Protokoll der Sitzung vom 20.06.2008

(Frank Heidan, CDU: Was denn sonst?)

wie Sie es immer behaupten. Aber Sie zeigen wenig selbstkritische Haltung, welche Versäumnisse in den circa 20 Jahren seit der deutschen Wiedervereinigung gemacht worden sind.

(Beifall der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen.

(Frank Heidan, CDU, steht am Mikrofon.)

Frau Dr. Runge, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Wir haben zunehmend das soziale Problem, dass sich Menschen Mobilität leisten können müssen. Insofern würde ich es begrüßen, Frau Dr. Raatz – sie ist nicht mehr anwesend –, mit Herrn Jurk im Rahmen der Haushaltsverhandlungen

darüber zu beraten, wie es gelingen kann, sachsenweit ein Sozialticket einzuführen. Überall sprießen Bürgerinitiativen zur Einführung von Sozialtickets.

Das zweite Thema, das vor allem für die Behinderten sehr wichtig ist, ist die Barrierefreiheit. Das sollte ganz oben auf der Investitionsagenda stehen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Herr Lichdi, Sie waren etwas zu schnell. Ich hatte im zweiten Teil meiner Rede die Bahnprivatisierung als Thema konzipiert, also umgekehrt wie Sie. Natürlich wird im Zusammenhang mit der Bahnprivatisierung neues Ungemach mit dem Holding-Modell auf uns zukommen. Es ist schon allerhand, dass diese Privatisierung ohne Gesetzesvorlage im Deutschen Bundestag beschlossen wurde und die Länder im Bundesrat ausgebremst worden sind. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit und spricht Bände,

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

wie hier demokratische Regeln und Verfahrenswege ausgehöhlt werden.

Es gibt das Holding-Modell mit der rund Ein-ViertelPrivatisierung der DB-Tochter Mobility and Logistics, das in der Sitzung des Bundestages auf Antrag beschlossen worden ist. Deshalb haben die Verkehrsminister der Länder einen eigenen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, der dort auch beschlossen worden ist, aber im Bundestag überhaupt keine Rolle gespielt hat, obwohl er Ihre Befürchtung enthielt, dass eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und Deutscher Bahn nicht vorliegt, außer dass zwei Dinge festgeschrieben worden sind: Erstens, 5 % aller Strecken können weiterhin stillgelegt werden, und zweitens, der Bund wird jährlich 2,5 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt an die Bahntochter überweisen.

Das ist doch eine herrliche Stilllegungsprämie für die Bahn, die vom Steuerzahler gezahlt wird. Das wird letztlich dazu führen, dass der Fernverkehr, wie Herr Daehre, Verkehrsminister von Sachsen-Anhalt, in seiner Rede im Bundestag gesagt hat, bis zu 40 % reduziert werden könnte, wenn keine ordentliche Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung auf den Tisch kommt. Das würde auch dazu führen, dass der Wegfall solcher Fernverkehrsverbindungen nicht durch Regionalverkehre aus Regionalisierungsmitteln ersetzt werden kann. Wenn die Strecken nicht mehr bedient werden, erhöhen sich die Bezuschussungskosten. Letztlich wird es auch für den Güterverkehr teurer.

Ich bitte Sie, Herr Jurk, es muss doch ein Aufschrei durch die Sächsische Staatsregierung gehen angesichts der Vorlage dieses Privatisierungsmodells, ohne dass gleichzeitig eine Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung vorliegt.

DIE LINKE hat im Bundestag gesagt, dass diese Verfahrensweise, die Privatisierung ohne gesetzliche Grundlage

durchzupeitschen, verfassungswidrig ist und sich überlegen wird, dagegen zu klagen.

Frau Dr. Runge, Sie haben in einem nächsten Redebeitrag noch die Möglichkeit zu sprechen.

So kann und darf parlamentarische Demokratie nicht funktionieren!

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die SPD-Fraktion spricht nicht mehr. Die NPD hat noch 2 Minuten Redezeit. Die FDP hat ebenfalls noch 2 Minuten. Gibt es seitens der CDU-Fraktion noch Redebedarf? – Bei den GRÜNEN?

(Antje Hermenau, GRÜNE: Doch, doch!)

Frau Hermenau; 2:40 Minuten sind noch möglich.

– Mehr ist nicht nötig.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Nur um einmal der Wahrheit die Ehre zu geben: Das Regionalisierungsgesetz, mit dem der öffentliche Nahverkehr in den Regionen den Ländern anheimgestellt worden ist, ist schon viele Jahre alt, und seitdem liegt es in der Zuständigkeit der Länder, dafür zu sorgen, dass es einen ordentlichen ÖPNV in den Regionen und Ländern gibt. Das hat nichts mit Bundespolitik zu tun, das ist Ihre Aufgabe in der Staatsregierung und in der Koalition.

(Zuruf des Abg. Prof. Gunter Bolick, CDU)

Das Zweite ist die Frage der Investitionen in die Bahn in der rot-grünen Regierungszeit von 1998 bis 2005. Es gab im Jahre 2000 die Versteigerung der sogenannten UMTSFrequenzen. Die Einnahmen betrugen mehr als 100 Milliarden Euro. Sie wurden dann auch zur Schuldentilgung eingesetzt. Es gab eine Zinsersparnis von circa 5 Milliarden Euro, die auch für Projekte der Koalition ausgegeben worden sind. 2 Milliarden Euro davon flossen in den Fonds der Bahn AG mit der Auflage, Herr Mehdorn möge bitte endlich die nötigen Investitionen ins Schienennetz stecken.

Wir haben das Geld zum großen Teil im Haushaltsausschuss des Bundestages zurückbekommen, weil Herr Mehdorn nicht in der Lage gewesen ist, dieses Geld in die Baustellen wirklich zu investieren und das Schienennetz zu verbessern. In dieser Zeit damals kamen wir dazu zu sagen: Offensichtlich gehört das Bahnnetz in die öffentliche Hand und alle Betreiber haben es zu pachten, weil es nicht funktioniert, wenn die Betreiber selbst dafür zuständig sind, das Netz auszubauen. Dasselbe gilt übrigens für Energienetze.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Das ist die Wahrheit; das ist es, was dahintersteckt, und ich wäre ganz vorsichtig, hier in diesem Rund, Herr Bolick, irgendwelche Legendenbildung über RotGrün – zumindest solange ich noch hier drinsitze – zu versuchen; denn Sie wissen, Sie bekommen es jedes Mal sofort postwendend zurück, und Sie können sich darauf verlassen, dass ich das alles richtig in Erinnerung habe. Sie können es auch nachlesen.

(Prof. Gunter Bolick, CDU: Ja! Sie waren ja dabei!)

Man muss immer ganz vorsichtig sein, wenn man im Glashaus sitzt. Otto Wiesheu ist zwar nicht in der CDU, sondern in der CSU, aber jetzt bei der Bahn AG, und ExMinister Bodewig von der SPD hat sich zum Beispiel auch dahin verflüchtigt. Es ist schon interessant zu beobachten, dass die SPD in zwei Legislaturen vier Verkehrsminister in der rot-grünen Regierungszeit verschlissen hat. Der größte Investitionshaushalt auf Bundesebene ist damals außerordentlich fluktuierend verwaltet worden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Nun bleibt noch der Blick zur Bank der Staatsregierung. – Herr Staatsminister Jurk, bitte.

(Prof. Gunter Bolick, CDU: Frau Hermenau, vielleicht hätte es gereicht, Herrn Mehdorn auszuwechseln! – Antje Hermenau, GRÜNE: Ja, das wäre vielleicht gut gewesen! – Zuruf: Ruhe! – Unruhe)

– Ich wollte niemanden stören.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach Jahrzehnten des Niederganges findet zurzeit, resultierend aus sehr unterschiedlichen Gründen, eine Renaissance der Eisenbahn statt. Einerseits haben sich wichtige Rahmenbedingungen direkt oder indirekt zugunsten der Schiene verändert. Die Kraftstoffpreise steigen, wie wir allesamt leidvoll miterleben müssen. Der Verkehrsraum auf der Straße wird immer enger. Die Lkw-Maut entwickelt eine gewisse Lenkungswirkung und der Europäischen Union gelingt es immer besser, den Eisenbahnverkehr zwischen den einzelnen Staaten zu harmonisieren.

Weiterer Rückenwind für die Eisenbahn ergibt sich zudem dadurch, dass die Transportentfernungen im Güterverkehr, bedingt durch EU-Erweiterung und Globalisierung, kontinuierlich steigen. Allein der Hinterlandverkehr der boomenden deutschen Seehäfen trägt maßgeblich zum Wiedererstarken des Schienengüterverkehrs bei, und ein Ende dieser Entwicklung ist momentan nicht abzusehen. Angesichts der Wachstumsraten im Bereich des Schienengüterverkehrs gerät man ja beinahe in Versuchung, den in der Vergangenheit viel zitierten Begriff der Verkehrswende wieder in den Mund zu nehmen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenden wir uns, dem Thema der Aktuellen Debatte folgend, der Frage zu: Was leistet der Freistaat konkret für die Verbesserung der Attraktivität des Eisenbahnverkehrs?

(Antje Hermenau, GRÜNE: Ja!)

Meine Antwort lautet: sehr viel.

(Lachen der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Ich möchte diese These mit einigen Beispielen unterlegen. In den vergangenen zehn Jahren hat der Freistaat im ganzen Land flächendeckend in die Sanierung der Regionalstrecken investiert. Das Vogtlandnetz ist längst vollständig saniert, das Erzgebirgsnetz steht unmittelbar vor seiner Vollendung, und auch beim Ostsachsennetz kommen wir gut voran. Der Freistaat leistet damit einen entscheidenden Beitrag dazu, dass eines der nach wie vor dichtesten Eisenbahnnetze Europas nicht nur erhalten bleibt, sondern auch dazu, dass es in einen zeitgemäßen, betriebsfähigen Zustand gebracht wird. Wir haben uns ganz bewusst dafür entschieden, der Eisenbahn auch in der Fläche eine Chance zu geben, und dafür eine Menge Geld zur Verfügung gestellt.

Die Staatsregierung hat aber auch – was nicht minder wichtig ist – den fünf sächsischen Zweckverbänden die nötige Planungssicherheit für die langfristige Bestellung vielfältiger SPNV-Leistungen geschaffen. Sie erinnern sich vielleicht: Im ansonsten so schönen WMSommer 2006 hatte der Bund die Regionalisierungsmittel deutlich gekürzt. Da ein guter ÖPNV zuallererst Planungssicherheit benötigt, entschloss sich die Sächsische Staatsregierung umgehend dazu, im laufenden Doppelhaushalt mit einem Maßnahmenpaket auf die Kürzungen des Bundes zu reagieren. Dadurch wurde es möglich, die Zuweisungen an die fünf sächsischen ÖPNVAufgabenträger auf hohem Niveau zu verstetigen und somit in der Summe Leistungsreduzierung bzw. überproportionale Tariferhöhungen zu vermeiden.

(Beifall der Abg. Enrico Bräunig, SPD, sowie Dr. Martin Gillo und Heinz Lehmann, CDU)

Danke, Herr Gillo. – Dieses mehr als deutliche Bekenntnis für einen starken SPNV hat Beachtung und Anerkennung weit über die Grenzen unseres Landes hinaus gefunden. Ohne der anstehenden Haushaltsdiskussion vorgreifen zu wollen, kann ich bereits heute sagen, dass wir an diesem Kurs festhalten werden. In einer Zeit, die einerseits von dramatisch steigenden Kraftstoffpreisen und andererseits von einer weltweiten Klimaschutzdiskussion geprägt ist, möchten – nein: müssen – wir den Bürgerinnen und Bürgern und Gästen unseres Landes einen ebenso attraktiven wie bezahlbaren ÖPNV anbieten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Bau des City-Tunnels in Leipzig wird zurzeit das Nahverkehrssystem des gesamten mitteldeutschen Raumes revolutioniert. Es dürfte allgemein bekannt sein, dass der City-Tunnel ein Vorhaben ist, das für den Verkehrsminister bisweilen alles andere als vergnügungssteuerpflichtig

ist; und obwohl ich dieses Projekt mit all seinen Problemen „geerbt“ habe, bewundere ich den Mut und Weitblick derjenigen, die das Vorhaben entwickelt und zur Realisierung gebracht haben. Dieser City-Tunnel ist ein Jahrhundertprojekt, das uns unsere Enkel und Urenkel einmal danken werden, so wie wir unseren Großvätern heute für den großzügig angelegten Leipziger Hauptbahnhof dankbar sind, für die erste deutsche Fernbahn, Leipzig– Dresden, oder die Göltzschtalbrücke, die heute noch die größte Eisenbahnziegelbrücke der Welt ist, um nur einige Beispiele zu nennen.

Das mitteldeutsche S-Bahn-Netz, welches durch den CityTunnel erst möglich wird, wird gerade der Fläche nützen. Es entstehen schnelle, direkte, komfortable und zudem preiswerte Verbindungen zwischen der boomenden Leipziger Innenstadt und den angrenzenden Regionen. Von den Angeboten werden die vielen Berufspendler ebenso profitieren wie Einkaufstouristen und Theater- oder Partygänger. Ich bin mir sicher: Spätestens in dem Augenblick, wenn die Rolltreppen die Menschen auf den schönen Leipziger Markt bringen werden, wird es nur noch City-Tunnelfreunde geben.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)