Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, warum man sich einer solchen Debatte auf einmal so hartnäckig verweigert. Offensichtlich ist nur die Staatsregierung in der Lage, die Sicherheitslage in diesem Land zutreffend zu beurteilen und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Alles andere ist entweder Panikmache oder hat überhaupt keinen Gehalt.
Herr Bandmann, warum lehnen Sie es ab, der Forderung nachzugehen, dass ein Ort innerhalb von 10 Minuten von der Polizei erreicht werden muss? Warum tun Sie das? 10 Minuten sind im Rettungsdienst angesagt. Warum ist das nicht auch für die Polizei eine machbare Größe? Ich sage Ihnen eines: Das Sicherheitsbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ist so, dass diese sagen: Innerhalb von 10 Minuten oder einer Viertelstunde kommt die Polizei, wenn ich sie anrufe.
In der Tat ist es so, wenn Bürger nachts beobachten, wie an der Gaststätte gegenüber der Zigarettenautomat von der Wand gebrochen wird und sie die Polizei anrufen, dass diese dann Unverständnis haben, wenn sie feststellen, dass die Polizei länger braucht, um bei ihnen zu sein, als der Pizzabringdienst.
Herr Dr. Martens, Sie haben den Eindruck vermittelt, als ob ich es ablehnen würde, dass die Polizei in 10 Minuten oder möglicherweise schneller vor Ort ist. Was Sie in Ihrem Antrag begehren, ist, zusätzliche Polizeidienststellen einzurichten, die in einem Umkreis von 10 Minuten verteilt sind. Das ist etwas anderes. Der Innenminister hat Ihnen die Antwort gegeben, dass wir eine flexible Polizei brauchen.
Geben Sie mir in dieser Annahme recht, dass diese Position letztlich die effektivere ist, als hier ein stationäres System vorzusehen? Auch Kollege Brangs hat deutlich gemacht, dass mobil vor stationär geht. Geben Sie uns darin wenigstens recht?
Nein, in dieser Frage gebe ich Ihnen nicht recht, denn es geht nicht allein darum, dass der Streifenwagen da ist. Im Übrigen ist es so: In diesen Grenzbereichen kann der Streifenwagen gar nicht in 10 Minuten da sein, weil die Bestreifungsbereiche viel zu groß sind. Das wissen diejenigen, die in den Grenzbereichen unterwegs sind. Es geht nicht allein um die Erreichbarkeit der Orte durch die Streifenbesatzungen, sondern auch darum, dass der Bürger eine Polizeidienststelle in zumutbarer Entfernung erreichen kann, um dort beispielsweise den Verlust seines Fahrrades anzuzeigen.
Die Diskussion darüber ist nicht obsolet. Wenn wir ein Lagebild fordern, das tatsächlich differenziert ist, dann lässt sich das auch nicht mit dem Hinweis auf die PKS ersetzen. Es gibt Straftaten, die kontrollbedingt aufgetreten sind. Wenn sie in Grenzorten Kontrollen haben, dann stellen sie dort logischerweise eine Vielzahl von Sachen fest. Aber der einzige Grenzbezug einer solchen Straftat, wie zum Beispiel eines Waffendeliktes, ist deshalb gegeben, weil auf dem Autobahnparkplatz kontrolliert wird. Ansonsten wäre der verbotene Gegenstand bis Hannover, Leipzig oder bis nach Stuttgart durchgefahren worden. In diesem Fall handelt es sich um einen Tatbestand, der vor Ort in Görlitz festgestellt wurde, der aber keine primäre Grenzkriminalität ist, wie man sie braucht, um polizeitaktisch darauf zu reagieren. Es geht uns um mehr als nur die
Herr Dr. Martens, dass es Defizite in bestimmten Regionen des grenznahen Raumes gibt, darüber sind wir uns einig. Aber sind Sie wirklich der Meinung, dass man grundsätzlich im grenznahen Raum von einer Sicherheitslücke sprechen kann, und das nach all dem, was an Ausgleichsmaßnahmen passiert ist? Sind Sie wirklich dieser Auffassung?
Die Frage ist, ob wir tatsächlich eine Sicherheitslücke schließen können, die durch den Abzug beispielsweise der Bundespolizei und durch die Verlagerung des Zolls in die rückwärtigen Bereiche entstanden ist. Da kann man davon sprechen. Ein solches Bild – – Ich möchte es überhaupt erst einmal feststellen und nicht von vornherein, wie Sie, ausschließen, dass es irgendein Problem geben könnte. Das erleichtert es nämlich denjenigen, die hier drüben sitzen und grundsätzlich von den diffusen Ängsten der Bürger leben.
Nun zu dem, was eben von Herrn Apfel gesagt worden ist; diese Kriminalitätswelle, die Sie vermuten, ganz kurz nach der PKS: Vermögens- und Fälschungsdelikte in den Grenzbereichen von 600 auf 492 innerhalb des letzten Jahres zurückgegangen. Sonstige Straftatbestände: 1 057 im I. Quartal 2007, 938 im I. Quartal 2008. Taten gegen Nebengesetze 201 im I. Quartal 2007, 185 im I. Quartal 2008 oder Diebstahl unter erschwerten Umständen: 791 im I. Quartal 2007 und 816 im I. Quartal 2008.
Allerdings lässt sich diese statistische Steigerung bereits weitgehend dadurch erklären, dass das I. Quartal 2008 gegenüber dem I. Quartal 2007 wegen des Schaltjahres um einen Tag verlängert war.
Damit sehen Sie, wie realistisch das Gerede von der Kriminalitätswelle ist. Nein, wir wollen differenziert herangehen. Dazu brauchen wir mehr als die tägliche Lage oder die PKS. Das wollen wir haben und wir wollen anschließend eine Diskussion führen, wie wir die Präsenz in der Fläche der Polizei sicherstellen können. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.
Danke schön. – Meine Damen und Herren, das war das Schlusswort. Wir kommen somit zur Abstimmung. Ich lasse abstimmen über die Drucksache 4/12284 und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen.
Frau Ernst, Sie haben gesagt, Sie könnten. Gut, wir machen es so, also punktweise Abstimmung. Drei Punkte sind es.
Ich lasse über die Drucksache 4/12284, Punkt 1, Antrag der FDP-Fraktion, abstimmen. Wer stimmt zu? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer großen Anzahl von Jastimmen, keinen Enthaltungen, ist der Punkt 1 mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Ich lasse über Punkt 2 dieser Drucksache abstimmen. Wer stimmt zu? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Gleiches Abstimmungsverhalten. Damit ist dieser Punkt abgelehnt.
Ich lasse als Letztes über den Punkt 3 abstimmen. Bei Zustimmung bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Bei geändertem Abstimmungsverhalten, aber dennoch mit Mehrheit abgelehnt. Da alle Unterpunkte abgelehnt worden sind, erübrigt sich eine Gesamtabstimmung.
Gesundheitsschutz in Riesa durch gesetzeskonforme Auflagen für die ESF Elbe-Stahlwerke Feralpi durchsetzen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Was ist Anlass dieser nunmehr dritten Debatte zum Stahlwerk Feralpi in Riesa?
Das Regierungspräsidium hat die Erhöhung der Kapazitäten auf eine Million Tonnen Stahl am 1. August 2006
genehmigt. Die Bürgerinitiative hat vor Kurzem ihre Klage gegen die Änderung begründet. Diese Begründung kann nach meiner Beurteilung erhebliche rechtliche Bedenken gegen die Genehmigung anführen. Aus meiner Sicht wäre es trotzdem besser, wenn die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger nicht gerichtlich, sondern einvernehmlich geklärt werden könnten.
Meine Damen und Herren! Ich weiß durchaus, welchen hohen emotionalen, ja geradezu identitätsbildenden Wert das Stahlwerk für viele Riesaer hat. Es geht nicht um
einen Angriff auf das Stahlwerk, wie uns viele gern unterstellen, sondern uns geht es um nichts weniger als die Einforderung der Gleichheit aller vor dem Gesetz. Die Meinung der Mehrheit dieses Hauses ist festgezurrt. Sie glauben den Versicherungen des Ministers und des Regierungspräsidiums, dass es bei der staatlichen Überwachung des Stahlwerkes Feralpi in Riesa mit rechten Dingen zugeht. Sie hören, dass Feralpi die modernste Absauganlage in der Schmelzhalle errichtet habe, und sind beeindruckt. Am Ende ist alles ohnehin technisch und juristisch viel zu kompliziert, als dass es ein Laie verstehen könnte.
Ich möchte bei denen, die mir zuhören, ein paar Zweifel an der Richtigkeit der Genehmigungs- und Überwachungslage säen. Vergegenwärtigen wir uns den Ausgangspunkt. Im November 2005 bestätigte der damalige Umweltminister Tillich, dass seit dem Jahre 1994, seit dem Beginn des Stahlwerkbetriebes, die Grenzwerte für die krebserzeugenden Dioxine und Furane an den Schornsteinen von ESF nicht eingehalten worden sind. Ich zitiere: „Der in den Genehmigungsbescheiden festgelegte Emissionsgrenzwert für Dioxine und Furane im Abgas des Schornsteins des Elektrostahlwerkes wird seit Beginn des Stahlwerkbetriebes nicht eingehalten.“
Die Überschreitungen waren gigantisch. Der Rechtsanwalt der klagenden Bürgerinitiative trägt vor, dass bis 1999 die Grenzwerte um das 343-Fache – ich wiederhole, meine Damen und Herren: um das 343-Fache! – überschritten wurden. Er spricht davon, dass die Anlage in den Neunzigerjahren wie eine Sonderabfallbehandlungsanlage der Sechziger- und Siebzigerjahre in der BRD betrieben wurde, und das waren damals auch Dioxinschleudern.
Insgesamt hat der Freistaat Sachsen mindestens bis zum 1. August 2006, also 14 Jahre lang, massive Grenzwertüberschreitungen geduldet. Der verwaltungsrechtliche Begriff der Duldung – weil Sie sich über diesen Begriff so aufgeregt haben – meint die wissentliche Hinnahme eines rechtswidrigen Zustandes; und genau das ist hier der Fall. Die ständige Erneuerung von Auflagen des Regierungspräsidiums, die dann aber nicht durchgesetzt werden, ist de facto die Hinnahme eines bekannten rechtswidrigen Zustandes.
Durch eine Kleine Anfrage von mir ist bekannt geworden, dass das Stahlwerk mit der neuen Absauganlage im zweiten Halbjahr 2006 die an den beiden Schornsteinen gemessenen Grenzwerte eingehalten hat. Dies ist gut so, und ich begrüße das. Dennoch sind die Probleme damit keineswegs erledigt. Die Genehmigungsunterlagen legen nämlich nahe, dass die zulässige Gesamtbelastung des Stahlwerkes für die Umgebung an Feinstaub, Schwermetallen und Dioxin überschritten wird. Wenn dies zutreffen
sollte, dann wird das Grundrecht der Anwohnerinnen und Anwohner auf staatlichen Schutz ihrer Gesundheit weiterhin verletzt.
Die Argumentationslinie des Regierungspräsidiums baut auf der Behauptung auf, dass die Absaugeinrichtung des Stahlwerkes dafür sorgt, dass Emissionen nur noch aus den Schornsteinen herauskommen, und dort schienen die Grenzwerte ja eingehalten zu sein. Tatsächlich aber entstehen noch erhebliche Mehremissionen aus dem Fallwerk und aus Transportvorgängen. Insbesondere entweicht aber aus den Dachluken der Schmelzhalle regelmäßig dunkler Rauch, der offensichtlich nicht von der Absauganlage erfasst wird. Berechnungen zeigen, dass die Absauganlage kapazitätsmäßig überhaupt nicht in der Lage ist, die gesamte Abluft zu erfassen. Vielmehr ist die Anlage technologisch darauf angewiesen, dass Luft aus der Schmelzhalle nach außen über die offenen Dachluken entweicht – so ausdrücklich der Sachverständige von Feralpi im Erörterungsverfahren. Die gesamten Mängel legen nahe, dass eigentlich eine Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 der „Technischen Anleitung Luft“ hätte stattfinden müssen, was im Genehmigungsverfahren jedoch unterlassen wurde.