Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

Herr Kollege Tillich, künftig geht es nicht mehr darum, ob Sie beim Osterreiten auf dem Pferd eine gute Figur machen, sondern Sie werden daran gemessen, ob Sie das Land voranbringen können.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ob das Pferd läuft!)

Seien Sie sicher, wir als Linke werden Sie in den verbleibenden Monaten Ihrer Amtszeit weiter konstruktiv wie kritisch begleiten.

Sachsen braucht eine neue Idee. Es muss Sie, Herr Tillich, doch beunruhigen, dass uns das traditionell strukturschwächste Bundesland Mecklenburg-Vorpommern jüngst beim Dynamik-Ranking überholt hat. Das ist ein Menetekel. Herr Tillich, Sie werden dieses Ergebnis nicht einfach vom Tisch wischen können, zumal die entsprechende Studie von der „Initiative für neue soziale Marktwirtschaft“ kommt, auf deren Zahlen sich Herr Milbradt immer gern berufen hat.

Interessant ist, dass das aktuelle Ranking die Entwicklung in den Jahren 2004 bis 2007 berücksichtigt. Bekanntlich hat DIE LINKE in Mecklenburg-Vorpommern bis Herbst 2006 mitregiert. Das hat dem Land offenbar gutgetan.

(Beifall bei der Linksfraktion – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Sie arbeiten!)

Ausschlaggebend für das positive Ergebnis ist laut Michael Inacker von der „Wirtschaftswoche“, der die Studie öffentlich präsentierte, die verbesserte Arbeitsmarktperformance in Mecklenburg-Vorpommern. Drei Viertel des Untersuchungszeitraumes war Helmut Holter der Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern ein Politiker der Linken.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Helmut Holter hat Anfang 2004 hier in Dresden gemeinsam mit uns unser Alternatives Landesentwicklungskonzept für den Freistaat Sachsen – Aleksa. – vorgestellt, das kurz darauf auch die öffentliche Anerkennung des CDUMinisterpräsidenten von Sachsen-Anhalt geerntet hat.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie vorhin davon gesprochen haben, dass auch Ostdeutschland Konzernzentralen brauche, dann hätte die Regierung vor Jahren die Förderbedingungen entsprechend gestalten müssen. Der Kampf um den Erhalt von VNG in Leipzig ist gut und er ist wichtig. Sie haben es aber versäumt, rechtzeitig die richtigen Weichen zu stellen und Fördermittel bevorzugt an Unternehmen zu vergeben, die in Sachsen ihren Hauptsitz haben und auch entsprechende Steuern zahlen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bislang hat es die CDU noch halbwegs erfolgreich geschafft, den Eindruck zu erwecken, den Linken dürfe man die Gestaltung des Landes nicht anvertrauen. Doch der Wind hat sich gedreht. Die Mehrheit, auch in Sachsen, will inzwischen den Wechsel hin zu einer Regierung ohne CDU

(Volker Bandmann, CDU: Das haben die Kommunalwahlen nicht gezeigt!)

und wird einen Weg finden, dies zu artikulieren; denn am Ende, Herr Kollege Bandmann, entscheiden nicht ein paar Chefredakteure oder TV-taugliche Small-Talk-Politologen über das Schicksal des Landes, sondern mündige Bürgerinnen und Bürger bei der Landtagswahl im nächsten Jahr.

(Beifall bei der Linksfraktion – Christian Piwarz, CDU: Das haben sie jetzt schon gemacht!)

Die wirtschaftspolitische Idee der Tillich-CDU ist verbraucht. Viel zu lange wurde eine einseitige Leuchtturmpolitik betrieben, der Mittelstand jedoch mit Durchhalteparolen abgespeist.

(Heinz Lehmann, CDU: Quatsch!)

Den Bürgern, zum Beispiel den 780 000 Pendlern, wurden finanzielle Lasten aufgebürdet, die man den wirklich Vermögenden nicht zumuten wollte.

Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die die vorhandenen Potenziale ausbaut und den Mittelstand gezielt stärkt.

Herr Tillich, die ständigen Appelle für mehr Selbstständigkeit und Mobilität gehen an der Wirklichkeit im Lande vorbei. Die sächsische Bevölkerung nimmt seit vielen Jahren für unterdurchschnittliche Bezahlung überdurchschnittliche Belastungen in Kauf und scheut kein Risiko,

um trotz aller Widrigkeiten die eigene Familie ernähren zu können.

Der Durchschnittssachse arbeitet im Jahr über acht Tage länger als der Durchschnittsdeutsche und legt oft besonders lange Wegstrecken zur Arbeit zurück. Dafür werden die Menschen in Sachsen seit Jahren mit der einfallslosesten und langweiligsten Landesregierung der Republik bestraft, die nur durch eine Reihe von Pannen und Affären aufgefallen ist, leider aber nicht mit Impulsen für den Freistaat, geschweige denn für die Bundespolitik.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit einer Politik, die wirtschaftspolitisch von gestern, bildungspolitisch von vorgestern und sozialpolitisch 50 Jahre zurück ist, kann man keine Dynamik auslösen.

(Beifall bei der Linksfraktion – Lachen bei der CDU)

Ich freue mich, dass Sie immer noch lachen. Die CDU hat bei der letzten Landtagsumfrage bei 35 % gelegen, wir bei 29 %. Das zeigt, dass die Aktie der Linken nach oben geht und die CDU im Sinkflug ist.

(Volker Bandmann, CDU: Lesen Sie doch die Wahlergebnisse!)

Es geht um die Landtagswahlen, Herr Kollege Bandmann. Sie haben den Unterschied zur Kommunalwahl immer noch nicht begriffen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Natürlich entscheiden am Ende immer die Wähler, und wir werden es ja sehen. Aber ich sage: Wer in die Zukunft investieren will, ist bei uns an der richtigen Adresse. Die Vergangenheit überlassen wir gern der sächsischen Union.

(Lachen bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Die CDU setzt auf die Erlösung des Landes durch die ganz Großen, wir auf die Motivation der Kleinen, auf die Tatkraft von unten. Wir sind auch dank der kritischen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit einer Staatspartei freier von ideologischen Zwängen als Sie von der CDU.

(Beifall bei der Linksfraktion – Gelächter bei der CDU)

Deshalb, meine Damen und Herren, werden unsere Experten für Führungspositionen in der Verwaltung inzwischen sogar von der CDU gewählt, siehe Chemnitz.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Im Internet ist derjenige am erfolgreichsten, der am besten verlinkt ist. Wir waren die erste Fraktion dieses Hohen Hauses, die unmittelbar mit der Erweiterung der EU ein Arbeitsnetzwerk mit tschechischen und polnischen Partnerfraktionen gegründet hat. Da war die CDU-geführte Staatsregierung trotz der unbestrittenen internationalen Erfahrung eines Stanislaw Tillich

noch immer im europapolitischen Dornröschenschlaf. DIE LINKE wirkt, das ist der Unterschied.

(Beifall bei der Linksfraktion – Volker Bandmann, CDU: Sie versuchten, den Freistaat anzuschwärzen!)

Sie, Herr Tillich, setzen allein auf die frohe Botschaft, dass jetzt ein Sachse an der Spitze des Landes steht. Die Botschaft, die die Sachsen hören wollen, ist jedoch, dass es mit ihnen persönlich wieder aufwärts geht, dass zum Beispiel ihre Kaufkraft nicht jeden Monat schrumpft und ihnen nach den geschlossenen Schulen nicht auch noch verschlossene Amtsstuben durch eine bürgerfeindliche Verwaltungsreform drohen. Sachsen war immer schon moderner als andere. Hier hatten viele technische Erfindungen und soziale Bewegungen ihren Ausgangspunkt. Dafür gibt es einen einfachen Grund in der Geschichte: Sachsen ist traditionell besonders aufgeweckt und aufgeklärt, also links.

(Höhnisches Lachen bei der CDU)

Schauen Sie doch einmal in die Geschichte, und Sie werden sich wundern!

Die alte soziale Idee der Arbeiterbewegung – die SPD wird das wissen – war sächsisch, die neue soziale Idee einer hoch innovativen solidarischen Gesellschaft wird wieder eine sächsische und damit linke sein.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Es ist allgemein bekannt, dass wir uns für Neuwahlen ausgesprochen hatten, einfach deshalb, weil die CDU mit Georg Milbradt als Spitzenkandidat in den letzten Wahlkampf gezogen ist und eben nicht mit Stanislaw Tillich. Daher hätte es sich gehört, die Bürgerinnen und Bürger mit einem neuen Regierungsprogramm zu fragen, ob sie wirklich weiter von der CDU und Herrn Tillich regiert werden wollen. Die Koalition hat es anders gewollt, und sie hat die Mehrheit im Landtag, um diesen Willen durchzusetzen.

Dass die Koalition der Wahlverlierer von 2004 am Ende ist, sieht man schon daran, dass Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD, sich bis heute nicht einmal auf so etwas Banales wie den nächsten Wahltermin einigen konnten. Der notwendige Vorschlag des Kabinetts liegt dem Landtagspräsidium noch immer nicht vor. Es spricht jedoch einiges dafür, dass die Sachsen in 459 Tagen einen neuen Landtag wählen werden, zeitgleich mit der Bundestagswahl. Spätestens 30 Jahre danach muss sich das neu gewählte Parlament konstituieren.

(Gelächter bei der CDU)

30 Tage, Entschuldigung.

30 Tage danach muss sich das neue Parlament konstituieren. Dann sollte auch ein neuer Ministerpräsident gewählt werden. Herr Tillich, Sie können gut genug rechnen – Sie waren ja Finanzminister –, um zu wissen, dass damit voraussichtlich in 489 Tagen Ihre Zeit als sächsischer Ministerpräsident abgelaufen sein wird. Nutzen Sie die

knapp bemessene Frist im Interesse des Landes für täglich mindestens eine gute Tat! Vergessen Sie auch nicht die Umsetzung Ihres Gesprächsangebotes an die Opposition! Wir helfen, wo wir können.

(Beifall bei der Linksfraktion – Gelächter bei der CDU)

Ihre beiden Amtsvorgänger, Herr Tillich, sind nicht zuletzt daran gescheitert, dass sie glaubten, alles selbst und alles besser zu wissen. Die Zeiten, in denen eine Partei ungestraft behaupten konnte, immer recht zu haben, sind Gott sei Dank vorbei.