Protokoll der Sitzung vom 06.03.2008

Schaut man sich jedoch die Fragen und auch die Schlussfolgerungen, die die GRÜNEN daraus gezogen haben, an, dann kommen mir schon Zweifel, ob den Autoren der Großen Anfrage tatsächlich die Lage der Männer am Herzen lag oder etwas anderes.

So war für mich nicht verblüffend, dass im Ergebnis nur die Frauen stärker gefördert werden müssen.

(Beifall des Abg. Dr. Martin Gillo, CDU)

Frau Werner hat ihren Schwerpunkt auch in diese Richtung gelegt. Sie kennen mich, ich bin die Letzte, die gegen eine stärkere und effektivere Frauenförderung sprechen würde. Jedoch sollte man bei diesem Thema und was die Schlussfolgerungen angeht, genauer hinsehen und der Versuchung widerstehen, Männer und Frauen gegeneinander auszuspielen.

(Beifall bei der CDU, der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE, und der Staatsministerin Helma Orosz)

Männer und Frauen gestalten ihr Leben unterschiedlich. Dass diese triviale Erkenntnis sowohl im Alltag als auch in gesellschaftlichen und politischen Zusammenhängen häufig unterschätzt wird, führt dazu, dass Strukturen geschaffen werden, die Männer und Frauen jeweils

unterschiedlich bevorteilen oder benachteiligen. Das wiederum führt zu Spannungen und Konflikten und – gesellschaftspolitisch gesehen – zu strukturellen Benachteiligungen, die sehr schwer zu beheben oder rückgängig zu machen sind. Diese verfestigten Strukturen machen es uns eben so schwer, beiden Geschlechtern in ihrer Individualität gerecht zu werden.

Genau hier erwarte ich, dass diese Große Anfrage dazu beiträgt, genau zu schauen – es gibt ja das Datenmaterial –, in welchen Bereichen Männer Vorteile bzw. Nachteile haben, inwieweit diese Befunde von Männern wahrgenommen und bewertet und wie die Möglichkeiten zur Veränderung eingeschätzt werden. Das wäre eine gute Voraussetzung, eine ausgewogene Geschlechterperspektive in die Gestaltung von wirtschaftlichen, sozialen, politischen und anderen gesellschaftlichen Strukturen zu integrieren.

(Beifall bei der CDU)

Leider erfüllt die Große Anfrage meine Erwartungen nicht. Die Fragen sind zum Teil sehr darauf ausgerichtet zu beweisen, dass Frauen benachteiligt sind,

(Antje Hermenau, GRÜNE: Machen Sie doch den Anfang!)

und taugen nicht für eine gestaltende Grundlage. Die Meldungen in der Presse haben leider dazu beigetragen. Eine Einteilung in Verlierer und Machos hilft uns dabei nicht weiter.

Dabei gibt es viele Befunde, bei denen es sich lohnt, genauer hinzuschauen. Das wurde auch schon angesprochen. Jungen machen eben die schlechteren Schulabschlüsse, brechen häufiger die Schule ab und haben häufiger keine Berufsausbildung. Hieraus ergeben sich Handlungsschwerpunkte. Ein Ansatzpunkt ist zum Beispiel, dass mehr Männer in Kita und Schule kommen und damit Vorbilder schaffen. Auch darüber diskutieren wir. Es gibt einen Antrag der GRÜNEN, den wir im Schulausschuss konstruktiv begleiten werden. Aber ich denke nicht, lieber Kollege Rohwer, dass das gegliederte Schulsystem hier das glänzende Beispiel ist und wirklich gelingen kann.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Das Beispiel, dass mehr Männer in Kitas und in der Schule notwendig sind, zeigt auch, dass Männer und Frauen gemeinsam von einer solchen Maßnahme profitieren würden. In den vergangenen Jahrzehnten hatte der Beruf der Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen an Ansehen verloren. Mit dem Einzug des Bildungsplanes und der Anerkennung der frühkindlichen Bildung als eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine gelungene Bildungskarriere gewinnt der Beruf an Ansehen und, wie ich hoffe, auch an Interesse. Er stößt auch bei den Männern auf Interesse. Das müssen wir nutzen. Wir werden heute im Verlaufe des Plenums noch einen Antrag der

Koalition diskutieren, um zu überlegen, wie wir kurzfristig in dieser Richtung etwas tun können.

Wir bleiben bei der Kita. Im Bildungsplan findet man gleich bei der Einleitung den Hinweis, den ich zitieren möchte, weil gerade in den Weiterbildungsmaßnahmen für die Erzieherinnen auf diesen Punkt besonders hingewirkt wird: „Kindertageseinrichtungen sind Orte, die die bestehenden Geschlechterverhältnisse sowohl reproduzieren als auch mit gestalten. Aus diesen und anderen Gründen ist es wesentlich, sowohl sensibel mit Unterschiedlichkeiten, zum Beispiel in Herkunft und Geschlecht, umzugehen als auch die Ressourcen und verschiedenen Individualitäten der Mädchen und Jungen wahrzunehmen, um gleiche Bildungschancen für alle bieten und umsetzen zu können.“ Genau hier müssen wir ansetzen. Das passiert bereits in den Weiterbildungsmaßnahmen, um zukünftige Generationen geschlechtergerecht zu bilden. Da gilt auch der schöne Spruch: Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr. Das trifft auch auf Gretel zu, denn wir wissen ja, dass Geschlechtergerechtigkeit gerade nicht zu den grundsätzlich anerkannten Grundwerten gehört.

Aber Politik kann nicht alles regeln. Es gibt auch individuelle Lebensentwürfe, die wir zu respektieren haben. Aber ich denke, es ist die Aufgabe zu sensibilisieren. Eigentlich konträr zu der Feststellung der Bildungsbenachteiligung bei Jungen befinden sie sich dann im weiteren Verlauf einer Bildungskarriere wiederum im Vorteil. Es ist schon vieles gesagt worden; zum Beispiel verdienen sie mehr. Die Benachteiligung der Frauen beginnt eigentlich mit der Familiengründung, wenn das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auf der Tagesordnung steht. Aber das ist nicht so neu.

In der Großen Anfrage wird festgestellt, wie es um die Familienarbeit der Männer steht und dass Sachsen bei der Wahrnehmung des neuen Elterngeldes mit Schlusslicht ist. Ich bin aber zuversichtlich, dass sich das ändern wird. Kollege Rohwer hat ja hier Ähnliches verkündet. Das Elterngeld ist ein wichtiger Schritt zu einer besseren Beteiligung von Männern in der Familienarbeit. Ganz entscheidend ist, dass soziale Kompetenzen auch bei Männern zukünftig bei der beruflichen Weiterentwicklung immer mehr gefragt sein werden.

Zum Thema Gesundheit. Die Erkenntnis, dass Männer weniger Präventionsangebote wahrnehmen, ist nicht neu, dass Frauen zwar häufiger die Präventionsangebote wahrnehmen, jedoch bei Akutbehandlungen auch häufig falsch diagnostiziert und behandelt werden, weil die Behandlungen und Medikamente meistens auf den männlichen Krankheitsverlauf zugeschnitten sind, das wissen wir inzwischen aus der Frauengesundheitsforschung. Diese Erkenntnisse sind in Fachkreisen bekannt und werden auch bei den jetzigen Maßnahmen und Kampagnen berücksichtigt. Ein Beispiel ist die Aufklärung über Herzkrankheiten.

Dass Sucht bei Männern und Frauen unterschiedliche Ausprägungen hat, ist bekannt. Deswegen fordern wir

schon lange eine geschlechtsspezifische Beratung. Auch das hat in der Praxis schon Einzug gehalten.

Frau Kollegin Werner, mich haben Ihre Schwarz-weißMalerei und die Vorwürfe, die Staatsregierung sei mit Blindheit geschlagen, gestört. Sie haben das sicher etwas einäugig gesehen. Ich denke schon, dass der GenderProzess in den letzten Jahren, wenn er auch, wie aus Ihren Anfragen hervorgeht, noch nicht in ausreichendem Maße stattfindet, wie ich mir das wünschen würde, wirklich in Gang gekommen ist und dass die Staatsregierung offen die Defizite nennt, die wir in Sachsen noch haben, um etwas dagegen zu tun. Ich habe schon auf die guten Ansätze im Bildungsplan hingewiesen. Es gibt inzwischen auch Männer-Büros, die vorher keine Rolle spielten, wo entsprechende Beratungsangebote gemacht wurden. Also mit Blindheit hat das wahrlich nichts zu tun. Es gibt Defizite, an denen wir arbeiten.

Zum Schluss kann ich der Großen Anfrage noch etwas Gutes abgewinnen: dass nämlich dieses Thema in die breite Öffentlichkeit gebracht wird; denn jede ernsthafte Diskussion über Geschlechterunterschiede – die gibt es ja wirklich – hilft uns, das Thema aus der Tabuzone und der verschämten Ignoranz herauszuholen, denn es wird nicht immer ernst genommen. Es werden die positiven Effekte für beide Geschlechter schlichtweg verspielt und ignoriert. Das ist für uns alle schade – ob für Frauen oder Männer.

(Beifall bei der SPD, der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Für die NPD Herr Gansel.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die NPD-Fraktion hat etwas länger überlegen müssen, ob sie sich zu diesem schrägen Thema überhaupt äußern soll.

(Stefan Brangs, SPD: Setzen!)

Wir haben die Große Anfrage nämlich zuerst für einen ziemlich missratenen Faschingsscherz gehalten. Wir halten die Große Anfrage, deren Beantwortung zahlreiche Mitarbeiter des Ministeriums sicherlich für einige Monate beschäftigte und von wichtigeren Aufgaben abhielt, für genauso überflüssig wie die antragstellende Fraktion selbst.

Was soll man von diesem Elaborat halten, mit dem sich die GRÜNEN wieder einmal ganz groß in der Presse feiern ließen, ausnahmsweise einmal nicht als Interessenwalter von allem, was am gesellschaftlichen Rand so kreucht und fleucht?

Wie glaubwürdig ist es, dass sich nun ausgerechnet eine Partei für die Lage sächsischer Männer interessiert, bei der sich doch sonst alles nur um die Selbstverwirklichung von Spätemanzen, Ausländern, Lesben und Schwulen dreht?

(Beifall bei der NPD – Zuruf des Abg. Karl Nolle, SPD)

Herr Gansel, Sie wissen – –

Ich weiß nicht, was Sie wieder reinzublöken haben, Herr Nolle.

Plötzlich gibt Frau Hermenau vor, sich um die Männer in Sachsen zu sorgen, und das, obwohl es in überwältigender Mehrheit noch heterosexuelle Deutsche sind. Nun ja, die GRÜNEN haben sich des Themas mit dem ihnen eigenen Scharfsinn angenommen. So lautet eine Anfrage der GRÜNEN: „Worin sieht die Staatsregierung die Gründe für die Kinderlosigkeit von Männern?“ Die Antwort darauf können beim heutigen Stand der Aufklärung bereits die älteren Jahrgänge der Kindertagesstätten verraten. Schon sie wissen nämlich, dass die Kinderlosigkeit des Mannes an seinem schlichten biologischen Unvermögen liegt, Kinder zu gebären.

(Heiterkeit bei der NPD)

Es ist dabei natürlich klar, was die GRÜNEN mit ihrer Frage beabsichtigen. Aber dann muss diese Frage auch pointiert genug formuliert und nicht im linken Schnodderstil einfach hingeschmiert sein.

Dann treibt die GRÜNEN noch eine weitere Frage um: „Wie viele Männer unterrichten im Verhältnis zu Frauen Hauswirtschaftsfächer? Bitte Auflistung nach Schulform, Landkreisen und kreisfreien Städten.“ – Wenn man schon so eine weltwichtige Frage stellt, müsste sie aber weitaus differenzierter sein. Wenn es schon um GenderMainstreaming mit seiner absichtsvollen Zerstörung natürlicher Geschlechteridentitäten geht, hätten die GRÜNEN auch fragen müssen, wie viele Männer heterosexueller, bisexueller, homosexueller und transsexueller Prägung denn nun Hauswirtschaftsfächer unterrichten. Eine spannende Ergänzungsfrage wäre vielleicht gewesen, wie es mit deren Arbeitskleidung aussieht, etwa: Wie viele Hauswirtschaftslehrer tragen am Hausarbeitsplatz eine rosarote Schürze und wie viele tragen eine violette Federboa?

(Heiterkeit und Beifall bei der NPD)

Herr Gansel, Sie nehmen sich und den Landtag ernst, oder wie soll ich das verstehen?

– Den Landtag nehme ich ernst, aber die antragstellende Fraktion nicht. Das ist wohl mein Recht als Abgeordneter.

Von großer Einfühlsamkeit zeugt auch die Frage der GRÜNEN, an welche Beschwerdeinstanz sich schwule Männer wenden können, wenn sie als Behördenmitarbeiter Diskriminierung einschließlich sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausgesetzt sind. – Auch das ist wieder unklar formuliert. Geht es hier nur um Diskriminierungen von Schwulen durch Männer oder wüssten die GRÜNEN

auch gerne, ob Schwule mitunter nicht auch von Frauen diskriminiert werden, wenngleich ohne sexuellen Hintergedanken?

Am 27. Februar dieses Jahres stellte in Anspielung auf die Große Anfrage der GRÜNEN die „Bild“-Zeitung eine Frage, die auch von der NPD hätte gestellt werden können: „Was hat die denn für ein Problem?“ – Mit „die“ meinte die „Bild“-Zeitung Frau Hermenau, denn in der „Bild“-Zeitung wurde sie mit der unverschämten Bemerkung zitiert: „Viele Männer können mit der Welt nicht mehr so gut umgehen. Sie ist ihnen einfach zu kompliziert geworden.“

(Zurufe – Starke Unruhe)

Diese Aussage von Frau Hermenau ist ihrem feministischen Tunnelblick geschuldet. Aber kein Wunder: Sieht man sich die Männer in Frau Hermenaus grüner Umgebung an – gerade in ihrem Mitarbeiterstab –, dann kann man sich schon vorstellen, dass die Welt der Staaten und Völker mit ihren unterschiedlichen kulturellen Identitäten und nationalen Interessen für manch einen grünen Mann etwas zu unübersichtlich und zu beunruhigend ist. Ich bitte Sie aber um eines, Frau Hermenau: Projizieren Sie die psychosozialen Weltprobleme Ihrer grünen Männer nicht auf das Gros der Männer in Sachsen!

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos – Zurufe)

In ihrem Entschließungsantrag, den die NPD-Fraktion selbstredend ablehnt, gehen die GRÜNEN auch auf die Verwerfungen der Globalisierung ein, die immer mehr traditionelle Lebens- und Berufsbiografien zerstört. Die Globalisierung erschwert jede Berufs-, Familien- und Lebensplanung und verunsichert damit natürlich auch die Männer, deren Lebensinhalt früher eine gerecht entlohnte Vollzeiterwerbstätigkeit war. Aber gerade die GRÜNEN sind forsche Globalisierungsbefürworter, die es gut finden, dass die Globalisierung soziokulturell keinen Stein auf dem anderen lässt und radikal Tabula rasa mit allen traditionellen Lebensverhältnissen macht.

Errichten Sie lieber politische Schutzdämme gegen die Internationalisierung der Wirtschaft!

(Dr. Fritz Hähle, CDU: Schutzwälle!)

Damit helfen Sie den Männern in Sachsen mehr als mit Ihrer kreuzüberflüssigen Großen Anfrage.