Protokoll der Sitzung vom 28.05.2008

Herausgekommen ist auch ein Beitragssatz in der Sozialversicherung von rund 41 % in diesem Jahr. Und wenn der Gesundheitsfonds im nächsten Jahr kommen sollte – was, wie ich hoffe, immer noch mit Verstand abzuwenden ist –, werden es durch die steigenden Krankenversicherungsbeiträge noch höhere Abgaben sein.

Allein dieser Vergleich von Anspruch und Wirklichkeit zeigt, dass Schwarz-Rot mit seinem Versuch, Deutschland eine moderne und zukunftsorientierte Sozialversicherung zu geben, auf ganzer Linie gescheitert ist.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesundheitsfonds wird Sachsens Bürger und Unternehmen schaden. Bisher haben die sächsischen Krankenkassen im Bundesvergleich sehr niedrige Beitragssätze, wie beispielsweise die AOK Plus mit 12,8 %, gehabt. Dieser Vorteil verschwindet mit dem Gesundheitsfonds. Allein die Anhebung auf den jetzigen Bundesdurchschnitt von 14,9 % würde die sächsischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber jeweils – ich betone jeweils – rund 300 Millionen Euro kosten.

Damit würde, so der Präsident der Vereinigung der sächsischen Wirtschaft, Herr Bodo Finger, die Lohnerhöhung eines ganzen Jahres direkt an den Staat weitergereicht.

Sieht so die Förderung der Mittelschicht aus? Sieht so die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger aus? Nein! Hier werden insbesondere sächsische Arbeitnehmer und Arbeitgeber durch die Politik des Bundes belastet. Das dürfen wir als Freistaat Sachsen der Bundesregierung nicht durchgehen und sie schon gar nicht so einfach gewähren lassen. Sachsen darf seine Standortvorteile bei den niedrigen Krankenversicherungsbeiträgen nicht verlieren. Nicht umsonst hat auch das Bündnis Gesundheit 2000 im Freistaat Sachsen, das immerhin aus 36 Berufsverbänden, Vereinen und Körperschaften besteht, in seiner Pressemitteilung vom 29. April noch einmal ausdrücklich die Ablehnung des Gesundheitsfonds dargestellt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ja nicht so, dass der Gesundheitsfonds die einzige Belastung der BürgerInnen und Unternehmen in Deutschland und insbesondere hier in Sachsen ist, die von Schwarz-Rot kommt. Neben dem Gesundheitsfonds gibt es weitere Belastungen für BürgerInnen und Unternehmen. CDU und SPD verweisen gern auf die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung auf 3,3 %.

Das ist aber reine Augenwischerei. Denn wenn man alle – und damit meine ich wirklich alle – Be- und Entlastungen der BürgerInnen und Unternehmen unter Schwarz-Rot zusammenrechnet, kommt eine erschreckende Zahl

heraus: Aufgrund ständig neuer Gesetze durch SchwarzRot ist die Steuer- und Abgabenlast der BürgerInnen und Unternehmen 2008 gegenüber 2005 um rund 12 Milliarden Euro gestiegen. Das, was alles an Entlastung propagiert wird, wurde an anderer Stelle mehr oder minder heimlich wieder einkassiert. Das ist das, was jeder Bürger persönlich empfindet. Ich darf Ihnen hier sagen: Ihr Empfinden täuscht Sie nicht; denn die drastische Reduzierung der Pendlerpauschale hat uns in Sachsen hart getroffen. Umso wichtiger ist es, dass der Gesundheitsfonds, der weitere Belastungen für BürgerInnen und Unternehmen nach sich zieht, gerade hier in Sachsen und durch Sachsen verhindert wird. Die Vereinigung der sächsischen Wirtschaft hat in ihrer Pressemitteilung am 21. April noch einmal darauf hingewiesen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wollen eine moderne Krankenversicherung und keine ineffiziente staatliche Einheitskasse; denn dieser fehlt nicht nur der Anreiz zum Sparen, sondern auch der Druck zur Innovation. Intransparente Rationierungen medizinischer Leistungen, noch längere Wartelisten und weiter steigende Kassenbeiträge wären die Folge. Denn an dem Finanzierungsproblem der gesetzlichen Krankenversicherung hat sich doch durch die Gesundheitsreform nichts geändert.

Wer sich einmal die Auswirkungen eines staatlich gelenkten und geplanten Gesundheitssystems ansehen will, muss nur nach England gehen. Das ist weiß Gott nicht das, was wir wollen. Wir wollen einen Wettbewerb der Kassen um beste Leistungen zu günstigen Preisen für die Versicherten.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen einen für alle vergleichbaren und bezahlbaren Leistungskatalog. Wettbewerb soll also nicht zulasten medizinischer Leistungen gehen, sondern Innovation und Transparenz fördern. Weiterhin sollen Ärzte auch endlich Sicherheit für ihre finanzielle Ausstattung bei der Behandlung von Patienten bekommen; denn die jetzige Budgetierung ist doch nichts anderes als eine Rationierung der Leistungen. Jeder Bürger merkt das doch schon jetzt, wenn er Ende des Quartals einen Vorstellungstermin beim Facharzt benötigt und auf die nächsten Monate verwiesen wird.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch in diesem Punkt unterscheiden wir uns – wie Sie gemerkt haben – deutlich von dem Antrag der Linksfraktion, der ja ebenfalls den Gesundheitsfonds stoppen will, aber dem eine sozialistische Philosophie der Neuausrichtung der Finanzierung zugrunde liegt.

(Beifall bei der Linksfraktion – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das ist doch richtig!)

Richtig, ich habe es erkannt; Danke schön! Aber das teilen wir als FDP nicht. Wir bitten daher um Zustimmung zu unserem FDP-Antrag.

Herzlichen Dank!

(Beifall bei der FDP)

Die CDUFraktion; Frau Abg. Strempel, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wie sehr ich Sie auch schätze, Herr Wehner, aber ich denke, Sie unterliegen hier einem ganz entscheidenden Irrtum. Sie waren ja auch auf der Ausschussreise. Es gibt weltweit kein solidarischeres Gesundheitssystem als in Deutschland.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Dr. André Hahn, Linksfraktion: Das ist falsch!)

Wir diskutieren heute über zwei Anträge, die sicherlich verständlich begründet wurden, da die Probleme und Risiken, die durch die Verabschiedung des sogenannten GKV-WSG – ich muss das mal übersetzen: Gesetzliches Krankenversicherungs-Wettbewerbsstärkungsgesetz; meine Zunge muss sich erst wieder entknoten – bestehen und natürlich auf der Hand liegen.

Und jetzt, meine Damen und Herren von der Linksfraktion, kommt Ihr weiterer Irrtum. Die Staatsregierung hat die Interessen vertreten und macht das nach wie vor.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Warum hat sie die Interessen vertreten? Weil sie bereits im Jahre 2006 genau auf diese Probleme und Risiken reagiert hat, als sie nämlich im Bundesrat gegen das GKV-WSG votierte, und zwar als einziges Bundesland in der gesamten Bundesrepublik. Das muss nach anderthalb Jahren ganz deutlich gesagt werden; so ehrlich müssen wir miteinander umgehen.

Sachsen war das einzige Bundesland, das durch die Einbringung von Anträgen im Bundesrat ebensolche möglichen negativen Folgen auch auf unseren Freistaat Sachsen abwenden wollte. Dabei machte sie ganz besonders auf das Problem mit der Einführung des Gesundheitsfonds aufmerksam, der der absolute Kernbestandteil dieser Gesundheitsreform ist. Zu diesen Problemen oder zu diesen Kritiken bzw. Kritikpunkten zählen unter anderem laut damaliger Begründung – und diese gilt nach wie vor –: die Entwicklung in Richtung staatlicher Einheitskassen; weiterhin damit die Einschränkung der Wettbewerbsmöglichkeiten der Krankenkassen untereinander; eine deutliche Steigerung der Beitragssätze besonders für unsere sächsischen Krankenkassen; die Gefahr der Abwanderung eines guten Versicherungspotenzials, das heißt von jungen und gesunden Versicherten aus den gesetzlichen Krankenversicherungen in die privaten Krankenversicherungen; eine schwerere Nachvollziehbarkeit des Leistungsangebotes und die Tatsache, dass die sächsischen Versicherten zu Zahlern für Versicherte und Leistungserbringer in anderen Bundesländern werden.

Darauf hat die Staatsregierung schon damals aufmerksam gemacht. Aber sie war die einzige Gegenstimme.

Nach der Verabschiedung im Bundestag war natürlich der Bundesrat angerufen. Fairerweise muss man sagen: Leider hat aus der CDU/CSU-Bundestagsfraktion nur ein ganz geringer Teil der Abgeordneten gegen das Gesetz

votiert. Darunter waren, ich glaube, zwei oder drei Abgeordnete aus Sachsen. Das war weitsichtig, aber es hat nicht gereicht.

Deshalb hat die Staatsregierung im Bundesrat ihr Gegenvotum eingebracht, weil sie die Risiken sah. Aber sie war allein auf weiter Flur. So gilt seit 01.01.2007 dieses Gesetz. Es gilt seit einem Jahr und fünf Monaten. Ihre Anträge, meine Damen und Herren der antragstellenden Fraktionen, liegen praktisch eineinhalb Jahre zu spät auf dem Tisch. Das muss ganz klar gesagt werden.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Es bedarf folglich nicht mehr Ihrer Anträge für ein ganz normales und längst beendetes Verfahren der Gesetzgebung. Die hätten sie damals stellen müssen. Jetzt muss anders reagiert werden. Das ist richtig.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Das späte Erwachen anderer Bundesländer im Laufe dieses Jahres nehmen wir mit Sicherheit nicht mit Häme, sondern mit Bedauern zur Kenntnis. Es hätte uns in eine ganz andere Situation gebracht, wenn bereits 2006 diese Länder im Bundesrat anders votiert hätten.

Meine Damen und Herren! Die Möglichkeiten einer eventuellen Verschiebung des Gesundheitsfonds, wie sie hier von der FDP angestoßen werden, sind leider nur noch auf politischer Ebene in Richtung Bundestag zu suchen. Das ist keine Frage.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Letzten Samstag hat der Landesparteitag der CDU einen Antrag angenommen und verabschiedet, der an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion weitergeleitet wird. Dieser Antrag enthält Folgendes: Er zeigt auf, dass der Gesundheitsfonds mit wirtschaftlichen Risiken für unsere sächsischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbunden ist, und bittet deshalb zu überprüfen, ob eine Verschiebung des Starts möglich ist. Er weist darauf hin, dass die finanzielle Konstruktion des Gesundheitsfonds überarbeitet werden muss und dass die wirtschaftlichen Probleme, die auf die Arbeitgeber, aber auch auf die Arbeitnehmer in Sachsen zukommen, ernst genommen werden müssen.

(Sven Morlok, FDP, und Caren Lay, Linksfraktion, stehen am Mikrofon.)

Gestatten Sie zwei Zwischenfragen?

Meine Damen und Herren der FDP-Fraktion, diesen Weg können Sie selbstverständlich auch nutzen. – Bitte.

Herr Morlok hatte sich zuerst gemeldet; bitte.

Frau Kollegin, halten Sie es nicht für sinnvoll, wenn der Sächsische Landtag möglicherweise mehrheitlich – ähnlich wie der CDU-Landesparteitag –

erkennt, dass Risiken und Probleme mit einer Gesetzgebungsmaterie auf Bundesebene verbunden sind, dies sinnvollerweise durch Beschluss hier kundtut und damit deutlich Druck macht, Änderungen auf Bundesebene herbeizuführen.

(Beifall der Abg. Regina Schulz, Linksfraktion)

Das, was Sie auf dem Parteitag getan haben, könnte doch eine Variante sein, die wir als Parlament hier auch wählen.

Es könnte eine Variante sein; das ist vollkommen richtig. Nur, die Variante, die Sie heute vorschlagen, ist schon vor eineinhalb Jahren im Bundesrat auf ganz normalem, gesetzlichem Weg durch die Staatsregierung gewählt worden. Komischerweise – und das sei in Richtung Linke gesagt – hat nicht einmal ein linksmitregiertes Bundesland darauf reagiert und jetzt ist das Geschrei ganz groß. Jetzt, im Nachhinein, wenn das Kind fast im Brunnen liegt, ist Geschrei natürlich immer angenehm.

Wissen Sie, was Sie ärgert? – Dass wir als sächsische CDU bzw. als Koalition schneller waren.

(Beifall bei der CDU)

Frau Lay, bitte.

Frau Kollegin, sind Sie bereit zuzugeben, dass der Gesetzentwurf, der zur Einführung des Gesundheitsfonds die Grundlage bildet, mehrheitlich unter einer CDU-geführten Regierung verabschiedet wurde?

Das steht doch außer Frage. Aber deshalb ist es doch rechtens, dass diejenigen, die Probleme mit dem Gesetz haben – sprich: der Freistaat Sachsen – bzw. zum richtigen Zeitpunkt im Gesetzgebungsverfahren –, handeln.

(Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)