In einem – das will ich durchaus anerkennen – hat sich Herr Tillich wohltuend von früheren Aussagen führender CDU-Politiker abgehoben, und zwar, als er vorhin die GEW gelobt und ihr für ihre Arbeit gedankt hat. Ich
meine, dieser Dank ist berechtigt. Herr Rößler denunzierte als damaliger Kultusminister die GEW noch als – Zitat – „kommunistisch unterwanderte Gewerkschaft“. Es ist gut, Herr Ministerpräsident, dass hier jetzt andere Töne angeschlagen werden.
Eine überregionale Tageszeitung schrieb zur Wahl des neuen Ministerpräsidenten „Ein Sorbe regiert Sachsen“. Wir von der Linksfraktion wollen, dass man dies in der Lausitz auch praktisch spürt. Mit der Wahl zum MP sind alle bisherigen Ausflüchte, für die Sorben seien die jeweiligen Minister zuständig, obsolet geworden. Denn nun, Herr Tillich, verfügen Sie über die politische Richtlinienkompetenz. Wir erwarten, dass Sie sich nicht nur bei zukünftig auftretenden Problemen der Sorben dieser Verantwortung stellen; denn es geht auch um die Korrektur von verhängnisvollen Fehlentscheidungen der letzten Jahre.
Dabei handelt es sich im Kern um drei Punkte. Erstens geht es um die Wiedereinrichtung der geschlossenen sorbischen Mittelschulen in Panschwitz-Kuckau und Crostwitz bei durch die Vertreter der Sorben entsprechend artikuliertem Bedarf.
Drittens geht es um erkennbare Bemühungen für eine angemessene und zukunftssichere Finanzierung der Stiftung für das sorbische Volk.
Ich komme zur Sozialpolitik. Gerade aus sozialpolitischer Sicht waren die Regierungsjahre unter Georg Milbradt für Sachsen verlorene Jahre.
Selbst wenn man berücksichtigt, dass in diesem Bereich die wesentlichen Rahmenbedingungen durch den Bund gesetzt werden, hat es seitens der Staatsregierung keinerlei Widerstand gegen den unter Gerhard Schröder eingeleiteten Kurs des radikalen Sozialabbaus gegeben. Exemplarisch dafür steht Hartz IV.
Die Staatsregierung hat dem nicht nur zugestimmt, sondern von ihr gingen mehrfach Initiativen aus, bestehende soziale Standards noch weiter abzusenken, als dies vom Bundesgesetzgeber ohnehin vorgesehen war.
Georg Milbradt glaubte, die massenhafte Langzeitarbeitslosigkeit mit einer Ausweitung des Niedriglohnsektors, mit mehr Mini- und Ein-Euro-Jobs überwinden zu können. Das ganze Gegenteil ist eingetreten.
Selbst wenn die offizielle Statistik in Sachsen inzwischen eine Absenkung der Arbeitslosenquote ausweist, gab es
Herr Ministerpräsident, Sie haben vorhin betont, die Schaffung von Arbeitsplätzen habe für Sie höchste Priorität. Leider haben Sie dann aber kein einziges arbeitsmarktpolitisches Instrument konkret benannt. In den letzten Jahren ist außer dem schleppend anlaufenden Kommunal-Kombi-Programm wenig passiert.
Wir als Linke wollen gute Arbeit, und das heißt für uns auch gut bezahlte Arbeit. Es geht darum, sich endlich von der Niedriglohnstrategie zu verabschieden.
Unter der Regentschaft von Georg Milbradt hat nicht zuletzt wegen dieser Niedriglohnstrategie die Armut beträchtlich zugenommen. Die sächsische Armutsquote liegt bei mindestens 20 %. Besonders dramatisch sind dabei die Lage der Alleinerziehenden sowie die wachsende Kinderarmut. In den kommenden Jahren droht durch zahlreiche unterbrochene Erwerbsbiografien eine massive Armut bei Seniorinnen und Senioren.
Die immer stärker werdende Polarisierung zwischen Arm und Reich, meine Damen und Herren von der Koalition, lässt sich nicht aussitzen. Hier wächst ein Konfliktpotenzial, an dessen Entladung niemand wirklich interessiert sein kann. Die Politik muss daher endlich handeln, denn ein weiteres Ansteigen der Armut ist letztlich demokratiegefährdend.
Die heutige Regierungserklärung hat leider keinen Aufschluss darüber gebracht, was Herr Tillich dagegen zu tun gedenkt. Da der Ministerpräsident in seiner Rede immer wieder von Solidarität gesprochen hat, komme ich nicht umhin festzustellen: Die CDU-Politik der letzten Jahre in Sachsen war alles Mögliche – gerecht und solidarisch war sie mit Sicherheit nicht!
Auf welchem Menschenbild das Zusammenspiel von technokratischer Politik und Wertkonservatismus beruht, verdeutlichte ein Interview des neuen Ministerpräsidenten in der „Sächsischen Zeitung“ vom 31. Mai 2008, das mit „Der Glaube ist mein Anker“ überschrieben ist. Darin teilt Stanislaw Tillich die Menschen ein in solche, die sich Mühe geben, und in solche, die das nicht tun. Mit anderen Worten: Er wärmt erneut die unsägliche Faulenzerdebatte auf. Den Mühseligen, so Herr Tillich, „denen, die Leistung bringen wollen“, müsse auch der entsprechende Spielraum gelassen werden, um „ihre Freiheit zum eigenen Erfolg zu nutzen“.
Für die anderen, diejenigen, die sich keine Mühe geben – so Herr Tillich –, falle dann immer noch genügend ab. Gern wüsste ich vom Ministerpräsidenten, wer diejenigen sind, die sich partout keine Mühe geben wollen und den sogenannten Leistungsträgern nur auf der Tasche liegen.
Gerechtigkeit begreift Herr Tillich offenbar als Vorteil des Stärkeren. Verteilungsfragen und soziale bzw. strukturelle Benachteiligungen spielen aus Sicht der Wertkonservativen hierbei überhaupt keine Rolle mehr.
Im Gegenteil: Stanislaw Tillich bereitet – Zitat Tillich – „die steigende Neigung zur Umverteilung Sorge“. Das sagte er in diesem Interview. Wir als Linke meinen, es wird nicht zu viel, sondern zu wenig und dann auch noch falsch umverteilt.
Noch ein Wort zur gesundheitlichen Versorgung in Sachsen, da Sie das auch angesprochen haben. Wenn wir diese insgesamt kritisch sehen, dann liegt das nicht an den Ärzten oder am Pflegepersonal, bei denen wir uns an dieser Stelle ausdrücklich für ihr engagiertes Wirken bedanken möchten.
Viele Beschäftigte im Gesundheitsbereich sehen die eigene Situation durchaus kritisch, sind aber in einem System gefangen, das immer mehr den Gesetzen des Marktes geopfert wird. Dies ist aus unserer Sicht im Übrigen eine wesentliche Ursache des zunehmenden Ärztemangels. Als wir bereits 2002 im Landtag auf diese Situation hingewiesen hatten, wurden wir als Schwarzmaler beschimpft und unsere damals geäußerten konkreten Vorschläge ignoriert. Wenn genau diese Vorschläge heute schrittweise – wenngleich noch immer halbherzig – durchgesetzt werden, dann kommt dies viel zu spät. Inzwischen fehlen mehr als 500 Ärzte im ambulanten Bereich und weitere 200 Ärzte an den Kliniken. Etwa 1 000 ausländische Mediziner, vor allem aus den osteuropäischen Ländern, praktizieren derzeit in Sachsen und gleichen unsere Defizite zumindest teilweise aus.
Das wiederum führt dazu, dass zum Beispiel in Polen in einigen Regionen eine ärztliche Unterversorgung von über 30 % zu verzeichnen ist. Auf Dauer können wir das unseren Nachbarn mit Sicherheit nicht zumuten.
Als Leitmotiv wäre daher der neuen Regierung ins Stammbuch zu schreiben: Nehmen Sie die Vorschläge der Opposition endlich ernst, anstatt sie aus Parteiinteressen immer pauschal abzulehnen.
Es gäbe noch eine ganze Reihe von Punkten, auf die ich heute leider nicht eingehen kann. Ich denke zum Beispiel an die unzureichende Sach- und Personalausstattung bei der sächsischen Polizei, an die Defizite im Justizbereich, in der Landwirtschaft oder beim Umweltschutz, an die undurchsichtige Förderpolitik oder das fehlende Energiekonzept der Staatsregierung.
Dort gab es ja mal ein Konzept. Es gab aber auch einen gewissen Herrn Tillich, der dieses Konzept im Kabinett maßgeblich mit gestoppt hat. Dann müssen Sie aber ein anderes, ein neues vorlegen; aber auch dazu in Ihrer Regierungserklärung: absolute Fehlanzeige.
Herr Ministerpräsident, für viele Menschen in unserem Land sind Sie bis heute ein relativ unbeschriebenes Blatt. Ein Großteil der Bürger
weiß trotz Ihrer neunjährigen Tätigkeit als Minister noch immer nicht, was man von Ihnen zu erwarten hat. Die heutige Regierungserklärung hat da auch nicht wirklich Aufschluss gegeben. Sie schauen – unbestritten – nicht so grimmig drein wie Ihr Amtsvorgänger.
Aber ich bleibe dabei: Ein freundliches Gesicht macht noch lange keinen guten Ministerpräsidenten. Doch den bräuchte Sachsen jetzt!