Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

(Beifall bei der SPD)

Deshalb erneuere ich an dieser Stelle die Forderung meiner Fraktion und auch des Koalitionspartners, unter Berücksichtigung der aktuellen und künftigen Sicherheitslage solche Qualitäts- und Leistungsstandards polizeilicher Arbeit im Freistaat Sachsen zu definieren, die eine verlässliche Personal- und Sachbedarfsanalyse für die Zukunft ermöglichen. Diese Aufgabenkritik fehlt bisher. Sie ist aber für uns, zumindest für die SPD-Fraktion, unverzichtbare Grundlage für die Beratung des kommenden Doppelhaushalts.

Zu Recht wird von uns erwartet, dass wir mit dem nächsten Haushalt eine sicherheitspolitische Antwort auf die Frage geben, welchen Personalbedarf wir bei der sächsischen Polizei langfristig haben, und damit natürlich auch auf die Frage, welchen Neueinstellungskorridor wir dauerhaft benötigen. Da will ich noch einmal auf Folgendes hinweisen: Wenn wir den Vereinbarungen zum laufenden Haushalt, also dem Vorbehalt der weiteren Sicherheitsentwicklung, zunächst bis zum Jahr 2011 gerecht werden wollen, dann müssen wir noch in diesem Jahr Polizeianwärter in die Ausbildung geben.; denn im Jahr 2011 werden 400 Kolleginnen und Kollegen in den Ruhestand gehen. Um diese zu ersetzen – 25 Anwärter sind im Moment in der Ausbildung –, brauchen wir also in diesem Jahr noch 375 zusätzliche Kräfte. Auch darüber muss hier noch einmal gesprochen werden.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und der Staatsregierung)

Danke schön. – Die NPD-Fraktion wird vertreten durch Herrn Apfel.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit dem Einzug der NPD in den Sächsischen Landtag

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD)

haben wir immer wieder auf die fatalen Folgen der Erweiterung des Schengenraumes auch für die innere

Sicherheit in Sachsen hingewiesen. Die in Umsetzung des Abkommens von Schengen am 21. Dezember 2007 erfolgte Öffnung der Grenzen zu Polen und Tschechien hat, wie von der NPD-Fraktion früher schon ausführlich dargestellt wurde, die schlimmsten Befürchtungen wahr werden lassen.

(Zurufe von der SPD und der CDU)

Doch die Einheitsfront der Blockparteien geht großzügig über solche Fakten hinweg, sie scheint wirklich argumentationsresistent zu sein. Dabei pfeifen es mittlerweile die Spatzen von den Dächern, dass es im Hinblick auf die Entwicklung der polizeilichen Kriminalstatistik einen verhängnisvollen negativen Synergieeffekt aus unzureichender Polizeipräsenz und dem Wegfall der Grenzkontrollen gibt.

Herr Dr. Martens, noch im April-Plenum haben Sie zusammen mit den anderen Blockparteien den NPDAntrag „Grenzkriminalität nach Schengenerweiterung stoppen – Maulkorberlass für die Polizei aufheben“ abgelehnt. Mit diesem Antrag wollte die NPD unter anderem einen Bericht der Staatsregierung darüber einfordern, wie sich die unterschiedlichen Deliktkategorien an den Außengrenzen Sachsens seit dem 21. Dezember entwickelt haben. Auch bei Ihren eigenen Wählern machen Sie sich nicht gerade glaubwürdig, wenn Sie nun Ihre Brause in die Flaschen der NPD abfüllen wollen.

(Heiterkeit und Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Sie schminken die originären NPD-Forderungen ein wenig um und fordern ein sogenanntes kriminalgeografisches Lagebild. Das hört sich ja chic an, ist aber im Prinzip das Gleiche, was Sie vor rund sechs Wochen beim Antrag meiner NPD-Fraktion abgelehnt haben. Nun ja, wir sind ja nicht eitel. Hauptsache und entscheidend ist, dass wichtige Dinge gesagt und getan werden, ganz gleich, unter welchem Etikett das geschieht.

Ein echtes NPD-Anliegen ist es auch, dass Sie einen Bericht der Staatsregierung darüber fordern, welche und wie viele Straftaten in welchen Gemeinden angezeigt wurden und welcher Nationalität die Tatverdächtigen angehörten. Für den Fall, dass es zu einer solchen Auskunft kommen sollte, bin ich mir sicher, dass weltverbrüderungsbeschwipste Grüne oder Linke wenig Freude an diesem Ergebnis haben werden; denn dieser Bericht wird die NPD in ihren Überzeugungen bestätigen und nicht die Einheitsfront der schwarz-rot-gelb-grünen Grenzöffnungsfanatiker. Auch die Verschleierungsabsichten der staatlichen Stellen hinsichtlich der gestiegenen Kriminalität werden dann ans Tageslicht gelangen.

Die Verursacher der im grenznahen Bereich von Sachsens Osten zum Teil um mehrere hundert Prozent angestiegenen Kriminalität, vor allem im Bereich der klassischen Deliktfelder Fahrzeugdiebstahl, Wohnungs- und Gartenlaubeneinbrüche, Straßenraub und Einschleusung illegaler Ausländer, werden dann endlich für jedermann offenkun

dig. Es wird dann endlich das nachweisbar werden, was ohnehin schon jeder weiß, der seine fünf Sinne beisammen hat. Ob Sie, Herr Dr. Martens, allerdings zu diesem Kreis gehören, erscheint mir fraglich.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Schließlich begreifen Sie ja den Wegfall der Grenzkontrollen als angeblich große Chance, als ein weiteres Anwachsen von Freiheit für diejenigen, die auf beiden Seiten der Grenzen wohnen.

Meine Damen und Herren! Das Einzige, was für unsere einheimische Bevölkerung bisher aber deutlich wahrnehmbar angewachsen ist, das ist die Kriminalstatistik für die Grenzgebiete Sachsens zu Polen und zur Tschechischen Republik, und das sind die Erfolgschancen für ausländische Straftäter. Unter Wahrnehmungsstörungen scheint auch der GRÜNEN-Abgeordnete Dr. Gerstenberg zu leiden, der am 8. November 2007 das Ansteigen der Kriminalität im Grenzgebiet schlicht in Abrede stellte und unverfroren behauptete: „… dass sich Befürchtungen hinsichtlich eines Anstieges der Kriminalität in der Grenzregion zwischen Deutschland und der Tschechischen Republik als unbegründet erwiesen haben.“

Dr. Gerstenberg verunglimpfte derartige Besorgnisse als kleinkariertes, faktenwiderlegtes Sicherheitsdenken und als dumpfe Ablehnung gegenüber Neuerungen. Herr Dr. Gerstenberg und die Fraktion der GRÜNEN sollten sich vielleicht einmal die fast noch druckfrische Antwort der Staatsregierung auf die Kleine Anfrage 4/11995 vom 19. Mai 2008 als Bettlektüre besorgen. Vielleicht sehen Sie ja dann endlich Veranlassung, von einem kleinkarierten, faktenwiderlegten Unsicherheitsdenken Abstand zu nehmen und Ihre dumpfe Ablehnung gegenüber neuen Erkenntnissen aufzugeben.

Meine Damen und Herren! Was auch immer von Ihnen, den Grenzöffnungsparteien hier im Landtag, in der Zukunft noch beschlossen werden wird, um angesichts der Kriminalitätsexplosion in den Grenzgebieten den Schaden, den Sie durch Ihre eigene verfehlte Politik angerichtet haben, zu begrenzen: Sie erscheinen uns dabei wie ein verwirrter Hausbesitzer, der erst die Dachziegel seines Hauses entfernt, um freien Blick auf den Himmel zu haben, und sich dann beim ersten Regen Gedanken macht, wo und wie er am besten Eimer und Wannen aufstellt, damit die Wohnung auch nicht nass wird.

Die NPD-Fraktion wird dem Antrag der FDP im Interesse der betroffenen und vor allem der geschädigten sächsischen Bürgerinnen und Bürger zustimmen, auch wenn wir der Meinung sind, dass es sich dabei nur um einen dilettantischen Reparaturversuch handelt.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Gibt es weiteren allgemeinen Aussprachebedarf?

So ist jetzt die Staatsregierung an der Reihe; Herr Staatsminister Dr. Buttolo.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es macht mich betroffen, wenn ein so wichtiges Thema wie die Sicherheit in der Grenzregion offensichtlich nur dazu benutzt werden soll, die Lage schlechtzureden. Herr Dr. Martens, Ihre Anzeige, die auch im heutigen Pressespiegel enthalten ist, passt dazu. Ohne verlässliche Daten zur Kriminalitätsentwicklung in den Grenzregionen nach dem Wegfall der Grenzkontrollen unterstellt die FDPFraktion in ihrem Antrag Sicherheitslücken und fordert Maßnahmen, die, soweit sie für die Grenzsicherheit erfolgversprechend sind, längst eingeleitet wurden.

Die sächsische Polizei hat sich frühzeitig und intensiv auf den Wegfall der Kontrollen vorbereitet. Anstelle der stationären Kontrollen sind wirksame Ausgleichsmaßnahmen – zusammengefasst in dem 15-Punkte-Papier – getreten. So haben wir den Fahndungsdruck im grenznahen Raum durch den Aufbau mobiler Fahndungsgruppen gemeinsam mit der Bundespolizei deutlich verstärkt. Die bei den Autobahnpolizeirevieren der Polizeidirektionen angesiedelten Fahndungsgruppen haben eine Personalstärke von bis zu 20 Beamten. Eingesetzt zur Überwachung der Hauptverkehrswege, sollen sie grenzüberschreitende Kriminalität aufdecken. Zudem werden die verdachtsunabhängigen Kontrollen im Grenzgebiet ausgebaut. Die Koordinierung dieser Aktivitäten erfolgt durch das LKA, das dienststellenbezogene Kontrollschwerpunkte, aber auch die Ergebnisse der Kontrollen erfasst und aufbereitet.

Um die Verkehrssicherheit trotz des zunehmenden Güterkraftverkehrs gewährleisten zu können, wurden bei den Polizeidirektionen spezielle Kontrollgruppen eingerichtet, die gemeinsam mit Kräften des Bundesamtes für Güterverkehr, der Bundespolizei und des Zolls, zum Teil auch der tschechischen und polnischen Polizei, Schwerpunktkontrollen der Fahrzeuge, der Fahrzeugführer und der Ladung durchführen. Diese schwerpunktmäßig an den EU-Binnengrenzen bzw. auf den Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen durchgeführten Kontrollen erfolgen in zunehmendem Maße ganzheitlich unter den Aspekten Verkehrssicherheit und Kriminalitätsbekämpfung.

Darüber hinaus werden wir die bisherige Präsenz der Polizei im grenznahen Raum in den nächsten Jahren aufrechterhalten. Zudem werden 57 zusätzliche Angehörige der Sächsischen Sicherheitswacht im grenznahen Raum eingesetzt, davon allein 26 im Zuständigkeitsbereich der PD Oberlausitz/Niederschlesien. Um die Sicherheitslage der Grenzgemeinden im Oberland weiter zu verbessern, wird gegenwärtig sukzessive ein zusätzliches Polizeirevier aufgebaut.

(Beifall der Abg. Heinz Lehmann und Volker Bandmann, CDU)

Es hat keinen Sinn, über zusätzliche Posten zu reden. Wir brauchen dieses zusätzliche Polizeirevier – gegenwärtig

haben wir bereits 25 Mitarbeiter dort im Dienst –, damit den Bürgern tatsächlich rund um die Uhr Sicherheit geboten werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Ein Posten, der am Tag nur stundenweise und zum Wochenende gar nicht besetzt ist, bringt nicht diese geforderte Sicherheit für unsere Bürger.

Ein weiterer Schwerpunkt unseres Programms ist der Ausbau der guten Zusammenarbeit mit Tschechien und Polen. Dies gilt nicht nur für die Polizei, sondern auch für den Katastrophenschutz sowie das Feuerwehr- und Rettungswesen. Vor diesem Hintergrund arbeiten seit dem 17. Dezember 2007 in Bahratal/Petrovice und in Swiecko Beamte aus Sachsen, Brandenburg, MecklenburgVorpommern sowie aus Polen und Tschechien im Gemeinsamen Zentrum. Diese rund um die Uhr besetzten Zentren dienen dem ständigen Informationsaustausch und der Koordinierung der polizeilichen Maßnahmen beiderseits der Grenze. Darüber hinaus arbeiten Dienststellen im Grenzgebiet unmittelbar zusammen, sei es im Rahmen gemeinsamer Streifen, anlässlich gemeinsamer Fahndungstage oder grenzüberschreitender Übungen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung wird die Wirksamkeit dieser Maßnahmen Ende Juni/Anfang Juli 2008 analysieren. Zu dieser Analyse gehört selbstverständlich auch eine detaillierte Betrachtung der Kriminalitätsentwicklung in den Grenzregionen. Dabei bin ich weniger pessimistisch als die FDP. Trotz der regionalen Zunahme von Straftaten im Bereich der Eigentumskriminalität, insbesondere von Einbruchsdiebstählen und Kfz-Totalentwendungen, ist ein durchgreifender Anstieg der Gesamtkriminalität gegenwärtig nicht erkennbar, ganz im Gegenteil, in vielen Kriminalitätsbereichen ist ein Absinken zu verzeichnen.

Abschließend noch einige Bemerkungen zu den Forderungen der FDP-Fraktion nach mehr Polizeidienststellen und Personal in den Grenzregionen. Eine wirksame bürgernahe Polizeiarbeit definiert sich nicht über die Anzahl der polizeilichen Dienststellen, sondern über eine schnelle Reaktion der Polizei in Notsituationen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD – Beifall bei der Staatsregierung)

Deshalb werden wir den Streifendienst, der rund um die Uhr für den Bürger Ansprechpartner ist, in den nächsten Jahren in den Polizeirevieren mit Grenzbezug stark belassen. Lassen Sie mich das anhand eines Beispiels erläutern. Trotz der höchsten Dichte an Polizeiposten im gesamten Freistaat Sachsen wurde von den Bürgern im Oberland immer wieder die beschränkte Verfügbarkeit der Polizei beklagt. Diese Situation hat sich durch die Konzentration des Streifendienstes im Oberland bereits deutlich verbessert. Hinzu kommt, dass die Bundespolizei gerade auch im Oberland eine sehr starke Präsenz hat. Immerhin ist in Ebersbach die Inspektion angesiedelt. Diese Inspektion wird von den Bürgern angenommen und als Unterstützung bewertet.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann Ihnen versichern, dass die Staatsregierung dem Thema Grenzsicherheit eine hohe Aufmerksamkeit widmet. Der Zugewinn an Freiheit darf nicht zu Einbußen im Bereich der Sicherheit führen. Dafür hätten die Bürgerinnen und Bürger im Freistaat zu Recht kein Verständnis. Ich bin aber der Meinung, dass unsere Maßnahmen die Sicherheit unserer Bürger tatsächlich garantieren.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Danke schön. Ergibt sich daraufhin noch einmal der Wunsch zu einer Aussprache? – Das kann ich nicht sehen. Herr Dr. Martens, Sie haben für die einreichende Fraktion das Schlusswort.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Grenzen ins Landesinnere!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Staatsminister, Sie haben in Ihren Ausführungen eine Menge von Einzelmaßnahmen aufgelistet, die in verschiedenen Regionen unternommen werden. Das sind natürlich auch nur Reaktionen auf unterschiedliche Lagen, auf Bedürfnisse wie zum Beispiel nach der Schaffung eines zusätzlichen Reviers im Oberland.

Es bleibt aber die Frage offen, was mit den Polizeidienststellen in der Fläche entlang der Grenze, insbesondere am Erzgebirgskamm, ist. Wenn man sich dort die Karte ansieht, stellt man fest, dass es sehr große Flächen gibt, in denen überhaupt keine Polizeidienststelle vorhanden ist. Ich rede nicht davon, dass es Polizeidienststellen sein müssen, die wie die Polizeireviere 24 Stunden besetzt sind, sondern von Polizeiposten, die den Bürgern tagsüber zur Verfügung stehen oder als Anlaufpunkte geeignet sind. Auch diese tragen zu einer Sicherheitsarchitektur bei.

(Beifall bei der FDP)