Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

Herr Gerstenberg, wie viele Millionen Euro planen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für den Doppelhaushalt 2009/2010, um diese Infrastrukturlücke zu schließen?

Herr Staatsminister Jurk, ich bin hier in diesem Saal immer wieder aufgefordert worden, den Haushaltsberatungen nicht

vorzugreifen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir diese politischen Forderungen, die wir ja aufstellen, auch in den Haushaltsverhandlungen haushaltsmäßig untersetzen werden.

Ich wollte Sie gerade loben. Immerhin hat Wirtschaftsminister Jurk erkannt, dass es Wirtschaftlichkeitslücken gibt und dass diese durch öffentliche Investitionsförderung geschlossen werden müssen.

Die Förderpraxis ist jedoch aufgrund der Kleinteiligkeit höchst problematisch. Der Antrag der Linksfraktion geht aus unserer Sicht in die richtige Richtung, auch wenn er nicht alle relevanten Punkte berührt und insbesondere hinsichtlich der öffentlichen investiven Förderung hinterfragt werden muss. Wir stimmen diesem Antrag aber zu. Der vorliegende Koalitionsantrag beschließt zur Hälfte, was schon geschieht, und schlägt zur anderen Hälfte Prüfaufträge vor, wo konkrete Maßnahmen dringend gefragt sind. Deshalb haben wir unseren Änderungsantrag vorgelegt.

Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der zunehmenden Förderung des Breitbandausbaus in anderen Bundesländern kann ich die Koalition nur aufrufen, sich nicht mit den heute vorgelegten Maßnahmen zufriedenzugeben. Immer mehr Bundesländer sind sich des Wettbewerbsnachteils einer mangelhaften Breitbandversorgung bewusst geworden, und sie legen viel engagiertere Programme auf. Das muss für uns der Maßstab sein. Eine weitere Zurückhaltung hingegen droht zum echten Wettbewerbsnachteil für Sachsen zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Danke schön. Gibt es seitens der Fraktionen weiteren Aussprachebedarf? – Das sehe ich nicht. Von der Staatsregierung spricht Herr Prof. Wöller, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die weitere Entwicklung des ländlichen Raumes hängt entscheidend vom Zugang zu leistungsfähigen Kommunikationssystemen ab. Ohne schnelles Internet ist der ländliche Raum nicht zukunftsfähig.

Für viele sächsische Unternehmer ist der Breitbandanschluss inzwischen so wichtig wie eine gut ausgebaute Straße. Ich kann beispielsweise eine Apotheke oder ein Reisebüro nicht auf dem Land halten, wenn beide jeweils eine halbe Stunde benötigen, um ihre Aufträge vom Rechner aus abzuschicken. Wer schon weite Wege in Kauf nimmt, braucht wenigstens einen schnellen Anschluss an die Datenautobahn.

Die Sächsische Staatsregierung hat daher bereits Anfang 2007 erste Überlegungen für ein Förderprogramm angestellt. Im Ergebnis wurde die Initiative „Sachsen macht sich breit(bandig)“ gestartet. Ich freue mich, dass wir gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium diesen Weg gefunden haben, um die Breitbandkluft zwischen Stadt

und Land deutlich zu verringern. Wir haben gemeinsam in einer Arbeitsgruppe nach einem Weg gesucht, der nicht so sehr in einen weitestgehend funktionierenden Markt eingreift und zudem technologieneutral ist. Herzlichen Dank, Herr Kollege Jurk, an Sie und an Ihr Haus für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

(Beifall bei der CDU)

Grundlage unseres Förderprogramms ist die Tiefenuntersuchung zur Breitbandinternetversorgung mit zwölf exemplarisch ausgewählten Orten des Freistaates Sachsen. Nach unserem Wissen gibt es keine vergleichbare Studie, die derart detaillierte und vor allem umsetzungsorientierte Informationen bereitstellt. Interessant war für mich, dass sich bei knapp der Hälfte der befragten Dörfer die Investitionen für eine Breitbandversorgung rechnen können. Die Studie stellt auch klar, dass es keinen Königsweg gibt. Jedes Dorf bedarf einer individuellen Lösung. Sie ist unabhängig von der Einwohnerzahl, der Zahl der potenziellen Nutzer, der Siedlungsstruktur, der Topografie und der technologischen Ausgangssituation. Diese Lösung muss das Dorf selbst finden. Wir geben dabei Hilfestellung.

Das SMUL fördert seit dem 13. Mai nichtinvestive Maßnahmen wie Bedarfs- und Verfügbarkeitsanalysen und Informationsveranstaltungen. Dort, wo sich durch diese Untersuchungen herausstellt, dass sich ein flächendeckender Breitbandanschluss für den Anbieter nicht rechnet, soll Teil zwei unserer Förderung greifen. Diese Wirtschaftlichkeitslücke wollen wir mit investiven Maßnahmen schließen.

Meine Damen und Herren! Während DIE LINKE noch damit beschäftigt ist, politische Forderungen aufzustellen, hat die Staatsregierung längst gehandelt.

(Zuruf von der Linksfraktion: Wir auch!)

Unsere Studie hat in den untersuchten Orten und Ortsteilen eine Wirtschaftlichkeitslücke in der Größenordnung von durchschnittlich 40 000 Euro ermittelt. Allein für dieses Jahr stehen uns für die Förderung von Initiativen zur Verbesserung der Breitbandversorgung aus dem Bundeshaushalt einschließlich der Kofinanzierung aus dem Landeshaushalt rund 930 000 Euro zur Verfügung. Diese Mittel kommen zum Budget der integrierten ländlichen Entwicklung hinzu. Ich betone es noch einmal entgegen den Äußerungen von Herrn Hilker: Dies ist kein Limit für eine Förderung, sondern die Förderung ist ausdrücklich so gestaltet, dass sie nach oben hin offen ist, meine Damen und Herren.

Darüber hinaus können die ILE- oder LEADER-Regionen bis 2013 für die Breitbandförderung auch ELER-Mittel einsetzen. Für die investiven Maßnahmen ist noch eine beihilferechtliche Genehmigung der Europäischen Kommission erforderlich. In der letzten Woche fand dazu ein Gespräch in Brüssel statt. Ich bin zuversichtlich, dass der Genehmigungsprozess demnächst abgeschlossen werden kann. Wir hoffen, dass wir dann sowohl den Kommunen als auch nicht gewerblich tätigen Vereinen sowie kleinen

und mittelständischen Unternehmen einschließlich Antennengemeinschaften unter die Arme greifen können. Sowohl die nicht investiven als auch die investiven Maßnahmen können mit 60 % bezuschusst werden. Damit schafft der Freistaat beste Voraussetzungen, um die derzeitigen Versorgungslücken auf dem Land zu schließen.

Bereits durch unsere Ankündigung, meine Damen und Herren, kommen die Dinge in Bewegung; Kollege Heidan hat das hier eindrucksvoll ausgeführt. So gibt es in ersten Kommunen private Anbieter, die die Versorgung ohne staatliche Förderung angehen wollen. Die Initiative „Sachsen macht sich breit(bandig)“ wird sogar noch ein drittes Standbein bekommen. In Kürze richten wir eine Beratungsstelle ein, die die Zuwendungsempfänger bei technischen Fragen und der Förderung unterstützen wird. Wir bieten damit sowohl den Kommunen als auch den anderen Akteuren eine kompetente Anlaufstelle, die den gesamten Prozess begleiten wird.

Meine Damen und Herren! Jede Kommunalverwaltung, die es wünscht, erhält mit dem neuen kommunalen Datennetz II, das im Rahmen des neuen Sächsischen Verwaltungsnetzes SVN aufgebaut wird, beginnend ab 1. Oktober 2008, einen bedarfsorientierten, breitbandigen Netzanschluss. Der Basisanschluss jeder Kommunalverwaltung wird dabei zentral aus FAG-Mitteln finanziert.

Die Breitbandversorgung berührt auch das Thema Grundversorgung. Es gibt auf den unterschiedlichsten Ebenen Forderungen, politisch aktiv zu werden, um die Bereitstellung eines Breitbandanschlusses als Grundversorgung gesetzlich zu verankern. Wer sich mit der Materie beschäftigt, weiß, dass es hier nur eine Antwort im europäischen Kontext geben kann und dass dabei noch viele offene Fragen zu klären sind; denn Universaldienstleistungen werden durch die Europäische Union definiert. Dort muss zum Beispiel eine sachlich angemessene und konsensfähige Definition des Begriffes Breitband gefunden werden – genauso wie eine Bewertung der möglichen Marktrisiken für Leistungsanbieter.

Daher begrüßt die Sächsische Staatsregierung den Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion,

(Ah-Rufe von der Linksfraktion)

hier zunächst die Chancen und Risiken der Einbeziehung der Breitbandanschlüsse in die Grundversorgung zu prüfen.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: So ein Zufall!)

Hierbei werden auch die Ergebnisse aus der Überprüfung der Universaldienstrichtlinie einzubeziehen sein, die von der Europäischen Kommission wohl noch gegen Ende dieses Jahres eingeleitet werden wird.

Bevor wir aber über weitere Gesetzesänderungen sprechen, sollten wir die bestehenden Rahmenbedingungen ausnutzen. Mit der Initiative „Sachsen macht sich breit(bandig)“ sind wir auf dem richtigen Weg. Damit

schließen wir die Breitbandkluft und räumen der Entwicklung im ländlichen Raum gleiche Chancen ein.

Der Antrag der Linken ist damit hinfällig. Dem Antrag der CDU- und der SPD-Fraktion stimme ich ausdrücklich zu.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, vereinzelt bei der SPD und der Staatsregierung)

Das war die Staatsregierung. Meine Damen und Herren, ergibt sich daraufhin noch einmal Aussprachebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Damit kommen wir zu den Schlussworten. Herr Heidan, Sie sind schon angekündigt; Sie sprechen für die Koalition.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das wissen wir noch nicht! – Leichte Heiterkeit)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat es eindrucksvoll belegt, worauf wir großen Wert legen müssen, und Staatsminister Prof. Wöller hat es gerade noch einmal deutlich gemacht: Information, Veranstaltungen, Unterrichtungen, Bedarfsanalysen – das ist der richtige Weg, um festzustellen, wo die Dinge noch zu regeln sind; und dann lassen Sie bitte den Wettbewerb sprechen. Der Wettbewerb wird es regeln.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Das hat die Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes in den letzten Jahren gezeigt. – Herr Porsch, beruhigen Sie sich doch bitte. An dieser Stelle hat doch vor Jahren noch niemand geglaubt, dass wir einmal so weit kommen, wie wir heute schon sind; was in den letzten Jahren in Gesamtdeutschland oder in Europa geschaffen worden ist.

Die Kosten – das müssen wir auch noch einmal deutlich machen – haben Sie, Herr Gerstenberg, in Ihrem Antrag nicht benennen können; und adäquat ist es das Gleiche, was ich vorhin Herrn Hilker mit meiner Zwischenfrage gefragt habe: Benennen Sie doch einmal die Kosten. Sie können sie nicht belegen, und diese Aktivitäten sind letztlich gar nicht notwendig, weil wir in diesem Bereich Wettbewerb zulassen müssen.

Noch einen Satz zu den Ausführungen von Herrn Petzold von der NPD: Ich will hoffen, dass die Bürger nicht so viel herunterladen von dem Müll, den Sie hier verbreitet haben.

Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag und um Ablehnung des Antrages von der Linksfraktion.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Stefan Brangs, SPD, und bei der Staatsregierung)

Danke. – Das zweite Schlusswort zu dem zweiten Antrag spricht Herr Hilker für die Linksfraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon spannend, Herr Heidan: Das letzte Argument, das Sie gegen unseren Antrag verwenden können, ist, dass wir die Kosten nicht genau benennen können. Dann frage ich Sie aber: Können Sie denn für Ihre Vorschläge die Kosten genau benennen? Herr Minister Wöller hat auch keine Kosten benannt; er hat gesagt, er hat einen nach oben offenen Etat für diesen Bereich. Was mich schon verwundert, denn ich glaube, der Etat ist begrenzt; es stehen nicht unendlich Mittel zur Verfügung. Dies zeigt, dieses Argument zieht zumindest nicht, um unseren Antrag abzulehnen.

(Beifall der Abg. Caren Lay und Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Sie haben noch einmal darauf verwiesen, dass Sie Studien und Informationsveranstaltungen wollen und dass Sie dann darüber reden wollen, ob Sie handeln. Sie wollen also reden und reden und Papier wälzen. Wir wollen, dass gehandelt wird, und dies möglichst schnell.

Deshalb stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Das waren die Schlussworte. Meine Damen und Herren, wir nähern uns der Abstimmung. Nun gibt es einen Änderungsantrag seitens der Fraktion der GRÜNEN. Herr Dr. Gerstenberg, Sie wollen ihn begründen; bitte.