier natürlich einen Beschluss gehabt, wir haben schon vielfältige Diskussionen geführt. Ich finde es schwierig, Frau Schütz, das als Schaufensterdiskussion zu diskreditieren. Der Punkt ist doch einfach folgender: Wenn sich etwas geändert hätte, seitdem wir die Beschlüsse hier gefasst und die Diskussion hier geführt haben, wäre das gut. Es hat sich aber nichts geändert.
Im Jahr 2007 bereits hat die Sozialministerkonferenz einstimmig erklärt, dass dieser Regelsatz neu entwickelt werden soll. Im Mai letzten Jahres hat der Bundesrat auf der Basis eines Landesantrages von Nordrhein-Westfalen den Beschluss gefasst, dass es eine neue Festsetzung geben soll. Das ist genau das, was wir in Punkt 2 noch einmal formuliert haben, nämlich eine eigene Festschreibung vorzunehmen. Das haben wir im Landtag zwar auch schon einmal in Gänze beschlossen, aber es tut sich ja nichts.
Ganz nebenbei gesagt: Der Antrag, der im Bundesrat beschlossen wurde – ich erspare es mir, ihn im Detail hier
vorzulesen, obwohl das sehr interessant wäre –, liest sich im Grunde wie ein Antrag der Linken. Dieser Antrag wurde im Bundesrat angenommen, aber es passiert einfach nichts. Nach dem Bundesgerichtsurteil sagt Herr Scholz, 2009 finde das nicht statt. Das halten wir für unerhört. Genau das ist der Grund, warum der Antrag heute auf der Tagesordnung steht.
Wenn Sie sich den Beschluss des Bundesrates anschauen, werden Sie auch sehen, dass dort auch Optionen beispielsweise hinsichtlich zusätzlicher Leistungen oder Optionen von Sachleistungen, die kostenfrei zur Verfügung gestellt werden, etwa ein kostenloses Mittagessen, integriert sind. Das sind nicht irgendwelche Hirngespinste, die wir als Fraktion DIE LINKE hier einbringen, sondern das sind Dinge, die im Bundesrat diskutiert und beschlossen wurden.
Ein abschließendes Wort vielleicht noch zu Herrn Brangs – Sie brauchen nicht die Augen zu verdrehen, Entschuldigung, ich halte das für ein wichtiges Thema, Herr Brangs –: In dem Gerichtsurteil steht auch ganz klar, dass diese 60 und 80 % willkürlich festgelegt und nicht auf der Basis eines Warenkorbes, einer Expertenkommission etc. ermittelt wurden. Das ist doch der Punkt und die Wahrheit.
Nein, aber ich möchte um getrennte Abstimmung bitten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Was wir Ihnen heute vorschlagen, ist keinesfalls ein besonders extravaganter Wunsch der Opposition angesichts der bevorstehenden Landtagswahl.
Es ist auch keine neue politische Forderung, ganz gewiss nicht. Was wir heute hier beantragen, ist nichts anderes als die Erinnerung der Regierung und der Koalition an eine unerledigte Hausaufgabe. Die Regierung weiß das, die Koalition weiß das und im Grunde genommen weiß es auch die sächsische Öffentlichkeit. Deshalb ist Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, die Sache hin und wieder etwas unangenehm. Diese Pein kann ich Ihnen leider nicht nehmen, will ich Ihnen auch nicht nehmen. Sie können sich davon selbst befreien, zum Beispiel durch Zustimmung zu unserem heutigen Antrag.
Sehr geehrte Damen und Herren! Eine grundlegende Verbesserung des Personalschlüssels in Kindertagesstätten steht seit Jahren auf der Tagesordnung. Spätestens seit der Einführung des Sächsischen Bildungsplanes vor drei Jahren ist dieser längst überfällig. Nun ist die Staatsregierung nicht gerade dafür bekannt, dass sie den Anforderungen von Erzieherinnen und Erziehern, von Elternvertretern oder von Trägern der Kitas ein besonders großes Gewicht beimessen würde. Auch die Einschätzung von wissenschaftlicher Seite hat die Staatsregierung häufig nicht sonderlich beeindruckt, von den Forderungen der Landtagsopposition gar nicht zu sprechen.
Nun hat aber die Staatsregierung im vergangenen Sommer selbst eine Evaluation hinsichtlich der Personalausstattung in den sächsischen Kitas in Auftrag gegeben. Das Ergebnis der Studie: Es besteht dringender Handlungsbedarf!
Etwas aus der Rolle der Ministerin fallend, verkündete Frau Orosz in ihrem OB-Wahlkampf in Dresden im letzten Sommer die Verbesserung des Personalschlüssels, des Betreuungsschlüssels, von 1 : 13 auf 1 : 12. Für alle diejenigen, die sich nicht ständig mit dieser Materie beschäftigen, möchte ich an dieser Stelle erläutern, worum es sich konkret handelt. Die Verbesserung des Personalschlüssels bezieht sich erstens auf den Kindergarten, also auf die Drei- bis Sechsjährigen. Bei den Krippenkindern und den Hortkindern verbessert sich dadurch noch gar nichts. Er bleibt zweitens weit hinter dem
zurück, was von fachlicher Seite eingefordert werden muss. Schauen Sie sich beispielsweise die Studie der Sächsischen Parität oder den Ländermonitor der Bertelsmann-Stiftung an.
Was die Fachwelt mit Recht und sehr begründet einfordert, ist ein Betreuungsschlüssel von mindestens 1 : 10 im Kindergarten und von mindestens 1 : 5 in der Kinderkrippe. Davon ist das, worüber wir hier diskutieren, noch weit entfernt. Es gibt im Übrigen Bundesländer, die diesen Standard faktisch erreicht haben, wie zum Beispiel Bayern. Noch besser ist Berlin. Dort ist dieser Standard gesetzlich fixiert.
Drittens, es muss ein weit verbreiteter Irrtum ausgeräumt werden. Es handelt sich bei diesen Zahlen von 1 : 13, 1 : 12 bzw. 1 : 10 nicht um Gruppengrößen. Die Gruppen sind wesentlich größer. Es handelt sich dabei um die Gesamtrelation des Personalbestandes einschließlich des Leitungspersonals, einschließlich der Vor- und Nachbereitungszeiten, einschließlich der Weiterbildungen und einschließlich des Ausfalls aufgrund von Urlaub oder Krankheit.
Wenn wir den Schlüssel von 1 : 13 auf 1 : 12 verändern, dann sollte sich niemand einbilden, dass das einen wirklich großen Einfluss auf die Gruppengröße hätte. Diese bleibt fast unverändert. Wenn eine mittlere Einrichtung künftig statt zwölf nunmehr 13 Vollzeitstellen für Erzieherinnen und Erzieher zur Verfügung hätte, würde das zunächst nur den Spielraum für Vor- und Nachbereitung, für Leitungstätigkeit und Weiterbildung, kurzum, für die Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes, erweitern. Nur bei größeren Einrichtungen könnte es sich – was ebenfalls wünschenswert wäre – auf eine größere Flexibilität bei den Öffnungszeiten auswirken.
Über diese kleine, aber sehr wichtige Verbesserung sprechen wir hier. Diese hatte das Sozialministerium bereits in Angriff genommen. Die Koalition hat das dann entsprechend politisch aufgeblasen, und der Ministerpräsident hat es in seiner Antritts-/Regierungserklärung zum Versprechen erhoben. Das erklärt den Titel unseres heutigen Antrages. Es war übrigens das einzige konkrete Versprechen, das diese Regierungserklärung des neuen Ministerpräsidenten beinhaltete. Es war ein Versprechen, das landauf, landab durchaus mit einem erleichterten Seufzer aufgenommen worden ist. Umso größer war jedoch der Aufschrei – ebenfalls landauf, landab –, als die Koalitionsfraktionen in der Haushaltsdebatte eine Wende um 180 Grad machten. Nachdem der Versuch gescheitert war, die Kosten zum großen Teil den Kommunen und den Eltern aufzubrummen, ließen CDU und SPD das Projekt
einfach fallen und investierten das Geld an anderen Stellen mit größerer Wahlkampfrelevanz.
Ich bleibe dabei: Das kostenlose Vorschuljahr ist ein guter, wenn auch nicht zu Ende gedachter Ansatz. Dafür aber die Verbesserung des Betreuungsschlüssels zu streichen ist ein Taschenspielertrick zulasten der Beschäftigten in den Einrichtungen und damit letztlich zulasten der Kinder.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ihnen ist sicherlich aufgefallen, dass die zentralen Punkte, zu denen wir von der Staatsregierung dringend Vorschläge erwarten, die Punkte sind, bei denen auch die Evaluierung ihre Empfehlungen ansetzt: Aufstockung der Leistungskapazität, kinderfreie Zeiten für Erzieherinnen und Erzieher, Berücksichtigung von Ausfallzeiten im Personalschlüssel, Anpassung des Personalschlüssels an die Betreuungszeiten außerhalb der Kernzeiten usw. sowie die Verbesserung der Fachberatung. Insofern ist der Personalschlüssel von 1 : 12 nur der allererste kleine Schritt.
Vielsagend ist die Stellungnahme der Staatsregierung. Berücksichtigt man, dass Ministerialbeamte die Landtagsmehrheit nicht direkt kritisieren dürfen und der Form nach Loyalität wahren sollen, so ist die Formulierung schon eine Ohrfeige für die CDU und die SPD, denn nicht einmal in ihrem eigenen Ministerium – das wissen Sie – kann irgendjemand Ihren Schnellschuss nachvollziehen. Deshalb kann ich nur an die Damen und Herren in der Koalition appellieren: Springen Sie über Ihren Schatten im Interesse der Kinder in den Kitas, korrigieren Sie Ihren Fauxpas und stimmen Sie heute unserem Antrag zu.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Schöne-Firmenich,
gestatten Sie mir, zu Beginn etwas anzumerken: Ich habe, als Herr Krauß nach Frau Nicolaus immer in die Bütt gegangen ist, Frau Nicolaus vermisst. Aber ich muss zugestehen, nachdem Sie jetzt in die Bütt gegangen sind, vermisse ich ja fast schon Herrn Krauß.
Ich meine, das sagt schon viel aus, wenn ich einmal nach links in die Opposition hineinschaue.
Wir haben selbstverständlich diese Studie, die hier zur Diskussion steht und in diesem Antrag untersetzt ist, schon im Dezember in den Haushaltsverhandlungen diskutiert. Das ist Ihnen mit Sicherheit entgangen, Frau Schöne-Firmenich. Es war dort schon in der Diskussion. Nichtsdestotrotz war es uns wichtig, diesen Punkt noch einmal in einem Antrag zu fixieren. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass Sie unserem Gesetzentwurf innerhalb der Haushaltsverhandlungen nicht zugestimmt haben, sodass es nur die Möglichkeit gab, es über einen Antrag zu formulieren und in diesem Landtag einzufordern. Ich verweise darauf, dass unser dritter Gesetzentwurf zu dieser Thematik abgelehnt wurde.
Der zweite Punkt: Die Empfehlungen sind vielfältig in diesem Bericht; darin gebe ich Ihnen recht. Aber Sie finden in unserem Antrag unter Punkt 1 genug Dinge aus diesen Empfehlungen. Diesen Antrag nur darauf zu reduzieren, dass er die Verbesserung des Betreuungsschlüssels zum Inhalt hat, ist einfach falsch. Es ist der Punkt 2 mit der Bitte, einen Gesetzentwurf vorzulegen, um das schnell umzusetzen. Das ist eben keine überstürzte Handlung, Herr Kultusminister, sondern das ist schon seit Langem ein Diskussionspunkt in diesem Parlament und eigentlich auch langjähriger Konsens der Fachpoliti
ker hier im Parlament – sogar bis ins Ministerium, wie ich vorhin ausgeführt hatte.
Frau Dr. Schwarz, Sie sagten, in der Studie steht, in der Evaluation nichts Konkretes hinsichtlich der Verbesserung des Personalschlüssels. Das stimmt so nicht. Es gibt mindestens eine Stelle – das ist einfache Mathematik –, um von 1 : 13 auf 1 : 12 zu kommen, bei der Vor- und Nachbereitungszeit. Ich könnte aus diesem Bericht zitieren, aber ich erspare mir das. Es sind noch weitere Bereiche genannt, in denen argumentativ untersetzt ist, dass man auch dort noch am Betreuungsschlüssel drehen müsste.
Ja, ich warte auch schon auf die Frage.
„Ein sinnvoller Mindestwert für die kinderbetreuungsfreie Zeit ergibt sich unmittelbar aus der Aufgabenanalyse... Er liegt bei circa 10 % der wöchentlichen Arbeitszeit“ – einfache Mathematik an dieser Stelle.
Es gibt noch andere Punkte, Frau Dr. Schwarz, die eine Verbesserung beschreiben. Sie hatten auf die Verbesserung von 14 Millionen Euro im Kindertagesstättenbereich hingewiesen, die mehr eingestellt wurden. Wir sind uns ja wohl einig, wie wir es auch in den Haushaltsberatungen festgestellt haben, dass diese zusätzlichen 14 Millionen Euro eigentlich ein Nullsummenspiel sind, weil sie in anderen Haushaltspositionen auf null gesetzt bzw. eingespart und hinübergeschoben wurden. Das ist ein Nullsummenspiel; das ist auch die Rückmeldung aus der Praxis.
Ja.
Ein Nullsummenspiel, Frau Dr. Schwarz, ist, wenn ich Haushaltstitel von fast 14 Millionen Euro auf null setze und woanders 14 Millionen Euro draufsetze und die Pauschale erhöhe. Das ist für mich ein Nullsummenspiel.
Vielleicht noch etwas zu Ihrem Vorwurf, dass wir von der Programmatik abweichen, wenn wir nicht sofort den Antrag auf einen Betreuungsschlüssel von 1 : 10 stellen und hier 1 : 12 fordern: Ich finde es wesentlich konsequenter, einen Schritt zu gehen, als Ihre Position einzunehmen und sich überhaupt nicht zu bewegen mit der Argumentation, es sei jetzt nicht möglich. Insgesamt war ich etwas verwirrt, dass die SPD-Fraktion gesagt hat, unser Antrag gehhe viel zu weit, und die GRÜNEN gesagt haben, er greift viel zu kurz. Das Spektrum der Kritik geht weit.
Herr Wöller, abschließend an Sie gerichtet: Es freut mich, dass Sie die Studie ernst nehmen. Viel lieber wäre es mir, wenn Sie als Minister in diesem Bereich handeln würden. Der kommunalen Ebene die erste Verantwortung zuzuschieben halte ich an dieser Stelle nicht für sachgerecht. Wir haben zum 1. Januar dieses Jahres die frühkindliche Bildung nicht ganz zufällig vom Sozialministerium ins Kultusministerium verlagert. Wir reden hier über Bildung, einen klassischen Bereich der Landespolitik. Bildung ist Landespolitik. An dieser Stelle ist das Land in der Verantwortung, auch bei der Finanzierung und Verbesserung des Personalschlüssels.
Herzlichen Dank.
Dann möchte ich nur darum bitten, über die beiden Punkte einzeln abstimmen zu lassen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Diskussion um die Tagespflege und die Besteuerung
hatten wir hier vor einem Jahr schon geführt. Wir hatten als Fraktion DIE LINKE damals die Position vertreten, dass es nicht ungewöhnlich, sondern normal ist, dass auch Tagespflegepersonen ihr Einkommen versteuern, aber dass die Kommunen in der Pflicht sind, für ein existenzsicherndes Einkommen bei Tagespflegepersonen zu sorgen. Diese beiden Dinge sind für uns wichtig. Man muss auch zugestehen, dass die Regelung, dass Tagespflegepersonen ihr Einkommen nicht versteuern, ein Relikt aus vergangenen Zeiten ist, das abzuschaffen ist.
Hinsichtlich Tagespflege haben wir eine ambivalente Positionierung, das wissen Sie. Wir akzeptieren das Wunsch- und Wahlrecht. Wir akzeptieren jede Entscheidung der Eltern, die ihr Kind in der Tagespflege betreuen lassen wollen. Aber wir kritisieren, dass durch das Überbrücken von Engpässen, zum Beispiel in Großstädten, die Tagespflege zur Normalität wird und damit das Wunsch- und Wahlrecht ausgehebelt wird. Das ist das Problem.
Es betrifft konkret Leipzig und Dresden. Wir haben in Sachsen 3 800 Tagespflegeplätze, so meine Anfrage aus dem letzten Jahr. Davon sind 2 400 Tagespflegeplätze aus Dresden und Leipzig. In diesen Städten besteht eine besondere Situation. Frau Herrmann, ich teile Ihre Einschätzung nur bedingt. Sie nehmen als gottgegeben hin, dass man die derzeitige Situation nur mit Tagespflegeplätzen überbrücken kann und langfristig damit leben muss. Ich wünsche mir, dass wir langfristig das Wunsch- und Wahlrecht sicherstellen, und zwar auch hinsichtlich einer Möglichkeit, eine Kindertagesstätte in Anspruch zu nehmen. Das ist im Moment in den Großstädten nicht möglich. Ich möchte natürlich auch dort investieren und für die Eltern, die Tagespflege wollen, ebenfalls die Tagespflege ermöglichen.
Bei der Tagespflege müssen wir natürlich Qualität bieten, weil Diskrepanz in der Diskussion im Kindertagesstättenbereich und in der Tagespflege besteht und die Qualifikation mitnichten in der Höhe so angesetzt wurde wie in der Kindertagesstätte. Sie haben uns vorhin in der Diskussion vorgeworfen, dass wir angeblich in unserem Antrag nicht darauf eingegangen wären. Das stimmt nicht. Wir haben in unserem Antrag selbstverständlich auch Konsequenzen hinsichtlich Kindertagespflege berücksichtigt. Schauen Sie nach, Frau Dr. Schwarz. Ich habe extra noch einmal nachgesehen. Ich habe vorhin vergessen, es Ihnen noch einmal vorzulesen.
Wir haben in dieser Evaluation die einzelnen Punkte vorliegen, die man bei Tagespflege beachten sollte. Dabei geht es um Qualität und um die Qualifizierung aller Tagespflegepersonen, was daraus resultiert, dass dies in dem Maße noch nicht vorhanden war. Es wird eine Empfehlung ausgesprochen, eine eigene Fachberatung für Tagespflege einzurichten, und zwar jenseits von der Fachberatung Kita, weil es unterschiedliche Dinge sind, oder eine Initiierung – darauf sind Sie vorhin eingegangen, Frau Dr. Schwarz – und eine kontinuierliche Begleitung von Tagesmütternetzwerken.
Wir als Linke hatten vor einigen Jahren diskutiert, dass Tagespflegepersonen auch direkt an Kitas anzugliedern sind, dass die Isolation, als alleinige Frau oder alleiniger Mann die Tagespflegegruppe zu betreuen, überwunden wird, dass es zum Austausch kommt. Das sind alles notwendige Dinge.
Auf der einen Seite heißt es Qualitätsverbesserung und auf der anderen Seite existenzsichernde und sachgerechte Entlohnung, gerade auch in dem wichtigen Bereich der Kinderbetreuung. Das ist unsere Grundidee.
Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Antrag der GRÜNEN, wie wir uns dort verhalten werden. Herr Krauß hat ja ausschweifend darüber geredet, warum wir ihn nicht annehmen sollen bzw. Sie ihn nicht annehmen werden: weil alles schon getan wird oder Sie sich mit allen an den Tisch setzen oder der Minister sicherlich bestimmte Dinge einhält. Dann können wir es auch beschließen und als Votum aus diesem Haus rausgehen lassen. Ich habe das Gefühl, das ich mit den GRÜNEN teile, dass dies noch nicht in allen Kommunen angekommen ist. Wir haben teilweise Diskussionen auf kommunaler Ebene, bei denen gesagt wird: Jetzt gibt es eine neue Besteuerung, der Bund ist böse und Tagespflegepersonen bekommen weniger Geld. Das war es als Analyse vonseiten der Kommunen. Die Analyse muss anders sein, damit sie mehr Geld geben. Das hätten die Kommunen in den letzten Jahren schon tun müssen, weil die Kommunen mit jedem Tagespflegeplatz Geld sparen. Die Wahrheit muss man doch einmal sagen: Ein Tagespflegeplatz ist nun einmal im Jahr bis zu 4 000 Euro billiger als ein Kinderkrippenplatz. Deswegen hat er auch in Dresden und Leipzig seinen Einzug gehalten. Das war ja nicht nur zur Überbrückung, sondern auch, um Finanzen zu sparen. Das halte ich für politisch falsch.
Man sollte den Punkt 1 dieses Antrages sowie die beiden Berichtspunkte beschließen und schauen, wie man mit der Qualitätsentwicklung umgeht, gemeinsam mit den anderen Verbänden. Das halten wir für vernünftig. Von den Zahlen, die hier im dritten Punkt stehen und einen existenzsichernden Job für Tagespflegepersonen sichern, sind wir in Sachsen weit entfernt. Deswegen ist das sachgerecht. Wir stimmen zu.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zum 1. Januar dieses Jahres trat in Rheinland-Pfalz eine Vereinbarung zwischen der Landesregierung, dem Landkreistag und dem Städtetag in Kraft. Inhalt dieser Vereinbarung ist ein gemeinsam aufgelegter Sozialfonds der benannten Partner, aus welchem das Mittagessen in der Kindertagesstätte für Kinder aus sozial schwachen Familien bezahlt wird. Seit 2006 ist diese finanzielle Unterstützung und damit die Ermöglichung eines kostenfreien Mittagessens wenigstens für die Bedürftigen in Ganztagsschulen des Landes Rheinland-Pfalz bereits Realität.
Sehr geehrte Damen und Herren! Als wir hier im Landtag als Linke vor drei Jahren erstmals die Notwendigkeit betont und die Forderung aufgestellt haben, Kindern aus armen Familien den kostenfreien Zugang zu einem Mittagessen zu garantieren, gab es heftige Diskussionen. Man kann auch sagen, der Aufschrei war groß. Eine solche Forderung unserer Fraktion hier im Haus wurde weit von sich gewiesen.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle Ihre vorgebrachten Argumente von damals nicht ersparen. Es wurde die Gefahr heraufbeschworen, dass eine solche Unterstützungsleistung des Staates angeblich vom Regelsatz abgezogen werden müsste. Das ist eine Meinung, die auch heute hin und wieder kursiert. Der Vertreter des Landkreistages hat sich in der Anhörung des Sozialausschusses zu dem heute vorliegenden Gesetzentwurf wieder zu einer solchen Bemerkung hinreißen lassen. Denjenigen, die so argumentieren, sei vorab gesagt, dass es inzwischen eine Reihe von Sozialgerichtsurteilen gibt, die sich gegen diese Zwangsläufigkeit wenden.
Ein Mittagessen in der Schule ist eben keine geldwerte Leistung an die Eltern, genauso wenig, wie eine Unterrichtsstunde eine geldwerte Leistung ist. Aus diesem Grund verbietet sich eine Gegenrechnung. Das gilt umso mehr, als unser Gesetzentwurf eben nicht nur ein Mittagessen für Bedürftige vorschlägt, sondern eines für jede Schülerin und jeden Schüler, für jedes Kind in der Kita.
Ich erinnere mich an den Vertreter des Kinderschutzbundes, der in der ersten Anhörung im Ausschuss fast resignierend feststellte, dass es leider zu viele Leute in Deutschland gibt, die, anstatt etwas gegen Kinderarmut zu tun, lieber ihren Grips darauf verwenden nachzuweisen, warum es juristisch angeblich nicht geht. Das ist schon ein paar Monate her. Jetzt leben wir in einer Zeit, in der noch ganz andere Dinge gehen, wenn man es politisch nur will.
Wie absurd die vorgeschobene Debatte war, sieht man allein schon an den Zahlen. Was soll man denn von den im Regelsatz für Kinder vorgesehenen 2,59 Euro für Nahrungsmittel und Getränke bei der Gewährung eines kostenlosen Mittagessens abziehen? Die vollen Kosten von durchschnittlich 2 Euro pro Mittagessen? Das ist beileibe nicht der höchste tatsächlich zu zahlende Essensbeitrag. Es würden noch 59 Cent pro Tag übrig bleiben für Frühstück, Abendessen und all das, was ein Kind zwischendurch isst oder trinkt. Vielleicht machen die Zahlen auch deutlich, wie dringend ein solches kostenloses Mittagessen aus der sozialpolitischen Perspektive ist.
Die Leiterin der Dresdner Tafel verwies darauf, dass 25 % ihrer „Kunden“ Kinder sind. Diese Kinder gehen regelmäßig zur Dresdner Tafel, weil sie Unterstützung brauchen, um eine ausreichende Ernährung zu erhalten. Die Prozentzahlen der von Armut betroffenen Kinder in Sachsen liegen nach unterschiedlichen Studien zwischen 25 % und einem Drittel. Sehr geehrte Damen und Herren, das ist eines solch reichen Landes wie Deutschland unwürdig!
Die Universität Bonn hat vor reichlich einem Jahr in einer umfangreichen Studie dargestellt, dass der Regelsatz für Kinder und Jugendliche nicht einmal dafür ausreicht, eine ausgewogene Ernährung beim Discounter sicherzustellen. – So weit ein paar Eckdaten innerhalb der politischen Diskussion um die Frage der Gegenrechnung von Essengeldzuschüssen gegen den Regelsatz von Hartz IV.
Letztlich ist eine solche Argumentation am Praxistest gescheitert. Weder den Kindern, die in Boxberg in den Genuss eines kostenfreien Mittagessens gelangen, noch den Kindern, die in den verschiedensten sächsischen Kommunen Teilzuschüsse zum Mittagessen erhalten,
wurde Geld vom Regelsatz abgezogen. Auch der Praxistest aus Rheinland-Pfalz zeigt, dass eine solche Argumentation nur von den realen Problemlagen ablenken will.
Gegen den heute vorliegenden und zu diskutierenden Gesetzentwurf können solche Argumente sowieso nicht mehr vorgebracht werden. Im heute vorliegenden Gesetzentwurf ist das kostenfreie Mittagessen konzeptionell in den Bildungsanspruch von Kitas und Schulen integriert. Damit ist das kostenlose Mittagessen Bestandteil des pädagogischen Konzeptes, eine Selbstverständlichkeit wie in vielen westeuropäischen Ländern.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das zweite Argument gegen unseren damaligen Gesetzentwurf war die drohende Gefahr der Stigmatisierung der sozial schwachen Kinder und Jugendlichen, wenn sie ein kostenloses Mittagessen erhalten. Ich muss ehrlich sagen, dass ich das Argument immer noch für den absoluten Tiefpunkt abgehobener und weltfremder Politik halte.
Ich hatte schon damals gesagt, dass arme Kinder vielfältig stigmatisiert und diskriminiert werden durch ihre Kleidung, ihr geringes Taschengeld oder die Nichtteilnahme an kostenpflichtiger Freizeitgestaltung, nicht aber dadurch, dass sie ein kostenloses Mittagessen erhalten.
Ja.
Selbstverständlich sollte man jedes Argument ernst nehmen. Aber man kann es auch bewerten.
Aber auch dieses Argument, Frau Kollegin, so abwegig ich es finde, können Sie heute nicht mehr vorbringen. Übrigens steht die Frage, inwieweit man es sich in der politischen Debatte hier im Hause zu eigen macht, denn dieses Statement des Kinderschutzbundes entstand aus einer ziemlich spezifischen Diskussion.
Unser Gesetzentwurf beinhaltet ein kostenfreies Mittagessen für alle Kinder und Jugendlichen von der Kinderkrippe bis zur Oberstufe. Die Diskussion ist in unserer Gesellschaft tatsächlich weitergegangen seit unserer ersten, hier
geführten Diskussion über ein solches kostenloses Mittagessen. Die Wortmeldungen für ein solches Projekt sind vielfältiger. Die hiesige SPD will ich gar nicht zitieren. Die sächsischen Sozialdemokraten sind verbal hart an unserer Seite, aber bei den Abstimmungen im Parlament hapert es noch ein wenig. Wir arbeiten aber daran.
Auch die Bundes-SPD findet das Projekt wichtig. Aus der bayerischen SPD-Landtagsfraktion habe ich eine Wortmeldung mit folgendem Inhalt gefunden: „Mit einem kostenlosen Mittagessen für jedes Kind in Bayern, das eine Kindertagesstätte oder Schule besucht, werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: einmal, dass Kinder aus bedürftigen Familien, die sich eine Mittagsversorgung schlicht nicht leisten können, eine finanzielle Unterstützung erhalten, und zum anderen, dass damit auf das Ernährungsverhalten der Kinder Einfluss genommen werden kann.“ Sehr geehrte Damen und Herren, das sind wirklich gute Leute in der SPD-Landtagsfraktion in Bayern, zumindest bei dieser Fragestellung.
Der Blick über den sächsischen Tellerrand lohnt sich immer wieder. Auch die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN-Bundestagsfraktion, Frau Künast, unterstützt inhaltlich den heute vorliegenden Gesetzentwurf meiner Fraktion. Ich zitiere: „Wenn Kinder nichts im Bauch haben, können sie nicht richtig lernen. Deshalb brauchen wir jetzt schnell das kostenlose und gesunde Mittagessen an Schulen, überall.“ Es sei ein Unding, wenn gesunde Ernährung im Unterricht besprochen werde und Schüler anschließend hungern müssten. Frau Künast weiter: „Gemeinsame Mahlzeiten sind ein wichtiger Baustein für das soziale Miteinander.“
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich schließe mich Frau Künast an dieser Stelle an.
Ein kostenfreies Mittagessen und ein gesundes Mittagessen sind sinnvoll nur in einem Kontext zu diskutieren – das ist mir wichtig festzustellen –, denn sonst haben wir zwar das gesunde Mittagessen, aber leider eine Menge Kinder, die es sich nicht leisten können. Das dürfte wohl nicht das Ziel unserer Politik sein.
Aus diesem Grund haben wir in unserem Gesetzentwurf natürlich nicht nur den Anspruch auf ein kostenfreies Mittagessen, sondern auch auf ein gesundes und vollwertiges Mittagessen verankert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die inhaltlichen Argumentationen für ein kostenloses Mittagessen von der Kinderkrippe bis zur Oberstufe haben wir in den letzten Monaten vielfältig diskutiert. Ich habe sie eben noch einmal kurz dargelegt. Natürlich ist es uns als Fraktion klar, dass ein solch wichtiges und notwendiges Projekt nicht zum Nulltarif zu haben ist. 198 Millionen Euro sind pro Jahr dafür notwendig. Wir haben diese Mittel in unseren alternativen Haushalt eingestellt. Ich verweise dabei auf die Haushaltsdiskussionen. Ich wäre Ihnen, sehr
geehrte Damen und Herren von der Koalition, sehr verbunden, wenn Sie nicht als Argument einer eventuellen Ablehnung unseres Gesetzentwurfes am heutigen Tag den beschlossenen Haushalt bemühten. Erstens hatten wir in den Haushaltsverhandlungen diesen Gesetzentwurf finanziell untersetzt, und zum Zweiten steht ja in nächster Zeit ein Nachtragshaushalt für Sachsen an. Dort könnten wir das kostenlose Mittagessen auch wunderbar integrieren.
Als Konjunkturprogramm und Investitionen in nachfolgende Generationen wäre es mit Sicherheit um vieles sinnvoller als manches andere, was heute so diskutiert wird. Angesichts der zwei- bis dreistelligen Milliardenbeträge, die uns jetzt ständig um die Ohren schwirren, relativieren sich auch die knapp 200 Millionen Euro unseres Gesetzentwurfs. Es ist gut investiertes Geld. Die, die es sich bisher nicht leisten konnten und wollten, kommen dann täglich in den Genuss eines warmen Mittagessens, und diejenigen, die es bisher für ihre Kinder bezahlt haben, werden dadurch genauso gut finanziell entlastet wie durch eine Steuer- oder Beitragssenkung. Die FDP müsste eigentlich begeistert sein.
Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist in der Begründung unseres Gesetzentwurfs formuliert: „Mehr als die Hälfte der Grundschüler nimmt mittags keine warme Mahlzeit zu sich. In Mittelschulen und Gymnasien sind es über 80 %.“ Unser Gesetzentwurf hat, wie schon dargelegt, einen bildungspolitischen Anspruch. Für uns muss das gesunde Schulmittagessen Bestandteil des Schulkonzeptes werden. Daher ist es auch erklärtes Ziel, die Teilnahme am Mittagessen zu erhöhen.
Vor einem Monat wurde an einer Schule einer Gemeinde in Nordrhein-Westfalen eine zweiwöchige Testphase beendet, in der das Mittagessen kostenlos zur Verfügung gestellt wurde. Die Teilnehmerzahl am Mittagessen hat sich in dieser Zeit versechsfacht. Da möchte ich den Bogen schließen. Als Grund wurde in erster Linie die finanzielle Leistungsfähigkeit der Familien benannt. Mit diesem Gesetzentwurf, sehr geehrte Damen und Herren, geht Bildungs- und Sozialpolitik Hand in Hand. Angesichts der drohenden Rezession ist es darüber hinaus noch eine gute Wirtschaftspolitik. Ich bitte um Zustimmung.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Herrmann, ich habe nicht umsonst Ihre Fraktionschefin im Bundestag zitiert, die aus meiner Sicht richtigerweise darauf hingewiesen hat, dass man das kostenlose und gesunde Mittagessen nur sinnvoll gemeinsam diskutieren kann. Ich habe das vorhin in der Rede dargestellt. Ihre Herangehensweise verstellt den Blick für das Wesentliche. Natürlich ist es schön, über Qualität zu diskutieren. Natürlich sind wir auch dafür, Schulküchen und die Beteiligung von Kindern beim Kochen einzuführen. Aber wenn letztendlich Schüler aus finanziellen Gründen vom Mittagessen ausgeschlossen sind, dann nützt die ganze Qualität nichts. Die
Diskussion haben wir auch in anderen Bereichen. Das ist das Problem.
Wenn Sie in meiner Rede vom letzten Mal nachlesen – –
Möchten Sie eine Zwischenfrage stellen?
Ja.
Das war ein Statement. Ich unterhalte mich gern über die detaillierte Ausgestaltung, wenn wir es beschlossen haben. Dass in unserem Gesetzentwurf überhaupt nichts dazu steht, ist einfach falsch. Es steht drin, dass das Mittagessen in den Tagesablauf integriert sein muss. Es steht auch drin, dass es mitnichten nur finanzielle Engpässe sind, dass Kinder nicht am Mittagessen teilnehmen können. Ich habe bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfes sehr deutlich auf den Bildungsanspruch hingewiesen. Diese Dinge haben wir hier schon diskutiert. Ihr Statement nur darauf zu reduzieren halte ich für falsch.
Unser Gesetzentwurf hat zwei Zielrichtungen. Es geht um Leute, die bisher aus finanziellen Gründen nicht daran teilhaben können, und für andere geht es um eine Entlastung. Ich komme noch zu einigen anderen Dingen, die aufgeworfen worden sind. Ich möchte nicht die Diskussion aus der Haushaltsdebatte wiederholen. Das ist Bestandteil unseres alternativen Haushaltes. Ich möchte mich nur wiederholen, weil die 200 Millionen Euro als ungeheuerlich große Summe hingestellt worden sind. Das ist vor dem Hintergrund aktueller Diskussionen eigentlich nur noch Schall und Rauch; das wissen Sie selbst.
Ich möchte nur darauf hinweisen: Es gab im November letzten Jahres eine Sonderregierungserklärung, zu der wir einfach mal um 21:00 Uhr einberufen worden sind und auf der uns mitgeteilt wurde, dass von Sachsen 340 Millionen Euro zur Unterstützung der Banken bereitgestellt werden, weil Herr Tillich gerade von Berlin kam, wo ein paar Milliarden bereitgestellt wurden, um die Banken abzuschirmen. Ich meine, über solche Dimensionen sprechen wir gerade, über Konjunkturprogramme mit einem Vielfachen des Geldes, welches wir hier gerade in die Diskussion bringen; und das wissen Sie genauso, Herr Krauß. In dieses Verhältnis muss man das setzen.
Zu Herrn Gerlach noch eine Bemerkung – Frau Falken ist schon auf die 5 Millionen Euro für das kostenfreie Mittagessen eingegangen –: Ich hatte den Punkt in die Haushaltsverhandlungen eingebracht, was man damit alles bezahlen will. Von Ihrer Fraktion kam die Aussage, dass man damit das kostenlose Mittagessen im Einzelfall finanziert. Dazu gab es, wie ich mich erinnere, heftige Widerworte von Frau Dr. Raatz bzw. von jemand anderem aus Ihrer Fraktion, dass es damit überhaupt nicht finanziert werden solle. Ich nehme einfach mal zur Kenntnis, dass es dazu unterschiedliche Aussagen gibt. Wir werden ohnehin schauen müssen, wie sich das realistisch umsetzt. Uns greift es zu kurz, ganz klar, sowohl für das kostenlose Mittagessen als auch für die Lernmittelfreiheit;
und die Kritik am kostenfreien Vorschuljahr, Herr Gerlach, war nicht, dass verdienende Eltern daran teilhaben, sondern dass die Personalschlüsselverbesserung in den Kindertagesstätten damit vom Tisch gewischt würde. Das war das Problem.
Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Anbetracht der Worte des Kultusministers hätte ich mir mein gesamtes Statement für jetzt aufgehoben. Ich hatte schon in meiner Einführungsrede einige Bedenken, dass ich zu stark auf das immer wieder vorgebrachte Argument der angeblichen Gegenrechnung zu Hartz IV eingegangen wäre, bevor das in dieser Runde gesagt wird; denn wir haben es schon vielfältig diskutiert. Nun stelle ich fest, dass ich dies anscheinend immer noch nicht ausführlich genug getan habe, zumindest für Sie, Herr Wöller, als neuer Kultusminister.
Wir haben die Situation, dass es in vielen Kommunen Stützungen des Essengeldes gibt. Diese Situation haben wir zum Beispiel in Boxberg, wo das Essengeld in Gänze übernommen wird. Es wird mitnichten gegengerechnet. Wir haben in Rheinland-Pfalz, wie ich vorhin sagte, selbstverständlich die Übernahme für Hartz-IV-Empfänger. Es wird nicht gegengerechnet, das ist einfach am Praxistest gescheitert. Selbst wenn jemand auf diese Idee kommen sollte, sind wir in der Politik immer noch Manns genug – dann eben auf Bundesebene, als Sachsen im Bundesrat –, dort aktiv zu werden, damit es nicht zu einer Gegenrechnung kommt. Das ist doch eine Frage des politischen Willens.
Es wie eine Monstranz vor sich herzutragen und als alleinigen Grund für die Ablehnung zu nehmen halte ich für politisch falsch.
Sie bezweifeln die sozialpolitische Zielrichtung. Ich bin etwas verwirrt, dies vom Kultusminister zu hören; denn dieser Gesetzentwurf geht zumindest Hand in Hand mit Bildungs- und Sozialpolitik. Eigentlich hat er sogar das Prä auf der Bildungspolitik, da es eine Integration in das Schulkonzept zur Folge hat; das habe ich vorhin bereits ausgeführt. Dies wäre eigentlich die Argumentationslinie gewesen, die ich vom Kultusminister erwartet hätte.
Zum Abschluss lassen Sie mich noch die Zahlen, die Sie eingefordert haben, nennen. Wir haben 1,60 Euro für den Kindertagesstättenbereich und 2,00 Euro für den Schulbereich konzipiert. Das sind eher hoch gegriffene Durchschnittswerte, die wir angenommen haben. Es kann also tatsächlich auch billiger werden. – So weit zur finanziellen Umsetzung.
Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei dem, was wir Ihnen heute vorlegen, geht es scheinbar um sehr wenig: um ganze 10 bzw. 16 Euro im Monat. Für manche in diesem Land ist das aber sehr viel, insbesondere für diejenigen, um die es hier und heute geht: die Familien, die von Hartz IV leben müssen.
Wenn am 1. Januar 2009 das Kindergeld um bescheidene 10 Euro – ab dem dritten Kind um 16 Euro – steigen wird – ich gehe davon aus, dass es nächste Woche so im Bundesrat beschlossen wird –, ist das gewiss kein tolles
Konjunkturprogramm für Deutschland und auch keine besondere Sternstunde für Familien. Es ist weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.
Aber es gibt in Deutschland viele Familien, bei denen selbst dieser kleine Tropfen nicht ankommt. Ich rede von den über 10 000 Kindern in Sachsen, die von ALG II oder Sozialgeld leben müssen. Für ein Kind bis 14 Jahre erhalten diese Familien gerade einmal 208 Euro pro Monat für Nahrung, Kleidung, Spielzeug, Weihnachtsgeschenke, Schulmaterial und alles, was ein Kind sonst braucht.
Allein dieser Sachverhalt ist beschämend für ein reiches Land. Aber es wird noch beschämender, wenn diesen Kindern die kleine Steigerung des Kindergeldes, die ja insgesamt mit den steigenden Lebenshaltungskosten begründet wurde, vollständig wieder abgezogen wird.
Es soll sich bitte niemand damit herausreden, dass dies eben die Logik der deutschen Sozialgesetzgebung sei. Eine solche Logik ist nicht gottgegeben. Sie wird dadurch Wirklichkeit, dass die verantwortlichen Parlamente sie immer wieder praktizieren.
Sehr geehrte Damen und Herren! Praktisch seit dem Zeitpunkt, als Hartz IV eingeführt wurde, ist bekannt, dass der Bedarfssatz von 208 Euro monatlich für Kinder nicht ausreichend ist. Es ist heute unbestritten, dass für Kinder nicht einfach 60 % des Bedarfssatzes eines Erwachsenen herangezogen werden dürfen, sondern dass es, wenn man schon in der Logik des Hartz-IV-Systems bleibt, mindestens eines eigenständigen, an den tatsächlichen Bedürfnissen von Kindern orientierten Bedarfssatzes bedarf.
Das ist, wie gesagt, seit Langem bekannt. Es ist auch wiederholt durch den Bundesrat eingefordert worden. Alles wartet jetzt auf die Ermittlung des Bedarfssatzes für Kinder – niemand weiß, wie lange noch.
So lange jedoch wird diese schlimme Form der „permanenten Kindeswohlgefährdung“ – so wird es in einigen Studien genannt – in Deutschland weiter praktiziert. Was wir heute hier beantragen, ist leider noch nicht dieser neue kinderspezifische Bedarfssatz. Es ist erst recht noch keine allgemeine Kindergrundsicherung, wie wir sie als DIE LINKE weiterhin prinzipiell einfordern.
Vielmehr handelt es sich bei dem heute Beantragten um eine Notmaßnahme. Die Notmaßnahme heißt: Wir erhöhen den Bedarfssatz für Kinder jetzt schnell um den Betrag der Kindergelderhöhung, damit diese Kindergelderhöhung niemandem wieder abgezogen wird. Das ist zugegebenermaßen keine besonders originelle Idee. So ist im Prinzip schon bei der Kindergelderhöhung 1999 verfahren worden, damals noch bezogen auf die alte Sozialhilfe. Jetzt geht es zunächst einmal darum, dass wir dieser Problematik zum 1. Januar 2009 abhelfen.
So wollen wir wiederum verfahren wie 1999. Dabei braucht die Staatsregierung im Bundesrat nicht einmal besonders aktiv und auch nicht besonders kreativ zu werden. Sie braucht am nächsten Freitag im Bundesrat nur für den Antrag des Landes Berlin zu stimmen. Das Land Berlin schlägt nämlich genau das von uns heute vorgeschlagene Prozedere bzw. den von uns dargestellten Ansatz vor. Sie brauchen nur zuzustimmen. Um diese Zustimmung wollen wir heute bitten, diese Zustimmung wollen wir als Sächsischer Landtag heute einfordern.
Sehr geehrte Damen und Herren! Einen Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang unbedingt noch ansprechen. Parallel wird im Bundesrat über die Einführung eines 100-Euro-Schulbedarfszuschusses für Hartz-IV-Betroffene beraten – eine ebenfalls überfällige Maßnahme, die wir unterstützen. Nicht ohne Grund haben wir auch hier, im
Rahmen der Haushaltsverhandlungen, über dieses Thema gesprochen.
Schlecht wird mir aber, wenn ich höre, dass einige diese Leistung als Kompensation für das nicht erhöhte Kindergeld betrachten, ganz nach dem Motto: für die Mehrheit das Kindergeld, für die Armen die Sachleistungen; für die Mehrheit 120 bzw. 192 Euro im Jahr, für die Armen gerade einmal 100 Euro. – Da frage ich mich schon: Welche Abwege wollen wir denn in der deutschen Familien- und Sozialpolitik noch alle nehmen?
DIE LINKE wird jedenfalls ein solches Gegeneinanderausspielen der Mehrheit gegen die Ärmsten nicht mitmachen. Wir stehen für eine solidarische Gesellschaft. Deshalb bitten wir Sie heute um Zustimmung.
Vielen Dank.
Ich möchte über eine Zwischenfrage etwas richtigstellen. Stimmen Sie mir zu, dass der Antrag aus Berlin an den Bundesrat später gekommen ist und dass wir uns auf 1999 bezogen haben, wie ich in meiner Rede schon ausgeführt habe? Ich habe das auch in unserem Lösungsvorschlag mit dargelegt.
Einen Debattenbeitrag.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich habe noch einmal zu der Möglichkeit eines Debattenbeitrages gegriffen, um eine Frage an Frau Staatsministerin Clauß zu stellen, damit sie auch die Möglichkeit hat, hier am Pult darauf zu antworten.