Protokoll der Sitzung vom 09.07.2008

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Ja!)

Es ist in meiner Erinnerung auch so gewesen, dass ein Stellenabbau hier wirklich nicht stattgefunden hat und dass 100 eigentlich völlig ausreichend sind. So habe ich es damals verstanden. Aber wie Sie sehen, gibt es Sachzwänge, an denen auch die Union in diesem Land nicht vorbei kann. Man muss nur hartnäckig genug immer wieder darauf hinweisen. Irgendwann verstehen auch Sie das, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wie gesagt, die Aufweitung des Korridors ist auch von uns zu begrüßen, das sage ich ausdrücklich hier in diesem Haus. Es sei auch gesagt, dass angesichts der Abgangszahlen, die im Jahr 2013 bei über 400 liegen werden, diese Zahl zu gering ist.

Im Hinblick auf die Ausbildungszeiten bei der Polizei kommt diese Aufweitung des Korridors eindeutig zu spät, meine Damen und Herren. Das ist keine vorausschauende, langfristige und strukturierte Sicherheitspolitik, wie Sie sie gern sehen möchten, sondern wir entdecken hier eigentlich jede Menge Konfusion, Planlosigkeit und Finanzzentriertheit. Meine Damen und Herren! Sie machen uns Sicherheitspolitik viel zu sehr lediglich nach Kassenlage.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich erteile der Fraktion GRÜNE das Wort; Herr Lichdi, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach dreieinhalb Jahren Arbeit an der Reform hat die Staatsregierung die Reviere nun zum 01.01.2009 neu organisiert. Toll, sage ich! Prompt hat die Koalition diese Aktuelle Debatte angesetzt, wohl als Feierstunde für den Innenminister so kurz vor der Sommerpause. Zudem wird als Erfolg verkauft, was die CDU schon vor vier Wochen verkündet hat, nämlich den Einstellungskorridor von 300 oder doch 368 – das konnte bis jetzt nicht aufgeklärt werden. Vielleicht, Herr Innenminister, können Sie diesem Haus etwas mehr Klarheit verschaffen. Ansonsten ist auch – Herr Martens hat es angesprochen – die Verwir

rung allumfänglich. Das Innenministerium geht von derzeit 11 800 Beamtinnen und Beamten aus, die SPDFraktion in ihrem Forum, wenn ich mich recht erinnere, von 10 300 Beamten. Ich frage mich, wie die Koalition Politik der öffentlichen Sicherheit machen will, wenn sie sich noch nicht einmal über die Anzahl der im Dienst befindlichen Polizeibeamtinnen und -beamten klar ist. Mir, meine Damen und Herren, ist es nicht klar.

Ich glaube, Sie können diesen Wirrwarr und dieses Chaos auch der Öffentlichkeit nicht ernsthaft als seriöse Politik der öffentlichen Sicherheit verkaufen. Nein, meine Damen und Herren, diese offensichtliche Inszenierung machen wir nicht mit. Der GRÜNE-Fraktion reicht es nicht, wie populistisch Sie damit umgehen. Das Innenministerium hält seit Freitagnachmittag eine Pressemitteilung von dürren zweieinviertel Seiten sowie Karten der zukünftigen Revierstrukturen bereit. Das ist alles. Eine weitere Glanzleistung innenministerieller Verschwiegenheit! Am Tag zuvor, am Donnerstag, war die Sitzung des Innenausschusses. Diesen zu informieren sah Herr Buttolo keine Veranlassung. Stattdessen hat er veranlasst, dass die willfährige Vorsitzende des Innenausschusses (SPD) ihm in Zukunft lästige Fragen der Opposition vom Hals hält, indem sie diese gleich ganz verbietet. Herr Buttolo, Sie haben danach Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.

(Zuruf des Abg. Martin Dulig, SPD)

Herr Lichdi ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf für diesen Ausdruck gegenüber einer Ausschussvorsitzenden.

Welches Wort?

„Willfährig“ haben Sie gesagt, und das ist nicht der Fall.

(Beifall bei der CDU, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der Staatsregierung)

Ich glaube, das zu klären werden wir noch Gelegenheit haben.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Was soll nun zum 01.01.2009 passieren? Trotz der schönen Karten, die die Zeitungen abdrucken, habe ich noch Fragen. 21 Reviere der sogenannten Kategorie II verlieren ihre Selbstständigkeit, das heißt, Staats- und Verwaltungsreform nimmt das übergeordnete Revier der Kategorie I nun wahr. Nach welchen Kriterien eigentlich hat die Staatsregierung die Kategorisierung der Reviere vorgenommen? Ist etwa die Kriminalitätsbelastung in den Revieren der Kategorie II etwas geringer?

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion)

Vernetzt werden bis zu drei Reviere mit zum Teil erheblichen Ausdehnungen des Revier- und Postenverbundes der Fläche. Besonders weitläufig gerät die Revierform etwa

bei Löbau, Auerbach, Delitzsch und Torgau. Zu den sogenannten demografischen „Entleerungsräumen“ fügt die Staatsregierung offensichtlich auch polizeiliche Entleerungsräume hinzu. Meine Damen und Herren! Dies verwundert uns in der Tat schon sehr. Denn Innenminister Buttolo hat die Zusammenfassung von drei Revieren mit Blick auf den erhöhten Führungsaufwand noch im März 2008 als unzweckmäßig abgelehnt; Drucksache 4/11302 des Kollegen Martens.

Der Kern der Reform ist die Reduzierung vieler Beamter, die jetzt durch die Bündelung der Führungsaufgaben in den Revieren der Kategorie I entfallen könnten. Die Anzahl der in den Revieren mit Stabs- und Verwaltungsaufgaben befassten Beamten soll damit von 1 100 auf 700 reduziert werden. Wir haben hier wieder einmal die berühmte Bündelung ins Blaue hinein, die wir bereits von der sogenannten Verwaltungsreform her kennen. Dort glaubte man, durch Zusammenlegen von Behörden Mitarbeiter einsparen zu können. Ob dies funktionieren kann, ist mal wieder nicht zu beurteilen, da uns der Minister die Vorarbeit nicht vorlegt.

Wenn ich nun in der Presse lese, dass er erst im nächsten Jahr eine Evaluierung der Polizei vornehmen möchte, dann vermute ich, dass nach schlechter Gewohnheit dieser Regierung wieder keine genaue Prüfung der Bündelungsfähigkeit stattgefunden hat. Im Übrigen meine ich mich zu erinnern, dass wir die Evaluierung bereits im Jahr 2005 einvernehmlich besprochen und beschlossen haben. Da frage ich mich, wieso Sie diese Evaluierung jetzt als großen Erfolg verkaufen können.

Nein, diese Koalition ist offenbar dabei, ein vergleichbares Chaos wie derzeit in der Landesverwaltung auch bei der Polizei zu organisieren. Sollen denn die 400 unnötigen Stabs- und Verwaltungsmitarbeiter jetzt „auf die Straße“ geschickt werden, wie es Kollege Bandmann ausgedrückt hat? Kann jedes Revier mit einer Verstärkung von fünf Streifenpolizisten rechnen, oder ergibt sich die Stärkung allein durch die hochgelobte Zusammenlegung der Kriminaldienste mit den Ermittlungsdiensten? Was heißt denn „zum Teil reduzierter Personaleinsatz“?

Schaut man sich die Sachsenkarte an, wird der Polizeiposten mit eingeschränkten Sprechzeiten die Regel. Die Präsenzzeiten sollen, wie es heißt, „individuell im Benehmen mit den Kommunen“ festgelegt werden. Was soll das heißen? Hält die Polizei etwa den Posten länger offen, wenn die Gemeinde die Kosten übernimmt? Diese Formeln scheinen doch nur eine weitere Verschlechterung der Polizeipräsenz zu bemänteln, die uns jedoch nicht mitgeteilt wird.

Ob diese Polizeireform ein Mehr an Polizeipräsenz für Sachsen ergibt, wie uns die Koalition mit dem Titel der Aktuellen Debatte weismachen will, ist offen. Meine Damen und Herren, angesichts der Vorgeschichte ist Misstrauen mehr als angebracht.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile der CDU-Fraktion das Wort; Herr Bandmann, bitte.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hier reißen Sachen ein!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es sind eine ganze Reihe von Fragen angesprochen worden, und ich würde zunächst Herrn Lichdi gern aufklären und bitte ihn, einfach einmal zuzuhören.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Das ist aber schwer!)

Im Doppelhaushalt – das ist seit gestern auch in der Pressemitteilung der Staatsregierung zum Doppelhaushalt nachzulesen – werden 368 zusätzliche Stellen für Neueinsteiger bei der Polizei ausgebracht.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Das heißt, Herr Lichdi: Wir können 2009 und 2010 jeweils 300 neue Polizistinnen und Polizisten ausbilden, und diese werden, so sie die Qualifikationsvoraussetzungen erlangen, später auch in die Polizei übernommen. – So weit zu der scheinbaren Unsicherheit.

(Unruhe im Saal)

Frau Dr. Ernst von der Linksfraktion, wenn Sie hier Ihre Kritik mit dem Hinweis anbringen, sie komme aus den Polizeipräsidien: Seit 2005 haben wir keine Polizeipräsidien mehr. Die Meldung scheint also uralt zu sein. Sie müssen dann schon Ross und Reiter nennen, und ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie versuchen immer, Dinge anders darzustellen.

(Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion: Ja, ja! – Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Ach ja?!)

Sie versuchen immer, nicht bei der Wahrheit zu bleiben, und ich denke, das Ziel der Linken ist klar: hier immer wieder Verunsicherung durch falsche Behauptungen hineinzutragen.

(Klaus Bartl, Linksfraktion, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Oh!)

Ich denke, das lässt sich auch mit den Beiträgen belegen, die wir in den vergangenen Jahren hatten, Frau Dr. Ernst. Wir wissen doch, wie Rechtsextreme und Linksautonome in Sachsen die Polizei beschäftigen. Wer steht denn bei den Linksautonomen immer an der Seite?

(Klaus Bartl, Linksfraktion: Herr Bandmann!)

Wer ist immer an der Seite, Frau Dr. Ernst? Schauen Sie doch Ihre eigene Klientel an, dann haben Sie die Antwort; und das sage ich Ihnen heute nicht zum ersten Mal,

sondern ich habe es Ihnen auch schon in der Vergangenheit gesagt: Wir werden eine Polizei aufstellen, die genau diesem Treiben ein Ende bereitet. Das sage ich Ihnen in aller Deutlichkeit.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)

Wir werden dafür die notwendigen Rahmenbedingungen bei der sächsischen Landespolizei schaffen, ob Ihnen das passt, Herr Bartl, oder nicht. Das ist die ganz klare Ansage.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, Linksfraktion)