Protokoll der Sitzung vom 16.04.2008

Das ist einfach sehr bedenklich.

Zu unserem Änderungsantrag. Wir würden gern weitergehen. Das ist völlig richtig festgestellt worden. Wir möchten erstens, dass die Aufhebung der Kürzung der Pendlerpauschale rückwirkend gelten soll, und zwar zum 01.01.2007. Das heißt also, dass die eingebüßten Gelder den einfachen Leuten wieder zur Verfügung gestellt werden. Wir möchten des Weiteren, dass 35 Cent pro Kilometer gezahlt werden und für die neue Pauschale Gültigkeit haben. Das resultiert daraus, dass bei der Vollkostenrechnung unter Berücksichtigung der Anschaffungskosten der Kfz-Steuer, der Kfz-Versicherung, der variablen Kosten für die Kfz-Nutzung eigentlich die Pendlerpauschale zwischen 50 und 65 Cent liegen müsste, sodass wir mit unseren 35 Cent schon sehr moderat umgehen.

Wenn Sie von mir Finanzierungsvorschläge hören wollen, dann kann ich die gern nennen: erstens Ausgaben sparen im Bundeshaushalt, zum Beispiel bei Militäreinsätzen weltweit, zweitens Steuersparmodelle streichen, drittens Spitzensteuersatz erhöhen, viertens Körperschaftsteuersatz wieder auf 25 % heben – den haben Sie vor Kurzem erst um 10 % gesenkt –, fünftens Vermögenssteuer wieder einführen, Erbschaftsteuer reformieren, mehr Betriebsprüfer für die Bekämpfung der Steuerhinterziehung, eine effektive Bekämpfung des Vorsteuerabzugsbetruges organisieren usw. usf.

Meine Redezeit reicht nicht aus, noch weitere Vorschläge zu machen. Ich denke, es ist jederzeit möglich, diese Gelder denen zukommen zu lassen, die wirklich schon

das schwierige Meisterstück vollbringen müssen, ihre Familie zu ernähren, ihre Freizeit zu pflegen und ein ordentliches Leben zu führen.

Besten Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

Es besteht die Möglichkeit, zu diesem Änderungsantrag Stellung zu nehmen. Ich frage, ob das jemand möchte – Herr Abg. Lichdi, bitte.

Frau Simon, genau das wollte ich ansprechen. Ich bestreite nicht, dass es im ländlichen Raum dazu eine ganz andere Problemlage gibt als in großstädtischen Räumen.

Aber was mich wirklich massiv ärgert, ist, dass Sie hier einen Antrag einbringen, der wirklich lang und breit in den sozialen und in den ökologischen Wirkungen hin und her diskutiert wird. Da gibt es eine jahrzehntealte Debatte, und Sie kommen hier in diese Debatte und blenden das total aus. Ich habe in Ihrem Antrag, in Ihrer Begründung, in Ihrem Redebeitrag nichts zur Aussage dazu gehört, ob das vielleicht möglicherweise ökologisch diskutiert

werden könnte. Sie sind ja noch nicht einmal an den Gedanken einer Notwendigkeit einer Abwägung herangetreten. Genau das ist es, was ich kritisiert habe. Deswegen sind Sie mit uns nicht koalitionsfähig.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann keine weitere Wortmeldung erkennen. Herr Schiemann? – Dann kommen wir zur Abstimmung über diesen Änderungsantrag. Er ist eingereicht von der Linksfraktion, Drucksache 4/11938. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist dieser Änderungsantrag mehrheitlich nicht beschlossen worden.

Wir kommen zum Ursprungsantrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 4/11812. Wer stimmt dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer größeren Anzahl von Stimmen dafür und keiner Stimmenthaltung ist der Antrag der FDP-Fraktion abgelehnt worden.

Damit ist der Tagesordnungspunkt 18 beendet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 19

Zukunft der Studentenwerke langfristig sichern – soziale Lage der Studierenden verbessern

Drucksache 4/10981, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen wieder Stellung nehmen. Es beginnt die Fraktion GRÜNE und danach die anderen Fraktionen in der gewohnten Reihenfolge. Herr Dr. Gerstenberg, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte Sie, auch wenn es bereits sehr spät ist, noch einmal um Aufmerksamkeit für den letzten Tagesordnungspunkt des heutigen Tages.

Im Kern geht es bei Studentenwerken ja durchaus um angenehme Inhalte wie Essen und Schlafen. Ich muss Sie aber am Anfang mit einer unangenehmen Tatsache konfrontieren. Es ist traurig, aber wahr: Die Studentenwerke sind fast schon traditionell die Sparschweine der sächsischen Hochschulpolitik. Nach vielen Jahren gesunkener Zuschüsse betrug die Zuwendung des Freistaates im Jahr 2004 immerhin noch über 12 Millionen Euro. Noch vor der Landtagswahl 2004 gab dann der damalige Wissenschaftsminister Matthias Rößler unter lautstarken Protesten der Studierenden die Marschroute der CDU für eine Komplettabsenkung der Zuschüsse vor.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Unglaublich!)

Aber auch die SPD hat ihr in der Koalitionsvereinbarung festgehaltenes Ziel, zusätzliche Mittel für die Studentenwerke zur Verfügung zu stellen, in das komplette Gegen

teil verkehrt. In diesem Jahr, im Jahr 2008, stehen den Studentenwerken mit 5,5 Millionen Euro 40 % weniger öffentliche Mittel zu als noch 2006.

Unsere Fraktion hat damals, im September 2006, als erste auf diese Problematik hingewiesen. Wir haben gegen diese Entwicklung protestiert und in den Haushaltsverhandlungen prophezeit, dass die vorgesehenen Kürzungen an die Substanz der ohnehin in den letzten Jahren geschwächten sächsischen Studentenwerke gehen. Die Koalition hat diese Warnung in den Wind geschlagen. Die Zeche zahlen seitdem die Studierenden.

Preise und Semesterbeiträge mussten teilweise erheblich erhöht werden. So hat zum Beispiel das Dresdner Studentenwerk seinen Beitrag um 14 Euro, das Freiberger Studentenwerk um 15 Euro und das Leipziger Studentenwerk um 10 Euro pro Semester erhöht. Seit 2001 hat sich damit beispielsweise in Dresden der Semesterbeitrag von 29,66 Euro auf 58 Euro 2008 nahezu verdoppelt. Gleichzeitig wurden die Mensapreise schrittweise erhöht.

Dem Wissenschaftsministerium zufolge bringt die Anhebung des Semesterbeitrages dem Studentenwerk Dresden 1,2 Millionen Euro und die Erhöhung der Mensapreise circa 250 000 Euro zusätzliche Einnahmen, mit denen die zurückgehenden Zuschüsse kompensiert werden. Diese Beispiele zeigen, dass die zurückgehenden Zuschüsse nicht die Erschließung von angeblichen Einsparpotenzia

len auslösen, sondern sie werden eins zu eins auf die Studierenden umgelegt. Mit anderen Worten: Die Staatsregierung spart auf Kosten der Studierenden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das alte Argument der CDU, dass die wirtschaftlichen Potenziale der Studentenwerke nicht ausgeschöpft seien, ist nicht zuletzt durch die Antworten der Staatsregierung auf mehrere Kleine Anfragen unserer Fraktion und auf diesen Antrag widerlegt. Das Gegenteil stimmt. Jede Zuschusssenkung verschlechtert die wirtschaftliche Lage der Studentenwerke.

Ich zitiere aus der Stellungnahme der Staatsregierung: „Als besonderes Problem erweist sich, dass der Zunahme des Aufwandes für die Essensversorgung durch die allgemeinen Preissteigerungen und der Zunahme der kostenfreien Aufgaben die Abnahme der staatlichen Zuwendungen gegenübersteht. Diese Kostenschere kann nicht allein durch die Erhöhung der studentischen Beiträge und Rationalisierungsmaßnahmen geschlossen werden. Mehrere Studentenwerke sind daher nicht mehr in der Lage, die erforderlichen Rücklagen zu bilden.“

Meine Damen und Herren von der Koalition! Diese Feststellung aus Ihrem eigenen Ministerium ist nichts anderes als das erklärte Scheitern Ihrer Kürzungspolitik bei den Studentenwerken.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion)

Wenn Sie so weitermachen, wenn Sie diese Strategie beibehalten, dann droht eine Negativspirale, die sich jetzt schon andeutet. Aufgrund steigender Mensapreise stagniert die Zahl der Essensteilnehmer selbst bei steigenden Studierendenzahlen. Der Spielraum für notwendige weitere Investitionen, mit denen das Angebot attraktiver gestaltet werden kann, sinkt. Zusätzliche Einnahmenpotenziale sind nur in geringem Maße zu erzielen.

Insbesondere den Wohnheimen droht ein Instandsetzungsstau, der die Wohnqualität verschlechtern würde. Moderne Wohnheime jedoch können sich nicht nur finanziell selbst tragen, sie steigern auch die Nachfrage. Das zeigen beispielhaft die attraktiven Wohnheime des Dresdner Studentenwerkes an der Hochschulstraße, für die gestern nach abgeschlossener Rekonstruktion eine kleine Einweihungsfeier stattfand. Dort kommen drei Bewerber auf einen Platz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! So wie „satt, warm und sauber“ nur menschliche Elementarbedürfnisse erfüllt, so dürfen sich Studentenwerke nicht auf Mensaessen und Wohnheime beschränken. Sie sind jedoch nicht oder nicht mehr in der Lage, dringend notwendige zusätzliche Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten. Das betrifft insbesondere den Bereich der sozialen Beratung von Studierenden. Auch Kindertagesstätten oder stundenweise Kinderbetreuung sind für die allseits geforderte familienfreundliche Hochschule dringend notwendig. Ihr

Auf- und Ausbau wird durch die niedrigen Zuschüsse jedoch gebremst oder sogar unmöglich gemacht.

Die Lasten dieser misslichen Situation der Studentenwerke tragen einzig und allein die Studierenden der sächsischen Hochschulen. Zusätzlich zu den jahrelang verschobenen BAföG-Erhöhungen wurde die Finanzierung der sozialen Dienstleistungen für die Studierenden zurückgefahren. Die soziale Lage der Studierenden im Freistaat verschlechtert sich von Jahr zu Jahr. Auch die sozialdemokratische Verantwortung für Hochschulen und Studentenwerke hat an dieser besorgniserregenden Entwicklung leider nichts geändert – im Gegenteil.

Obwohl bereits die alleinregierende CDU mit ihrem Versuch gescheitert war, Studentenwerke von sozialen Einrichtungen in reine Dienstleistungsunternehmen umzuwandeln, wurde mit dem SPD-geführten Wissenschaftsministerium in der Koalition die unsoziale Strategie der CDU fortgesetzt. Die Staatsregierung muss diese verfehlte Politik endlich stoppen und sich des eigentlichen Auftrages der Studentenwerke erinnern: Studentenwerke dürfen nicht Sparschweine eines Finanzministers sein, sondern sollen mit ihren Angeboten sozialverträgliche Studienbedingungen garantieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Wenn diese Aufgabe zeitgemäß interpretiert wird, dann ergeben sich Chancen für die sächsischen Hochschulen, die weit über das Kernziel von besseren sozialen Rahmenbedingungen hinausgehen. Die sächsischen Hochschulen müssen angesichts des drohenden Rückgangs der Studienanfängerzahlen insbesondere die Attraktivität ihres sozialen Umfeldes stärken. Dazu gehören günstige und anziehende Lebensbedingungen wie auch Familienfreundlichkeit. Das sind Bereiche, in denen mit dem Pfund der Studentenwerke gewuchert werden kann.

Statt neuer Sparrunden ist deshalb ein langfristiges Entwicklungskonzept für die Studierendenwerke notwendig. Sie müssen mit intelligenten Organisationskonzepten und neuen Aufgabenfeldern, wie Kinderbetreuung, fit für die Zukunft gemacht werden. Eine intelligent und lebensnah organisierte Beratungsinfrastruktur kann insbesondere für auswärtige Studienanfänger, auf die wir in den kommenden Jahren immer stärker angewiesen sein werden, ein wichtiges Argument für die Entscheidung für ein Studium in Sachsen sein.

Das Studentenwerk Freiberg hat hierzu mit seinem Arbeitspapier „Studentenwerk 2020“ einen ersten interessanten Diskussionsbeitrag auf den Tisch gelegt. Darin enthaltene Module wie etwa studienbezogene psychologische Beratung, Förderung der Mobilität, Sozialberatung international oder Vorbereitung auf das Auslandsstudium deuten das Aufgabenspektrum an, vor dem zukunftsfähige Studentenwerke stehen.

Darüber hinaus gilt es, eine nachhaltige Aufgabenwahrnehmung der Studentenwerke sicherzustellen. Eine energetische Sanierung der Wohnheime ist nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz. Sie kann zugleich dazu beitra

gen, tatsächliche Einsparpotenziale zu heben. Auch die Umstellung der Mensenversorgung auf Bioessen kann über die ökologische Bedeutung hinaus die Attraktivität für Studierende im besten Sinne des Wortes nachhaltig erhöhen.

Alle im vorliegenden Antrag aufgeführten Aufgaben sollte die Staatsregierung nicht beliebig den unter ständigem Finanzdruck stehenden Entscheidungen der Studentenwerke anheimstellen, sondern sie muss deutlich machen: Das sind Entwicklungsziele, die im strategischen Interesse des Freistaates liegen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wer Studentenwerke auf der Höhe der Zeit will, der muss zunächst ihre ausreichende und berechenbare Finanzierung sicherstellen. Deshalb fordern wir, die Zuschüsse mindestens wieder auf das Niveau von 2006 zu erhöhen. Darüber hinaus soll die Staatsregierung prüfen, welche Aufgaben zusätzlich auf die Studierendenwerke zukommen und welche Mittel dazu notwendig sind. Die Studentenwerke brauchen für mehrere Jahre eine finanzielle Planungssicherheit und damit verbundene Entwicklungsziele. Nach unserer Überzeugung sind dafür Leistungsvereinbarungen mit dem Ministerium, wie wir sie in unserem Hochschulgesetzentwurf vorgesehen haben, das richtige Instrument.

Die Staatsregierung konnte sich im Referentenentwurf bisher nicht zu einer solchen gesetzlichen Regelung durchringen. Staatsministerin Stange will nach eigenem Bekunden Zielvereinbarungen mit den Studentenwerken anstreben.

Dieser vorliegende Antrag gibt heute dem Landtag – selbstverständlich unter Vorbehalt der Haushaltsberatungen – die Möglichkeit, der Staatsregierung konkrete finanzielle und vor allem inhaltliche Ziele für diese Verhandlungen mit auf den Weg zu geben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Nutzen Sie diese Möglichkeit, wenn Ihnen die Zukunft der Studentenwerke am Herzen liegt, und setzen Sie ein Signal für die Verbesserung der sozialen Lage der Studierenden in Sachsen. Stimmen Sie unserem Antrag zu.