Protokoll der Sitzung vom 20.07.2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 56. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Ich habe zunächst wieder eine angenehme Aufgabe. Wir haben heute ein Geburtstagskind unter uns. Ich darf ganz herzlich Herrn Tischendorf zu seinem heutigen Ehrentag begrüßen und ihm alles Gute wünschen, Gesundheit, Wohlergehen und weiterhin viel Erfolg in seinem beruflichen Werdegang.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Frau Roth und Frau Schmidt.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung zu unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat folgende Redezeiten für die Tagesordnungspunkte 4 bis 9

festgelegt: CDU 122 Minuten, Linksfraktion.PDS 94 Minuten, SPD 59 Minuten, NPD 45 Minuten, FDP 45 Minuten, GRÜNE 45 Minuten, fraktionslose MdL je 7 Minuten und die Staatsregierung 54 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können wie immer auf die Tagesordnung entsprechend dem Bedarf verteilt werden, sie müssen aber in Anbetracht der Temperaturen des heutigen Tages nicht ausgeschöpft werden.

Meine Damen und Herren, ich bitte zur Kenntnis zu nehmen, dass der Tagesordnungspunkt 16, Kleine Anfragen, zu streichen ist, da keine vorliegen.

Meine Damen und Herren, ich frage, ob es zu der vorliegenden Tagesordnung Ihrerseits Ergänzungswünsche gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt der Vorschlag für die heutige Tagesordnung als festgelegt.

Wir kommen damit gleich zur Tagesordnung selbst, und zwar zum

Tagesordnungspunkt 1

Wahl von zwei Mitgliedern und drei stellvertretenden Mitgliedern des 1. Untersuchungsausschusses (gemäß § 5 Abs. 3 Untersuchungsausschussgesetz)

Drucksache 4/5972, Wahlvorschläge der Fraktionen

Meine Damen und Herren! In der 15. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages wurde entsprechend Artikel 54 der Verfassung des Freistaates Sachsen in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes die Einsetzung des 1. Untersuchungsausschusses beschlossen. Die Größe des Ausschusses richtet sich nach § 19 Abs. 1 der GO. Da in der 55. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages im Tagesordnungspunkt 7 aufgrund des veränderten Stärkeverhältnisses die Abwahl der Abgeordneten Uwe Leichsenring und Dr. Johannes Müller als Mitglieder des Ausschusses beschlossen wurde, kommen wir zur Nachwahl.

Meine Damen und Herren, die Verteilung der Mitglieder auf die Fraktionen erfolgt gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 des Untersuchungsausschussgesetzes nach der Mitgliederzahl der Fraktionen, wobei nach § 9 Abs. 2 Satz 1 unserer GO das Verfahren nach d’Hondt zur Anwendung kommt. Anders als bei den regulären Ausschüssen des Sächsischen Landtages sind gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 des Untersuchungsausschussgesetzes die Mitglieder des Untersuchungsausschusses und deren Stellvertreter vom Landtag nach den Vorschlägen der Fraktionen zu wählen.

Nach dem Austritt von nunmehr drei Abgeordneten aus der NPD-Fraktion ergibt sich ein anderes Stärkeverhältnis der Fraktionen. Die CDU-Fraktion erhält demnach einen Sitz mehr und auf die NPD-Fraktion entfällt ein Sitz weniger. Bei den zu besetzenden 20 Sitzen entfallen demnach auf die CDU zehn Sitze, Linksfraktion.PDS fünf Sitze, SPD zwei Sitze, NPD, FDP und GRÜNE je ein

Sitz. Für die Wahl der stellvertretenden Mitglieder gilt gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 der GO: „Die Anzahl der von einer Fraktion benannten Stellvertreter darf die doppelte Anzahl der von diesen Fraktionen vorgeschlagenen Ausschussmitglieder nicht überschreiten.“ Ihnen liegen die Wahlvorschläge der CDU-Fraktion und der NPDFraktion in der Drucksache 4/5972 vor. – Es wird um das Wort gebeten. Herr Lehmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben Frau Karin Strempel als Mitglied im Untersuchungsausschuss vorgeschlagen. Daraus ergibt sich die Besonderheit, dass sie nun als stellvertretendes Mitglied, das sie bisher bereits war, ausscheidet und deswegen ein stellvertretendes Mitglied auf CDU-Tableau nachgewählt werden muss. Insgesamt müssen wir heute nicht drei stellvertretende Mitglieder wählen, sondern vier. Darauf wollte ich hinweisen. Unser Antrag ist bereits entsprechend ausgelegt.

Danke schön. – Wird dazu das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Damit kommen wir jetzt zur Wahl. Die Wahl findet nach den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung geheim statt. Allerdings kann stattdessen durch Handzeichen abgestimmt werden, wenn kein Abgeordneter widerspricht. Ich frage daher, ob ein Abgeordneter widerspricht. – Es sind Abgeordnete, die durch Handzeichen mitgeteilt haben, dass sie einer offenen Abstimmung widersprechen.

Wir kommen damit zur geheimen Wahl. Ich berufe deshalb aus den Reihen der Abgeordneten eine Wahlkommission: für die Linksfraktion.PDS Herrn Scheel, der auch als Leiter fungiert, da Frau Roth, die das traditionell gemacht hat, nicht anwesend ist, für die CDU-Fraktion Herrn Colditz, SPD-Fraktion Frau Dr. Raatz, NPDFraktion Frau Schüßler, FDP-Fraktion Herrn Dr. Martens und GRÜNE Herrn Weichert.

Ich schlage Ihnen vor, das Ergebnis im Verlauf unserer Beratung bekannt zu geben, damit es nach der Wahlhandlung zu keiner längeren Pause kommt. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Wahlhandlung selbst und ich übergebe das Wort an den Leiter der Wahlkommission.

Die Abgeordneten werden in alphabetischer Reihenfolge aufgerufen und

erhalten zwei Stimmscheine, auf denen entsprechend der angegebenen Drucksache die Kandidaten als Mitglieder bzw. Stellvertreter für den Untersuchungsausschuss aufgeführt sind. Sie können sich zu den Kandidaten durch Ankreuzen in dem entsprechenden Feld für Ja, Nein oder Stimmenthaltung entscheiden. Wer mehr Ja- als Neinstimmen erhält, ist gewählt. Wir beginnen mit der Wahl.

(Namensaufruf – Wahlhandlung)

Ist jemand im Saal, den ich nicht aufgerufen habe? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Wir setzen unsere Tagesordnung fort. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 2

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Wie krank ist das Gesundheitssystem?

Antrag der Fraktion der NPD

2. Aktuelle Debatte: Höhere Beiträge statt mutiger Reform – Der Gesundheitskompromiss der Bundesregierung und seine Auswirkungen auf Sachsen

Antrag der Fraktion der FDP

Die Verteilung der Gesamtredezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, Linksfraktion.PDS 26 Minuten, SPD 12 Minuten, NPD 17 Minuten,

FDP 17 Minuten, GRÜNE 12 Minuten, Staatsregierung 20 Minuten.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Wie krank ist das Gesundheitssystem?

Antrag der Fraktion der NPD

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der NPD das Wort. Die weitere Reihenfolge: CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE, Staatsregierung.

Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion das Wort zu nehmen. Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben in dieser Woche wieder die kuriose Situation, dass zwei Fraktionen dasselbe Thema als Aktuelle Debatte eingereicht haben. Wir werden es so halten, dass ich jetzt einleitende Worte finde und wir werden uns dann gemäß Ihrer üblichen Regie mehr bei dem Antrag der FDP einbringen.

Meine Damen und Herren! Das deutsche Gesundheitswesen wird immer wieder schlechtgeredet. Es wird an den Pranger gestellt; deswegen auch das Fragezeichen in der Überschrift bei uns. Es wird monoton behauptet, es sei zu teuer, zu ineffizient, und wegen des Preis-Leistungs

Verhältnisses wird auch immer wieder gesagt, man zahlt für einen Mercedes und fährt am Ende VW.

Es passt aber auch in das Bild dieser Schlangenbeschwörer, dass immer wieder die Beweise für diese Aussagen schuldig geblieben werden. Die Realität ist eine ganz andere. Im „Deutschen Ärzteblatt“ vom 26. Juni 2006 wurden die Ergebnisse des so genannten Europäischen Gesundheitskonsumentenindex 2006 veröffentlicht. Erstmals hatte das in Brüssel ansässige schwedische Unternehmen Health Consumer Powerhouse die Gesundheitssysteme aller 25 EU-Länder sowie der Schweiz einer kritischen Prüfung unterzogen.

Der Ländervergleich erfolgte anhand der Kriterien Patientenrechte und -information, Wartezeiten, medizinische Qualität, Leistungsangebot und Arzneimittel. Deutschland belegte bei diesem Vergleich immerhin den Platz 3.

Die vorgelegte Studie bescheinigte dem deutschen Gesundheitssystem nur wenige wirkliche Schwachpunkte. Als gravierend wurde lediglich die fehlende gesetzliche Regelung der Patientenrechte betrachtet. Auch die Qualität medizinischer Leistungen ließe sich an einigen Stellen noch verbessern, war die Aussage. So ist es heute zum Beispiel relativ schwierig, verständliche und aktuelle Informationen über Arzneimittel zu bekommen. Auch hat Deutschland das Nachsehen in Bezug auf die Qualität bestimmter medizinischer Leistungen.

Sehr gut wird bewertet, dass es in Deutschland keine Wartelisten gibt und der Patient auch das Recht auf das Einholen einer ärztlichen Zweitmeinung hat. Auch die zahnärztliche Versorgung kommt bei aller Kritik über die Veränderung seit dem Beginn der Gesundheitsreform 2004 gut weg, da sie zum Leistungsangebot der gesetzlichen Krankenversicherung gehört.

Meine Damen und Herren! Die veröffentlichte Studie stellt sicherlich in erster Linie die Qualität des Gesundheitssystems aus Verbrauchersicht dar, sie zeigt aber auf, dass Deutschland eine zufrieden stellende Gesundheitsversorgung hat.

Trotz der im Grunde zufrieden stellenden Prognose im EU-Vergleich kann man natürlich nicht ignorieren, dass die Kosten im Gesundheitssystem in letzter Zeit enorm gestiegen sind. Wir haben dem Eckpunktepapier auch entnommen, dass weitere 0,5 % Beitragserhöhung anstehen, damit diese Kosten durch die gesetzlichen Krankenkassen geschultert werden können.

Aber allein im Jahr 2005 stiegen die Ausgaben der gesetzlichen Kassen um 3,3 % pro Mitglied, für Arzneimittel sogar um 16,8 % und bei Krankenhausaufenthalten wuchsen sie um 3,3 %, so die Studie.

Aber nicht nur die Ausgaben sind gestiegen. Meine Damen und Herren, wir erleben heute eine soziale Kahlschlagpolitik, welche sicherlich noch nicht den Höhepunkt erreicht hat. Doch sehen wir auf die am 4. Juli 2006 vorgestellten Eckpunkte der Gesundheitsreform. Diese lassen nichts Gutes erwarten. Wieder einmal wird denen in die Tasche gegriffen, die ohnehin schon in den letzten Jahren die Folgen dieser Kahlschlagpolitik am deutlichsten zu spüren bekamen.

Durch die Einführung eines so genannten Gesundheitsfonds wird ein Zusatzbeitrag für die Versicherten eingeführt, mit welchem sie einen Teil der Ausgabensteigerung nun allein tragen müssen. Auch wenn in den Eckpunkten nicht von einer Kopfpauschale gesprochen wird, de facto ist sie es doch.

Die zu erwartende Verschärfung der sozialen Lage in Deutschland wird zukünftig sicher weiter zur Erhöhung des Beitragssatzes führen. Die Stoßrichtung ist hier wieder einmal klar: Die Arbeitnehmer zahlen die erhöhten Beiträge, die Arbeitgeber sind fein raus. Da wird gedeckelt, damit ja weiter keine Belastungen für sie auftreten. Wir halten diesen Ausstieg aus der paritätischen Finanzierung für problematisch.