Protokoll der Sitzung vom 06.03.2008

Ich wollte eigentlich an dieser Stelle dem Hohen Hause die extremen Beispiele ersparen. Ich kann es nicht nach den Beiträgen, die ich hier gehört habe. Ich will mich gar nicht lange aufhalten bei „ausfahren“, wo in den DDRWörterbüchern steht „ein Kind ausfahren“, während im Duden immer steht „die Mutter fährt das Kind aus“. In den DDR-Wörterbüchern steht „ein Kind abhalten“, in den Duden-Wörterbüchern steht erst „sie hält das Kind ab“, dann „die Mutter hält das Kind ab“. Das ist ja alles noch okay.

Schauen wir einmal bei „winseln“ nach, jetzt wird es makaber. Bei „winseln“ steht sowohl in den DDRWörterbüchern wie im Duden „unwürdig um etwas bitten“.

(Rolf Seidel, CDU: Aufhören!)

In den DDR-Wörterbüchern steht dann zum Beispiel „er winselte um Gnade; sie winselte um ihr Leben“. Im Duden steht was anderes.

(Zurufe von der CDU)

Im Duden steht als Beispiel „die Frau winselte, zu ihrem Mann gelassen zu werden“. Ein tolles Beispiel, gilt aber für den Osten Deutschlands nicht mehr, da ist es jetzt umgekehrt.

(Heiterkeit bei der Linksfraktion – Beifall der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Oder nehmen wir das Beispiel „spitz“. Ich kann überhaupt noch nicht aufhören, der Duden ist doch so dick. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen.

(Zahlreiche Zurufe)

Nehmen wir das Beispiel „spitz“. Spitz kann natürlich ein Bleistift sein, ein Messer und alles Mögliche. Aber im Gegensatz zu den DDR-Wörterbüchern, wo diese Bedeutungsvariante nicht vorkommt, was vielleicht nicht so bedauerlich ist, steht im Duden zunächst „vom Sexualtrieb beherrscht, geil, sinnlich“.

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

Nun warten Sie einmal auf das Beispiel, dann können Sie sich freuen. Dann wissen Sie, was Ihnen täglich passiert. Das Beispiel heißt: „Die Frau ist so was von spitz, sie macht die Typen spitz und lässt sie dann nicht ran.“

Frau Schwarz, hier werden Männer gegen Frauen ausgespielt. Und das macht nicht nur das Wörterbuch. Das Wörterbuch reflektiert auch Wirklichkeit, natürlich.

(Beifall bei der Linksfraktion – Zurufe von der CDU)

Ha, ha, ha.

Auch in der DDR befanden sich Frauen zwischen Emanzipation und Patriarchat und die Männer schwebten mit. Gegenüber heute hatte die DDR in Gender-Fragen aber allemal einen Modernitätsvorsprung, auch wenn sie das Institut des Gender-Mainstreaming noch nicht kannte.

Modernität setzt sich in der Gesellschaft des Dudens, also in der aktuellen, indes nur sehr bedingt und langsam durch. Das hat schon das Beispiel Frau und Herr gezeigt. Und fand Luise F. Pusch 1970 im Universalwörterbuch noch ein Beispiel wie „sie sah zu ihm auf wie zu einem Gott“, was ihre Ironie herausforderte, so verwandelt sich in der Auflage 2003 unter „aufschauen“ die Tatsache zum weiblichen Wunsch, denn das Beispiel lautet – ich zitiere –: „Sie wünscht sich einen Mann, zu dem sie aufschauen kann.“

2006 zieht dann endgültig etwas Modernität ein. Das Beispiel lautet jetzt – Zitat –: „jemanden verehren; ehrfürchtig voll Bewunderung zu jemandem aufschauen; er ist ein Vorbild, zu dem die Jugend aufschauen kann“; immer noch „er“.

Sowohl damalige DDR- wie damalige bundesrepublikanische Wörterbücher waren hart am nun schon öfter gefühlten Puls der Zeit und geben deshalb verlässlich Auskunft über diese und die zu ihr gehörige Gesellschaft.

Findet man unter „träumen“ auch heute noch – Auflage 2006 – im Duden-Universalwörterbuch – Zitat –: „sie träumte von einer großen Karriere“, und das ist ja ganz klar, denn in Wirklichkeit macht diese meistens er, das haben wir ja in der Anfrage gesehen, so träumt im Handwörterbuch der deutschen Gegenwartssprache „er“, und er träumte natürlich nicht von einer großen Karriere, sondern von einer großen Reise. In beiden Fällen sind die Träume als Träume begründet in Repression.

Aber ich will noch beim Träumen bleiben. Vielleicht erklären sich einige Unterschiede zwischen der DDR und der Duden-Gesellschaft anders, wenn man weiß, dass im Duden-Universalwörterbuch in allen Auflagen sie von ihrem Vater träumt, in den Wörterbüchern der DDR aber er von seiner Mutter.

Aber um dieses Sibyllinische schnell wieder zu beenden, will ich am Ende noch einmal an das bedauernswerte verhutzelte Männchen von vorhin anschließen und mit Bezug auf einige wichtige Antworten zur Großen Anfrage noch Folgendes sagen: Eine nach wie vor in vielen Bereichen der Gesellschaft und auf der Ebene gesellschaftlicher Wahrnehmung, Anerkennung und Rollenverteilung bestehende Benachteiligung der Frauen schließt Bedauernswertes für Männer tatsächlich nicht aus, ja bringt Männer sogar auch richtig in Nachteil. Beispiele dafür haben wir in den Antworten zur Großen Anfrage gelesen. Wir haben sie heute schon mehrfach gehört: Männer haben mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit Verkehrsunfälle als Frauen; sie stellen 80 % der Drogenabhängigen. Und, Herr Dr. Martens, die Normalität ist dann da, wenn die Anzahl der Verkehrsunfälle von Frauen nicht steigt, aber die Anzahl derer von Männern auf den Wert der Frauen sinkt.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Sie – das sage ich Ihnen ehrlich, Herr Delle – werden mich nicht zum Aufhören bringen. Aber Sie werden in kurzer Zeit hier verschwunden sein.

Aber wenn ich diese Nachteile meinen Söhnen und Enkelsöhnen schon nicht ersparen kann, so sollten doch wenigstens meine Urenkel davon befreit sein. Davon darf ich doch zumindest träumen, Herr Dr. Martens, wenn Sie mir hoffentlich zugestehen wollen, dass ich etwas zur Veränderung beitragen sollte.

Ich kann hier nur einen Appell an die Frauen richten: Liebe Frauen, kehren Sie doch den Männern zuliebe die Verhältnisse um! Die Männer werden es nicht tun.

(Dr. Fritz Hähle, CDU, tritt ans Mikrofon.)

Herr Hähle, ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Unruhe und Lachen bei der CDU)

Sie haben eine neue Methode entdeckt. Sie kommen immer hinterher, müssen erstens Ihre Leute in Schutz nehmen und zweitens irgendetwas zurückweisen. Das können Sie in Ruhe tun.

(Zuruf des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Bei der Umkehr der Verhältnisse sollten Sie also nicht auf die Männer rechnen. Die Männer werden es Ihnen nur danken und ihre vermeintliche Stärke in lyrische Schwärmerei verwandeln. Dafür gibt es schon Beweise im Duden. 1970 hieß es im Duden noch „Sie betet ihren Mann an“, in den Ausgaben von 2003 und 2006 betet er bereits seine Frau an. 1970 meint der Duden „Sie hat ihn angedichtet“, 2003 und 2006 dichtet er mit Vorliebe die Frauen an. Wir Männer sind doch auf einem guten Weg.

Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion, den GRÜNEN und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Gibt es weiteren Diskussionsbedarf?

(Volker Bandmann, CDU: Nein!)

Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung. – Frau Ministerin, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Damen und Herren der Bündnisgrünen, Sie haben heute eine umfassende Analyse der Situation von Männern und Frauen in Sachsen bekommen. Wir haben das heute auch schon in vielen Beiträgen zur Kenntnis genommen. Jede scheinbar undenkbare Eventualität haben Sie abgefragt, aber natürlich auch beantwortet bekommen. Ich hatte mir auch ein, zwei Beispiele, die in der Tat exemplarisch sind, herausgesucht. Dankenswerterweise hat Herr Dr. Martens diese Beispiele schon aufgerufen. Ich meine zum Beispiel die Frage nach

dem Nutzeranteil bei Planungs- und Entscheidungsprozessen im ÖPNV, bezogen auf die Männer.

Ich könnte noch einmal eine ganze Reihe von Fragen vortragen, aber ich glaube, das ist nicht zielführend, Frau Hermenau, weil zumindest der letzte Redebeitrag vor mir – es gab auch noch einen auf der rechten Seite – gezeigt hat, dass es bei dem wahrscheinlich gut gemeinten Grundanliegen, das Sie mit Ihrer Großen Anfrage verfolgt haben, was ich Ihnen auch bescheinigen will, einen großen Nachholbedarf allein schon in den Köpfen hier in diesem Parlament gibt.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE – Zurufe von der CDU)

Sehr geehrte Frau Werner, ich würde Ihnen wirklich empfehlen, dass Sie diese plakativen Aussagen – es waren teilweise auch falsche Aussagen in Richtung der Regierung und des Parlaments – vielleicht erst mit Kollegen Porsch auswerten, bevor Sie hier solche Dinge vortragen.

(Beifall bei der CDU)

Es ist bedauerlich, dieses Thema in eine Lächerlichkeit zu ziehen, die diesem Hause einfach nicht angemessen ist.

(Beifall bei der CDU – Caren Lay, und Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion, treten ans Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein! Ich möchte fortfahren.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ich habe den Duden zitiert!)

Ich habe das lange genug ertragen müssen, Herr Porsch.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte mir erlauben, in Richtung Antragsteller zu formulieren, dass, glaube ich, deutlich geworden ist, dass eine Fülle von Fragen nicht ausreicht, wenn diese Fragen nicht inhaltlich strukturiert sind, um für dieses wichtige Thema tatsächlich brauchbare Erkenntnisse zu gewinnen.