Deshalb ist es klar, dass der Zusatzbeitrag als Kopfpauschale erhoben werden wird und dass damit vor allem Geringverdiener belastet werden.
Zudem wird der Zusatzbeitrag vor allem Mitglieder von Kassen treffen – trotz Risikostrukturausgleich –, die viele chronisch Kranke und alte Versicherte haben. Für deren Leistungsausgaben wird der Einheitsbeitrag im Fonds auf längere Sicht nicht ausreichen. Außerdem ist zu erwarten, dass künftige Ausgabensteigerungen im Gesundheitswesen über diese kleine Kopfpauschale mitfinanziert werden, und deshalb wird daraus eine große Kopfpauschale werden. Wir können noch gar nicht absehen, welche Konsequenzen dieser Fonds für Versicherte, Arbeitgeber und Leistungserbringer haben wird. Was aber klar ist: Er schwächt die Solidarität.
Was noch passieren wird: Die Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit diesem Fonds werden Politiker und Akteure des Gesundheitswesens über Jahre beschäftigen und sie davon abhalten, sich den wirklichen Zukunftsfragen in diesem Bereich zu stellen.
Aus diesen Gründen sollte der Gesundheitsfonds nicht eingeführt werden. Er leistet keinen Beitrag, um die gesetzlichen Krankenkassen nachhaltiger und gerechter zu finanzieren. Die Privatversicherten bleiben nach wie vor außen vor, die Bemessungsgrundlage für die Krankenversicherungsbeiträge wird nicht verbreitert, ein Solidarausgleich bleibt weiterhin auf Durchschnitts- und Geringverdiener beschränkt. Es werden einseitig Erwerbseinkommen aus abhängiger Beschäftigung und Erwerbsersatzeinkommen belastet und Kapitaleinkünfte bleiben weiterhin beitragsfrei. Der Gesundheitsfonds ist eine klassische Schimäre. Es ist ein Mischwesen, das nicht lebensfähig ist.
Liebe Kollegen, wir wollen nicht, dass die Höhe des Krankenkassenbeitrages politisch entschieden wird. Wir wollen nicht, dass dies zentral geschieht und damit Beiträge in die Höhe getrieben werden. Der Beitragssatz 2009 soll, wie es jetzt vorgesehen ist, so hoch gewählt werden, dass mit den Beitragseinnahmen die Ausgaben vollständig finanziert werden können. Das bedeutet für AOK- und IKK-Versicherte in Sachsen eine Beitragserhöhung. Zudem wird eine Kasse mit vielen Kranken und mit besonders hohem Versorgungsbedarf unter ihren Mitgliedern schon 2009 den Zusatzbeitrag, also diese
kleine Kopfpauschale, erheben müssen. Das lehnen wir GRÜNEN ab. Wir stimmen deshalb dem Antrag der Linksfraktion in beiden Punkten zu.
Beim Antrag der FDP-Fraktion haben wir im zweiten Punkt mit dem wettbewerbsorientierten Gesundheitssystem ein Problem, weil wir gar nicht wissen, worauf Ihre Wettbewerbsorientierung zielt. In der Begründung sagen Sie: gute Leistung zu günstigen Preisen, und die günstigsten Preise hat eine Kasse mit Versicherten, die jung und wenig krank sind. Wenn Ihr Wettbewerb so aussieht, dann können wir dem nicht zustimmen. Deshalb bitten wir an dieser Stelle um punktweise Abstimmung und werden dem zweiten Punkt des FDP-Antrages nicht zustimmen können.
Ich denke, es ist schon genügend debattiert worden: Es gibt eine Lösung, und die Lösung heißt Bürgerversicherung. Die Inhalte dieser Bürgerversicherung sind in meinem Beitrag angeklungen. Das wäre eine wirkliche zukunftsfähige Finanzierung für die gesetzlichen Krankenkassen.
Gibt es weiteren Redebedarf? – Das ist im Moment nicht der Fall. Dann bitte ich die Staatsregierung, Frau Ministerin Orosz.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den einzelnen Redebeiträgen ist deutlich geworden, dass das Thema Gesundheitsfonds ein hoch kompliziertes und komplexes Thema ist; denn nicht anders kann ich es mir erklären, dass hier doch von dem einen oder anderen anscheinend missverständliche Ungereimtheiten zu Verzerrungen führen.
Sehr geehrter Herr Wehner, noch einmal auf Ihre Aussage bezüglich der Beantwortung des Antrages und der von Ihnen zitierten Pressemitteilung zurückkommend: Das sind zwei verschiedene Schuhe. In Ihrem Antrag haben Sie die Annahme dargelegt, dass der Fonds das Problem darstellt. Das ist insoweit nicht ganz exakt, als Sie daraus schließen, dass meine Pressemitteilung eine diametral entgegenstehende Aussage beinhalten würde. Das ist deswegen nicht so, weil in Ihrem Antrag der Gesundheitsfonds im Mittelpunkt steht mit einer Vielfalt von Facetten, die ich mir erspare aufzuzählen, die von uns beantwortet worden sind, während es in der Pressemitteilung einzig und allein um die Konvergenzklausel ging.
Das ist eine in sich andere Facette in der Wirkungsweise, aber in Gänze natürlich Teil des Gesetzes. Man kann diese beiden Dinge ganz einfach nicht miteinander in Verbindung bringen, und insoweit ist es keine andere Auffassung, sondern die korrekte Auffassung und die klare Ursachenbeschreibung; dazu komme ich noch.
Das Thema Gesundheitspolitik und damit Gesundheitsfonds ist ein kompliziertes Uhrwerk. Wer hier etwas
Das, meine Damen und Herren Antragsteller, habe ich genau in Ihrem Antrag vermisst; aber anscheinend tickt – wenn ich das einmal so sagen darf – Ihre politische Uhr etwas anders. Ich möchte Ihnen das erklären. Zum einen: Ihr Antrag kommt zu spät, wie viele meiner Vorredner schon festgestellt haben; denn seit über einem Jahr ist das Wettbewerbsstärkungsgesetz in Kraft. Es mag ja sein – das will ich Ihnen gern glauben –, dass Sie erst jetzt erkannt haben, wie einzelne Bestandteile der Gesundheitsreform zu bewerten sind;
aber die politischen Verfahrensweisen und tatsächlichen Zusammenhänge sind Ihnen trotzdem – so habe ich es bisher zumindest gehört – nicht ganz klar, und das ist halt schwierig.
Zweitens: Ihr Antrag ist unpräzise. Wie sonst kann man sich Ihre Verknüpfung zwischen den Themen Gesundheitsfonds und Bürgerversicherung erklären? – Auch zwei verschiedene Themen. Die Diskussion, ob die Bürgerversicherung geeignet ist, die Finanzierungsprobleme der gesetzlichen Krankenkassen zu lösen, ist müßig; die Diskussion wurde vor über zwei Jahren geführt und – wie wir inzwischen wissen – ergebnislos beendet; das Modell hat keine Mehrheit gefunden.
Drittens: Die Begründung Ihres Antrages zeigt, dass Sie die Grundlagen und damit die Folgen des Fonds nicht in Gänze verstanden haben; ich habe schon auf die unterschiedlichen Facetten hingewiesen. Auch der Gesundheitsfonds führt als Kapitalsammelstelle – der Begriff ist von mehreren Rednerinnen und Rednern schon gefallen – eben nicht zur Beitragserhöhung. Krankenkassen müssen zu hohe Mittelzuweisungen im Wege von Beitragserstattung an ihre Mitglieder zurückzahlen; und Zusatzbeiträge sind auch nicht unsolidarisch, da dies auf ein Prozent des Haushaltseinkommens der Versicherten beschränkt ist. Nur durch ein Zurückdrehen der Zeit – so wie Sie es wahrscheinlich im Auge haben – lässt sich ein bereits beschlossenes Gesetz nicht ändern; ich hoffe da zumindest auf Ihre Akzeptanz.
Wenn ein Gesetz geändert werden soll – das ist in der Tat auch in Deutschland möglich –, dann muss man triftige Argumente anführen, Argumente, die präzise formuliert sind und die tatsächlichen Folgen eines Gesetzes aufgreifen; und man muss Mehrheiten finden. Dafür ist auch Ihr Antrag nicht geeignet.
Ich komme zum FDP-Antrag, einem Antrag, der der Komplexität des Gesundheitsfonds aus meiner Sicht schon eher gerecht wird. Sachsen ist durch den bundesweit einheitlichen Beitragssatz des Gesundheitsfonds, verbunden mit weiteren Änderungen, tatsächlich überproportional belastet – hier gibt es keine andere Auffassung
; die Beitragssatzerhöhung sächsischer Beitragszahler beträgt bis zu 20 %. Die Belastung hat, wie wir wissen, zwei Ursachen.
Erstens. Die eben von mir zitierte Konvergenzregelung reduziert die Beitragserstattung und die Arbeitgeber erhalten keine Beitragserstattung. Auch hier noch einmal zur Erinnerung: Der Freistaat hat im Bundesrat beantragt, dass auch Arbeitgeber an den Beitragserstattungen teilhaben sollten. Allerdings haben wir dafür keine Mehrheit erhalten. Wie Sie wissen, hat Sachsen der Gesundheitsreform im Bundesrat nicht zugestimmt. Je näher der Start des Gesundheitsfonds rückt, desto stärker zeigt sich, wie recht wir damals hatten. Der Gesundheitsfonds als Sammelstelle für alle Beitragsmittel wirkt zwar finanziell neutral – und das ist der Unterschied zu Ihrer Auffassung, Herr Wehner –, ist aber als Kombination aus einem bundeseinheitlichen Beitragssatz und Zuweisungen an die Kassen durch den Bund gefährlich. Man könnte jetzt noch die einzelnen Auswirkungen beschreiben.
Hier wird in der Tat das Versicherungsprinzip der gesetzlichen Krankenversicherung, wonach die Ausgaben durch Einnahmen gedeckt werden müssen, durch staatliche Vorgaben für die Ausgabenobergrenze ersetzt. Die Kassen verlieren so ihre Steuerungsfähigkeit. Was übrig bleibt, ist lediglich ein Wettbewerb, der aber nur noch aus Sparen besteht. Er wird durch die Beschränkung der von mir schon genannten Zusatzbeiträge auf 1 % des Haushaltseinkommens eines Versicherten, die sogenannte Überforderungsklausel, und durch die sogenannte Konvergenzklausel weiter eingeschränkt. Die Überforderungsklausel ist problematisch, weil sie den Wettbewerb zwischen den Kassen deutlich einschränkt. Versicherte haben damit keinen Anreiz, in eine teurere Kasse zu wechseln, sofern sie nicht teilweise die Folgen selbst tragen.
Zweitens. Die Konvergenzregelung führt dazu, dass sächsische Versicherte wegen ihres bisher niedrigen Beitrags- und Leistungsausgabenniveaus ein höheres Ausgabenniveau in anderen Bundesländern mitfinanzieren. Das Abführen der sächsischen Mehreinnahmen an andere Länder – wie ab 2009 geplant – schmälert also die mögliche Beitragserstattung der sächsischen Versicherten. Das, Herr Wehner, war meine Aussage in der Presse, zu der ich auch heute stehe, denn sie ist korrekt.
Die Subventionierung von Ländern mit höheren Ausgaben durch solche mit kostengünstigeren Strukturen widerspricht nicht nur in eklatanter Weise dem Wettbewerbsprinzip, sondern auch dem Ordnungsprinzip der GKV. Auch das ist nicht neu. Hinzu kommt: Die gesetzlich vorgeschriebene Unterdeckung des Gesundheitsfonds in den Folgejahren nach der Einführung, die allein in den Händen der Bundesregierung liegt, wird die Situation verschärfen. Wir kennen diese Auswirkungen noch nicht, aber wir vermuten zumindest eben Gesagtes.
Ich komme zu weiteren wichtigen Rechengrößen bei Einnahme- und Ausgabepositionen. Die Auswirkungen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs, die
meine Kollegin Dr. Schwarz nannte, sind eine weitere Facette im Fonds – nicht zu verwechseln mit Konvergenz und mit dem Fonds an sich. Hier geht es um eine Weiterführung und Ergänzung des Risikostrukturausgleichs. Frau Dr. Schwarz, hier sind wir solidarisch miteinander im Verbundsystem, aber solidarisch heißt nicht nur, dass der Freistaat Mittel auf diesem Wege erhalten hat, sondern dass wir jetzt schon enorme Mittel an andere Länder gezahlt haben. Ich denke an 60 Millionen Euro pro Jahr nach Berlin, aber auch an andere Länder. Diese Solidarität war jetzt schon keine Einbahnstraße in Richtung Sachsen. Von daher ist dieser Vergleich, der uns immer von der Bundesregierung vorgehalten wird, dass Sachsen einerseits den RSA erhält, der morbiditätsabhängig unsere Demografie abbildet und mit guten Gründen eine Aufstockung erfährt, und andererseits die Ausgabesituation in der Konvergenzklausel ausgleichen würde, nicht richtig. Deswegen sagen wir: Vor diesem staatlich verordneten Blindflug können Krankenkassen im Startjahr des Gesundheitsfonds keine vernünftige Haushaltsplanung betreiben.
Wir müssen also versuchen, sächsische Interessen deutlich zu kommunizieren. Aus unserer Sicht ist es erforderlich, die Konvergenzregelung zu streichen, da sie eindeutig zulasten der sächsischen Beitragszahler und damit auch der Arbeitgeber geht. Der Gesundheitsfonds und die Konvergenzregelung sind aber, wie wir wissen, Gesetz und auch wir haben leider das Zustandekommen nicht verhindern können. Deswegen setzt sich die Sächsische Staatsregierung dafür ein, alle Mittel auszuschöpfen, um den Gesundheitsfonds nicht unter diesen Bedingungen einzuführen, vor allen Dingen die Umsetzung der Konvergenzklausel nach den augenblicklichen Vorschlägen zu verhindern. Ich darf noch ergänzen, warum erst jetzt diese Aussage kommt. Wir haben vor wenigen Wochen ein Gutachten, beauftragt von der zuständigen Bundesministerin, in die Hand bekommen. Das Gutachten hat fast eins zu eins die Befürchtungen Sachsens wiedergegeben. Deshalb können wir jetzt erst auf diese Situation reagieren.
Zu unserem Bedauern ist es schwierig, jetzt ein handlungsfähiges Konzept für eine sächsische Lösung auf den Weg zu bringen. Wir sind aber überzeugt, dass die Konvergenzregelung in ihrer jetzigen Ausprägung verfassungswidrig ist. Daher lassen wir die Aussichten eines dagegen gerichteten Normenkontrollantrages prüfen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst vielen Dank für die Debatte. An der Stelle erfahren wir immer und immer wieder, dass nicht sein kann, was nicht sein darf.
Im Übrigen, Frau Strempel, reden wir nicht erst jetzt darüber. Seit ich 2004 in den Landtag kam, haben wir regelmäßig Probleme der gesetzlichen Krankenversicherung und der Gesundheitsversorgung auf der Tagesordnung. Das werden mir die Kollegen bestätigen. Was die Frage des Gesundheitsfonds betrifft, möchte ich daran erinnern, dass wir auch im Jahr 2006 schon darüber diskutiert haben. Wenn ich es recht in Erinnerung habe, hat selbst Frau Hermenau im Rahmen einer Aktuellen Debatte gesagt: Der kommt nicht. Deshalb ist es wichtig, immer wieder daran zu erinnern.
Und, Frau Orosz: Ich bin nicht dafür verantwortlich, wie die Medien Sie wiedergeben, aber Sie werden im Zusammenhang mit den Beitragserhöhungen und gerade im Zusammenhang mit dem Gesundheitsfonds so zitiert. Sie hätten die Chance gehabt, das richtigzustellen. Worüber reden wir überhaupt? Was machen wir den sächsischen Bürgerinnen und Bürgern überhaupt weis? Die Bürger können es nicht wissen. Frau Schütz, Ihre Äußerungen bezüglich des Morbiditäts-RSA waren ein bisschen daneben, denn der Versicherte ist nicht a priori ein Dummer, oder? Die Problematik Morbiditäts-RSA ist sehr wohl kompliziert und komplex.
Ich bin der Meinung, wir vertun hier wieder mal eine Chance. Im Grunde genommen, das merken wir alle, sind Sie dafür, dass der Gesundheitsfonds auf den Prüfstand gehört.
Frau Dr. Schwarz, ich bin nicht der Meinung, dass wir eine Erprobungsphase oder eine stufenweise Eingliederung machen sollten. Die Einführung des Fonds gehört generell noch einmal auf den Prüfstand, auch die Frage der Entschuldung der Krankenkassen und dergleichen mehr. Es lässt sich nicht vermeiden, dass es zu Beitragserhöhungen und damit zu Belastungen der Versicherten kommt. Besonders betroffen werden die chronisch Kranken, die Arbeitnehmer und die Rentner sein. Das sollten wir insgesamt verhindern.
Alle, die dabei waren, werden wohl auch mitgehört haben, dass es speziell in Finnland ein völlig anderes System im Bereich der gesundheitlichen Betreuung der Menschen gibt. Man kann das überhaupt nicht als unsolidarisch bezeichnen, ganz im Gegenteil.
(Beifall bei der FDP und der Linksfraktion) Da sollten wir einmal genau hinsehen und das möglicherweise bei uns wahr machen, denn Wettbewerb hat im Gesundheitswesen nichts zu suchen. Insofern sollten wir wirklich für eine Reform im Bereich der Gesundheitsversorgung eintreten. Was bisher dafür auf dem Plan ist, reicht dazu nicht aus. Der Gesundheitsfonds, so wie er derzeit angedacht ist, gehört einfach auf den Prüfstand. Nichts weiter will der Antrag. Also stimmen Sie zu. Vielen Dank. (Beifall bei der Linksfraktion)