Herr Ministerpräsident, wir alle würden uns freuen, wenn Sie in den verbleibenden 489 Tagen Ihren Job gut machen und dem Land weniger Schaden zufügen würden als Ihr Vorgänger. Für eine Verlängerung Ihrer Amtszeit über das Nötigste hinaus gibt es aus unserer Sicht keinen Grund, da Sie, wie die heutige Regierungserklärung gezeigt hat, über keine wirklich neue Idee für die Zukunft Sachsens verfügen. Das unterscheidet uns, und das werden die Bürger in den nächsten Monaten merken. Sie werden bei der Landtagswahl die richtigen Schlussfolgerungen ziehen.
Herr Tillich, träumen Sie ruhig weiter von der absoluten Mehrheit. Das Erwachen im kommenden Jahr wird schmerzhaft sein.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit der Ernennung und Vereidigung eines neuen Kabinetts bin ich eine Last los, aber so richtig auch noch nicht. Ich habe heute Nachmittag erst die Amtsübergabe an meinen Nachfolger Roland Wöller. Im Gegensatz zu Herrn Hahn ist es hart, kaum ernannt und schon als langweilig bezeichnet worden zu sein. Die Meinung der CDU-Fraktion ist es nicht. Ich gratuliere allen, die jetzt im Kabinett und in der Landesregierung sind, und wünsche im Namen der CDUFraktion dafür viel Erfolg und Gottes Segen.
Herr Hahn, ich hatte den Eindruck, dass Sie sich heute viel Mut gemacht haben. Ehrlich gesagt, geht es mir jetzt genauso. Ich bin jetzt ganz neu und versuche, in die neue Rolle hineinzuwachsen. Bei mir klingt auch noch die sehr feierliche und festliche Verabschiedung von Fritz Hähle nach, der fast 14 Jahre in diesem Hohen Haus als Fraktionsvorsitzender tätig war und oft gesprochen hat. Kein Geringerer als unser Altministerpräsident Kurt Biedenkopf hat Fritz Hähle in seiner Laudatio als einen Demokraten charakterisiert, der, ganz gleich – das ist
auch ein wenig an Sie gerichtet, Herr Hahn –, ob er lobte oder kritisierte, immer nach dem Guten und nicht nach dem Schlechten Ausschau hielt.
Lieber Fritz Hähle, mit deiner Berechenbarkeit und deiner Geradlinigkeit, mit deinem besonderen Humor bist du in der politischen Debatte hier im Landtag uns allen und auch mir ein Vorbild, und dafür noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön.
Auch das, was wir in den letzten Wochen erlebt haben, ist Demokratie. Herr Hahn hat Neuwahlen gefordert – das ist immer ein Recht der Opposition; aber CDU und SPD haben es vorgemacht, dass es auch anders geht, und das ist demokratisch. Demokratisch ist auch, dass heute unser Altministerpräsident Georg Milbradt Platz genommen hat. Lieber Georg Milbradt, du hattest gerade noch einiges von Herrn Hahn entgegenzunehmen. Deshalb möchte ich nur eines sagen – und damit auch meinen Dank im Namen der CDU-Fraktion verbinden: Es mag schon sein, dass, wenn heute jemand auf die Idee käme, ein Denkmal zu bauen, noch ein bisschen „Georg, der Geizige“ herauskäme. Aber wenn ich die Schlussworte von Stanislaw Tillich aufgreife, der von Kindern und Enkeln gesprochen hat: Wenn eines Tages Kinder und Enkel auf die Idee kommen sollten, ein Denkmal zu bauen, dann wäre es „Georg, der Gerechte“.
Georg Milbradt hat uns mit seinen ordnungs- und finanzpolitischen Prinzipien als Vorbild in Sachsen gedient: dass man, Gerechtigkeit immer von ganz unterschiedlichen Seiten betrachtet, auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen kann; dass es aber wichtig ist, eine Politik zu betreiben, die nicht auf kurzfristigen Beifall ausgerichtet ist, die auch nicht auf die nächste Landtagswahl ausgerichtet ist, sondern immer die nächsten Generationen im Blick hat. Darin bist du uns Vorbild, und dafür herzlichen Dank, Georg Milbradt.
Im Zusammenhang mit der Kabinettsbildung und der Vereidigung wird einigen aufgefallen sein, dass einer nicht mehr im Kabinett ist, der auch nicht die Möglichkeit hatte, hier im Hohen Hause Platz zu nehmen, und zwar Michael Sagurna. Auch an ihn möchte ich einen besonderen Dank richten: Im Namen der CDU-Fraktion ein herzliches Dankeschön an Michael Sagurna. Er ist uns Vorbild als Meister der Kommunikation.
Er hat uns aufgezeigt, dass Kommunikation etwas mit Selbstbewusstsein zu tun hat. Michael Sagurna hat in Sachsen vieles getan, was dem Selbstbewusstsein der Sachsen gedient hat, und dafür ein Dankeschön.
Nun aber, meine Damen und Herren, zur Regierungserklärung. Lieber Stanislaw Tillich, du hast – so wie es dir nach der Verfassung zusteht – mit der Kabinettsbildung deine Handschrift gezeigt und mit deiner Regierungserklärung genau so, wie es vorgesehen ist, die Richtlinien aufgezeigt, wo wir stehen und wo wir in der Zukunft hin wollen. Deine Regierungserklärung trägt deine Handschrift und ich möchte dir signalisieren, dass du dich auf die CDU-Fraktion verlassen kannst,
Ich habe mich besonders gefreut, dass du den Schwerpunkten Wirtschaft, Bildung und Solidarität vorangestellt hast, wie deine Einstellung zum Wert der Freiheit ist. Denn zu den Debatten, die ich hier für die größte Fraktion im Landtag – die mich zum Fraktionsvorsitzenden gewählt hat und mich auch für solche Debatten als Sprecher ans Pult schickt – mit bestreiten werde, möchte ich sagen: Wir müssen die Debatten auch unter dem Aspekt der Freiheit führen.
Wir leben ja gegenwärtig auch im EuropameisterschaftsFußballfieber. Deshalb sei mir gestattet, ein Zitat, das ich mir ausgewählt habe – nebenbei gesagt: Es stammt aus der Zitatensammlung von Fritz Hähle, das er uns gestern mit auf den Weg gegeben hat –, vorzutragen; es stammt von einem Schweizer. Da die Schweiz Mitausrichter der Europameisterschaft ist, ist es vernünftig, ein Zitat von einem Schweizer zu bringen. Ich möchte das Zitat auch als Leitspruch für meine Arbeit sehen. Es stammt von Carl Hilty, einem Schweizer Denker, Historiker und Politiker: „Die ganze Geschichte der Menschheit ist, wenn sie überhaupt einen Sinn haben soll, eine Erziehung zur Freiheit.“
Ich freue mich, lieber Stanislaw Tillich, dass du das Thema benannt hast, dass du die Schwerpunkte aufgezeigt hast, Arbeit auch in der Verbindung – wie wir in Sachsen das Amt des Wirtschaftsministers begreifen – von Wirtschaft und Arbeit. Wenn wir Wirtschaft unterstützen, dann geht es uns nicht darum, dass wir uns darüber freuen, dass einige reich werden – die Arm-Reich-Diskussion hat Herr Hahn hier aufgerufen –; sondern uns geht es darum, dass Wirtschaft – ganz gleich, ob in der Industrie, im Mittelstand, im Handwerk oder in den freien Berufen – Erfolg haben soll, weil nur auf diese Weise Arbeitsplätze entstehen.
Wenn ich das einflechten darf, Herr Hahn: Also, ich habe ja nun in meinem Leben auch eine ganze Menge Staatsbürgerkundeunterricht gehabt; Marxismus-Leninismus war immer ein Schwerpunkt auch an der Universität, und
ich habe mich sogar damit auseinandergesetzt – damals, zugegeben, einige Jahre nicht; ich werde jetzt als Fraktionsvorsitzender wieder häufiger in die Bücher von Karl Marx hineinschauen –;
aber dass Karl Marx zusammengefasst, wie Sie es dargestellt haben, gesagt haben soll, „Es kann nur das verteilt werden, was erarbeitet worden ist“ – was das mit Karl Marx zu tun haben soll … – Mir sind ganz andere Thesen von Karl Marx in Erinnerung.
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, der FDP, der Abg. Margit Weihnert, SPD, und der Staatsregierung)
Mein Anliegen ist nicht, Ihnen Ihr Leben in der DDR vorzuwerfen; aber ich halte es langsam für notwendig, dass wir immer mal vergleichen, was bei welcher Betrachtungsweise, Herangehensweise, mit welcher These herauskommt. Wenn sich die DDR daran gehalten hat – es wurde mir immer gelehrt, dass sich die DDR auf die Lehren von Karl Marx und Lenin gründet –, dann verstehe ich nicht, warum sie zum Schluss pleite war.
Worauf ich hinaus will, ist – das will ich ganz offen sagen, Herr Hahn –, dass ich die Sorge, die Sie am Anfang aufgeführt haben: politische Kultur, Wahlbeteiligung, Politikverdrossenheit, teile. Das ist genauso meine Sorge, genauso Sorge der CDU-Fraktion. Deshalb nehme ich es heute auch an, dass Sie in einem anderen Stil zumindest hier in der Debatte begonnen haben. Erwartet hätten wir vielleicht schon noch eine Entschuldigung für das alles, was im letzten Jahr an Dreck, an Müll über Sachsen ausgekippt wurde; eine Entschuldigung wäre ganz gut gewesen.
(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hat sich Herr Milbradt entschuldigt?)
Herr Porsch, einige Mitglieder Ihrer Fraktion haben es immerhin getan. Deshalb wäre es gut gewesen, Herr Hahn hätte es heute aufgegriffen; denn das hat uns nicht gedient. Wie immer man auch zu einer Sache steht – auch das möchte ich als Ziel verfolgen –, so sollten wir doch hier im Hohen Hause darüber streiten und Debatten führen. Aber wir sollten eines nie tun: nach außen hin Sachsen schlecht und madig machen; denn das dient diesem Land nicht.
Herr Jurk, was das Thema „Wirtschaft und Arbeit“ angeht, möchte ich Ihnen signalisieren: Sie haben die Unterstützung der CDU-Fraktion bei der Bewältigung der schwierigen Aufgabe, die Interessen der Unternehmer- bzw. Arbeitgeberseite mit den völlig berechtigten Ansprüchen der Arbeiterinnen und Arbeiter und der Angestellten im Lot zu halten. Dass die Mitarbeiter etwas davon haben wollen, wenn das Unternehmen Erfolg hat, ist auch Auffassung unserer Fraktion.
Das ist insbesondere dann wichtig, wenn es vorher eine Phase gegeben hat – das war in nicht wenigen sächsischen Unternehmen in den Neunzigerjahren und auch danach noch der Fall –, in der Solidarität zwischen Unternehmern und Beschäftigten geübt worden ist. Damals ging es nämlich um die Frage: Schließen wir die Fabrik oder schauen wir, wie wir schlechte Phasen, die es in der Wirtschaft immer gibt, gemeinsam durchstehen? Diese Solidarität hat so mancher Firma in Sachsen das Überleben gesichert. Deshalb appelliert die CDU-Fraktion an die Unternehmen, denen es jetzt gut geht: Auch den Arbeitern steht ein entsprechender Anteil zu. Sie haben es sich verdient!
Wir brauchen heute nicht die Haushaltsberatung zu führen. Diese steht im Herbst an, Herr Dr. Hahn. Dann können wir uns mit Ihren Forderungen auseinandersetzen und über die vielen verschiedenen Förderprogramme reden. Mir und der gesamten CDU-Fraktion ist aber wichtig: Wir wollen, dass in Sachsen ein Klima herrscht, in dem sich Unternehmer willkommen fühlen. Wenn wir uns darin einig sind – Herr Hahn, auch Sie haben das angeführt –, dass wir in Sachsen noch mehr Arbeitsplätze brauchen, dann müssen wir für ein einladendes Klima sorgen und den Investoren sagen: Kommt in dieses wunderschöne Land und investiert hier! Hier sind qualifizierte, fleißige Menschen. Hier haben Investoren Verlässlichkeit, auch was die politischen Verhältnisse angeht; das gehört dazu. Wenn wir es schaffen, dass noch mehr Unternehmer hierher kommen, dann werden noch mehr Arbeitsplätze bei uns geschaffen, und noch mehr Menschen können besser am Wohlstand teilhaben, als es jetzt der Fall ist.
Das entscheidende Schlüsselthema ist natürlich Bildung. Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht zu sehr als ehemaliger Kultusminister spreche. Lieber Roland Wöller, Du ermahnst mich, wenn das so ist!