Protokoll der Sitzung vom 17.04.2008

„Die Prüfung hat ergeben, dass von der Pflicht einer Nachtragssatzung grundsätzlich auszugehen ist, wenn im Zuge der Umsetzung des Bundesprogramms ‚Kommunalkombi’ zusätzliche Ausgaben geleistet werden müssen in einem im Verhältnis zu den Gesamtausgaben erheblichen Umfang und wenn der Stellenplan keine entsprechenden Stellen für Neueinstellungen enthält. Mir ist bewusst, dass eine erneute Beschlussfassung des Kreistages über den Haushalt im laufenden Haushaltsjahr, insbesondere im Vorfeld der Gebietsneugliederung/Verwaltungsorganisation, erheblichen Bedenken begegnet. Im Hinblick auf die bestehenden Regelungen sehe ich jedoch keine Möglichkeit, in solchen Fällen von einer Nachtragssatzung abzusehen. Ich bitte daher um Ihr Verständnis, dass insoweit an der Erforderlichkeit einer Stellenanpassung und damit einer Nachtragssatzung für das laufende Haushaltsjahr festgehalten wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Albrecht Buttolo“

Was besagt denn das? Sie sagen hier das glatte Gegenteil dessen, was Sie angeblich der SPD an jenem 13. März 2008 dargestellt haben. Sie müssen Ihre internen Streitigkeiten intern austragen. Das sagt genug über den Zustand der Koalition. Für mich und meine Fraktion sagt das aber sehr viel darüber, was in Sachsen im Blick auf die Kommunalaufsicht wirklich vorgeht. Herr Dr. Buttolo, entweder haben Sie damals, am 13. März, nicht die Wahrheit gesagt oder Sie wissen schlicht nicht mehr, was in Ihrem Haus vorgeht. Beides ist gleichermaßen schlimm: für das Bundesprogramm „Kommunalkombi“, für die Kommunalaufsicht über die sächsischen Kommunen, vor allem aber für Sie als amtierenden sächsischen Innenminister, und nicht zuletzt für die Koalition. Herr Staatsminister Dr. Buttolo, ich fordere Sie auf, hier allerschnellstens Ordnung zu schaffen. Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Möchten daraufhin die anderen Fraktionen doch von ihrem Rederecht Gebrauch machen? – Herr Dr. Martens, FDP-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute der Mühe hingeben, über die Beratende Äußerung zur Kommunalaufsicht des Rechnungshofes zu sprechen, dann ist das eher unüblich; denn diese Berichte verschwinden normalerweise ohne Aussprache in den Akten und Archiven des Landtages.

(Beifall des Abg. Robert Clemen, CDU)

Das mag man begrüßen. Das ist dann in Ordnung, wenn alles in Ordnung ist. Allerdings muss man im Zusammenhang mit diesem Fall darauf hinweisen, dass in Sachsen in diesem Bereich nicht alles in Ordnung ist, wie auch der Rechnungshof festgestellt hat.

Kollege Dr. Friedrich hat es bereits angesprochen: Im Bereich der Kommunalaufsicht ist nicht alles in schönster Ordnung. Der Rechnungshof bemerkte grundsätzlich, die Kommunalaufsicht in Sachsen funktioniere inzwischen „dem Grunde nach“, bedürfe aber unbedingt einiger Verbesserungen. Das klingt zunächst harmlos. Konkret heißt es in dem Bericht:

„In Anbetracht der unzureichenden Qualifizierung eines erheblichen Anteils der Mitarbeiter der unteren Rechtsaufsichtsbehörden sollte die Staatsregierung die rechtlichen Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Freistaat Einfluss auf die Personalentwicklung der unteren Rechtsaufsichtsbehörden nehmen kann.“

Der Rechnungshof hat in vielen Landratsämtern eine höchst unzureichende Qualifikation der Mitarbeiter vorgefunden. In der Rechtsaufsicht des Landratsamtes waren Leute beschäftigt, die aufgrund ihrer Qualifikation dort ganz einfach nicht hingehören, also nicht geeignet waren. Nur 21 % der geprüften Mitarbeiter, so der Rechnungshof – das liegt allerdings schon wieder vier Jahre zurück –, hatten eine den Anforderungen gerecht werdende Qualifikation. Das ist unbefriedigend. Die Rechtsaufsicht ist staatliche Aufgabe nach Artikel 89 der Sächsischen Verfassung und muss deshalb aufgabengerecht ausgestattet werden.

So haben wir festgestellt, dass durch Gesetz für Kämmerer in Kommunen bestimmte Anforderungen festgelegt werden. Für Mitarbeiter der Rechtsaufsichtsbehörden gilt dies nicht. Das wirkt sich natürlich dann fatal aus, wenn es darum geht, erhebliche wirtschaftliche Risiken auf der kommunalen Ebene zu überprüfen.

Dass vom Rechnungshof auch die wirtschaftliche Betätigung von Kommunen kritisiert wird, sei hier nur ergänzend angefügt. Nach der übereinstimmenden Einschätzung des Rechnungshofes und des Innenministeriums bergen die ausufernde Inanspruchnahme privatrechtlicher Unternehmensformen und das von Hauptorganen und Rechtsaufsicht nicht mehr überschaubare Geflecht von Beteiligungen unabsehbare Finanzrisiken für die Kommunen. Auch das muss man an dieser Stelle sagen. Ich wage zum Beispiel zu bezweifeln, ob die Verantwortlichen in der Stadt Leipzig überhaupt noch wissen, wie viele Unternehmensbeteiligungen die Stadt hat. Es werden immer mehr. Zuerst sind es 150. Wenn man vier Wochen später nachfragt, sind es 160; dann sind es 170. Inzwischen hört man die Zahl 183. Das sind nicht nur Tochtergesellschaften, Enkeltochtergesellschaften, Cousinen, Schwestern, Nichten und Großenkel. Das kann man belustigend finden. Das Geflecht ist jedoch hoch riskant. Allein das Haftungsrisiko der Stadt Leipzig aus diesen

Beteiligungen beläuft sich auf weit mehr als 500 Millionen Euro. Das ist ein Risiko, das so nicht mehr gehandelt werden kann, was der Rechnungshof zu Recht kritisiert hat. Hier hat eine Verlagerung in Haushalte stattgefunden, die sich der politischen Kontrolle ein gutes Stück entziehen.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Das ist demokratietheoretisch ein höchst bedenklicher Vorgang, der gleichzeitig dafür sorgt, dass die Entscheidungen nicht mehr politisch verantwortet werden, aber die Risiken nachher dem Bürger in seiner Eigenschaft als Steuerzahler auferlegt werden – ein Zustand, den wir nicht hinnehmen wollen.

Die Probleme werden durch die Verwaltungsreform übrigens nicht geringer. Natürlich führt die Zusammenlegung von Landratsämtern und Verwaltungen dazu, dass auch höherqualifizierte Mitarbeiter für Landkreise zuständig werden. Aber – das muss auch gesagt werden – die Probleme, die diese Rechtsaufsichtsbehörden zu bewältigen haben, werden ebenfalls entsprechend umfangreicher und komplexer, vor allen Dingen im Hinblick auf neue Finanzierungsinstrumente wie PPP-Projekte und Leasing, die die Gemeinden nutzen und die vor 10 oder 15 Jahren noch gar nicht vorhanden waren. Auch diese zu kontrollieren, insbesondere im Bereich der Zweckverbände und der anderen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, bedarf hoher Qualifikation.

Deswegen von hier aus noch einmal die Anregung: Sorgen Sie dafür, dass eine gesetzliche Regelung zur Mindestqualifikation derjenigen geschaffen wird, die in der Rechtsaufsicht staatliche Aufgaben wahrnehmen. So viel dazu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und den GRÜNEN)

Danke schön.

Ich frage erneut, ob weitere Fraktionäre oder ein Mitglied der Staatsregierung das Wort wünschen. – Herr Dr. Buttolo möchte reagieren. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Friedrich, ich werde am Ende meines Beitrags auf Ihren Kritikpunkt nochmals zu sprechen kommen. – Seit die Beratende Äußerung des Sächsischen Rechnungshofes im Januar 2006 vorgelegt wurde, ist einige Zeit ins Land gegangen. Folgerichtig konnte der Vertreter des Sächsischen Rechnungshofes in der Sitzung des Innenausschusses am 3. April 2008 auf konkrete Nachfragen aus Ihren Reihen bestätigen: Die Rechtsaufsicht hat sich seither verbessert.

Die ursprünglich zusammenfassende Aussage des Rechnungshofes, die Rechtsaufsicht funktioniere nur „dem Grunde nach“, hat seinerzeit eine Reihe von Negativschlagzeilen nach sich gezogen. Dem Staatsministerium

des Innern und den nachgeordneten Rechtsaufsichtsbehörden war allerdings bewusst, dass die Zielrichtung des Rechnungshofes eine andere, positive war.

So hatte sie auch das SMI begriffen. In allererster Linie hat das SMI die Beratende Äußerung als eine Chance wahrgenommen, der Rechtsaufsicht insgesamt den Rücken zu stärken. Die Beratende Äußerung wurde mit den Regierungspräsidien und den Landräten intensiv ausgewertet. Die Gesetze, die rechtlichen Instrumente, die der Kommunalaufsicht zur Verfügung stehen, reichen nach übereinstimmender Meinung aus. Dies zeigen auch die Fälle Oberwiesenthal und Machern, wenngleich diese Verfahren zugegebenermaßen jeweils sehr lange gedauert haben.

Diese Fälle zeigen aber auch, dass zunächst die Kommunalpolitik oder im Falle einer Abwahl die Bürgerschaft selbst gefordert ist, Missstände zu beseitigen. Die Rechtsaufsicht kann es nicht leisten, kommunalpolitisches Unvermögen zu kompensieren.

Ein wichtiger Meilenstein in der Finanzaufsicht über die Kommunen, die naturgemäß den Schwerpunkt rechtsaufsichtlicher Tätigkeit darstellt, war das bereits am 1. April 2003 in Kraft getretene Gesetz zur Änderung des kommunalen Wirtschaftsrechts. Mit diesem Gesetz wurde die örtliche Rechnungsprüfung stabilisiert und als obligatorische Aufgabe auf alle Gemeinden erstreckt; denn als Rückseite der Medaille finanzieller Eigenverantwortung ist die örtliche Rechnungsprüfung ein unverzichtbares Instrument der Kommunen selbst, für zeitnahe Kontrolle der Gesetz- und Ordnungsmäßigkeit aller finanzwirtschaftlichen Verwaltungsvorgänge zu sorgen.

Der bereits erzielte Qualitätsstandard der örtlichen Rechnungsprüfung, den das SMI auf der Basis einer aktuellen Umfrage in einem Bericht an den Haushalts- und Finanzausschuss evaluiert hat, muss fortlaufend weiterentwickelt werden.

Die förmlichen Berichtspflichten konnten in den letzten Jahren deutlich reduziert werden, ohne dass damit ein Informationsverlust einhergegangen ist; denn im bundesweiten Frühwarnsystem „Kommunale Haushalte“ stehen Informationen, die seit Juli 2007 per Internet erhoben werden, über die Haushaltslage der Kommunen ganzjährig aktuell zur Verfügung. Auch das Frühwarnsystem wurde optimiert und blickt inzwischen auf eine fünfjährige Praxis zurück. Es greift, es erzielt spürbare Wirkungen und – was mich besonders freut – es wird zunehmend mehr von den Kommunen selbst als Orientierungshilfe und Arbeitsinstrument genutzt.

Was maßgeblich das Frühwarnsystem bei den kommunalen Haushalten bewirkt, zeigen die folgenden Zahlen, die sich sehen lassen können. So hat sich die Zahl der Gemeinden mit stabiler Haushaltslage von rund 165 im Jahr 2003 auf 246 im Jahr 2007 erhöht. Das entspricht einer Steigerung von 49 %. Die Zahl der Gemeinden mit kritischer Haushaltslage ist von 87 im Jahr 2003 auf 28 im Jahr 2007 zurückgegangen. Auch die Zahl der Gemeinden

mit ungedeckten Fehlbeträgen aus Vorjahren ist von 66 im Jahr 2003 auf 46 im Jahr 2007 zurückgegangen.

Um den Informationsaustausch zwischen den drei Ebenen der Rechtsaufsicht zu gewährleisten, werden in regelmäßigen Besprechungen zwischen den Rechtsaufsichtsbehörden Grundsatzfragen erörtert und gegebenenfalls erforderliche rechtsaufsichtliche Maßnahmen festgelegt. Weitere Verbesserungen der Rechtsaufsicht sind nach meiner festen Überzeugung, Herr Dr. Martens, durch die Kreisgebietsreform zu erwarten. Die Zusammenlegung der Landkreise und der damit verbundene Übergang des Personals eröffnen neue Chancen. Durch das übergehende Personal der alten Landkreise in die neuen Landkreise können die besten Kräfte für die Rechtsaufsicht ausgewählt werden. Die Rechtsaufsichtsbehörden können dadurch personell besser ausgestattet und der Spezialisierungsgrad kann erhöht werden. Ich möchte hier nur als Aufgabenfeld die öffentlichen privaten Partnerschaften benennen, bei denen man in der Tat eine erhebliche Spezialisierung der Mitarbeiter braucht, die diese Sachverhalte prüfen.

Nach wie vor wird auch der Einsatz von Absolventen der Fachhochschule in Meißen durch die VwV-Bedarfszuweisung gefördert. Dadurch wird den Kommunen nicht nur der Einsatz qualifizierten Personals erleichtert, sondern auch ein Beitrag zur Verjüngung des Personalkörpers geleistet.

Mit der Einführung des neuen Haushalts- und Rechnungswesens wachsen auch die Anforderungen an die Mitarbeiter der Rechtsaufsichtsbehörden. Die sächsischen kommunalen Bildungsträger haben deshalb unter maßgeblicher Beteiligung meines Hauses ein gemeinsames Fortbildungsprogramm für die Einführung des neuen kommunalen Haushalts- und Rechnungswesens erarbeitet. Darüber hinaus wird das SMI die Fortbildung der Mitarbeiter der Rechtsaufsichtsbehörden in den Regierungspräsidien und Landratsämtern ergänzend durch spezielle Veranstaltungen zur Haushaltsprüfung aktiv begleiten und unterstützen. In einer ersten Runde wurden diese Veranstaltungen für die Landratsämter mit Frühstartkommunen im Herbst 2007 durchgeführt. Weitere sind für 2008 und 2009 geplant.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe heute nur noch einige wenige Maßnahmen schlaglichtartig beleuchtet, die vom SMI ergriffen worden sind, um die Kommunalaufsicht zu verbessern und fortzuentwickeln. Ich habe Ihnen gezeigt, dass bereits bedeutende Erfolge erzielt wurden. Ungeachtet dieser Erfolge wird mein Haus weiter daran arbeiten, die Rechtsaufsicht ständig zu optimieren und der neuen Entwicklung anzupassen. Hierzu hat die Beratende Äußerung des Sächsischen Rechnungshofes einen wertvollen Beitrag geleistet.

(Beifall bei der CDU)

Nun zu dem Kritikpunkt von Herrn Dr. Friedrich: Herr Dr. Friedrich, ich stehe in der Tat für unbürokratisches Handeln in den Verwaltungen. Ich habe mich aus diesem

Grunde, als ich erstmals von der Situation zur Kommunalkombi erfahren habe, klar geäußert. Ich will ein unbürokratisches Verfahren. Ich habe mich dann durch mein Haus, aber auch durch den SSG beraten lassen, und die klare Orientierung war: Wenn in einem so erheblichen Umfang wie im Falle des Landratsamtes in Glauchau beabsichtigt wird, Kommunalkombi anzuwenden – es geht dort um circa 100 Stellen –, dann ist in der Tat ein Nachtragshaushalt erforderlich. Diese Relation, die sich im Landratsamt Glauchau ergibt, ist auch in meinem Schreiben erwähnt.

Ich akzeptiere nicht, dass man mir hier einen Wortbruch gegenüber dem Koalitionspartner in die Schuhe schieben will. Ich stehe für eine unbürokratische Lösung. Wenn sich aber aufgrund der Randbedingungen eine gewisse Bürokratie als zwingend erweist, muss das Verfahren auch ordnungsgemäß durchgeführt werden. Die Äußerungen des Sächsischen Städte- und Gemeindetages zu diesem Punkt waren sehr deutlich. Deswegen habe ich in meinem Brief an Herrn Landrat Dr. Scheurer auf die Notwendigkeit eines Haushaltsnachtrages hingewiesen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Gibt es noch Redebedarf, meine Damen und Herren? – Das kann ich nicht feststellen. Wir kommen zu den beiden Abstimmungen.

Ich beginne mit der Beschlussempfehlung des Innenausschusses in der Drucksache 4/11712. Bei Zustimmung bitte ich jetzt um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich stelle Einstimmigkeit fest.

Ich lasse jetzt über die Drucksache 4/11714 abstimmen. Ich bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke schön. Die Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich stelle ebenfalls Einstimmigkeit fest. Beide Drucksachen sind in der Form der Beschlussempfehlung angenommen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgearbeitet.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 9

Bericht des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über Genehmigungen zur Erprobung neuer Formen der Haushaltswirtschaft nach § 131 Abs. 3 der Sächsischen Gemeindeordnung (SächsGemO)