Protokoll der Sitzung vom 18.04.2008

men, das ist der Alltag für Tausende sächsische Schüler, und zwar täglich.

Herr Lehmann, Sie verziehen so das Gesicht. Auch in Ihrem Landkreis dürfte das zum Alltag gehören, wenn Sie sich vor Ort einmal informieren.

Die Ursache dafür liegt auf der Hand – es ist die Schulschließungspolitik von CDU- und SPD-Fraktion hier im Landtag. Sie führt zu langen Wegen, kostet richtig viel Zeit und Nerven, und sie kostet vor allem Geld, und zwar sehr viel Geld. Das fließt in den Unterhalt von Bussen und Treibstoff, aber nicht in die bessere Unterrichtsqualität.

(Beifall bei der FDP)

Nun kann man es sich als Staatsregierung einfach machen, denn die Kreise sind für den Schülertransport und die Schulnetzplanung zuständig. Sollen die doch mal eine ordentliche Planung machen, dann funktioniert auch alles bestens. Doch ganz so einfach, meine Damen und Herren, ist es eben nicht. Denn wer trägt denn die gestiegenen Schülertransportkosten? Es sind die Eltern und es sind die Landkreise. Der Freistaat spart durch Schulschließungen vielleicht, aber Eltern und Kreise dürfen finanziell drauflegen. Diese Art von eleganter Lastenverschiebung lehnen wir ab.

(Beifall bei der FDP)

Schauen wir uns zum Beispiel den Vogtlandkreis an. Dort lagen die Schülertransportkosten im Jahr 2002 pro Kopf bei 361 Euro, mittlerweile sind wir bei 465 Euro angekommen. Das ist eine Steigerung von fast 30 %. Das sind Mehrausgaben, die auch die Landkreise nicht mehr einfach schultern können.

Und, meine Damen und Herren, wie steht es eigentlich um die Wahlfreiheit der Schule? Solange die nächstgelegene Schule angesteuert wird, halten sich die Kosten für die Eltern noch einigermaßen in Grenzen, teilweise werden sie sogar erstattet. Wer jedoch eine andere Mittelschule als die nächstgelegene wählt, muss tief in die Tasche greifen und oft lange Wege in Kauf nehmen. Mit Wahlfreiheit hat das nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Cornelia Falken, Linksfraktion)

Wir alle im Plenum unterstützen, dass Ganztagsangebote in Sachsen eingeführt werden, und an vielen Schulen sind sie entstanden. Doch was nützt das beste Angebot am späten Nachmittag, wenn der letzte reguläre Schulbus eher fährt? Wenn wir wollen, dass die Ganztagsangebote auch von Schülern im ländlichen Raum wahrgenommen werden können, dann muss der Freistaat den Schülertransport besser unterstützen.

(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion)

Bei allem Ärger, meine Damen und Herren, über die Schulschließungspolitik von CDU- und SPD-Fraktion habe ich wenigstens ein Fünkchen Hoffnung, was den Schülerverkehr angeht; denn mittlerweile hat selbst die CDU auf ihrer letzten Klausurtagung erkannt, dass die Strapazen durch lange Schulwege ein Problem sind. Dazu kann ich nur sagen: Willkommen im Club, liebe CDUFraktion!

(Beifall bei der FDP)

Sie wollen Fahrzeiten reduzieren. Darin können wir Sie nur unterstützen. Ich kann Ihnen versprechen, wenn Sie das im nächsten Haushalt durchsetzen wollen, sind wir gern an Ihrer Seite. Keiner von uns ist Anhänger einer zeitraubenden Schülerlandverschickung. Keiner findet es gut, dass darunter am Ende Kinder, Lehrer und Eltern leiden. Wenn die CDU- und SPD-Fraktion heute etwas

Positives für die Schulkinder im ländlichen Raum tun wollen, geben wir Ihnen die Gelegenheit. Sie können unserem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Ich bitte die CDUFraktion; Herr Seidel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zweifellos ergaben sich mit der Weiterentwicklung des Schulnetzes und der Konzentration von Schulstandorten neue Herausforderungen an die Schülerbeförderung. Gleichwohl will ich aber feststellen, dass durch eine vernünftige Abstimmung vor Ort akzeptable Entfernungen zwischen Schul- und Wohnstandort gefunden werden konnten. Schließlich spielte dieser Aspekt bei der Schulnetzplanung, an der die Schulträger natürlich beteiligt waren, eine wichtige Rolle.

Wir sind uns der vorhandenen Probleme im Einzelfall bewusst und wollen sie auch nicht verharmlosen. Wir wollen sie in gemeinsamer Wahrnehmung der Verantwortung mit der dafür jeweils zuständigen Entscheidungsebene lösen. Das ist überzeugender und vertrauenerweckender als der Eindruck, es ließe sich alles von Staats wegen zentral vorgeben und praktisch umsetzen. § 23 des Schulgesetzes bestimmt die Landkreise und kreisfreien Städte als Träger für die Schülerbeförderung. Diese Regelung allein wird dem Anliegen einer möglichst optimalen Ausgestaltung dieser Aufgabe gerecht. Die Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten sowie die örtliche Aufgabenträgerschaft für den ÖPNV machen es sinnvoll, die Schülerbeförderung auf dieser Verantwortungsebene umzusetzen. Zu dieser grundsätzlichen Aufgabenregelung im Schulgesetz gibt es eine Reihe von weiteren gesetzlichen und verwaltungstechnischen Bestimmungen, die die Qualität und Ausgestaltung dieser regionalen Pflichtaufgabe normieren.

Genannt sei hier unter anderem das ÖPNV-Gesetz, das sich mit der Erstellung von Nahverkehrsplänen befasst. Die regionalen Aufgabenträger sind verpflichtet, Bedienungsstandards und Leistungsangebote für bestimmte Fahrgastgruppen, also auch für Schüler, festzulegen. Diese gesetzlichen Regelungen zusammen mit anderen Bestimmungen, wie der Straßenverkehrszulassungsordnung, der Straßenverkehrsordnung und dem Personenbeförderungsgesetz, bilden einen rechtlich stabilen Rahmen, die Schülerbeförderung bedarfs- und qualitätsgerecht umzusetzen. Dies kann aber nur im konkreten Vollzug vor Ort geschehen. Natürlich lassen sich damit Probleme nicht automatisch ausschließen. Abhilfe lässt sich aber letztlich in konkreten Einzelfällen nur dort schaffen, wo sie auftreten, und nicht durch allgemeine Einflussnahme von Landesseite, die sich weder rechtlich noch sachlich rechtfertigen lässt.

Insofern zielt auch die Forderung des vorliegenden Antrages in eine falsche Richtung. Dies gilt insbesondere

für Forderungen an Qualitätsverbesserung des Angebots, die entweder nur zwischen den Vertragspartnern regelbar sind oder, wie zum Beispiel die Gurtpflicht, durch vorhandene übergeordnete Gesetzlichkeit geregelt sind.

Meine Damen und Herren! Mehr Qualität und mehr Sicherheit in der Schülerbeförderung ist zweifellos auch ein Anliegen unserer Fraktion. Ich denke aber, dass es mit Weisungen und Einflussnahmen der Staatsregierung objektiv nicht getan ist, weil die Komplexität von geltenden rechtlichen Bestimmungen und insbesondere die daraus ableitbaren konkreten Abstimmungen zwischen den Verantwortlichen in den Landkreisen und kreisfreien Städten hier viel zielführender wirksam werden können. Unabhängig davon lässt sich belegen, dass landesseitig auf die Erfüllung dieser speziellen Aufgabe der Schulträger unterstützend, begleitend und auch normierend Einfluss genommen wurde und wird.

Ich will insbesondere auf die schon lange geltende gemeinsame Verwaltungsvorschrift des SMK, des SMI und des SMWA zur Schulwegsicherung und zur Beförderung von Schülern hinweisen. Hier wurden bereits frühzeitig Regelungen zur personellen und gesetzlichen Absicherung von Schulwegsicherungsmaßnahmen ebenso vereinbart wie Bestimmungen zur Beförderung von Schülern und die dazu notwendigen Bedingungen. Eine Reihe der im Antrag der FDP-Fraktion beschriebenen Forderungen ist hierzu bereits geregelt und bedarf lediglich der konkreten Ausgestaltung vor Ort. Durch die kontinuierlichen Gespräche zwischen Staatsregierung und dem Städte- und Landkreistag bietet sich zudem die Möglichkeit der Verständigung über aktuelle und neu hinzukommende Probleme, insbesondere bei der Ausweitung der Aufgaben der Schülerbeförderung.

Sicher stand und steht im Mittelpunkt dieses Verständigungsproblems die Verständigung des Landes bei der Erfüllung dieser Aufgaben. Es lässt sich aber auch belegen, dass nach Auslaufen des Sonderlastenausgleichs nach 1994 mit dem Schülernebenansatz in den allgemeinen Schlüsselzuweisungen im Finanzausgleichsgesetz eine differenzierte Beteiligung des Landes an den entstehenden Kosten vorhanden ist.

(Beifall des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Im Antrag werden zu Recht auch Umsetzungsprobleme im Zusammenhang mit den Ganztagsangeboten genannt. Auch diese Konzepte werden bekanntlich im Zusammenwirken von Schulen und Schulträgern geplant und umgesetzt. Also müssen dort auch Fragen der Schülerbeförderung bereits vorab erörtert und geklärt werden.

Wenn man sich den gegenwärtigen kontinuierlichen Abfluss von Fördermitteln für die Ganztagsangebote vergegenwärtigt, kann man wohl nicht davon ausgehen, dass diese Angebote an Beförderungshemmnissen scheitern.

Nach der Sächsischen Landkreisordnung haben die Landkreise für weisungsfreie Aufgaben das Satzungsrecht. Es macht Sinn, gerade im Licht der eingangs

gemachten Ausführungen zur jeweils konkreten örtlichen Situation über die Gestaltung dieser Satzung gerade auf dieser Ebene zu entscheiden. Natürlich ergibt sich damit landesweit ein unterschiedliches Bild der Kostenbeteiligung. Aber diese Ungerechtigkeit ist letztlich Ausdruck der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten und der Prioritätensetzung bei der Ausgestaltung kommunaler Selbstverwaltungsaufgaben. Insofern sind auch die Kreistage und nicht der Landtag das demokratisch legitimierte Organ zur politischen Willensbildung in dieser Frage.

Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der FDP-Fraktion beleuchtet ein Anliegen, dem sich insbesondere die kommunale Ebene angesichts der Schulnetzplanung gestellt hat. Ich gehe davon aus, dass wir in konstruktiver Zusammenarbeit zwischen kommunaler und Landesebene auch zukünftig die möglicherweise anwachsenden Erfordernisse in diesem Bereich gemeinsam bewältigen werden. Ich bitte daher um Ablehnung des vorliegenden Antrages.

Ich möchte aber noch eine Anmerkung zu diesem Thema machen: Dem eigentlich wichtigen Thema, nämlich der Beteiligung der Eltern an den bestehenden Beförderungskosten, kann über diesen Weg ohnehin nicht entsprochen werden. Weder die Verpflichtung zum besonderen Schutz der Familie noch das Recht der Eltern auf Bestimmung des Bildungsweges der Kinder rechtfertigen zurzeit einen Anspruch auf vollständige Übernahme der Schülerbeförderungskosten durch die öffentliche Hand.

Die Rechtsprechung hat hier klargestellt, dass eine Konzentration von Schulstandorten und dadurch notwendige Schülerbeförderungen diesen Anspruch nicht begründen. Da wir gerade in der letzten Woche einige Vorschläge zum Thema Schule gehört haben, wie etwa von Martin Dulig zum kostenlosen Mittagessen oder vom verehrten Kultusminister zum Schulfrühstück, möchte ich hier eines zu bedenken geben: Ich meine, wir sollten uns in den Haushaltsverhandlungen ernsthaft damit befassen, ob und wie wir den Elternanteil an der Schülerbeförderung prinzipiell ablösen können.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Ich halte es für ungerecht, dass die Eltern, deren Kinder schon längere Wege in Kauf nehmen müssen, da ihre Gemeinde keine Schule hatte oder hat, nun auch noch zur Erfüllung der Schulpflicht ihrer Kinder den Transport anteilig mitfinanzieren müssen. Das ist eine zweifache Benachteiligung dieser Kinder und ihrer Eltern. Dem Problem sollten wir uns wirklich stellen,

(Beifall bei der Linksfraktion und der FDP)

und zwar in der nächsten Haushaltsbesprechung.

Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Die Linksfraktion, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Manchmal hat auch die CDU eine gute Idee!)

Frau Abg. Bonk.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Kommt allerdings nicht oft vor!)

Herr Seidel, da hat sich ja einiges in den Erkenntnissen getan. Ich bin sicher, wir werden darauf in den Haushaltsverhandlungen zurückkommen, auch seitens Ihrer Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In alten Filmen sieht man das noch: Fröhliche Kindergesichter, die die von den Eltern für die Straßenbahn mitgegebenen Groschen einstecken, auf die Bahn aufspringen und – werden sie erwischt – abspringen und dann doch einfach laufen. Das Geld haben sie für Kuchenränder ausgegeben, die sie sich schelmisch lachend beim Bäcker abholen.

(Zuruf von der CDU: So was gucken Sie sich an?)

Auf dem Land gab es zu dieser Zeit wohl überall noch die Dorfschule.

Geändert hat sich manches. Heute kommt kaum noch ein Kind ohne Bus oder Bahn zur weiterführenden Schule. Die Entfernungen sind weit, und das Fahrgeld gehört zu den schwersten finanziellen Belastungen, die mit dem Besuch der Schule eines Kindes zusammenhängen.

Zu entnehmen ist der Kleinen Anfrage Drucksache 4/1243, dass die Schülerbeförderungskosten für die Landkreise mit kleinen Schwankungen kontinuierlich gestiegen sind: von circa 23 Millionen auf etwa 48 Millionen Euro insgesamt für die Kreise. Das heißt, meine Damen und Herren, nicht nur gestiegen, sondern verdoppelt seit 1994.

Herr Seidel, einmal abgesehen von dem, was Sie in Ihrer persönlichen Anmerkung zum Schluss gesagt haben und worauf wir hoffentlich noch zurückkommen werden, haben Sie davon gesprochen, dass nicht die Landesebene die Planung übernehmen soll. Natürlich soll nicht alles auf Landesebene geregelt werden. Aber die Landesebene muss Abhilfe schaffen für die Probleme, die sie mit ihrer Politik geschaffen hat. Denn die gestiegenen Schülerbeförderungskosten haben mit Ihrer Schulschließungspolitik zu tun, meine Damen und Herren von den Fraktionen der CDU und SPD.