Protokoll der Sitzung vom 29.05.2008

25. Mai: In Mittweida wird der Einkaufsmarkt mit NaziSymbolen 17 Meter lang beschmiert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das sind die Fakten, über die wir hier sprechen. Kommen Sie mir nicht mit einem solchen Zeug von inszenierter rechter Gewalt!

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Es ist rechtsextreme Gewalt in Mittweida und in der Region! Ich will Ihnen auch die Orte nennen, in denen das stattfindet: Geringswalde, Rochlitz, Markersdorf, Frankenberg, Burgstädt, Hainichen, Clausnitz, Kriebethal und Tiefenbach. Über den Kreis Mittweida hinaus in Chemnitz, in Geithain, in Colditz und in Stollberg, wo das ständig stattfindet.

(Caren Lay, Linksfraktion: So ist es!)

Das ist die Wahrheit! Der Fakt besteht doch auch darin, dass Sie Mitschuld an diesen Dingen haben;

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

denn zu den Mitgliedern der verbotenen Kameradschaft „Sturm 34“ gehören auch Mitglieder des NPD-Kreisverbandes Mittweida: Tom W., der mutmaßliche Chef von „Sturm 34“, wenn ich daran erinnern darf, war zugleich Mitglied des NPD-Kreisvorstandes. Die NPD heuert regelmäßig Mitglieder der Kameradschaft „Sturm 34“ – verboten oder nicht, keine Frage – als Saalschutz an und setzt sie zur Verteilung von NPD-Flugblättern ein. Ziel von „Sturm 34“ war die Schaffung einer national befreiten Zone, die Säuberung der Region um Mittweida von Linken, Zecken, Hip-Hopern, Ausländern, sonstigen Gegnern; und Gewalt ist ein probates Mittel. Sie sind mit schuld und machen hier solche Karnevalsakte.

(Antje Hermenau, GRÜNE: Verrenkungen!)

Verrenkungen, wie Frau Hermenau zu Recht sagt; das ist das Einzige, wozu Sie in der Lage sind, weil Ihr Selbstbild nicht stimmt, weil Sie eigentlich einmal darüber nachdenken müssten. Insofern hat die heutige Debatte wieder einmal gezeigt, dass Nazis in diesem Land überhaupt nichts zu suchen haben, und zwar nirgendwo und in keiner Region!

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Im Übrigen, meine sehr geehrten Damen und Herren der demokratischen Fraktionen, bin ich der Meinung, dass die NPD und andere Menschenrecht verachtende und rassistische Organisationen verboten gehören!

(Beifall bei der Linksfraktion, der SPD und den GRÜNEN – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Herr Gansel, bitte.

(Karl Nolle, SPD: Und der Rest der NPD kommt nach Arnsdorf!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin den Kolleginnen Hermenau und Ernst fast dankbar dafür, dass sie versucht haben, den Fall einer psychisch auffälligen jungen Frau in Mittweida durch Verweis auf den „Sturm 34“ auf ein politisches Nebengleis zu lenken.

(Lachen bei der Linksfraktion und der SPD)

Wenn Sie über den „Sturm 34“ reden wollen, dann können wir das gerne tun.

Was ist nur in Mittweida los?, fragt man sich nicht nur in Sachsen. Die Kleinstadt kommt einfach nicht aus den Negativschlagzeilen heraus.

(Anhaltende Unruhe und Zurufe)

Erst sorgen einige Jugendliche für Radau, dann betritt eine womöglich unter dem Borderline-Syndrom leidende Antifaschistin die Medienbühne und erzählt die Fabel von der Hakenkreuzattacke; und am Ende blockiert auch noch der entnervte CDU-Bürgermeister von Mittweida mit einigen Amtsbrüdern in rechtswidriger Weise eine Bundesstraße des Landkreises.

Besonders peinlich sind der „Sturm 34“ und die damit zusammenhängenden Dinge aber nicht für die NPD, sondern für das Innenministerium. Wenn man, wie von einem Mitangeklagten aus dem Prozess um den ominösen „Sturm 34“ zu erfahren ist – –

(Zuruf des Abg. Stefan Brangs, SPD und Zuruf von der Linksfraktion)

Jetzt seien Sie doch einmal still!

Wie mittlerweile herausgekommen ist, hatte nach Aussagen eines Angeklagten der Chemnitzer Staatsschutz bei der Gründung des „Sturm 34“ gehörig seine Hände mit im Spiel.

(Zuruf von der NPD: Hört, hört!)

Die Gründung dieser Krawalltruppe ist von langer Hand vorbereitet worden, um die nationale Opposition zu diskreditieren. Damit das Spiel auch richtig läuft, wurde bereits Monate zuvor einer der Hauptakteure, Matthias R., in die NPD eingeschleust. Wie er berichtet hat, bekam er von seinen Staatsschutzleuten den Auftrag, in die Partei einzutreten.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Und Sie haben mitgemacht!)

Anfang 2006 tauchte plötzlich noch ein weiterer Akteur auf, und dann ging es richtig zur Sache. Der „Sturm 34“ wurde unter Beteiligung und mit Wissen der entsprechenden Staatsschutzabteilung in Chemnitz offiziell gegründet. Dann aber schien die Sache irgendwie aus dem Ruder gelaufen zu sein. Inzwischen ist Innenminister Buttolo nicht mehr in der Lage, den verselbstständigten „Sturm 34“ in den Griff zu bekommen. Das erinnert uns an Goethes „Zauberlehrling“: „Die ich rief, die Geister, werd’ ich nun nicht los.“

(Caren Lay, Linksfraktion: Sie auch nicht!)

Wie Sie wissen, liegen der NPD-Fraktion seit einigen Wochen umfangreiche Ermittlungsunterlagen zu dem gegenwärtig vor dem Landgericht Dresden stattfindenden Prozess vor, die es uns ermöglichen, die tatsächlichen Abläufe und Zusammenhänge zum „Sturm 34“ zu bewerten. Die Medien haben nicht einmal davor zurückgeschreckt, die dubiose Aussage eines psychisch auffälligen Zeugen in die Öffentlichkeit zu bringen, obwohl selbst die für die Staatsschutzabteilung – –

(Lachen des Staatsministers Geert Mackenroth)

Ja, Herr Mackenroth.

obwohl selbst die für die Staatsschutzabteilung der Dresdner Staatsanwaltschaft arbeitende Staatsanwältin Petra Frohberg in einer Verfügung vom 22. August 2007 in ihre Akten schrieb, dass der Zeuge „psychisch auffällig ist und sich in psychiatrisch-psychologischer Behandlung befindet“. Diese zweifelhafte Zeugenaussage wurde aber groß in der Presse wiedergegeben, weil sie den ehemaligen NPD-Kreisvorsitzenden von Mittweida und damit die Partei insgesamt belasten soll.

Bitte zum Schluss kommen.

Im Prozess selbst spielt diese Aussage hingegen keinerlei Rolle. Nein, die NPD lässt sich für den „Sturm 34“ nicht in Haftung nehmen, egal, was Sie hier noch behaupten.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Sie sind der „Sturm 34“!)

Das ist das Geschöpf des Innenministeriums und seiner untergeordneten Staatsschutzabteilung, die den rechten Popanz brauchen, um den Kampf gegen eine demokratische nationale Opposition führen und mit Schauermärchen aufpeppen zu können.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Staatsminister, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der von der NPD-Fraktion bemühte „Hakenkreuzfall“ taugt

nicht als Nachweis für angebliche Inszenierungen rechtsextremer Gewalt.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Er gibt dafür aber auch gar nichts her. Ich komme darauf zurück. Der Fall beweist für mich vor allem eines, nämlich die Funktionstüchtigkeit des Rechtsstaates und seiner Organe, auch wenn dies die Antragsteller immer wieder böswillig infrage stellen. Er beweist, dass die sächsische Polizei und die sächsischen Staatsanwaltschaften entsprechend ihrem gesetzlichen Auftrag ohne Ansehen der Person und ohne Rücksicht auf Gesinnungen ermitteln.

Halten wir uns an die Fakten: Die Staatsanwaltschaft erhält die Strafanzeige einer Jugendlichen: Sie habe einem kleinen Mädchen gegen eine Gruppe brauner Angreifer beistehen wollen, sei dann selbst von dieser Gruppe angegriffen worden. Ihr sei ein Hakenkreuz in die Hüfte geritzt worden. Niemand sei ihr zu Hilfe geeilt. Die Anzeigeerstatterin weist dem äußeren Augenschein nach entsprechende Verletzungen auf. Die Staatsanwaltschaft sieht den Anfangsverdacht der angezeigten Straftat als gegeben an und beginnt in alle Richtungen, wie es ihre Pflicht ist, zu ermitteln. Das dauert.

Die Staatsanwaltschaft gelangt nach mehrmonatiger Arbeit zu der Überzeugung, es bestehe ein hinreichender Tatverdacht, dass sich die Jugendliche die Verletzungen selbst zugefügt und eine erfundene Geschichte zum Inhalt ihrer Strafanzeige gemacht habe. Deshalb erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage beim Jugendrichter. Nunmehr warten wir. In einem rechtsstaatlichen Strafverfahren entscheidet ein unabhängiges Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens und gegebenenfalls in einem Urteil über die Frage: Schuld der Angeschuldigten oder Freispruch. All dies steht aus.

Deshalb wird die Staatsregierung in Anerkennung der Autorität und Unabhängigkeit der Justiz keine Bewertung der Schuldfrage abgeben und sich auch nicht zur Persönlichkeit dieser oder anderer Angeschuldigten, zu Strafzumessungserwägungen oder eventuellen Tatmotiven äußern. Jetzt ist allein das Gericht berufen, darüber zu entscheiden, ob die von der Angeschuldigten beschriebene Straftat tatsächlich vorgetäuscht war. Bis zu einem Urteilsspruch gilt die Unschuldsvermutung, an die sich alle halten sollten.

Leider war das in Teilbereichen ein frommer Wunsch. Einige Protagonisten wollten die Ergebnisse der laufenden Ermittlungen nicht abwarten. Es kam zu vorschnellen Pauschalverdächtigungen. Zitate wie: „Ein Ort sieht weg“ und: „Mittweida verweigert Opfern die Hilfe“, waren noch milde Begriffe. Es wird auch zu hinterfragen sein und es wird ja auch bereits hinterfragt, ob Preisverleihungen auf ungeklärter Tatsachengrundlage wirklich hilfreich waren.

(Beifall bei der NPD)

Klatschen Sie nicht zu früh!

Wenn aber die Vertreter der NPD-Fraktion heute von Inszenierungen rechtsextremer Gewalt sprechen, dann machen sie nicht nur das, was sie anderen vorwerfen – nämlich eine klassische Vorverurteilung –, nein, sie instrumentalisieren und missbrauchen damit ein schwebendes justizielles Verfahren für ihre eigenen parteipolitischen Zwecke.