Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gleich vorweg gesagt: Meine Fraktion kann maximal den ersten beiden Punkten des FDP-Antrages etwas abgewinnen.
Wir pflichten Ihnen nur in dem Argument bei, dass – bitte schön – ein kriminalgeografisches Lagebild dazu beitragen kann, die Legenden von der Unmäßigkeit grenzüberschreitender Kriminalität nach der Grenzöffnung zur Polnischen und zur Tschechischen Republik ein für alle Mal auszuräumen. Wenn es dem dient, bitte schön. Das ist auch notwendig, weil solche Horrorlegenden vor allem von der europafeindlichen NPD immer und immer wieder bedient und schamlos ausgenutzt werden. Wir werden –
das will ich auch sagen, um Missverständnisse auszuräumen – die Ängste von Bürgerinnen und Bürgern immer ernst nehmen.
Die Ängste und Sorgen vor zunehmender Kriminalität ernst nehmen, aber wir warnen davor, falsche Bilder zu malen und antieuropäischen Stimmungen Nahrung zu geben. Das ist mir sehr wichtig.
Die Öffnung der Grenzen zu weiteren europäischen Staaten ist eine Erfolgslegende. Die sollten wir uns auch nicht kaputt machen lassen. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die historisch richtig und eine der Vorbedingungen für ein offenes Europa ist. Das zu betonen ist mir sehr wichtig, wenn wir solche Fragen besprechen.
Also bitte schön, noch einmal, Herr Dr. Martens: Wenn ein kriminalgeografisches Lagebild dazu beitragen kann, bitte schön, ja. Aber wir teilen ausdrücklich eines nicht, nämlich Ihre These, dass mit der Grenzöffnung eine Sicherheitslücke entstanden ist. Das stimmt nicht! Das ist falsch!
Die FDP-Fraktion weiß sehr genau um die zahlreichen Ausgleichsmaßnahmen, mit denen wir sehr kritisch im Bilde sind, aber immerhin viele Ausgleichsmaßnahmen, die auch sinnvoll nach Öffnung der Grenzen sind, die von allen beteiligten Ländern unterstützt werden.
Ich verweise auf die umfängliche und durchweg lobenswerte Vorbereitung der Beitrittsländer im Vorfeld der Grenzöffnung und darf daran erinnern, dass unsere Fraktion die einzige in Sachsen war, die sich in Prag vor Ort kundig gemacht hat und dort mit den Kollegen des Innenministeriums zu diesen Fragen gesprochen hat.
Das ist erst einmal Fakt. Wir haben uns ein Bild davon gemacht. Deshalb kann ich auch manches im FDP-Antrag nicht verstehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Natürlich wissen auch wir, dass es Kriminalität im grenznahen Raum gibt. Die wird es sicherlich auch immer geben. Das ist nun einmal so. Das ist auch nicht neu.
Aber eines steht fest: Man kann der Kriminalität in diesem Raum lediglich trinational beikommen und diese Probleme tatsächlich auch nur im Gleichklang der drei Länder bekämpfen und nicht durch einseitige Maßnahmen auf deutscher Seite.
Wir sollten auch nicht so tun, als ob es keine statistischen Übersichten und keine Kriminalstatistik gäbe. Es gibt einfach Fakten. Herr Dr. Martens, fragen Sie die Bundespolizei. Reden Sie mit den Polizeidirektionen, den Gewerkschaften. Die werden Ihnen klar auf den Tisch legen, dass statistisch eines feststeht: dass die Gesamtstraftatenanzahl bisher nicht gestiegen, sondern im Gegenteil sogar rückläufig im Vergleich zum Vorjahr auch im grenznahen Raum ist.
Rückläufig sind insbesondere Straftaten nach Aufenthaltsgesetz, Waffendelikte, Urkundendelikte, Ordnungswidrigkeiten im Bahnpolizeibereich. Leicht angestiegen – richtig – sind Körperverletzungen und kurz nach Jahresbeginn unerlaubte Einreisen. Diese Delikte konnten auch deshalb so gut erfasst werden, weil die Polizeipräsenz gewahrt war. Das muss ich an der Stelle auch einmal sagen. Es ist nicht so, dass sie nicht da ist. Sie ist gewahrt.
Die Gesamtstraftatenzahl ist also im vergleichbaren Zeitraum zum Vorjahr um circa 2 000 Straftaten gesunken, Herr Dr. Martens.
Es gibt natürlich Schwerpunktbereiche für bestimmte Delikte; Kfz-Diebstähle. Das ist richtig. Dieses Problem existiert übrigens nicht nur auf deutscher Seite, wenn ich darauf verweisen darf, sondern auch auf tschechischer Seite. Die tschechischen Kollegen haben uns zum Beispiel eine deutliche Zunahme in ihrem Bereich mitgeteilt und darüber gesprochen.
Es gibt zur Bekämpfung dieser Straftaten die trinationale Ermittlungsgruppe „Soko Mobil“, die eine vernünftige Arbeit leistet. Das ist ein richtiger Weg, so zu verfahren. Das können wir als Fraktion nur unterstützen.
Es gibt Schwerpunktregionen wie Zittau und Görlitz, ja, richtig, und bestimmte Grenzgemeinden. Darüber muss man reden. Es ist notwendig, über erhöhte Kriminalität, die dort spürbar ist, zu sprechen und Maßnahmen zu treffen. Deshalb sind wir der Meinung, dass dort natürlich die Polizeipräsenz entsprechend sein muss. Das unterstützen wir auch ausdrücklich.
Wir fordern außerdem eine aufgabenkritische Untersuchung der Polizei, insbesondere ihrer Tätigkeit im grenznahen Raum. Ausrück- und Einsatzzeiten der Polizei müssen im Fokus sein – da sind wir wieder bei der FDP und durchaus einer Meinung –, wenn die polizeiliche Qualität im grenznahen Raum eingeschätzt werden soll. So weit, so gut. Daraus resultiert unsere Zustimmung zu Punkt 1 und 2.
Aber lassen Sie mich abschließend eine Bemerkung zu Punkt 3 machen. Ja, wir meinen auch, dass in manchen Regionen die Polizeidienststellen nicht ausreichend besetzt sind. Das muss beendet werden. Da bin ich völlig Ihrer Meinung. Hier gibt es Nachholbedarf. Auch wir unterstützen immer schon das Modell von Bürgerpolizisten. Das ist bekannt. Wir halten es für eine richtige Strategie, auch deshalb, weil es die Bevölkerung wertschätzt, außerordentlich wertschätzt.
Aber was wir für falsch halten, das ist die Einrichtung zusätzlicher Polizeidienststellen, weil das auch zur Verzettelung der Polizei führt. Wir möchten keine Verzettelung der Polizei in noch mehr nur halb besetzte Dienststellen. Das ist weder für die Bürger gut noch für die Polizei. Insofern, denke ich, sind diese Forderungen,
Auch Ihre Zeitungsanzeige, Herr Kollege Dr. Martens, mit Verlaub – hier muss ich es wirklich einmal sagen –, negiert doch reale Fakten. Okay, Wahlkampf ist Wahlkampf. Das gehört dazu, aber ein bisschen Ehrlichkeit auch.
Wollen Sie nun erst ein Lagebild, ja oder nein? Ich sage, wenn Sie das wollen, haben Sie uns an der Seite. Punkt 1 und Punkt 2 unterstützen wir.
Erst wenn man eine klare Analyse hat, kann man doch die Frage stellen, wie die persönliche Sicherheit ausschaut und ob man dann tatsächlich Polizeistellen verstärken muss oder nicht. Defizite kann man nur auf dieser Basis beheben. Und die kann man nur zusammen mit den Partnern in Tschechien und Polen beheben, nicht, indem man hier schlechthin einen Antrag kreiert und glaubt, damit das Problem gelöst zu haben.
Abschließend noch einmal: Wir müssen alles tun, damit sich die Menschen in Sachsen – egal, wo sie wohnen – sicher fühlen. Und wir haben zugleich die Verantwortung für ein gemeinsames und offenes Europa. Das darf man, glaube ich, auch in diesen Zusammenhängen nicht einfach beiseite schieben. Dazu taugen Schnellschüsse nicht, sondern Voraussetzung ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Partnern in Europa. Dazu lese ich leider in Ihrem Antrag, Herr Dr. Martens, zu wenig. Deswegen werden wir dem dritten Punkt nicht zustimmen können.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben hier im Landtag seit Beginn dieses Jahres immer wieder Sicherheitsdebatten geführt. Das ist im Grundsatz auch gut und richtig. Allerdings kann man den Bogen auch irgendwann überspannen, insbesondere dann, wenn zunehmend mit den Ängsten der Menschen in unserem Land gespielt wird. Das ist, glaube ich, bei diesem Antrag der Fall.
Die FDP will zunächst aktuelle Zahlen zur Kriminalitätsentwicklung in der Grenzregion in Erfahrung bringen. Sie, Herr Dr. Martens, haben aber im Prinzip in Ihrem Beitrag die Zahlen schon genannt. Sie sind kein Geheimnis, sie standen in der Zeitung. Man hätte sie übrigens auch mit einer Kleinen Anfrage in Erfahrung bringen können. So komme ich zu dem Schluss, dass es der FDP hier gar nicht um Zahlen geht. Wenn man die Antragsbegründung liest, dann wird einem auch schnell klar, warum. Denn Sie haben die bekannten Fakten, Kfz
Diebstähle in Görlitz, genannt und Sie bringen auch gleich das Fazit dazu. Insofern halte ich das für bedenklich.
Der eigentliche Fehler – und das Bedenkliche in Ihrem Antrag, deshalb können wir dem auch grundsätzlich nicht zustimmen – ist, dass Sie allein auf die sächsische Polizei abstellen. Hier geht es nicht um eine zukunftsfähige, aus meiner Sicht unverzichtbare Sicherheitsarchitektur von Zoll, Bundespolizei und Landespolizei, sondern Sie haben allein die sächsische Polizei im Fokus. Diese kann aber nicht – und sie soll gerade nicht – allein die Sicherheitsdefizite auffangen, die aufgrund des Wegfalls der Grenzkontrollen entstanden sind.
Das erste halbe Jahr nach der Grenzöffnung zeigt, dass es sicherlich einige negative Veränderungen im Kriminalitätslagebild gibt. Görlitz ist angesprochen worden. Im Großen und Ganzen stellt sich aber die Sicherheitslage viel entspannter dar, als im Vorhinein angenommen wurde. Das liegt auch daran – darauf sei hier noch einmal hingewiesen –, dass Bundes- und Landespolizei je nach aktuellem Lagebild seitdem verstärkt mobil im Grenzgebiet unterwegs sind, kontrollieren, und das sehr erfolgreich. Schon allein deshalb ist eine kurzfristige Änderung der Dienststellenstruktur völlig unnötig. Es wäre ein Schnellschuss. Frau Dr. Ernst hat richtig darauf hingewiesen.
Werfen wir einmal einen Blick nach Nordrhein-Westfalen, das ist ein schönes negatives Beispiel. Dort stellt die FDP sogar den Innenminister, glaube ich. Dieses Beispiel zeigt gerade, dass man eine Polizei auch kaputtreformieren kann, indem man nämlich Dienststellenstrukturen wegen kurzfristiger Lagebilder ständig verändert, ohne eine ganzheitliche Strategie zu entwickeln. Die Polizei soll sich schließlich mit Kriminalität beschäftigen und nicht mit sich selbst.
Weiterhin gilt natürlich der alte Polizeigrundsatz: Mobil ist tausendmal besser als stationär. Schon allein deshalb ist eine kleinteilige Dienststellenstruktur längst nicht immer ein Sicherheitsgewinn. Das gilt insbesondere dann, wenn sich die Kriminalitätslage wie in Ostsachsen ständig im Wandel befindet.
Was wir brauchen, ist eine Debatte über die künftige Sach- und Personalausstattung bei der sächsischen Polizei. Ich glaube, ich hatte es hier schon das eine oder andere Mal erwähnt. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, sage ich es noch einmal: Bei dieser Debatte geht es nicht um einen kurzfristigen Kräfteaufwuchs in der Grenzregion, sondern grundsätzlich um die Frage einer umfassenden Aufgabenkritik, auf deren Grundlage wir die Qualitäts- und Leistungsstandards polizeilicher Arbeit definieren. Diese übergeordnete Sichtweise lässt Ihr Antrag völlig vermissen, deshalb ist er hier auch nicht tauglich.
Wir sind überzeugt, dass sich aufgrund der aktuellen Situation – ich nenne noch einmal die Grenzlage zu
Tschechien und Polen, die Mischung von urbanen und ländlichen Einsatzgebieten, das besondere Problem Rechtsextremismus,
Großeinsatzlagen, die anlaufende Umstrukturierung der Bundespolizei – ein im Grundsatz verändertes Anforderungsprofil für die sächsische Polizei ergibt und es sich deshalb nicht auf die Grenzregion oder kurzfristige Lagebilder beschränkt.
Welche personelle und technische Ausstattung die sächsische Polizei in der Zukunft benötigt, um ihren Aufgaben und Anforderungen vollständig gerecht zu werden und dadurch auf Dauer innere Sicherheit im Freistaat Sachsen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, lässt sich nur mit einer umfassenden Aufgabenkritik beantworten.