Protokoll der Sitzung vom 09.03.2005

ren auch Familien mit Kindern und knapp kalkuliertem Urlaubsbudget. Dazu gehören Rucksacktouristen, junge Leute aus Osteuropa zum Beispiel, die das Zusammenwachsen unseres Kontinents erleben wollen und die wir nicht am Parktor in Begüterte und Arme unterteilen dürfen. Eintrittsgebühren haben immer soziale Auswirkungen. Das zeigen uns die Erfahrungen von Einführungen dieser Art. Und kinderreiche Familien haben ebenso ein Recht darauf, den Schlosspark zu genießen, wie der Grundsicherungsrentner oder der Arbeitslose.

Schlichtweg unakzeptabel ist das Vorhaben aus unserer Sicht bei historisch-kultureller Betrachtung. Das Denken des Staatsbetriebes endet ganz offensichtlich an den Mauern und Zäunen von Pillnitz. Pillnitz ist aber mehr als Schloss und Park. Pillnitz geht weiter. Sein Reiz besteht gerade darin, dass dort Architektur, Gartenkunst, die Ortschaft und die umgebende Landschaft eine historisch gewachsene Einheit bilden, ein Gesamtkunstwerk aus Natur und menschlicher Gestaltungskraft. Dadurch ist das königliche Schloss zum Kronjuwel des UNESCOWelterbes geworden. Dieses Welterbe besteht nicht zuletzt aus einer Fülle öffentlicher Parks und Gärten an den Elbhängen. Es wäre ein schwerer Fehler und ein Präzedenzfall, jetzt das Juwel abzugrenzen und dadurch herauszutrennen.

Für die Menschen hier in Dresden ist der freie Zugang zu ihren Parks und Gärten ebenso selbstverständlich wie der freie Zugang zum Elbufer. Für die Pillnitzer ist der Park durch seine Einbettung in den Ort und seine Wegebeziehungen unmittelbarer Lebensraum, Teil ihrer Lebensqualität. Er bietet Platz für Liebespaare wie für Ältere und Junge, für Mütter mit Kindern ebenso wie für Eilige auf dem Arbeitsweg. Lassen Sie uns deshalb heute bitte dafür sorgen, dass die kulturelle Geschichte nicht negiert, dass die Chance des UNESCO-Kulturerbes nicht schon am Anfang verspielt und dass der Lebensraum der Menschen hier in Dresden und Pillnitz nicht beschnitten wird.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das sollte aus Sicht unserer Fraktion auch ein gemeinsames demokratisches Anliegen sein. Die Art und Weise, wie die Pläne für die Eintrittsgebühr im stillen Kämmerlein von Staatsbetrieb und Finanzminister zusammengezimmert wurden, war schlechter Schlossherrenstil, der mich empört. Weder der Dresdner Stadtrat noch die Stadtverwaltung waren in die Vorbereitung einbezogen. Zudem hat der Staatsbetrieb völlig über die Köpfe der Anwohnerinnen und Anwohner hinweg gehandelt. Erst jetzt, wo die Entscheidung getroffen ist, wo die Faltblätter gedruckt sind, erst jetzt, wo seit Wochen die Wellen der Empörung hochschlagen, erst jetzt gibt es das Angebot zu Gesprächen mit der Dresdner Bürgerschaft. Für Gespräche sollte es nie zu spät sein. Aber dieses Angebot ist doch nur dann ehrlich, wenn der Prozess offen ist. Das heißt, die Entscheidung über die Eintrittsgebühr muss zunächst vom Tisch.

Diese Forderung der Pillnitzer Vereine ist vollkommen richtig und grundlegend. Einer der Vereine, die IG Weinbergskirche, erinnert in seiner Stellungnahme daran,

dass wir 1989 die Berücksichtigung von Rechten und Meinungen der Bürgerinnen und Bürger erkämpft haben.

Ich will gern noch weiter zurückgehen. Es war der Wille der sächsischen Könige, nachdem Johann Joachim Winckelmann 1749 feststellen konnte: „Alle königlichen Gärten sind öffentlich und dienen aller Welt zur Promenade.“

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Richtig!)

Es waren die Unruhen und die Aufstände des Jahres 1830, in deren Folge die Kunstsammlungen und zahlreiche Schlösser in Staatseigentum übergingen, was dennoch bei Pillnitz die Nutzung als königliche Sommerresidenz bis 1918 nicht ausschloss. Aber so konnte Meinhardts Führer durch Dresden im Jahre 1900 schreiben – Zitat –: „Der Schlossgarten ist in Abwesenheit der königlichen Familie dem freien Eingang geöffnet, sonst Führungen durch den Schlossportier.“

Nun, liebe Kolleginnen und Kollegen, die königliche Familie ist dauerhaft abwesend und hat den Schlossportier mitgenommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber lassen wir es nicht dazu kommen, dass die Sehnsucht nach der Monarchie Platz greift, nur weil die Demokratie einer falsch handelnden Verwaltung nicht in den Arm greift!

(Zuruf des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Lassen wir es nicht dazu kommen, dass uralte bürgerliche Rechte und Freiheiten in einer ungewollten Spätwirkung des Herbstes 1989 jetzt beseitigt werden.

(Lachen des Abg. Heinz Lehmann, CDU)

Es gibt keinen Zweifel: Der staatliche Schlösserbetrieb braucht zusätzliche Einnahmen, aber doch bitte nicht durch simples Abkassieren auf Kosten der weltweit berühmten Landschaftskultur, des Lebensraumes der Dresdnerinnen und Dresdner und der seit 150 Jahren bewährten demokratischen Rechte der Bürgerschaft.

In der Stiftung Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg hat der Stiftungsrat, also das gesellschaftliche Gremium der Stiftung, alle Überlegungen gestoppt, für die Parks in Sanssouci und Charlottenburg Eintritt zu erheben. In Sachsen gibt es ein solches Gremium nicht. Hier können nur wir als gewählte Abgeordnete des Sächsischen Landtages diese Rolle übernehmen.

Lassen Sie uns deshalb eine falsche Entscheidung nicht ins nächste Jahr verschieben, wie es der Änderungsantrag der CDU-Fraktion vorsieht. Sie wird dadurch nicht besser. Ich bitte Sie: Lassen Sie uns gemeinsam diese falsche Entscheidung korrigieren. Lassen Sie uns dem Spuk ein Ende bereiten. Stimmen Sie dem Antrag zu, wie es unsere Fraktion tut.

(Beifall bei den GRÜNEN, der PDS und der FDP)

Wird von den Fraktionen weiterhin das Wort gewünscht? – Möchte

sich die Staatsregierung äußern? – Herr Minister Dr. Metz.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sicher möchte sich die Staatsregierung zu einem so bewegenden Thema äußern. Ich will auch gleich mit einem Zitat beginnen: „Da auch Pillnitz künftig ohne Zuschüsse auskommen soll, bedarf die wirtschaftlich nicht nachvollziehbare Nichterhebung von Eintrittsgeldern im Schlosspark Pillnitz, der überwiegend von auswärtigen Bustouristen besucht wird, dringend einer Überprüfung.“

Meine Damen und Herren, das habe ich mir nicht ausgedacht. Lesen Sie den Bericht des Sächsischen Rechnungshofes von 1999. Dort steht das so drin. Sie halten doch sonst immer die Berichte des Rechnungshofes ganz, ganz hoch. Ich auch und ich achte sehr darauf, dass das, was im Rechnungshofbericht drin steht, realisiert wird. Das will ich nur bemerken.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Minister?

Gern.

Bitte.

Herr Staatsminister, eine Frage: Sie erwähnten gerade, dass der Rechnungshof im Jahre 1999 die Nichterhebung als nicht nachvollziehbar bezeichnet hat. Warum reagiert der Staatsbetrieb dann erst im Jahr 2005?

Den Staatsbetrieb gab es 1999 noch nicht in der Form, wie er jetzt existiert. Ich bin sehr froh, dass dieser Staatsbetrieb jetzt, wo es ihn gibt, reagiert. Meine Damen und Herren, diese Überprüfung, ob wir nicht im Sinne einer besseren Wirtschaftlichkeit Eintritt erheben, hat der Staatsbetrieb – und jetzt kommt der Titel – Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsens im letzten Jahr vorgenommen. Er ist nach gründlicher Abwägung der Gegebenheiten – darauf wurde heute schon mehrfach hingewiesen –, der Notwendigkeiten und auch der Alternativen zu dem Ergebnis gekommen, zukünftig von den Besuchern von Schloss und Park Pillnitz ein Eintrittsgeld zu verlangen.

Sie alle, meine Damen und Herren – viele haben sich dazu bekannt, auch ich lebe seit 40 Jahren in dieser wunderschönen Stadt Dresden, kenne Pillnitz und freue mich immer wieder, dass wir so eine Perle hier haben –, kennen dieses außergewöhnliche Ensemble aus Architektur und Gartenkunst. Pillnitz, das will ich deutlich sagen, ist ein Gesamtkunstwerk europäischen Ranges und natürlich vergleichbar mit Versailles. Wir sind alle froh und stolz darauf, dass wir in Sachsen solche Kostbarkeiten haben.

Aber, meine Damen und Herren, auch darauf ist hier hingewiesen worden und ich tue es noch einmal, seine

Erhaltung und Bewahrung kostet den Freistaat eine Menge Geld. Dafür sind wir alle zuständig.

(Holger Zastrow, FDP: Und?)

Meine Damen und Herren! Für die Instandsetzung der Gesamtanlage haben wir seit 1991 – übrigens dieses Parlament mit Beschluss – 22 Millionen Euro investiert; gut angelegtes Geld.

(Prof. Dr. Peter Porsch, PDS: Jetzt wollen Sie es zubauen!)

Allein die Pflege des Schlossparks verursacht Kosten – das habe ich mir zuarbeiten lassen – von rund 700 000 Euro. Bei unseren Berechnungen, bei denen wir zurückhaltend von einer jährlichen Besucherzahl von 400 000 Gästen ausgehen, können im ersten Jahr Einnahmen von rund 700 000 Euro realisiert werden.

Meine Damen und Herren! Die Eintrittspreise sind natürlich im Interesse der Gäste sozialverträglich gestaffelt. Das ist noch nicht gesagt worden, deshalb will ich es einmal anführen. Häufigen Nutzern und damit vor allem den Anwohnern des Parks, den Dresdnern, kommt die Jahreskarte bzw. die Familienkarte entgegen.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, PDS)

Sicher. So wird eine Jahreskarte für Erwachsene – und dafür können diese so oft durch den Park und die Schlösser gehen und alles besichtigen, wie sie wollen – zehn Euro im Jahr kosten. Das, glaube ich, ist den meisten Pillnitz wert.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Ermäßigt zahlt man sogar nur acht Euro. Der Preis für eine Familienkarte wird sich auf 20 Euro im gesamten Jahr belaufen. Mir ist es die Sache wert. Dafür kann man beliebig oft den Park und das Museum besuchen. Eine vierköpfige Pillnitzer Familie bezahlt im Monat 1,60 Euro. Dafür können sie täglich durch den Park laufen, spazieren, joggen und sich das Museum anschauen. Ich finde das toll, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Jetzt zur FDP. „Durch eine verantwortungsvolle Haushaltspolitik“, Herr Zastrow, „erhält Sachsen den finanziellen Spielraum für die Zukunft.“ Das kommt Ihnen bekannt vor. „Wir wollen eine Ausgabenpolitik, die klar auf Nachhaltigkeit setzt.“ So steht es im Wahlprogramm der FDP, und nichts anderes tun wir hier.

Nachhaltigkeit ist das entscheidende Stichwort. Übernimmt der Staat die Erhaltung und die Bewahrung kulturhistorischer Besonderheiten, muss er diesen Auftrag nachhaltig erfüllen. Deswegen sage ich deutlich: Ich bin für Eintritt.

(Zuruf des Abg. Holger Zastrow, FDP)

Auch hier gilt: Es kann nicht mehr ausgegeben werden, Herr Zastrow, als eingenommen wird. Die enormen finanziellen Mittel, die wir allein für Pillnitz jedes Jahr zur Verfügung stellen, haben wir Ihnen bereits genannt. Einen geringen Teil dieser Aufwendungen wollen wir durch die Besucher finanzieren lassen.

Auch unsere Burgen, Schlösser und Gärten müssen letztendlich wirtschaftlich arbeiten. Dafür wird gerade die FDP ein Einsehen haben.

Und das ist ihr Beitrag zu einer soliden und – wie von der FDP gefordert – nachhaltigen Finanzpolitik. Aufgrund der mittel- und langfristig schwierigen Haushaltssituation ist es meiner Meinung nach legitim, Benutzer des Parks an hohen Erhaltungskosten zu einem gewissen Anteil zu beteiligen.

Im Übrigen haben auch professionelle Nachfragen im letzten Jahr ergeben, dass die Pillnitz-Besucher mehrheitlich bereit sind, einen Beitrag zu leisten. Von den befragten Personen stammen übrigens 50 % aus Sachsen, die anderen 50 % aus allen Teilen Deutschlands und Europas. 66 % der Befragten hatten grundsätzlich keine Einwände gegen die Erhebung von Eintrittsgebühren.

Ich möchte auch noch etwas anderes anmerken: Wir erheben in der Landeshauptstadt Dresden, im Schlosspark Pillnitz, bisher keinen Eintritt, aber wir erheben durchaus in den Landkreisen bzw. in anderen Teilen des Freistaates Sachsen schon lange Eintritt.

(Holger Zastrow, FDP: Das ist auch falsch!)