Das Kulturraumgesetz ist in seiner neuen Fassung ein solides Gesetz. Es hätte aber zukunftsweisender formuliert werden können, wenn die Koalition das Selbstbewusstsein und den Mut der ursprünglichen Verfasser dieses Gesetzes aufgebracht hätte. Das Gesetz war und ist geprägt von dem Bemühen um Bewahren und Erhalten der Kultur – verständlich nach dem Auslaufen der Übergangsfinanzierung des Einigungsvertrages Anfang der Neunzigerjahre.
Darüber hinaus muss ein Sächsisches Kulturraumgesetz zukünftig vor allem die Weiterentwicklung der sächsischen Kulturlandschaft und die Förderung von innovativer und zeitgenössischer Kunst im Auge haben. Ein Beispiel dafür sind Kulturentwicklungspläne, die aus unserer Sicht hervorragende Instrumente sind, um Ziele und Leitlinien der Kulturentwicklung zu erarbeiten und festzuhalten. Sicher werden Akteure in einem gut organisierten und lebendigen Kulturraum selbst auf die Idee
kommen, einen Kulturentwicklungsplan zu erarbeiten. Aber so etwas freiwillig zu tun, auch gegen eventuelle Widerstände durchzusetzen, hängt sehr von einzelnen Menschen ab. Wären die Kulturräume durch das Gesetz zur Erstellung eines solchen Planes aufgefordert worden, hätte sich niemand diesem wichtigen Prozess entziehen können.
Ein zweites Beispiel. Nichts gegen die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Finanzministerium, aber dass das Kunstministerium neuerdings für die Rechtsverordnung über die Zuweisung der Kulturraummittel das Einvernehmen mit dem Finanzministerium herstellen muss, ist eine völlig neue Form der Gängelung.
Diese Regelung setzt eine sehr hohe Kompetenz in Sachen Kunst und Kultur beim Finanzministerium voraus, die wir nach allen bisherigen Erfahrungen nicht erkennen können.
Als problematisch sehen auch wir die neue Begrenzung der Zuschüsse des Freistaates auf 30 % der vom Kulturraum geförderten Einrichtungen und Maßnahmen an. Herr Heitmann hat dazu bereits ausführlich und abwägend gesprochen. Auch wir teilen das Anliegen, dass Kommunen ihre Kulturausgaben nicht auf Kosten der staatlichen Kulturfinanzierung absenken dürfen. In der Anhörung wurde drastisch formuliert, dass sich aus solchen Mitteln Bürgermeister ihre Sessel vergolden. Andererseits hörten wir auch die Warnungen in der Anhörung, die am deutlichsten Herr Huhn geäußert hat: Mit der 30-ProzentRegelung kippt das System. Wir haben uns in der Abwägung dafür entschieden, der Staatsregierung diese Deckelung zuzugestehen, die ja ein Kontrollmittel ist. Es ist aber aus unserer Sicht aufgrund der Gefahren, die damit verbunden sind, notwendig, eine ständige Beobachtung der Kulturräume, der Auswirkungen dieser Regelung durchzuführen und einen ständigen Dialog mit den Kulturräumen zu führen. Falls es zu Fehlentwicklungen kommt, muss – und das möglichst schnell – diese Regelung korrigiert werden.
Es verbleiben noch weitere Aufgaben, die überhaupt nicht angegangen wurden. Ich nenne hier nur das nach wie vor ungelöste Problem der kulturellen Stadt-UmlandBeziehungen. Deshalb ist für uns deutlich: Auch ein jetzt entfristetes Gesetz wird diesen Landtag weiter beschäftigen. Nach der Novellierung des Kulturraumgesetzes ist vor der Novellierung. Wir haben heute zunächst eine Entscheidung über den jetzt vorliegenden Gesetzentwurf zu treffen.
Im Kulturausschuss habe ich mich im Namen meiner Fraktion der Stimme enthalten. Wir haben diese Haltung noch einmal überdacht und dabei berücksichtigt, dass alle wichtigen und unverzichtbaren Forderungen unserer Fraktion im vorliegenden Beschlussentwurf enthalten sind. Herr Hatzsch, ich gestehe es offen zu. Wir haben bei
dieser Abwägung auch den Aufbruchsgeist und den Gemeinschaftsgeist berücksichtigt, der diejenigen beflügelt hat, die in der 1. Legislaturperiode dieses Kulturraumgesetz auf den Weg gebracht haben. Deshalb werden wir heute zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte Herrn Hatzsch und Herrn Dr. Gerstenberg herzlich danken, dass sie noch einmal die Bedeutung der heutigen Beschlussfassung herausgestrichen haben, wie ich dies vielleicht nicht genügend getan habe.
Herr Dr. Gerstenberg, es hätte ein besseres Gesetz werden können. Ich habe ja vorhin gesagt, ich hätte mich nach der Anhörung gern hingesetzt und ein neues Gesetz geschrieben. Nur bin ich mir sicher, dass wir dann heute nicht hier sitzen und ein neues Gesetz beschließen würden. Aus politischen Gründen war es wohl richtig, dass wir diesen Weg der Bescheidenheit gegangen sind, nämlich lediglich Anpassung an die jetzige Situation. Damit haben wir einen politischen Konsens erreicht, den wir mit der Beschäftigung im Detail möglicherweise zerredet hätten.
Was die Zustimmung des SMF zu einer Rechtsverordnung des SMWK anlangt, so halte ich das für berechtigt; denn bisher war das SMWK lediglich zu einer Verwaltungsvorschrift berechtigt. Jetzt geht es um eine Rechtsverordnung. Dass das SMF bei einem Leistungsgesetz mitbeteiligt wird, halte ich für normal. Das ist bei anderen Gesetzen auch so.
Das ist aber nicht der Grund, weshalb ich noch einmal ans Pult getreten bin. Ich möchte auf Herrn Dr. Külow und Herrn Dr. Schmalfuß reagieren, die gesagt haben, dass das Theater- und Orchestergutachten von der Staatsregierung sei. Es war ein Gutachten, das wir als Kulturstiftung auf Bitten der Staatsregierung in Auftrag gegeben haben. Die Kulturstiftung hat dieses Gutachten erstellt und der Öffentlichkeit vorgestellt. Das kann man übrigens schon vorn lesen, wenn man es sich richtig ansieht.
Das sei ein Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung, wird da behauptet und dann auf das Vorblatt des Gesetzes verwiesen, wo freilich ein paar Ausführungen auf der Basis des Theater- und Orchestergutachtens gemacht werden.
Vielen Dank, Herr Heitmann. – Stimmen Sie mir zu, dass im Vorwort zu dem Gutachten „Theater und Orchester im Freistaat Sachsen – Bestandsaufnahme und Empfehlungen zur weiteren Entwicklung“ Folgendes steht: „Im November 2006 wurde aus dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst die Bitte an die Kulturstiftung des Freistaates Sachsen herangetragen, eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung eines Gutachtens zur weiteren Entwicklung der Theater- und Orchesterlandschaft im Freistaat Sachsen zu beauftragen.“
Nein. Sie haben nicht richtig gelesen. Ich stimme Ihnen zu, dass das so drin steht. Aber es steht auch drin, dass wir gebeten worden sind, ein solches Gutachten zu machen. Das haben wir gern getan. Ich glaube auch, dass es die Kulturstiftung besser tun konnte, als es die Staatsregierung je hätte tun können, weil wir in ganz anderer Weise mit den Betroffenen und den Rechtsträgern ins Gespräch gekommen sind; was sich auch im Gutachten niedergeschlagen hat.
Sie haben gesagt, das sei ein Hineindiktieren der Staatsregierung in die Kulturräume. Mehr als 60 % der Kulturraummittel fließen in die Theater und Orchester in den Kulturräumen. Das heißt doch, man muss sich über die Zukunftsfähigkeit der Theater- und Orchesterstrukturen Gedanken machen. Der Freistaat hat seine Aufgaben mit dem heutigen Tag getan. Er hat die Kulturraummittel dauerhaft auf einem erhöhten Niveau festgeschrieben. Nun ist es Aufgabe der Kulturräume, damit umzugehen und ihre Strukturen darauf auszurichten. Das Vorblatt des Gesetzes gibt eine auf der Basis des Gutachtens begründete Prognose ab. In Zukunft wird sich jeder der vergrößerten Kulturräume nur noch ein Theater und Orchester leisten können – das ist meine feste Überzeugung –, und die Strukturen müssen sich daran orientieren.
Der Freistaat, der darum gebeten hat, ein solches Gutachten zu erarbeiten, kommt nur seiner kulturellen Gesamtverantwortung nach, wenn er ein solches Gutachten erstellen lässt. Jetzt kommt es darauf an, was die Kulturräume damit machen. Da gibt es kein Hineindiktieren.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Inhaltlich ist eigentlich von Herrn Heitmann, Herrn Hatzsch und auch von Vertretern der Oppositionsfraktionen alles gesagt worden. Ich möchte trotzdem einiges zu dem vorgelegten Gesetzentwurf einbringen.
Am vergangenen Wochenende hatte ich die Möglichkeit, in Tirschenreuth das Festival „Mitte Europa“ zu eröffnen, das mit viel Engagement im Wesentlichen von Ehrenamtlichen getragen wird und in diesen Tagen breit über den Raum Bayern, Sachsen und Böhmen durchgeführt wird.
Dieses Festival würde es vermutlich ohne das Kulturraumgesetz so nicht geben. Ebenso wäre mit großer Wahrscheinlichkeit das Theater Zwickau-Plauen oder das Webmuseum in Oederan in der heute bestehenden Qualität nicht mehr vorhanden oder vielleicht schon geschlossen. Das Gleiche betrifft die Arbeit eines Projektkoordinators im Kulturraum Niederschlesien/Oberlausitz, der im Rahmen eines Projektes eine Verknüpfung zwischen den Kulturinstitutionen und den Schulen hergestellt hat, sodass Ganztagsangebote zukünftig auch sehr intensiv mit den Kulturinstitutionen der Region zusammenarbeiten können. Das war nur möglich mit den Mitteln aus der Kulturraumförderung.
Ich könnte unendlich viele Beispiele für das aufführen, was das Kulturraumgesetz seit dem Jahr 1993 inhaltlich in den einzelnen Kulturräumen geleistet hat. Aus meiner Sicht setzt das Land Sachsen in hervorragender Weise den Verfassungsauftrag, den es sich selbst gegeben hat, den sich dieses Hohe Haus gegeben hat, nämlich die Förderung von Kunst und Kultur im gesamten Land, mit dem Kulturraumgesetz um. Damit ist es zur staatlichen Pflichtaufgabe geworden, und der Staat, das Land unterstützt die Umsetzung dieser staatlichen Pflichtaufgabe in der Fläche. Herr Schmalfuß, es geht eben gerade nicht um das Hineinregieren in die Kulturräume, sondern der Staat gibt mit seinem finanziellen und gesetzlichen Rahmen den Kulturräumen die Möglichkeit, überhaupt frei und eigenständig über die Gestaltung ihrer Kultur- und Kunsteinrichtungen zu entscheiden.
Wir haben diese Verpflichtung aus der Verfassung in die Koalitionsvereinbarung übernommen, mit der sich die Koalition bereits sehr klar dazu bekannt hat, dass das Kulturraumgesetz im ersten Schritt verlängert werden sollte. Das ist im vergangenen Jahr geschehen, und es war dort bereits offen formuliert, dass man Weiteres mit dem Kulturraumgesetz vorhat. Ich gestehe, ich bin dankbar, dass sich alle Kulturpolitiker in diesem Land – sofern sie in diesen Prozess einbezogen waren – einig waren und sich mit dem Kulturraumgesetz so identifiziert haben, dass auch Widerständen im Gesetzgebungsverfahren entgegengewirkt werden konnte.
Das Kulturraumgesetz wurde 1993 zu einer Zeit geschaffen – Gunther Hatzsch hat es ausgeführt –, als es darum ging, vor allen Dingen den Umstrukturierungsprozessen etwas entgegenzusetzen und die reichhaltige Kultur im Land zu erhalten. Dieses Gesetz war als Übergangsgesetz für eine Notsituation geschaffen worden, und so wurde es auch von einigen im Gesetzgebungsverfahren betrachtet, aber nicht von den Kulturpolitikern, wofür ich sehr dankbar bin.
Wenn Sie diesen Gesetzentwurf heute beschließen, sind wir in der Situation, dass wir den zahlreichen Kulturinstitutionen, sowohl den großen als auch den kleinen, eine verlässliche Basis für ihre Arbeit geben können. Sie müssen nicht bangen, dass bei Auslaufen dieses Gesetzes – wie es in den vergangenen Jahren immer der Fall war – eventuell doch das Theater oder Orchester geschlossen bzw. ein Projekt eingestellt werden muss. Das wird nicht mehr geschehen.
Ich denke, die Evaluierung ist ein geeignetes Instrument, gegebenenfalls zu prüfen, ob sich die notwendige 30Prozent-Regelung, die hier schon mehrfach angesprochen wurde, bewährt. Es darf im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung und den damit verbundenen finanziellen Engpässen, die vielleicht in den Landkreisen und Kommunen auftreten, nicht passieren, dass die Kultur zum Sparschwein für die Kulturräume wird. Es soll diese Verkopplung geben, damit wir signalisieren, dass nicht nur der Straßenbau, sondern auch die Kultur durch Bundes- oder Landesmittel unterstützt wird, wenn die Kulturräume, die Landkreise und die Kommunen bereit sind, entsprechend zu finanzieren.
In anderen Bereichen ist dies das normale Geschäft. Deswegen habe ich den Straßenbau hier erwähnt. Aber bei der Kultur meint man plötzlich, dass man dies nicht tun sollte. Herr Gerstenberg, ich habe die Sorgen, die Herr Huhn deutlich gemacht hat, sehr wohl wahrgenommen, aber ich habe auch gehört, was der Vertreter des Landkreistages gesagt hat. Genau deshalb ist die 30-Prozent-Regelung aus meiner Sicht richtig.
Ich bin sehr froh, dass es mit der vereinten Kraft der Kulturpolitiker gelungen ist, jetzt mindestens 86,7 Millionen Euro im Gesetz festzuschreiben. Dies bedeutet, dass wir – und dieser Punkt ist heute in der Debatte noch nicht aufgetaucht – auch in Zeiten einer ungünstigen demografischen Entwicklung und damit verbunden vielleicht geringer werdender Einnahmen in den staatlichen Haushalten eine verlässliche finanzielle Basis für die Kultur in diesem Land geschaffen haben.
Herr Gerstenberg, lassen Sie mich abschließend noch ein Wort zu den Entwicklungsplänen sagen. Ich gestehe zu, dass ich das ohne Weiteres in das Gesetz hätte hineinschreiben können. Aber genau bei diesem Punkt brauchen wir vielleicht noch ein bisschen Zeit, um mit den Kulturräumen, den neuen Landräten und den neuen Gremien darüber zu sprechen, dass es für sie auch eine Art Zukunftssicherung ist, wenn sie sich Kulturentwicklungspläne geben. Deswegen wollten wir nicht an dieser Stelle die Auseinandersetzung mit dem sensiblen Kulturraumgesetz führen, weil ich schon der Meinung bin, dass kluge Kulturraumverantwortliche, Kulturkonvente, Landräte und Bürgermeister sehr schnell erkennen werden, dass sie einen Kulturentwicklungsplan über einen mittelfristigen Zeitraum benötigen.
Gestatten Sie mir zum Schluss, die Bitte zu äußern, dass Sie heute vielleicht so wie 1993 diesem Kulturraumgesetz nun endgültig zum Durchbruch verhelfen und damit dem Verfassungsanspruch, den wir uns selbst gegeben haben, genügen und die Förderung von Kultur und Kunst in diesem Land auf eine ganz solide Basis stellen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien, Drucksache 4/12379. Ich schlage Ihnen vor, artikelweise vorzugehen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Kann ich, da es keine Änderungen gibt, die Artikel hintereinander aufrufen? Oder wollen Sie einzeln abstimmen? – Das ist nicht der Fall.
Ich beginne mit der Überschrift: Gesetz zur Neuordnung der Kulturräume im Freistaat Sachsen. Dann Artikel 1, Änderung des Sächsischen Kulturraumgesetzes; Artikel 2, Änderung des Finanzausgleichsgesetzes; Artikel 3, Neufassung des Sächsischen Kulturraumgesetzes; Artikel 3a, Änderung des Sächsischen Verwaltungsneuordnungsgesetzes; Artikel 4, Inkrafttreten. Wer diesen Artikeln die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit. Das ist sehr erfreulich.
Meine Damen und Herren! Da in der 2. Beratung keine Änderungen beschlossen worden sind, eröffne ich sofort die 3. Beratung. Es liegt kein Wunsch auf Aussprache vor. Ich stelle den Entwurf Gesetz zur Neuordnung der Kulturräume im Freistaat Sachsen in der in der 2. Lesung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Auch wieder Einstimmigkeit – man kann nur gratulieren.