Julia Bonk
Sitzungen
4/3
4/5
4/12
4/14
4/16
4/18
4/19
4/21
4/23
4/25
4/28
4/29
4/31
4/37
4/38
4/39
4/43
4/44
4/49
4/57
4/58
4/62
4/63
4/65
4/66
4/67
4/70
4/75
4/76
4/80
4/84
4/85
4/103
4/106
4/107
4/109
4/111
4/115
4/117
4/121
4/126
4/128
4/130
4/132
4/133
4/137
4/139
4/140
Letzte Beiträge
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Im Bereich der Schulpolitik haben Sie schlecht auf die notwendigen Anpassungen an den demografischen Wandel reagiert. Das, denke ich, kann man so auch in Bezug auf Ihre Rede sagen, Herr Colditz. Erst letzte Woche haben beim Bildungsstreik Schülerinnen und Schüler bundesweit und auch überall in Sachsen für höhere Bildungsausgaben und vielerorts gegen Schulschließungen demonstriert. Aber das war für Sie offensichtlich noch lange nicht genug, wenn ich mir Ihre Jubelargumente in Bezug auf die eigene Politik hier wieder anhören muss.
Schauen wir uns doch einmal die Bilanz der Schulschließungspolitik der Staatsregierung in Zahlen an: Seit 1992
sind 800 Schulstandorte dicht gemacht worden. 800! Keineswegs behandeln Sie dabei die Mittelschule als das Herzstück des sächsischen Schulwesens, denn besonders betroffen waren davon Mittelschulstandorte, deren Anzahl Sie im Vergleichszeitraum fast halbiert haben. Auch die Anzahl der Grundschulen ging um circa ein Drittel zurück. Wenn man sich das anschaut, sieht man, dass das insgesamt fast 35 % der Grundschulstandorte sind. Wenn man von einem wohnortnahen Schulweg besonders im kindlichen Alter ausgeht, halten wir das für die völlig falsche Weichenstellung, auch in Bezug auf den demografischen Wandel.
Dieser Kahlschlag, meine Damen und Herren, ist die Bilanz Ihrer Regierungspolitik. Aber nicht nur Schulstandorte wurden geschlossen, sondern auch die Anzahl der Lehrkräfte an sächsischen Schulen ging in den letzten Jahren zurück, und mangels langfristiger politischer Planung droht Lehrermangel. Aber da brauchen Sie hier im Hohen Haus gar nicht immer so überrascht dreinzublicken, denn nichts ist langfristiger planbar als die Personalentwicklung.
Die Bilanz hindert Sie nicht daran, an dem eingeschlagenen Kurs der inzwischen verdeckten Schulschließungspolitik festzuhalten. Wie einer Kleinen Anfrage zu entnehmen war, hat das Kultusministerium erst jüngst 14 Schulen die Förderung entsprechend der aktuellen Förderrichtlinie für Schulhausbau versagt, und zwar mit der Begründung der fehlenden Standortsicherheit. Es geht also weiter und wird nunmehr über die Hintertür einer verschärften Fördermittelvergabepolitik fortgesetzt, und den Kommunen wird dabei weiterhin der schwarze Peter zugeschoben.
Auch der Herr Staatsminister konstatierte bei der Besichtigung der stark sanierungsbedürftigen Lene-Voigt-Schule in Leipzig – dabei zitiere ich aus der „Leipziger Volkszeitung“ –: „Das sind keine dauerhaften Zustände. Um ordentlich lernen zu können, braucht man natürlich die richtigen Bedingungen.“
Natürlich. Aber Sie sollten dann auch endlich die Schulnetzplanungsverordnung an das geltende Schulgesetz anpassen.
Denn in der Schulnetzplanungsverordnung, die sozusagen das im Hintergrund stehende Dokument ist, heißt es in § 2: „Der Schulnetzplan ist nach Maßgabe der Anlage zu erstellen.“ – Die Anlage hat es in sich, denn in ihr sind immer noch veraltete Kenngrößen wie der Klassenrichtwert und Mindestschülerzahlen sowie Klassenteiler, die zum Teil nicht mehr den Vorgaben des Schulgesetzes entsprechen, enthalten.
Wie ich schon in der letzten Debatte zu diesem Thema betonte, wurde die Sache mit dem Auflegen der neuen Förderrichtlinie Schulhausbau im vergangenen Januar richtig ärgerlich, bezieht sich doch die Richtlinie vermut
lich nicht zufällig auf die überholten Kenngrößen dieser Verordnung. Dass diese veraltete Verordnung nicht mehr über dem Schulgesetz stehen soll, haben wir im Hohen Haus schon mehrfach kritisiert und auch vereinbart. Aber es passt Ihnen vermutlich in den Kram, an diesen veralteten Kenngrößen festzuhalten.
Eine solche Politik, die nur auf eine kurzfristige Ausgabenminderung gerichtet ist, ist auch aus einem anderen Grund irrsinnig. Denn auf der anderen Seite steigen dann einfach die Kosten, wie wir zum Beispiel bei den gestiegenen Kosten für den Ausbildungsverkehr und den Schülerverkehr gesehen haben. Seit 1992 gewährt der Freistaat den Verkehrsunternehmen für den Ausbildungsverkehr einen Ausgleich. Seit 2006 und 2007 ist dessen Höhe von 47,5 Millionen Euro auf 57,1 Millionen Euro gestiegen – eine deutliche Auswirkung sich verlängernder Schulwege und Ihrer Schulschließungspolitik.
In der Vergangenheit wurde deutlich, dass aufgrund der veränderten Schulwege und des Wegfalls von Schulstandorten die Familien gleich mehrfach bestraft wurden: erstens durch den Wegfall des Schulangebotes vor Ort, zweitens mit Einschränkungen hinsichtlich der freien Schulwahl, die sich aus den Beförderungssatzungen der Kreise ergeben, und drittens durch steigende Preise, die den Familien übertragen worden sind. Wir sagen: Das ist unverantwortliche Politik!
Die Konsequenzen Ihrer Versäumnispolitik sind jedenfalls absehbar: Marode Schulgebäude führen zu sinkender Attraktivität, diese wiederum führt zu sinkenden Schülerzahlen. Der Schulträger muss die Schule schließen, aber die Staatsregierung wäscht dabei ihre Hände in Unschuld. Diese Politik ist inhaltlich eine Katastrophe und in der Vorgehensweise unredlich, meine Damen und Herren.
Halten wir mal fest: Mit Ihrer Kahlschlagspolitik haben Sie undemokratisch am Mehrheitswillen der Bevölkerung vorbei regiert und sind dem demografischen Wandel nicht anders begegnet als mit dem Rotstift; und die Menschen merken sich das. Natürlich findet diese Debatte im Licht der im August stattfindenden Wahl und der Bilanz dieser Regierung statt. Wir stehen für eine Politik, die Schulschließungen vermeidet und nicht provoziert. Wir stehen für eine Bildungspolitik, die diesen Namen auch verdient. Wir stehen nicht für sinkende, sondern für steigende Bildungsausgaben und für eine Politik im Interesse von Schülerinnen und Schülern, Eltern, Lehrerinnen und Lehrern.
Vielen Dank.
Fördermittel Ganztagsangebote (Frage Nr. 14)
Frage an die Staatsregierung: Welche Projekte werden aus dem für Ganztagsangebote vorgesehenen Haushaltstitel außerhalb der Förderrichtlinie in der Förderrichtlinie GTA vorgesehenen Beantragung gefördert? Wie wird zum Beispiel das Projekt „Bewegungstrainer“ (Pressemittei- lung des Kultusministeriums vom 11.06.2009) finanziert?
Bitte mit Auflistung der aus dem Haushaltstitel finanzierten besonderen Projekte und der Kosten pro Projekt.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Stellenwert kultureller Bildung haben wir in der Debatte zur Regierungserklärung heute Morgen fraktionsübergreifend gewürdigt. Die Bedeutung außerschulischer Lernorte kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Wir wollen mit diesem Antrag dem Plenum die Gelegenheit geben, über reale Maßnahmen zu entscheiden. Diese Fragen des kulturellen Zugangs dürfen nicht in nebulösen Grundsatzerklärungen und Willensbekundungen stecken bleiben, sondern bedürfen der beherzten Entscheidung für den gleichen Zugang aller zur Kultur.
Auch die Mehrheitsfraktion in diesem Haus hat in ihrem Parteiwahlprogramm beschlossen, verehrte CDU, sich für den kostenfreien Museumseintritt von Jugendlichen einsetzen zu wollen. Meine Fraktion hat dazu in diesem Haus schon mehrfach Initiativen eingebracht. Dennoch freuen wir uns, dass wir in der Sache wohl auch mit Ihrer Unterstützung rechnen können.
Vergleicht man diese Forderung mit der Realität anderer europäischer Länder, besteht gewissermaßen sogar ein Modernisierungsbedarf. In Frankreich haben Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres kostenfreien Eintritt in staatliche Museen, in England gilt das sogar für alle Bürgerinnen und Bürger. Recht so, denn was allen gehört, soll auch allen zugänglich sein. Die Hürden für den Zugang zur Kultur müssen gesenkt werden. Besonders für Kinder und Jugendliche dürfen sie niemals finanzieller Art sein.
Wenn Einigkeit bei dem Ziel besteht, gibt es keinen Grund, bis nach der Wahl mit der Einführung zu warten. Die Sommerferien stehen vor der Tür. Stellen Sie sich Jugendliche vor, die, wenn sie sich gegenseitig fragen, was man denn heute machen wolle, erwägen, da sie von einer Ausstellung gehört haben, die nichts koste, dort hinzugehen – das wäre wünschenswert –, ebenso wie Familien mit mehreren Kindern, die sich überlegen, dass ein Museumsbesuch eine kostengünstige und gute Art des gemeinsamen Zeitvertreibs sein könnte. Museen atmen eine Atmosphäre des Geistes und des Interesses an der Welt und sind deswegen für alle Besucherinnen und
Besucher fast immer eine Bereicherung. Sie regen im besten Fall zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand an. Deshalb darf wie die Einführung eines kostenfreien Museumstages aus unserer Sicht der kostenfreie Eintritt für Kinder und Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr nicht länger hinausgezögert werden.
In Ihrer Stellungnahme gehen Sie, verehrte Frau Stange, darauf ein, dass äquivalent zu unseren Forderungen bereits Modelle geprüft und vor allem im Grassimuseum für Völkerkunde in Leipzig erprobt werden. Was findet dort Anwendung? In Ihren Ausführungen steht, dass dort Kinder bis zum vollendeten 6. Lebensjahr in Begleitung Erwachsener freien Eintritt haben. Für sozialpädagogische Fachkräfte, für Schüler mit Ferienpass, für Inhaber eines Familienpasses und für Kindergartengruppen und Schulklassen gibt es Extraregelungen.
Diese Regelungen sind von unserem Vorschlag eines generellen kostenlosen Eintritts für Jugendliche bis zum 16. Lebensjahr zugegebenermaßen noch weit entfernt. Auch wenn Sie im Weiteren aufzählen, dass die Schlossbetriebe und die Museen vom Eintrittsgeld bis zum 6. Lebensjahr befreien und ansonsten Familientarife von bis zu 50 % Ermäßigung für die Kinder ermöglichen, ist das zwar eine Antwort, aber keine, die auf die konsequente Umsetzung des gemeinsamen Vorhabens schließen lässt.
Frau Staatsministerin, Sie schreiben, dass Sie derzeit das Vorhaben prüfen, indem die Museen die Aufwendungen und Ausfälle im Falle einer solchen Novellierung kalkulieren. Gleichzeitig wenden Sie sich, Frau Staatsministerin, aber gegen eine einheitlich vorgegebene Preisgestaltung des Museumseintritts als – ich zitiere – „nicht sachdienlich“. Warum eigentlich? Andere Länder können dies doch auch, und da es sich um öffentliches Eigentum handelt, kann auch öffentlich über den Umgang mit diesen diskutiert und entschieden werden.
Die durch die neue Regelung entstehenden Ausfälle werden, wenn dadurch vor allem neue Besucherinnen und Besucher angezogen werden, in überschaubarem Umfang sein. Zugleich gibt uns eine politische Entscheidung des Landtages die Möglichkeit, den Museen entstehende
Ausfälle von der Landesseite auszugleichen. So verantwortlich sollten auch jene mit dem Gegenstand umgehen, die die Forderung jetzt in ihr Wahlprogramm aufgenommen haben.
Mit unserem Antrag geben wir dem Plenum noch vor der Sommerpause, noch vor den Ferien und noch vor der Wahl die Gelegenheit, sich ernsthaft des Themas anzunehmen. Wenn Sie den kostenfreien Museumseintritt von Kindern und Jugendlichen wollen und auch wollen, dass die Vorbereitungen dafür unverzüglich ergriffen werden, dann können Sie unseren Antrag nicht ablehnen.
Auch eine punktweise Abstimmung wäre aus der Sicht meiner Fraktion ein gangbarer Weg.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Mannsfeld, ich muss den Eindruck bekommen, dass Sie die Diskussion in diesem Landtag offensichtlich nicht ernst nehmen, wenn Sie sich nicht mit den Argumenten, sondern lediglich mit der Autorinnenschaft des Antrages beschäftigen; denn es sind schwache Argumente, die von Ihnen vorgetragen worden sind. Die sachliche Argumentation der Diskussion würden Sie stärken, wenn Sie sich jenseits der Autorinnenschaft für die inhaltliche Frage entscheiden und entsprechend Ihrer eigenen Programmatik dem Punkt zustimmen würden, statt sich gegen die Sache zu entscheiden und sie abzulehnen.
Um das Thema ernst zu nehmen, möchte ich auf einige Ihrer Einwendungen eingehen und vor allem auf einige Einwände von Kollegen Schmalfuß reagieren. Sie haben die Frage der Umsetzbarkeit angesprochen. Unser Antrag war nun weiß Gott länger bekannt als seit dem heutigen Tag. Es hat bereits in der Vergangenheit Initiativen meiner Fraktion zum Thema gegeben, und er liegt seit dem 25. Mai vor. Sie machen manchmal ganze Gesetze erst im Nachgang zu dem eigentlichen Vorgang. Insofern haben die Prüfungen und Vorbereitungen an den Museen bereits begonnen, sodass daran angeknüpft werden kann, um den Zugang zu den Museen schon im Sommer zu erleichtern.
Sie haben angesprochen, dass der Ferienpass eine Alternative sein könnte, die schon jetzt besteht. Aber nicht alle Kinder haben einen Ferienpass. Auch dieser muss erworben werden und stellt durch die Beteiligung der Eltern schon wieder eine Schwelle dar. Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche, wenn sie sich miteinander unterhalten, welche Freizeitmöglichkeiten sie wählen könnten, Museumsbesuche selbstverständlich als Möglichkeit ansehen, und zwar deshalb, weil es keine Zugangsschwelle gibt.
Neben dem Zugang für Kinder und Jugendliche ist auch der kostenlose Besuchertag ein wichtiges Element für uns und schießt keineswegs über das Ziel hinaus. Bei einem Tag kann man das wohl nicht so formulieren, meine Damen und Herren. Ein Tag im Monat kostenloser Museumsbesuch kann nicht zu viel sein, nachdem wir eben schon gehört haben, dass zum Beispiel auch in Berlin an mehreren Tagen über mehrere Stunden die Museen kostenlos geöffnet sind. Wenn Sie sich sozial Schwache vorstellen, die mit jedem Euro rechnen müssen – sie gehen natürlich bewusst an den Tagen in die Museen, an denen der Eintritt kostenlos ist. Das hat nichts mit Einbußen von Touristengeldern zu tun. In der Regel sind diese Tage an einem Freitag, wie zum Beispiel in Dresden.
Darauf können sich Familien und sozial Schwache einstellen. Die Einnahmen, die wir von Touristen bekommen, stehen auf einem ganz anderen Blatt und sollten hier nicht polemisch verwendet werden.
Deswegen, meine Damen und Herren, wollen wir die Diskussion sachlich nicht nur heute und hier, sondern auch darüber hinaus führen. In den Wahlprogrammen sind von einigen Parteien Anknüpfungspunkte dazu zu finden. Falsche und Scheinargumente sollten von der Sache nicht ablenken. Ich bin sehr gespannt, was uns Staatsministerin Stange zum Stand der Vorbereitungen oder zu der Prüfung in ihrem Bericht mitteilen wird.
Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Staatsministerin, vielen Dank für Ihre Ausführungen.
Ich fasse noch einmal zusammen. Wenn es das gemeinsame Interesse mehrerer in diesem Haus vertretener Fraktionen ist, den kostenlosen Museumseintritt für Kinder und Jugendliche zu ermöglichen, dann gibt es
keinen Grund, diesen nicht jetzt, sondern erst in sechs Wochen einzuführen.
„Wenn das Wörtchen ‚jetzt’ nicht wär“, haben Sie gesagt, Frau Staatsministerin. Aber wir wollen gerade vor dem Sommer – eine Zeit der freien Beschäftigung – und damit vor den Ferien und den Wahlen diesen Antrag hier zur Abstimmung bringen. Wir wollen gemeinsam mit den Museen an die Entwicklung dieser Konzepte gehen, aber eben auch den Sommer dafür nutzen. Dass kulturelle Bildung und außerschulische Lernorte gestärkt werden sollen, ist fraktionsübergreifender Konsens, muss sich aber auch in konkreten Entscheidungen niederschlagen. Wir haben uns entschieden, neben den privaten Museen und Sammlungen mit den staatlichen anzufangen, weil dazu der Landtag hier und heute diskutieren und entscheiden kann.
Die finanziellen Einbußen, die durch eine solche Entscheidung entstehen würden, wären gering. Es ist vor allem eine Frage des politischen Willens. Die Schwellen im Zugang zu Museen für Kinder und Jugendliche – auch für sozial Schwache! – müssen gesenkt werden. Deswegen fordere ich Sie auf, zumindest diesem ersten, gemeinsamen Punkt zuzustimmen.
Ich beantrage im Namen meiner Fraktion punktweise Abstimmung.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In anderen Ländern gibt es zum Beispiel Ausfallfinanzierungen für das wirtschaftliche Risiko von Kulturveranstaltungen – fehlende Mikrokredite sind schon angesprochen worden –, um Innovationen und das wirtschaftliche Potenzial anzuschieben. In Sachsen Fehlanzeige. Das Ergebnis des Kulturwirtschaftsberichtes kann man kurz so zusammenfassen: Potenziale werden in Sachsen bislang alleingelassen und nicht genug gefördert. Dies betrifft besonders die Nachwuchsförderung im Bereich der Musik. Ein entsprechendes Förderprogramm – auch Kulturhäuser konnten davon partizipieren – wurde von der Landesregierung ohne politische Begründung eingestellt. Wir sagen, dass diese Unterstützung wieder hergestellt werden muss, damit sich zum Beispiel eine Band wie „Polarkreis 18“ nicht über die Zeitung einen passenden Proberaum suchen muss, wenn sie erst bekannt geworden ist.
Immer mehr junge Menschen machen mit den gewachsenen technischen Möglichkeiten selbst Musik und müssen darin unterstützt werden, wenn Politik junge Menschen in ihrer Lebenswelt ansprechen will. Es geht aber nicht nur um die Anerkennung der Leistungen, sondern auch um die Anerkennung der Leistungen einer ganzen Szene: Kulturhäuser, Künstler, Veranstaltungsmacher, Grafiker, die für dieses Umfeld arbeiten, Label- und Radiomacher, die im Moment durch fast alle Förderraster fallen. Vernetzung und Qualifizierung könnten in dem Bereich schon viel bewirken. Dies hat auch ein kürzlich abgehaltener Fachtag gezeigt.
In Bayern gibt es das Rock-Büro Süd, in Mannheim die Pop-Akademie und in Stuttgart das Pop-Büro, in Hamburg und Niedersachsen existieren vergleichbare Modelle. Nur Sachsen hat zur Vernetzung und Qualifizierung noch nichts getan. Darum haben wir ein Pop-Musikbüro für Sachsen vorgeschlagen, das an der Schnittstelle zwischen Kulturzentren, Künstlern und Musikwirtschaft arbeitet, das rechtliche Beratung, inhaltliche Qualifizierung, Hilfestellung für Fördermöglichkeiten usw. für Betreiber von Kulturhäusern, Künstler, Labelmacher und weitere anbietet. Hier besteht ein Handlungsbedarf. Das haben bis auf einen auch die Sachverständigen in einer von meiner Fraktion beantragten Anhörung so gesehen. Auch Kollege Dr. Gerstenberg ist ja schon auf die Notwendigkeit einer solchen Beratungsstelle eingegangen.
Dass es keine Verbände, Vertretungsstrukturen usw. gibt, liegt auch daran, dass in diesem Bereich nicht gefördert wurde. Wenn bei einem alternativen Kulturzentrum zum Beispiel wegen fehlender Parkplätze, Bauverordnungen usw. der Betrieb eingestellt wird, dann hat das auch mit mangelnder Anerkennung der kulturellen Leistungen zu tun, die dort erbracht werden. Ich werde in einer Mündlichen Anfrage im nächsten Tagesordnungspunkt Näheres über die genauen Hintergründe herausfinden.
Sachsen sollte auch die von der bundesweiten Initiative Musik in Aussicht gestellten Fördergelder zur Unterstützung der Popmusik nutzen und nicht verfallen lassen. Die geforderten Eigenanteile sind hier so hoch, dass kaum ein Träger und eigentlich auch schwerlich die Kommune diese aufbringen kann. Es ruft nach einem Engagement auf Landesebene, nach unserer Sicht unter anderem in Form der Einrichtung eines solchen Vernetzungsbüros für Sachsen.
Meine Damen und Herren! Ich bin nicht dafür, diese Kultursparten gegeneinander auszuspielen. Aber warum wird bei einem Konzert in der Hochkultur ein Ticket mit bis zu 90 % subventioniert, während derjenige, der ein Konzert in der Popkultur besucht und dort ebenfalls künstlerische Leistungen erlebt, dieses komplett allein bezahlen muss? Die städtische Förderung für die Häuser einmal ausgenommen, wirkt das auch sozial sondernd und den Interessen der anderen Bürgerinnen und Bürger gegenüber ungerecht. Wir sagen öffentlich, was wichtig für alle ist.
Es geht also nicht nur um Kulturwirtschaft, sondern auch um die Anerkennung der künstlerischen Leistungen und ihre entsprechende öffentliche Finanzierung. Es geht auch um Einflüsse aus der Subkultur, die einfließen sollten, die aber, wenn sie der Kommerzialisierung anheimfallen, immer einen Teil ihres Inhalts verlieren; und es geht um Anspruch und Vielfalt.
In der Jugend- und Musikkultur braucht es, wenn man – ich sage es mit Ihren Worten – den Standort, die Szene, die kulturelle Bildung fördern will, einen Jugendmusik- bzw. einen Radiosender, den man anhören kann und der diese Aufgabe wahrnimmt. Hierzu läuft eine Initiative, in deren Rahmen dem Hohen Haus noch Vorschläge zur Realisierung vorgelegt werden. Auch das gehört zur Förderung der Musikwirtschaft und der Szene in Sachsen. Ich wünsche der Initiative weiterhin viel Erfolg und füge hinzu – auch für die Hörer an den Empfangsgeräten –: Man kann auf www.biz.fm.de unterschreiben.
Es ist eine Diskussion in Gang gekommen, meine Damen und Herren, wie die Veranstaltungen in den letzten Wochen auch gezeigt haben, und die durch das gestrige Erscheinen des Kulturwirtschaftsberichtes noch weiter vorangetrieben worden ist, mehr Unterstützung für Popkultur, Kreativwirtschaft und alternative Freiräume in Sachsen einzufordern. Auf diesem Weg kann diese Aktuelle Debatte nur ein Streiflicht sein.
Vielen Dank.
Mir geht es um Kulturveranstaltungen im Industriegelände.
Meine Frage an die Staatsregierung: Ist es zutreffend, dass die Staatsregierung oder ihr nachgeordnete Einrichtungen Grundstücksankäufe im Dresdner Industriegelände vornehmen bzw. hat sie oder ihr nachgeordnete Einrichtungen Bau- oder andere Vorhaben in dem Gebiet, und wenn ja welche?
Ich bedanke mich erst einmal. – Zu den Nachfragen: Ich möchte wissen, ob
darüber hinaus zurzeit aktuelle Veränderungen behördlicher Unterbringung stattfinden, zum Beispiel über die Unterbringung des Staatsschauspiels hinaus, bzw. in welchem Umfang Behörden des Freistaates in dem Gebiet jetzt schon ansässig sind.
Zweitens. In welchem Umfang finden Kooperationen mit der Verwaltung und der Stadt Dresden statt?
Darf ich fragen, wie lange es dauern wird, das zu bekommen?
Da freue ich mich. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was Sie übersehen, liebe Vorredner einiger Fraktionen, ist, dass wir als Demokratinnen und Demokraten nicht mit den Ergebnissen des 13. und 14. Februars zufrieden sein können.
Wie viele Menschen waren entsetzt und entrüstet über das Ausmaß und den schrecklichen Charakter dieses Naziaufmarsches, weil wir meinen, dass für den Zustand der Demokratie in Sachsen dieser sich etablierende Aufmarsch in der Landeshauptstadt ein Problem ist. Deswegen stellen wir ihn auch hier im Landtag zur Diskussion.
Kollege Martens, in anderen Landtagen haben Sondersitzungen der Ausschüsse umgehend stattgefunden, um die rechtsextremen Gewaltübergriffe zu thematisieren. Wenn Ihr Beitrag auch den unflätigen Beitrag des Kollegen Apfel – nein, nicht Kollege Apfel – zu relativieren geeignet war, ist es trotzdem nicht richtig, wie Sie sich vor Herrn Bandmann gestellt haben.
Herr Bandmann, Sie sprechen: Leider hat die FDP in der Frage bisher gefehlt. Aber Herr Bandmann, Sie sprechen kein politisches Wort zu den Nazis. Die CDU klatscht zusammen mit der NPD und macht damit deutlich, dass sie leider bei dem Thema Teil des Problems ist.
Zu Ihren Distanzierungsaufforderungen: Es gibt keine guten und keine schlechten Antifaschist(innen), es gibt nur Antifaschist(innen). So betreiben wir auch die Zusammenarbeit zum 13. und 14. Februar.
Meine Damen und Herren! Die demokratischen Bündnisse haben früh und rechtzeitig bundesweit mobilisiert, sogar um die 15 000 Demonstrant(innen) haben deutlich dafür Gesicht gezeigt, dass sie Nazis in Dresden nicht haben wollen.
Die Zivilgesellschaft ist näher zusammengerückt in der Vorbereitung der Aktivitäten.
Herr Präsident, könnten Sie vielleicht für Ruhe sorgen?
Die Zivilgesellschaft ist näher zusammengerückt. Auch viele internationale Gäste aus Polen und Tschechien haben teilgenommen. Das ist ein Erfolg, den man nicht deutlich genug hervorheben kann. Hier aus diesem Plenum soll ihnen auch deutlich Dank gesagt werden.
Aber von allen? Keineswegs alle. Das hat auch die erste Rederunde wieder gezeigt. Dass eine Oberbürgermeisterin auch nach monatelangen Anfragen und Angeboten durch die breite zivilgesellschaftliche Initiative „Geh Denken“ dieser fernbleibt – und, Herr Bandmann, wo Sie linke Chaoten bei Franz Müntefering, Gregor Gysi oder
Claudia Roth sehen wollen, ist mir unklar –, kann man angesichts der Erfordernisse mit klarem Verstand eigentlich nicht begreifen.
Das Versagen der CDU, sich an einem solchen deutlichen gemeinsamen Zeichen zu beteiligen, hat sie hinterher in massive Erklärungsnöte gebracht: in der Debatte in den Zeitungen im Anschluss, gegenüber den Menschen auf der Straße an diesem Tag, auch hier im Haus gegenüber Studierenden und gegenüber einer Besuchergruppe zum Beispiel der Abg. Rößler. Hier, Herr Martens, ist nämlich Handeln Inhalt.
In Kirchen zu gedenken, zu protestieren oder zu beten, was die zahlreichen von CDU-Repräsentanten genutzten Ausweichveranstaltungen gewesen sind, reicht eben nicht aus, wenn das Erfordernis ist, auf der Straße und deutlich ein Zeichen gegen Rechts zu setzen. Die Menschen erwarten mehr Weitsicht von einer Verantwortung tragenden Volkspartei.
Natürlich hat dieses Vorgehen die Stadtgesellschaft geteilt und den Protest geschwächt. Immer noch nicht genug Dresdnerinnen und Dresdner nehmen an den Protestveranstaltungen teil. Das ist auch eine Ursache davon.
Das Ergebnis ist der bundes- und europaweit größte Naziaufmarsch, der immer wieder herkommt und den wir nicht hier und nicht irgendwo sonst haben wollen.
Der Kollege Lichdi ist schon darauf eingegangen. Das Beispiel anderer Städte zeigt, wie erste Bürger eine Stadt einen, den Protest gegen Naziumtriebe unterstützen und selbst dazu aufrufen. Es ist unverständlich, wie eine Anmeldung – in dem Fall aller demokratischen Fraktionen für den Rathausvorplatz –, um der Vereinnahmung der Trümmerfrau zu begegnen, durch die Stadtverwaltung abgelehnt werden kann. Die Stadt ist offensichtlich unfähig, ihr eigenes Rathaus zu schützen. Wir können nicht verstehen, dass die demokratischen Aktivitäten durch weiträumig nicht fahrenden ÖPNV am 14.02. eingeschränkt und den demokratischen Organisationen nicht ausreichend Turnhallen für die Übernachtung ihrer Gäste zur Verfügung gestellt werden konnten.
Die Auflagen am Theaterplatz stellten ein Hindernis für das Konzept der Veranstalter dar. Dieses Verhalten grenzt an Behinderung der demokratischen Aktivitäten und ist nicht hinnehmbar.
Während Innenminister Buttolo die Verantwortung von sich weist, hat sich sein Thüringer Amtskollege dafür entschuldigt, gegen den Überfall auf demokratische DemonstrantInnen an der Autobahn nicht ausreichend vorgesorgt zu haben. Innenminister Buttolo erklärte hingegen, nicht zuständig zu sein. Eine solche Linie kann man nicht durchhalten. Natürlich sind nach Versammlungsgesetz die öffentliche Hand, die Versammlungsbehörde und die Polizei für die Sicherung auch der An- und Abreise der TeilnehmerInnen zuständig.
Seitens der AnmelderInnen war verantwortlich und jederzeit auf diese Maßnahmen Wert gelegt und nachgefragt worden mit den entsprechenden Zusicherungen seitens der Ordnungsbehörde.
Wir erwarten also von Innenminister Buttolo detaillierte Aussagen über die von ihm ergriffenen oder unterlassenen Maßnahmen, für die er auch die Verantwortung tragen muss.
Wenn Teilnehmer einer demokratischen Demonstration lebensgefährlich verletzt werden, ist das kein Spaß mehr, und wenn Nazis an Autobahnraststätten ungestört ihrem „brutalen Spaß“ nachgehen können, erst recht nicht. Ein Wegsehen gefährdet hier die demokratische Ordnung. Es ist bedauerlich zu beobachten, wie hier im Landtag auch die SPD den Kurs wechselt.
Wenn es um die Zustimmung zum Antrag geht.
Meine Damen und Herren! Ja, in diesem Zusammenhang. Wir sind Bündnispartner(innen).
Das könnte man auch im Zusammenhang mit dem Antrag sehen.
Schaut man sich die Polizeipräsenz an diesem Tag selbst an, fällt auf, dass sie weit stärker bei den Demonstrationen der Linken anzutreffen war – –
Sie haben noch Redezeit. Gehen Sie und erklären Sie, in welchen Punkten wir übereinstimmen und an welchen Stellen wir noch Diskussionsbedarf haben. Das ist noch nicht ausreichend deutlich geworden.
Schaut man sich die Polizeipräsenz an diesem Tag selbst an, fällt auf, dass sie weit stärker bei den Demonstrationen der Linken anzutreffen war und die Polizei damit offensichtlich auf der falschen Seite steht.
Warum läuft die friedliche – –
Ja.
Herr Gillo, ich bin gerade vor allem auf die Stadtgesellschaft, die Oberbürgermeisterin und das Verhalten der CDU eingegangen. Ich kann auch gern zu den Ereignissen der Demonstration sprechen. Ich war dabei. Diese Demonstration war stark und friedlich geordnet
bis kurz vor Schluss,
als die Polizei
den TeilnehmerInnen den Zugang zum Theaterplatz verwehrte. Auch darauf werde ich noch zu sprechen kommen.
Im Moment nicht. Sie können später noch einmal fragen.
Warum läuft die friedliche und starke Demonstration von Anfang an im Polizeikessel, während mehrere Tausend gewaltbereite Nazis mit offensichtlichen Verstößen gegen die Auflagen, wie Vermummungsverbot oder die Straftaten, die schon angesprochen worden sind, in ihrem Zug nahezu frei und ohne die polizeiliche Beauflagung laufen können? Ist das die Linie, die Sachsens Polizei gegenüber rechten Straftätern fährt?
Dann muss man sich doch über die Ausbreitung rechter Gewalt – so geschehen wieder am Montag, als ein Prozessbeobachter auf offener Straße zusammengeschlagen wurde – oder über die Verbreitung rechter Ideologien und Strukturen nicht wundern.
Dann ist es vielleicht kein Zufall – ich gehe so weit –, dass der bundesweit größte Aufmarsch gerade in Sachsen noch immer nicht vertrieben worden ist. Denn es braucht auch das verantwortliche Handeln der Verantwortlichen in den Behörden, und schon die Idee der Gleichbehandlung und räumlichen Trennung der Demonstrationen ist falsch. Protest muss sichtbar und hörbar sein können. Die Bürgerinnen und Bürger müssen gegenüber den Nazis ihre Ablehnung auch ausdrücken können, und die darf man nicht einige Kilometer entfernt unbehelligt durch die Stadt laufen lassen.
Hier muss es ein Umdenken beim Polizei- und Versammlungskonzept geben. Von Gleichbehandlung konnte keine
Rede sein, denn die Polizei hat der Anmelderin der antifaschistischen Kundgebung am Freitag nicht einmal einen Kooperationstermin eingeräumt.
Der Innenminister wird auch Stellung dazu nehmen müssen, warum den Teilnehmern dieser bis kurz vor Schluss geordneten und friedlichen Demonstration der Zugang zum Theaterplatz verwehrt und dadurch eine unübersichtliche Situation provoziert wurde, in der es nicht mehr möglich war, den Zug wie geplant bis zum Ende fortzusetzen. Wenn das etwas damit zu tun hat, ein bestimmtes Ergebnis zu provozieren, um die Maßnahmen für das nächste Jahr treffen zu können, dann wäre das bedauerlich und kein verantwortungsvolles Handeln der Verantwortlichen.
Als einige Landtagskollegen und ich sich am Freitag einen Überblick über die Lage bei der Kundgebung verschaffen wollten, war kein Ansprechpartner der Polizei vorhanden. Aber wir fanden heraus, dass ein Kontrollbereich eingerichtet worden war, über den die Anmelder gar nicht informiert worden waren und der das Versammlungsrecht außer Kraft setzt. Ihre Polizeilinie beschneidet die demokratischen Demonstrationsrechte gerade der Demonstranten gegen Rechts, und das ist nicht hinnehmbar.
Die systematische Beobachtung, Verfolgung und Begrenzung antifaschistischen Engagements muss im Interesse der demokratischen Breite ein Ende haben. Wir wenden uns gegen eine vermeintliche Lösung des Problems durch eine Verschärfung des Versammlungsgesetzes, wie sie in den Redebeiträgen heute hier auch schon vorbereitet worden ist. Dies brächte nur eine Verschiebung und gleichzeitig die weitere Beschneidung der demokratischen Rechte mit sich.
Zu dem stillen Gedenken, von dem sicherlich auch gleich Herr Rohwer sprechen wird: Man kann nicht schweigen angesichts der Opfer in der Vergangenheit
das ist etwas zum Thema Inhalt, Herr Martens –, wenn in der Gegenwart Nazis das Gedenken und die Demokratie für ihre menschenverachtende Ideologie zu vereinnahmen versuchen. Man kann nicht schweigen und still gedenken, denn sonst wird das immer größer angesichts der aktuellen Naziaufmärsche. Für Dresden muss ein deutliches, von allen getragenes „Nie wieder!“ gelten.
Eine Diskussion über die Gedenkkultur in der Landeshauptstadt ist in Gang gekommen, über eine Gedenkkultur, die der eigenen Bombardierung mit Aufmerksamkeit gedenkt und für den Protest gegen Nazis heute nicht ausreichend geschlossen auftritt. Diese Diskussion muss fortgeführt werden. Auch die bundesweit entstandene Aufmerksamkeit für dieses Thema verpflichtet uns dazu, und sie verpflichtet uns zu Geschlossenheit.
Meine Fraktion hat in Vorbereitung der Ereignisse zu einer Diskussion über die Gedenkkultur und im Nachhinein zu einer auswertenden Anhörung eingeladen, an der Vertreter der Bündnisse „Geh Denken“, „No pasarán“ und „Venceremos“ ebenso wie Bündnispartner von SPD, GRÜNEN und anderen teilgenommen haben. Ich denke, es ist nötig, diese Auswertung und Diskussion jetzt fortzusetzen, um für das nächste Jahr einen Strategiewechsel in Stadt und Land erreichen zu können, um den Nazis entgegentreten zu können. Dass sie hier nicht mehr laufen können – das muss das Ziel sein. Dafür stellen wir an die Verantwortlichen klare Anforderungen und bringen sie in die öffentliche Diskussion ein.
Es muss eine gemeinsame Veranstaltung der Demokraten geben. Die Nazis dürfen keine Innenstadtrouten mehr bekommen. Das Polizeikonzept muss den direkten Protest gegen Nazis ermöglichen, und für Dresden muss klar sein: Eine offizielle Gedenkveranstaltung muss ohne Nazis stattfinden können.
Die Rede der Oberbürgermeisterin war eine Überraschung für viele, aber die Teilnahme von Nazis ist immer noch nicht hinnehmbar. In diesem Jahr haben Naziorganisationen ihre Kränze auf die der Jüdischen Gemeinde gelegt. Das ist beschämend. Die Oberbürgermeisterin kann und muss dafür sorgen, dass das Gedenken nicht weiter unterhöhlt und umgedeutet wird.
Die Bündnisse haben – das hat auch die auswertende Anhörung gezeigt – jeweils ihren Beitrag geleistet: bei der Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger, bei einer starken antifaschistischen Mobilisierung bundesweit und bei der anregenden Diskussion über die Geschichtspolitik der Stadt. Nun ist es Zeit für die weitere kritische Auswertung und für ein anschließendes noch engeres Zusammenrücken der Demokraten. Wir werden weiterhin unser Möglichstes für ein starkes Auftreten und eine Verbindung der Kräfte tun. Im Kampf gegen Rechts muss das Angebot und Verpflichtung zugleich sein.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Buttolo, vielen Dank für Ihre ersten Ausführungen. Viele der Fragen, die in unserem Antrag gestellt wurden, sind allerdings noch nicht beantwortet. Sie haben nicht darauf geantwortet, warum den Demonstranten von „No pasarán“ und anderen Kundgebungen der Zugang zum Theaterplatz verwehrt worden ist. Sie haben nicht ausreichend zu den Aussagen, die Vorgänge an der Autobahn zur Einrichtung eines Kontrollbereiches betreffend, Stellung genommen. Wir sagen, dass die permanente Auslegung des Versammlungsgesetzes weiter thematisiert werden muss.
Wir überweisen den Antrag deswegen an den Ausschuss, um dort diese Fragen weiter klären zu können und den Fraktionen abseits der Öffentlichkeit die Möglichkeit zu geben, sich anders dazu zu verhalten.
Es ist eine Verleumdung, dass die Demonstration von „No pasarán“ nicht friedlich verlaufen ist. Die Demonstration ist friedlich verlaufen. Es war auch eine erfolgreiche Mobilisierung. Sie ist friedlich verlaufen bis zu dem Zeitpunkt, da sie aufgelöst werden konnte. Das ist die Zeit, für die wir die Verantwortung als Anwälte und Abgeordnete der Linken übernehmen können. Für diese Integration der antifaschistischen Kräfte stehen wir auch.
Ich möchte deutlich sagen – –
Ja, bitte.
Ich habe das absichtlich nicht ganz verstanden. Sie meinen Müll? Das war doch ganz woanders, Herr Martens, und zwar zu einer anderen Zeit. Das provoziert vielleicht einen Lacher, ist aber kein sachdienlicher Hinweis und hat nichts mit der Demonstration zu tun, meine Damen und Herren.
Die Debatte im Plenum hat gezeigt, dass wir zum Umgang mit dem bundes- und europaweit größten Naziaufmarsch in Dresden noch weiteren Diskussionsbedarf sowohl in Dresden als auch in Sachsen haben werden. Um diese Diskussion auch im Ausschuss fortsetzen zu können, überweisen wir den Antrag und danken den Rednern, die sich positiv auf die Mobilisierung und den Erfolg ihrer Mobilisierung bezogen haben. Wir sehen aber, dass wir mit dem Diskussionsstand, den wir in Dresden und in
Sachsen erreicht haben, immer noch nicht zufrieden sein können.
Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist ein bisschen schade, nicht auf den Standpunkt der CDU-Fraktion eingehen zu können, also beziehe ich mich auf den Antrag der FDP-Fraktion. Sie hören schon, ich bin heute stimmlich nicht ganz beim Bande, aber das soll mich nicht davon abhalten, zum Antrag sprechen zu können.
Bei Ihrem Antrag „Familien entlasten – Kostenfreie Schülerbeförderung einführen“, werte Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion, handelt es sich zumindest von der Begründung her um ein weitergehendes Remake Ihres Antrages „Erreichbarkeit von Schulen verbessern – Kommunen bei der Schülerbeförderung unterstützen“, den wir im April 2008 diskutiert haben. Doch das Thema ist wichtig genug, um hier noch einmal nachzuhaken, um auch aus unserer Sicht endlich den Weg für eine elternbeitragsfreie Schülerbeförderung freizumachen, die den Freistaat weitestgehend in die Pflicht nimmt und nicht die Kosten auf die Kommunen verlagert.
Wie ist die Situation momentan? Die Schülerbeförderung wird zurzeit ziemlich intransparent durch den Freistaat gefördert. Die Nachfrage der Kollegin Raatz wies darauf hin. Einerseits wurde die Förderung 1995 von einem bis dahin gewährten Sonderlastenausgleich für die Kommu
nen umgestellt und ist seit diesem Zeitpunkt ein nicht zweckgebundener Bestandteil der allgemeinen Schlüsselmasse. Laut der Antwort auf die Kleine Anfrage meines Kollegen Dietmar Pellmann betrug der Anteil der allgemeinen Schlüsselmasse, der auf die Schülerbeförderung entfiel, 1995 circa 4 %.
Seit dieser Zeit ist statistisch nicht mehr nachvollziehbar, welcher konkrete Betrag den Landkreisen und kreisfreien Städten für die Schülerbeförderung durch das FAG zugewiesen wird. Andererseits gewährt der Freistaat seit 1992, basierend auf dem Personenbeförderungsgesetz, auch den Verkehrsunternehmen für die Personenbeförderung im Ausbildungsverkehr mit ermäßigten Fahrausweisen einen Ausgleich, der von den Verkehrsunternehmen bei den Landesdirektionen beantragt werden muss. Allein in den Jahren 2006 und 2007 stieg der Betrag, den die Verkehrsunternehmen zur Verfügung gestellt bekamen, von 47 auf 57 Millionen Euro, also eine Steigerung um 20 %, und dies trotz in der Vergangenheit abnehmender Schülerzahlen.
Das muss aufhorchen lassen. Hier wird also unter anderem eine Auswirkung der gravierenden Schulschließungspolitik in der Vergangenheit deutlich. Dadurch verlängerten sich gerade im ländlichen Raum die Schulwege erheblich. Die davon betroffenen Familien wurden dadurch mehrfach bestraft, nämlich einerseits durch den Wegfall des Schulangebotes vor Ort und die damit verbundenen längeren Fahrzeiten und andererseits durch erhöhte Fahrtkosten sowie Einschränkungen hinsichtlich der freien Schulwahl. So hat die Zahl der Beförderungsfälle zwar zwischen 2002 und 2006 um circa 5 % abgenommen, im gleichen Zeitraum stieg jedoch die mittlere Reiseweite um 16 %. Diese Zahlen müssen aufmerken lassen. Wenn das bedeutet, dass weniger Schüler zum Gymnasium fahren, dafür aber weitere Wege in Kauf nehmen, wäre das ein fatales Zeichen für die Durchlässigkeit dieses Schulwesens.
Noch deutlicher werden die zunehmenden Belastungen durch den Ausbildungsverkehr bei einem Blick auf die Entwicklung der Schülerbeförderungskosten pro Schüler. In der Antwort auf die Kleine Anfrage des SPD-Kollegen Mario Pecher vom Mai vergangenen Jahres befindet sich eine zwar lückenhafte Statistik, die aber doch Rückschlüsse erlaubt, auch wenn zum Teil keine sachsenweiten Durchschnitte gebildet werden. Die veranschlagten Zahlen für das Jahr 2008 offenbaren, dass sich die Tendenz ungebrochen fortsetzt bzw. noch verstärkt hat. Durchschnittlich beträgt die pro Schüler aufzubringende Summe rund 162 Euro, wobei Mittweida mit 259 Euro herausragt. Im Vergleich dazu liegen die Aufwendungen pro Schüler in der Stadt Dresden bei rund 38 Euro. Vermutlich liegen die tatsächlichen Kosten aber noch höher, da die Höhe der über das FAG abgewickelten Zuschüsse für den Ausbildungsverkehr nicht genau zu beziffern ist.
Wie bereits erwähnt, haben sich auch die durchschnittlichen Fahrtwege deutlich verlängert und damit die Belastungen für die Schülerinnen und Schüle erhöht. Im Land
kreis Döbeln betrug der durchschnittliche Fahrtweg je Beförderungsfall im Schuljahr 1999/2000 noch 8,5 Kilometer, im Schuljahr 2007/2008 hingegen schon 13,7 Kilometer, und das, obwohl in diesem Haus jedem klar sein dürfte, dass jeder Kilometer Schulweg einer zu viel ist.
Fragt man nach der Entwicklung der Höhe der Elternbeiträge für ganz Sachsen, so stehen die Staatsregierung und damit auch wir völlig im Dunkeln. Ein Schelm, der Absicht dahinter vermutet. Jedenfalls bekamen wir auf eine entsprechende Anfrage die folgende Antwort: „Grundlage für die Erfassung der Elternbeiträge an den Fahrtkosten im Haushaltsansatz der Kommunen war das Finanz- und Personalstatistikgesetz“, nämlich durch Artikel 1 des Gesetzes zur Änderung des Finanz- und Personalstatistikgesetzes und weitere Zusatzvereinbarungen wurde die Erhebung des Haushaltsansatzes der Kommunen ersatzlos gestrichen. Dadurch fehlen uns nun die Angaben über die Entwicklung der Elternbeiträge, und die sozialen Auswirkungen der Förderpolitik des Freistaates bleiben intransparent. Aber nicht nur das – auf diese Weise nehmen wir uns auch die Möglichkeit der Gegensteuerung durch die Landespolitik, es sei denn, das Parlament folgt in seiner Mehrheit dem hier vorliegenden Antrag.
Zusätzliche Probleme ergeben sich aus den Beförderungssatzungen, denn die Kreise erstatten häufig nur die Fahrtkosten zur nächstgelegenen Schule dieser Schulart. Das hat seinen Grund darin, dass der Träger mindestens die Kosten der Schülerbeförderung abzüglich des sogenannten Eigenanteils tragen muss, die entstehen, wenn die Schüler die nächstgelegene Schule der jeweiligen Schulart besuchen. Das heißt, die Beförderungsträger sind aufgrund ihrer desaströsen Haushaltslage förmlich gezwungen, eine solche Regelung in ihre Satzungen aufzunehmen. Die freie Schulwahl wird dadurch natürlich eingeschränkt. Nicht mehr das beste oder passende pädagogische Angebot war Wahlkriterium, sondern Kostenfaktoren beeinflussen Bildungsentscheidungen und vertiefen so die soziale Undurchlässigkeit unseres Schulsystems, auf dem Land sogar noch weit stärker als in den Großstädten.
Etwas für den SchülerInnenverkehr zu tun heißt zugleich, etwas für die Region zu tun, etwas zu tun für mehr Chancengerechtigkeit im Schulwesen und etwas zu tun für mehr Lern- und Lebensqualität der SchülerInnen.
Abschließend sei an dieser Stelle noch darauf verwiesen, dass natürlich auch der flächendeckende Ausbau von Ganztagsangeboten Auswirkungen auf den SchülerInnenverkehr hat. Einerseits erweitern sie das Betreuungsangebot an den Schulen; damit steigen aber andererseits die Anforderungen an die Flexibilität des Schülerverkehrs. Denn unterschiedliche zeitliche Abläufe müssen neu justiert werden. Schade und kontraproduktiv wäre es, wenn SchülerInnen wegen der unpassenden Schulverkehrszeiten von Ganztagsangeboten ausgeschlossen blieben. Auch diesbezüglich steht der Freistaat in der Pflicht.
Meine Damen und Herren! Wir stehen zum kostenfreien Schülerverkehr, und zwar aus ganz grundsätzlichen Erwägungen heraus: weil der Schulbesuch ein Recht des Kindes ist, der unabhängig vom Einkommen der Eltern und steuerfinanziert ermöglicht werden muss – der Schülerverkehr genauso wie die Lehr- und Lernmittel.
Vielen Dank.
Angesichts der furchtbaren Ereignisse an der Realschule in Winnenden fällt es mir schwer, zum schulpolitischen Alltag zurückzukehren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines hat die Landesregierung in Baden-Württemberg mit ihrer Werbekampagne zur Anwerbung von Lehrkräften aber erreicht: Sie hat die hiesige Kultusverwaltung und die Regierungskoalition aus ihrer schulpolitischen „Nach-PISA-Ruhe“ aufgeweckt, und das ist ja schon mal etwas; auch wenn mir die Erfahrung sagt, dass die Halbwertszeit ministerial angekündigter Veränderungen hier in Sachsen nicht immer sehr hoch zu veranschlagen ist.
Aber zunächst verstehe ich – unabhängig von der auch schon angesprochenen Werbekampagne – nicht, warum die Staatsregierung und das Kultusministerium von dieser Entwicklung und dem absehbaren Lehrermangel in den öffentlichen Verlautbarungen inzwischen so überrascht worden sind. Hätte nicht ein Blick in den eigenen ersten Sächsischen Bildungsbericht vom September 2008 genügt, um über die Problemlage informiert zu sein? Darin heißt es nämlich – ich zitiere: „Das durchschnittli
che Alter der Lehrkräfte aller Schulen in Sachsen lag im Schuljahr 2007/2008 bei 48,2 Jahren.“ Weiter: „Betrachtet man schulartspezifisch die Altersstruktur aller Lehrkräfte der öffentlichen Schulen und der Schulen in freier Trägerschaft, so war in fast allen Schularten ein relativ hoher Anteil von Lehrkräften im Alter zwischen 51 und 60 Jahren zu finden. Er lag zwischen 33 % an den Gymnasien und 40,5 % an den Mittelschulen. An den Grundschulen fiel zusätzlich ein hoher Anteil von über 60-jährigen Lehrkräften auf.“
Entsprechend dieser Altersstruktur verfügt der überwiegende Teil der Lehrkräfte über eine pädagogische oder Hochschulausbildung der DDR. Der Anteil mit Lehramtsbefähigung nach bundesdeutscher Ausbildung fällt dagegen auch 20 Jahre nach der Wende relativ gering aus: an Grundschulen 8,6 %, an Mittelschulen 7,7 %. Es fällt auch auf, wie sich die Studierenden heute entscheiden: an Mittelschulen 7,7 %, an Gymnasien und Förderschulen vergleichsweise hoch mit 18,4 und 15,3 %. Das hat auch mit unterschiedlicher Besoldung in den Schularten zu tun, wofür Sie die Weichen so stellen.
Es war also prognostizierbar, dass in Sachsen ein erheblicher Teil der heute noch praktizierenden Lehrer in absehbarer Zeit in den Ruhestand geht – nach Zeitungsangaben circa 15 000 bis zum Jahr 2020.
Abgesehen von den Schwierigkeiten, die sich rein quantitativ aus diesen Entwicklungen ergeben werden, droht auch ein erheblicher qualitativer Verlust; denn der gut ausgebildete Lehrerstamm, über den Sachsen verfügt, war nicht zuletzt das Pfund, mit dem unser Bundesland auch bei den PISA-Erhebungen wuchern konnte.
Doch was taten die Staatsregierung und die Kultusverwaltung bisher, um auf diesem Feld Vorsorge zu treiben? Es ist, glaube ich, an dieser Stelle nicht übertrieben, von einer Vogel-Strauß-Politik zu sprechen: Kopf in den Sand und nach uns die Sintflut! Dabei hätte es sich gerade hier um eine notwendige Zukunftsinvestition gehandelt, die auch enorme Auswirkungen auf die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes hat.
Stattdessen beklagt sich Herr Wöller wortreich über angeblich unfaire Abwerbungspraktiken anderer Bundesländer, wobei er übersieht, dass dieses Problem zu guten Teilen hausgemacht ist und im – hypothetisch – umgekehrten Fall er der Erste gewesen wäre, der auf den notwendigen Wettbewerbsföderalismus verwiesen hätte. Gerade unserer Staatsregierung, die sich ja sonst gern in die Musterknabenrolle begibt, hätte hier ein wenig mehr Zurückhaltung gut getan; denn der Erfolg der Werbekampagne beruht auf dem Umstand, dass auch Sachsen, wie gesagt, seine Hausaufgaben nicht gemacht hat.
Herr Rohwer, statt zu betonen, die Einstiegsschwelle zum Lehramtsstudium heben zu wollen, um dort die Motivation zu verändern, sollten Sie die Hochschulen strukturell
und finanziell in die Lage versetzen, eine quantitativ ausreichende und qualitativ hochstehende Lehrerbildung anzubieten. Ihre Logik verwundert da immer wieder. Sie wollen an einer völlig falschen Stelle ansetzen.
Gespannt dürfen wir auch auf das Ergebnis der Verhandlungen mit Baden-Württemberg über Rückkehroptionen sein. Allerdings ist hier Skepsis angebracht. Denn sind die jungen Lehrkräfte einmal in das Schulsystem, in das schulische und soziale Umfeld ihres neuen Lebensmittelpunktes integriert, werden sie schwerlich zu einem wiederholten Neuanfang in Sachsen – zu schlechteren Bedingungen! – zu überreden sein.
Das führt zu einem anderen Aspekt, den eine junge Lehramtsstudentin in einem Zeitungsinterview sinngemäß wie folgt formuliert hat: Es kommt bei der Bindung von Lehrkräften nicht nur auf die Höhe der Entlohnung bzw. ihre potenzielle Verbeamtung an. Gerade für die besten und engagiertesten Nachwuchslehrer spielt auch das schulische Umfeld eine große Rolle, sind Entscheidungskriterien wie die anzutreffenden Klassengrößen, die Ausstattung der Schulen und die Möglichkeit einer offenen, kreativen und pädagogischen Arbeit von hoher Wichtigkeit. Wollen wir die besten Nachwuchskräfte in Sachsen halten, so sind auch Veränderungen hinsichtlich des Lehreralltags notwendig, der über das Verständnis von Schule als reine Wissensvermittlungsanstalt hinausgehen.
Die Bedingungen für gute Schule – damit fasse ich zusammen – sind in Sachsen in den letzten Jahren diesbezüglich systematisch ausgedünnt worden: mit Schulschließungen, Teilzeit, Haushaltskürzungen.
Da nutzt es nichts – ich knüpfe noch einmal an Herrn Rohwer an –, zu postulieren, dass der Lehrerberuf eine Berufung sei, sondern es müssen auch die richtigen Bedingungen für den Beruf geschaffen werden.
Sie müssen sich klarmachen: Gute Schulen ziehen gute Lehrer an. Umgekehrt braucht Sachsen gute Lehrer, um auch in Zukunft gute Schulen haben zu können.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren von der Koalition! Uns hier Thesenpapiere und Wörterbuchdefinitionen von kultureller Bildung zu referieren, macht das Thema nicht aktueller. Aktuell ist höchstens der Handlungsbedarf, der in diesem Bereich in diesem Land besteht.
Gerade das von Ihnen, Herr Colditz, genannte Kultusministerium hat ja seit 2002 seine Verantwortung eben nicht mehr wahrgenommen. Der Rückbau des Strukturprogramms „Rock“ zum Beispiel hat nämlich eine bedeutende Auswirkung gehabt, nämlich den massenhaften Wegfall von Engagement Jugendlicher im musischen Bereich. Damals hat das Kultusministerium noch Aktivitäten in diesem Bereich entwickelt, zum Beispiel jährlich beglei
tend eine CD herausgebracht. Heute finden lediglich prämierte Aktivitäten statt.
Dem sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanal wurden die Personalmittel so gekürzt, dass die Studios künftig nicht mehr für die Aktivitäten junger Menschen offenstehen werden. Selbstständiger Umgang mit Kulturmedien, eine Vernetzung der Schülerradios wird nicht systematisch unterstützt. Das hat auch die Preisverleihung der Landesmedienanstalt in der Vergangenheit gezeigt. Ein einmal jährlich von der Landesmedienanstalt und dem Kultusministerium angebotener Wettbewerb zu dem Thema ist zwar ein schöner Tropfen, aber angesichts der Breite, der Notwendigkeit im Handlungsbedarf eben auf einen ziemlich großen heißen Stein, der eigentlich zu bewirtschaften wäre. Insofern sehen wir Handlungsbedarf in diesem Bereich angesichts dessen, was Ihre Politik alles nicht erreicht.
Um auf Herrn Hatzsch einzugehen: Für die von Ihnen genannten ganztägigen Angebote und die Vernetzung in den Kulturräumen stehen eben nur 7,50 Euro, wie ich gestern schon gesagt habe, für die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern zur Verfügung. Das ist kein Grund, auf die Regierungspolitik stolz zu sein.
Entsprechend einem erweiterten Bildungsbegriff kennen wir – wie angesprochen – formelle und informelle Bildungssituationen. Meine Kollegin Cornelia Falken wird speziell noch auf die Angebote des Kultusministeriums eingehen. Ich möchte die Lernsituation bzw. den Aktivitätsbereich junger Leute, der nicht nur in Institutionen stattfindet, für musische und kulturelle Bildung beleuchten.
Denn mit dem Wegfall des Kulturprogramms „Rock“ ohne jeden Grund, ohne dass das Ministerium hätte benennen können, warum, das Technikanschaffungen und Erst-CD-Produktionen unterstützen sollte, gibt es keine Stelle im Land mehr, die selbst gestaltete musischkulturelle Aktivitäten junger Menschen unterstützt. Vereine, die sich in dem Bereich engagieren, scheitern nach kurzer Zeit angesichts des großen Arbeitsaufwandes im ehrenamtlichen Bereich.
Andere Bundesländer sind da viel weiter. Sie haben Vernetzungsangebote geschaffen. Baden-Württemberg, Hamburg, Bayern haben aus Landesmitteln Strukturen geschaffen, um eine vernetzte und entwickelte Szene zu schaffen, die eben auch die Verbindung mit den Trägern der Jugendhilfe hält, Probenräume und Fortbildungsangebote vorhält.
In Sachsen aber liegt das Thema irgendwo zwischen Kultusministerium, Sozialministerium und Kulturministerium. Um die selbstgestalteten kulturellen Angebote junger Menschen kümmert sich keiner. Ich bin davon überzeugt, dass Jugendkultur für junge Menschen eine so große Rolle in der Selbstgestaltung ihrer Lebensentwürfe über Musik, Kleidung und Freundeskreise spielt, dass
Politik gerade junge Menschen unterstützen muss, ihre kulturellen und musischen Angebote selbst zu entfalten.
Deswegen hat meine Fraktion die Wiederauflage eines Strukturprogramms zur Unterstützung junger Menschen, die Musik machen, gefordert, das mit einem eigenen Wettbewerb begleitet und Plektren produziert, um junge Leute eben in ihren Lebensbereichen anzusprechen.
Kulturelle Bildungsangebote müssen allen jungen Menschen zur Verfügung stehen, nicht nur in den Städten, sondern besonders im ländlichen Raum. Ihre Politik der Kürzungen und Aushöhlungen der Strukturen in den letzten Jahren hat dabei die Strukturen so ausgedünnt, dass angesichts der sozialen Anforderungen und der notwendigen demokratischen Entwicklung diese Politik verantwortungslos zu nennen ist. Es reicht nicht oder es lohnt nicht, wenn Sie sich dann hier hinstellen und kulturelle Bildung proklamieren.
Der Wegfall der Sozialarbeit hat gerade auch die kulturelle Bildung im Land gefährdet. Kulturelle Bildung hat einen ganz besonderen Wert; denn sie vermittelt auf einmalige Weise die Befähigung, Lösungen für unbekannte Probleme zu suchen, Ideen auszubrüten, Zukunft zu denken, zu modellieren und zu experimentieren. Gerade deswegen muss sie auch in den ländlichen Raum.
Der Umgang mit neuen Medien als Kulturtechnik und Grundlage von selbstgestalteten Projekten ermöglicht jungen Menschen eigene Kreativität ohne großen technischen Aufwand. Das ist von der Staatsregierung noch nicht ausreichend in den Blick bzw. in Angriff genommen worden.
Die Ausstattung der Schulen mit Computer-Kabinetten hat nicht gereicht, weil nicht das Geld für kompetente freie Träger und die Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern zur Verfügung steht.
Ich komme zum Schluss. Indem Sie darin nicht aktiv werden, überlassen Sie dieses Feld kommerziellen Interessenträgern, wenn zum Beispiel „F 6“ die Bandförderung übernimmt und damit gleichzeitig die Klientel junger Aktiver für ihr Image gewinnt.
All diese Beispiele sollen zeigen, dass die Politik der Staatsregierung keineswegs ausreicht, hier eine Schaufensterdebatte zum Thema Kulturelle Bildung zu machen, und dass wir in der Selbstbefähigung junger Menschen einfach auf einen anderen Begriff kultureller Bildung setzen.
Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Werfen wir doch einmal einen Blick auf die Umsetzung des Bundesprogramms Ganztagsangebote in Bildung und Betreuung in Sachsen.
Als 2004 eine Änderung des Schulgesetzes die Möglichkeit der Einrichtung von Ganztagsangeboten eröffnen
sollte, haben wir damals schon im Landesschülerrat davor gewarnt, dass Ganztagsangebote keine Ganztagsschulen sein werden und den qualitativen Anforderungen an solche nicht genügen können.
Die Kollegen sind eben schon auf die Schwerfälligkeit der damaligen Regierung in der Reaktion auf das Konzept Ganztagsschule eingegangen. Sachsen hat sich mit der Beteiligung als Letztes gemeldet, keine Personal- und Sachkosten eingestellt und als eines der letzten Länder Grundlagen für die Teilnahme geschaffen.
Was folgte, war die Inanspruchnahme der investiven Mittel des Bundes, und zwar für den Abbau des Sanierungsstaus bei Schulgebäuden. Dabei wäre eine konzeptionelle Begleitung beim Umbau der Schulgebäude in Häuser für ganztägige Bildung vonnöten gewesen, wenn man das Geld sinnvoll hätte investieren wollen,
wenn man mit den baulichen Maßnahmen auch das inhaltliche Ziel hätte erreichen wollen. Meine Fraktion hat diesbezüglich im Jahr 2005 Vorschläge zur Kurskorrektur eingebracht. Dass dies von der Staatsregierung nicht forciert wurde, ist Ausdruck ihres halbherzigen Umgangs mit dem Konzept „Ganztägige Bildung“. Es muss noch einmal gesagt werden: Die vorhandenen Ganztagsangebote in Sachsen sind nicht die Ganztagsschulen, die wir brauchen.
Um diese näher zu beschreiben, möchte ich aus einer Anhörung im Schulausschuss, die meine Fraktion beantragt hatte, Herrn Dobe, den Vorsitzenden des Ganztagsschulverbandes Berlin, zitieren. Er sagte: „Wenn ich über Ganztagsschulen nachdenke, dann ist der Punkt, ob Kinder nachmittags betreut werden, gar nicht so wichtig. Wichtiger ist für mich, dass wir lernen müssen, in einem anderen Bildungsbegriff zu denken, einen umfassenden Bildungsbegriff, der von Bundesjugendkoordinatoren definiert wurde. Es gibt erstens formelle Bildungssituationen. Das entspricht im weitesten Sinne dem, was wir bisher von der Schule kennen. Es gibt zweitens halbformelle Bildungssituationen. Das könnte zum Beispiel Projektarbeit sein. Drittens gibt es informelle Bildungssituationen. Das entspricht am ehesten dem, was bisher im Hort stattgefunden hat. Die Ganztagschule muss also eine Verbindung von schul- und sozialpädagogischen Denkansätzen und Traditionen sein. Dem können Ganztagsangebote unter dem Dach der Schule am besten entsprechen.“ Das ist das Maß, an dem wir Ganztagsangebote auch in Sachsen messen müssen.
Indem Sie Ganztagsangebote zum Standard machen, setzten Sie als Regierung und Koalition nur auf die offene Form. Es geht bei den Worten nicht nur um Begriffe, sondern auch um Inhalte. Herr Colditz hatte das offen eingestanden.
Die offene Form der Ganztagsbetreuung orientiert sich überwiegend an der klassischen Unterrichtsstruktur der Halbtagsschule und bietet nach dem Mittagessen ein zusätzliches freiwilliges Nachmittagsprogramm an. Dagegen findet in gebundenen Ganztagsschulen der Unterricht auf den Tag verteilt statt. Die klassische Einteilung in 45-Minuten-Einheiten kann aufgelöst werden. Phasen angestrengten kognitiven Lernens wechseln sich mit anwendungs- und projektbezogenen, musischen und sportlichen Zeiten sowie Pausenzeiten ab. Wenn dieser auch rhythmisiert genannte Tagesablauf nicht verpflichtend ist, kann keine wirkliche Umstellung der Unterrichtsweise erfolgen. Wenn Sie auch überzeugt die offene Form der Ganztagsangebote als die Ihre proklamieren, Herr Colditz, muss man dem deutlich entgegenhalten, dass an Ihren offenen Formen laut der Evaluation nur 60 % der Schülerinnen und Schüler teilnehmen. Wir sagen: Das reicht nicht aus, das ist kein Einstieg in die Ganztagsschule.
Das von Ihnen genannte Modul 1 der Förderrichtlinie zur leistungsdifferenzierten individuellen Förderung kann nur von Gymnasien in Anspruch genommen werden. Ich sage: Es ist keine gerechte Bildungspolitik, die eine Schulart bzw. eine Gruppe so bevorzugt. Deswegen sind Schulen, die Ganztagsangebote bereithalten, leider nicht die Ganztagsschulen, die wir brauchen.
Umso unverständlicher ist es, dass den wenigen tatsächlichen Ganztagsschulen die Weiterführung verwehrt wird. Dass Sie diese Modellschulen nicht weiter unterstützen, muss als Aussage aufgefasst werden, dass Sie keinen Einstieg in eine andere Schul- und Lernkultur in Sachsen wollen.
Die Kollegin Günther-Schmidt hatte es bereits herausgearbeitet. Dennoch: Laut der Evaluation haben 30 % der Schulen schon jetzt Unterrichtszeiten am Vormittag und Pausen- und Projektzeiten am Nachmittag. Sie praktizieren gebundene rhythmisierte Formen. Das zeigt, dass das Bedürfnis an den Schulen besteht. Wir müssen es stärken, damit es sich weiter durchsetzt.
Weitere Kritikpunkte an der offenen Form der Ganztagsangebote sind: Zum einen ist die Gemeinschaft der Schüler untereinander nicht mehr gewährleistet. Zum anderen wird die Ganztagsschule in offener Form oftmals nur als „Aufbewahrungsstätte“ für Schüler – quasi als Hort in der Schule – und nicht als Feld pädagogischer Erfahrungsmöglichkeiten für Schüler gesehen.
Der Kollege Weiss ist in der Vergangenheit schon auf die Unmöglichkeit, Grundschulen mit Hort als Ganztagsschulen auszuweisen, eingegangen. Gerade an diesem Beispiel zeigt sich ein großer Denkfehler: Nach der Statistik sollen 75 % der Schüler an den Grundschulen die ganztägigen Angebote im Hort wahrnehmen. Der große Fehler in der
Logik ist, dass es sich dabei um ein kostenpflichtiges Angebot handelt. Das kann nicht das Ganztagsangebot für alle Schülerinnen und Schüler der Grundschule sein.
Entsprechend der Neufassung der Förderrichtlinie wird auch in Sachsen stärker die Modularisierung und Rhythmisierung angestrebt. So hatten Sie es formuliert. Aber das ist in der ungebundenen Form kaum möglich. Insofern zitiere ich weiter: „… wäre es aus Sicht des Sachverständigen besser gewesen, die Förderung von Ganztagsangeboten heute mit der langfristigen Perspektive der geförderten Schule – auch der eigenständigen Schule –, zu der wir stehen, zu verknüpfen und sich zu einer gebundenen Ganztagsschule mit veränderter Lernkultur zu entwickeln.“ Wenn dem so wäre, dann wäre es im Zusammenhang mit der Rhythmisierung in der bildungspolitischen Diskussion möglich, den Nachholbedarf von mindestens zwei bis drei Jahren aufzuholen.
Es gibt im Zusammenhang mit dem Begriff der Rhythmisierung zwei Teilbereiche: Der erste Begriff ist der Begriff der Taktung. Dieser meint die stundenplantechnische Gestaltung des Schultages. Sie sollte mit einem Wechsel von Spannung und Entspannung stattfinden. Die Umsetzung sollte den Schulen überlassen werden. Der zweite Begriff ist die Rhythmisierung. Diese folgt dem Biorhythmus der Kinder. Dieser Biorhythmus ist aber genauso individuell wie jedes Kind selbst. Folglich bräuchte jedes Kind einen eigenen Rhythmus. Diese Rhythmisierung zu gewährleisten, spricht die Förderrichtlinie Ganztagsangebote an.
Die Einstellung eines Betrages für die Personal- und Sachkosten im Jahr 2005 hatte überhaupt erst die Möglichkeit einer Umsetzung für die Schulen in Sachsen geschaffen. Die dazugehörige Förderrichtlinie, die die Modularisierung und Rhythmisierung auch als Ziel benennt, schreibt die offene Form der Ganztagsschule weiter fest. Die Kritik an ihr ist anhaltend. Statt bürokratischer Beantragungen von Einzelmodulen ist weiterhin die Einführung einer pauschalierten Förderung für die Schulen notwendig. Die Höchstförderbeiträge müssen erhöht werden. Es ist nicht zumutbar, externe und hochqualifizierte Träger der Jugendhilfe – zum Beispiel Künstlerinnen und Lehrerinnen – für die in der Richtlinie vorgesehenen 7,50 Euro arbeiten zu lassen. So entlohnt man keine pädagogische Arbeit, so kann man auch keine Partner finden. Dieser Zustand muss transparent gemacht und kritisiert werden.
Prof. Dr. Hirschfeld, der die Evaluation für die Einführung des Ganztagsangebotsprogramms erhebt, wies in diesem Zusammenhang auf ein weiteres Problem hin. Es wäre festzustellen, dass Lehrerinnen und außerschulische Ganztagsmitarbeiterinnen bei allem Engagement in der Regel nicht über die nötige sozialpädagogische Qualifikation verfügten, um mit den Sorgen, Schwierigkeiten und
Benachteiligungen aller Schülerinnen und Schüler angemessen umgehen zu können. Der Ausbau des Ganztagsangebotes müsste nach seiner Auffassung von zwei weiteren Maßnahmen begleitet werden, nämlich dem Ausbau der sozialpädagogischen Qualifizierung des Personals und der Schulsozialarbeit. An beidem mangelt es deutlich.
Ein wichtiger Punkt ist außerdem die Länge des Förderzeitraumes. Die Schulen brauchen Verlässlichkeit bei der Förderung über einen längeren Zeitraum und nicht jedes Jahr eine stetige Neubeantragung für ihre kurz-, mittel- oder langfristigen Konzepte. Konzeptentwicklung muss sich lohnen! Das wird von den Schulen, von der Wissenschaft und von uns so gesehen und gefordert. Genau gegen diesen Grundsatz verstößt Ihre Schulpolitik fortgesetzt. Die jährliche Beantragung verursacht bürokratischen Aufwand.
Einer Erhebung zufolge bezieht sich die Hälfte der in Anspruch genommenen Beratungsangebote, die die Bildungsagenturen und die Servicestelle Ganztagsangebote anbieten, auf die genannten. Nur 38,8 % der Beratungsangebote beziehen sich auf die Inhalte. Für mich ist das ein Zeichen falscher Steuerung.
Ich bin dem Kollegen Weiss dankbar, dass er auf die Situation an den Grundschulen und im Hort eingegangen ist. Dazu habe ich bereits Ausführungen gemacht. Ein notwendiger Punkt ist außerdem die langfristige und kontinuierliche Einbeziehung der Schüler-, Eltern- und Lehrervertreter – gerade bei der Form der offenen Ganztagsangebote. In einer Projektzeitschrift zur Einführung des Bundesprogramms für Bildung und Betreuung hat Volker Schmidt, der unter anderem in der Servicestelle Ganztagsangebote arbeitet, darauf hingewiesen, dass die offene Form der Ganztagsangebote die Einbeziehung von Schülerinnen und Schülern in die Erarbeitung der Angebote in besonderer Weise erfordert, weil sie sonst in einer „Abstimmung mit den Füßen(!) nicht entsprechend teilnehmen können.“ Ganztagsschule war – auch von Bundesebene her – und ist in Ihrem Konzept immer auf Partizipation angelegt. Indem Schüler, Eltern und Lehrer das Konzept gemeinsam entwickeln, sollte die Einführung ganztagsschulischer Konzepte ein Aufbruch für jede einzelne Schule sein. Zwar haben Sie mit der Einsetzung von Ganztagsschulkoordinatoren auf niedriger Honorarbasis an den Schulen – Kollege Colditz, hören Sie ruhig zu – eine verantwortliche Lehrerperson gefunden, die das macht. Die Anforderung von Partizipation ist damit aber nicht systematisch verbunden und wird nicht strukturell gefördert. Wir halten das nicht für einen Kritikpunkt, sondern wir halten es für den Hauptfehler bei der Einführung eines solchen Modells.
Wir machen den Umgang mit den Modellschulen zum Prüfstein dafür, ob die Staatsregierung den Einstieg in Ganztagsschule wirklich ermöglichen will. Wir werden
Sie auch öffentlich daran messen, ob diesen Schulen die Weiterarbeit ermöglicht wird. Wir sind davon überzeugt: Junge Menschen verbringen einen wesentlichen Teil ihrer Zeit in der Schule, und sie gewinnt so über den Aspekt des Lernens im engeren Sinne große Bedeutung als Entwicklungs- und Lebensort mit Anforderungen an einen solchen.
Das in den Nachmittag hinein geöffnete Zeitfenster der Ganztagsschule ermöglicht eine flexiblere Gestaltung des Lernens für jeden einzelnen Schüler und jede Schülerin, also auch eine modernere, eine individuellere Form des Lernens. Ganztagsschulen können durch Kooperationen mit dem Umfeld noch viel mehr zum kulturellen Zentrum des Stadtteils werden. Darum haben wir in unserem Schulgesetzentwurf die Einrichtung von Ganztagsschulen gefördert.
Sie hat auch eine gesellschaftliche Komponente und Dimension. Sie begünstigt die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern, weil nach der Halbtagsschule nicht mehr auf die Kinder aufgepasst werden muss und weil wir entgegen der vom Kollegen Patt heute morgen wieder ausführlich vertretenen Auffassung überzeugt sind, dass Bildung nicht mehr abhängig von den Möglichkeiten der Familie ermöglicht werden muss. Deshalb hat Ganztagsschule auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun.
Sie ermöglicht die Förderung der Kinder aus allen sozialen Gruppen. Aus unserer Sicht sollte dies in einer Schule für alle passieren, auch am Nachmittag.
Die Mittel aus dem Bundesprogramm „Zukunft, Bildung und Betreuung“ können bis Ende des Jahres 2009 in Anspruch genommen werden. Bisher wurden sie vor allem zum Abbau eines Sanierungsstaus und die Wiedereinführung qualifizierterer, ja Arbeitsgemeinschaften genutzt, die vorher weggefallen waren. Aber durch das Engagement der Schulen ist eine Tür aufgestoßen worden. Mit der Einführung einer Ringvorlesung an der Technischen Universität Dresden ist ein Umfeld Interessierter für die Diskussion aktueller Fragen geschaffen worden. Die Servicestelle Ganztagsangebote begleitet die Schulen, die sich auf den Weg machen wollen, umfassend. Aber der Übergang von der offenen zur gebundenen Form der Ganztagsschule muss gestaltet werden – unter Einbeziehung aller Partner. Den schon bestehenden Schulen muss ermöglicht werden, weiterzuarbeiten. Nicht mehr und nicht weniger ist die Anforderung an die Politik, um einen Einstieg in eine andere Schul- und Lernkultur zu schaffen.
Vielen Dank.