Protokoll der Sitzung vom 18.04.2008

Gibt es irgendwelche Probleme? – Frau Bonk möchte zum Änderungsantrag sprechen. Das können Sie bitte tun.

(Zuruf von der CDU: Morgen!)

Das ist eine sehr kurz gefasste, grundlegende Änderung, die Sie in Ihrem Antrag wollen. Es ist natürlich klar, dass angesichts gestiegener Anforderungen Erhöhungen im FAG vonseiten der Landesebene notwendig sind. Allerdings ist der Antrag

nicht nur kurz gefasst, sondern auch ein wenig einfach gedacht.

Wenn der Vorschlag bedeutet, dass den Kreisen die Planungshoheit verloren geht, dann sehen wir darin schon ein wesentliches Problem. Das kann nicht auf der Landesebene entschieden werden. Gerade so kleinteilige Vorgänge wie die Planung von Schulwegezeiten usw. müssen auf der Kreisebene bleiben. Elternbeiträge abzuschaffen über eine Komplettfinanzierung im Landeshaushalt ist ein Ziel, über dessen Weg wir diskutieren müssen. Man könnte das auch ändern, indem man die Abrechnungsmechanismen über den Schülerkostennebenansatz ändert. Kurz und gut, unserer Meinung nach ist darüber beim Haushaltsgesetz zu diskutieren. Ihrem sehr kurzen, grundlegenden Antrag können wir nicht zustimmen, weil es zu kurz gesprungen ist, sondern wir enthalten uns.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Möchte sich daraufhin noch jemand äußern? – Das ist nicht der Fall. Ich lasse jetzt abstimmen über den Änderungsantrag der Fraktion der GRÜNEN. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei wenigen Stimmen dafür und einer Reihe von Stimmenthaltungen wurde der Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe die Drucksache 4/11813 von der FDP-Fraktion auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer großen Anzahl von Stimmen dafür ist der Antrag dennoch mit Mehrheit abgelehnt worden.

Meine Damen und Herren! Damit ist der Tagesordnungspunkt beendet. Der

Tagesordnungspunkt 6

Hartz-IV-Gesetze zurücknehmen – Armut und soziale Schieflagen verhindern!

Drucksache 4/10573, Antrag der Fraktion der NPD

wurde zurückgezogen. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 7

Girokonto für jedermann

Drucksache 4/11819, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Es spricht zuerst die einreichende Fraktion. Danach folgen CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung, wenn sie das wünscht. Ich erteile Frau Abg. Herrmann für die Fraktion der GRÜNEN das Wort; bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich vor, es gäbe die kleine Plastikkarte in Ihrer Tasche nicht – nur für Sie nicht. Welches Konto würden Sie für Überweisungen, zum Beispiel für Ihre Diäten, benennen? Zuerst einmal das von Angehörigen oder Freunden. Zu peinlich wäre es, das Geld bar abzuholen, falls das überhaupt möglich ist.

Übernachtungen im Hotel, Miete für Ihr Büro, Einkauf im Internet – ohne Konto ist das schwierig bis unmöglich. Auf alle Fälle wäre es immer wieder sehr peinlich und beschämend. Ein Leben ohne Girokonto ist heute nicht mehr vorstellbar.

Sie meinen, in eine solche Situation würden Sie nie kommen? Gestern haben wir erfreut von den vielen Firmengründungen gehört. Die Kehrseite ist, dass manches Konzept doch nicht aufgeht oder dass Kunden nicht zahlen. Schneller, als wir uns das vorstellen, kommen Menschen in die oben skizzierte Situation. Hausbau für die Familie und dann arbeitslos, weil die Firma den Sitz in Deutschland aufgibt, ein Unfall – liebe Kolleginnen und Kollegen, es gibt so viele Möglichkeiten, in die Schuldenfalle zu geraten, und dann ist schnell das Girokonto gekündigt.

Ein Girokonto ist in unserem Land eine wesentliche Voraussetzung, um am wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

(Jürgen Gansel, NPD: Deswegen hatten wir einen entsprechenden Antrag vor zwei Jahren eingebracht!)

Im April wurde im Sozialausschuss des Sächsischen Landtages auf Antrag der GRÜNE-Fraktion eine öffentliche Anhörung zum Sozialbericht 2006 – Lebenslagen in Sachsen – durchgeführt. Ein wesentlicher Bestandteil des Lebenslagenberichtes ist die Konzeption der Staatsregierung zur Vermeidung von Armutsrisiken und zur Förderung von Teilhabechancen in Sachsen. Dort erklärt die Staatsregierung ihre Absicht, Initiativen der Bundesregierung im Hinblick auf ein Girokonto auf Guthabenbasis zu unterstützen. Wir nehmen Sie heute beim Wort. Genau dies fordern wir im ersten Punkt unseres Antrages.

Sachsen ist eines der Bundesländer, das bereits seit 2002 die Sparkassen verpflichtet, Girokonten auf Guthabenbasis anzubieten, Sparkassenverordnung § 5. Allerdings berichten die Schuldnerberatungsstellen, dass das Problem verweigerter Girokonten auch bei den Sparkassen besteht. Deshalb fordern wir im zweiten Punkt unseres Antrages einen Bericht der Staatsregierung sowie eine Bewertung, ob eine Änderung der Sächsischen Sparkassenverordnung erforderlich ist.

Auf der Bundesebene wurde am 24. Januar 2008 in 1. Lesung ein Gesetzentwurf der Bundesregierung eingebracht mit dem Ziel, ein Pfändungsschutzkonto zu schaffen. Das heißt, der Pfändungsfreibetrag soll dem Zugriff der Gläubiger nicht zugänglich sein. Die Bundesregierung will damit Schuldnern die Möglichkeit am bargeldlosen Zahlungsverkehr erhalten.

Das Problem ist jedoch, dass die Voraussetzung für ein sogenanntes P-Konto das vorhandene Girokonto ist. Damit macht die Bundesregierung den zweiten Schritt vor dem ersten, und deshalb brauchen wir jetzt das Girokonto für jedermann.

Bevor die NPD uns vorwirft, einen Antrag von ihnen abgeschrieben zu haben,

(Jürgen Gansel, NPD: Genau!)

will ich auch dazu etwas sagen. Die NPD hat im Oktober 2005 ein Thema für ihren Antrag entdeckt, mit dem sie sich als Unterstützer der Menschen im Land darstellen wollte. Dabei hat sie aber unterschlagen, dass auch andere sich mit diesem Thema schon längst beschäftigt haben.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wie gesagt: NPD, Oktober 2005. Am 16.03.2005 gibt es eine Pressemitteilung der GRÜNEN-Bundestagsabgeordneten Ulrike Höfken aus Anlass eines Expertengespräches im Verbraucherausschuss des Deutsche Bundestages zu dem Thema. Am 03.08.2005 gab es einen Bericht in der „Leipziger Volkszeitung“, Autorin Ellen Großhans, Thema: Immer mehr ohne Konto. Die Antwort auf eine Kleine Anfrage von Frau Schütz, Menschen ohne Girokonto, stammt vom 23.09.2005. Unser Antrag heute steht also in einer demokratischen Tradition, und die NPD brauchen wir dazu nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Wir alle wissen auch, wen die NPD meint, wenn sie Forderungen stellt, bzw. wer nach ihrer Meinung von dem, wie sie es im Gegensatz zu uns nennt, gesetzlichen Recht auf ein Girokonto ausgeschlossen bleiben soll. Weil wir wissen – heute Migranten, dann Menschen in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft, morgen wird das Recht dann an die Ehe gebunden sein oder an volksdeutsche Abstammung –, wohin die NPD die Diskriminierung treiben will, lehnen wir folgerichtig NPD-Anträge hier im Plenum ab.

(Beifall bei der FDP – Jürgen Gansel, NPD: Respekt und Anerkennung!)

Was wir aber nicht zulassen können, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist, dass wir damit ein Problem hier nicht mehr zum Thema machen. Damit beschneiden wir uns selbst. Deshalb haben wir heute diesen Antrag gestellt. Wir wollen ein Verbraucherrecht erreichen, ein Girokonto für jedermann. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

Danke.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Bettina Simon, Linksfraktion)

Die CDU-Fraktion; Herr Patt, bitte.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Da habe ich ein Déjà-vu oder ein, wie sagt man, Déjà-entendu, wenn Frau Herrmann etwas vorträgt, wie sie am Ende begründet, was wir hier schon einige Male diskutiert haben. Ich erinnere mich auch, dass Frau Schütz von den Gelben schon im September 2005 eine Anfrage dazu hatte, ähnlich dann Frau Schüßler, Braun. Dann hat Herr Pecher, Rot,

(Jürgen Gansel, NPD: In der Farbenlehre!)

genau, in der Farbenlehre –

sich zwingend eingereiht und in der Landtagssitzung im November 2005 deutlich gemacht, man möge sich an ihn in Zwickau wenden. Genauso Violett, Dr. Pellmann, man möge sich in Leipzig an ihn wenden, wenn man ein solches Konto haben möchte. Da haben wir jetzt alle Farben durch, aber es wird nicht besser dabei, auch wenn es grundsätzlich richtig und wichtig ist, dass wir uns in schwierigen Situationen bzw. um Menschen in schwierigen Situationen kümmern. Aus eigenem Erleben weiß ich, dass es bei der Jugendberufshilfe auch immer einmal junge Leute gibt, die kein Konto bekommen haben oder denen das Konto gekündigt wurde. Wenn man zur Sparkasse geht, dann funktioniert das vielleicht in unserer Region nicht immer. Aber wenn man zu einer anderen Bank geht, werden diese Koten auf reiner Guthabenbasis einführen. So konnten wir das zumindest erreichen.

Man muss aber an dieser Stelle einmal die Kreditinstitute schelten dürfen; denn diejenigen, die ablehnen, handeln gegen die freiwillige Vereinbarung in dem ZKA. Und diejenigen, die solchen Schülern vielleicht noch einen Dispo-Kredit gewähren, der dann bis 800 Euro ganz schnell durch Handy-Rechnungen, die abgebucht werden, einmal anschlägt, handeln in meinen Augen auch nicht verantwortlich. Diese Kreditanreize, für 19 Euro im Monat eine Waschmaschine zu kaufen, verführen, und am Ende haben wir einen Subprime-Bereich auch bei solchen Kunden. Wir ahnen, dass solche Kredite eines Tages auch gebündelt und verkauft werden.

Aber welche Lösung gibt es? Die öffentlichen Stellen zahlen bar aus, wenn auch etwas mühsam und nicht gerne, aber sie tun es über die Filialen der Bundesbank. Der zentrale Kreditausschuss aller Banken – Genossenschaftsbanken, private Banken, Sparkassen – hat eine Selbstverpflichtung, nämlich allen ein Konto zu gewähren. Die Sächsischen Sparkassen sind nach § 5 Sächsisches Sparkassengesetz sogar verpflichtet, Konten für jeden einzurichten. Es muss aber auch Ausnahmen für alle Banken und Sparkassen geben. Es müssen sich diejenigen für Einzelfalllösungen melden, die kein Konto bekommen haben.

Herr Patt, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja.

Bitte, Frau Herrmann.

Ist Ihnen bekannt, dass die Bundesagentur für Arbeit bei der Auszahlung der Sozialleistung sogar eine Barauszahlungsgebühr einbehalten kann, dass diejenigen, die kein Konto haben, zusätzlich bestraft werden, wie zum Beispiel auch an anderen Stellen, wenn sie Bareinzahlungen vornehmen?

Vielen Dank. Wie viele Kunden kennen wir, die dort kein Konto haben? Wer

meldet sich bei Herrn Pecher, bei Herrn Dr. Pellmann, bei mir, bei anderen, um ein Konto eingerichtet zu bekommen? Es muss nicht sein, dass man diese Gebühren in Kauf nimmt. Aber unzumutbar ist es auch, wenn Kunden als Betrüger, als Geldwäscher ein Konto einrichten wollen. Unzumutbar ist es für Banken auch, wenn Falschangaben gemacht werden, wenn die Konten von Vollstreckungen gesperrt sind oder über einen längeren Zeitraum nicht genutzt werden.

Aber es sind nicht, wie von der NPD beschworen, Hunderttausende – das ist, glaube ich, Fantasie oder Dramaturgie –, die kein Konto haben, sondern es sind wenige, denen wir helfen wollen. Das tun wir im Einzelfall. Da kann man auf alle Kollegen und alle Banken zugehen oder sich auch beim Ombudsmann beschweren. Alle Wege stehen offen. Wir wollen bei all dieser Bereitschaft zur sozialen Arbeit der vorbildlichen Lösung im Freistaat Sachsen durch eine Verpflichtung der Sparkasse nicht noch etwas hinzutun und glauben, dass dieser Antrag nicht notwendig ist.