Protokoll der Sitzung vom 10.07.2008

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich habe nach all den Jahren dieser gleichförmigen Debatten eigentlich keine Lust mehr auf Ihr schlechtes Schauspiel. Alle Jahre wieder stehen die ostdeutschen Ministerpräsidenten mit ihrem Gefolge auf der Matte des Westens und erbetteln sich die Fortschreibung des Investitionszulagengesetzes und der GA. Ihnen folgt ein Getümmel auf der offenen politischen Bühne. Bundestagsabgeordnete, Minister und die ostdeutschen Landtage in ihrer Gesamtheit übertrumpfen sich mit Pressemitteilungen; und dann, im Schlussakkord, zeigt sich der Westen gnädig und gibt uns mehr, als er zunächst eingestellt hatte, aber weniger, als wir gefordert hatten.

Gleichzeitig werden die entscheidenden Fragen nicht angesprochen und die entscheidenden Probleme in der ostdeutschen Wirtschaft nicht gelöst, gelinde gesagt, durch diese Art von Debatten, Herr Bolick und Herr Brangs, werden die Probleme, die wir hier in der Tat noch haben, durch angebliche Vorzüge und Erfolge, die ich nicht in Abrede stellen will, verschwiegen und übertüncht; aber auch eine solche Selbstlobform bringt uns nicht einen Meter weiter.

Ich will noch etwas dazusetzen. In diesem Jahr nimmt das Schauspiel nahezu die Form einer Farce an; denn bereits am 14. Mai 2008 hat Ihnen die Kanzlerin ihr Wort gegeben, dass das Investitionszulagengesetz fortgeschrieben wird. Wolfgang Tiefensee sagte, dass die Regelung fortgeführt werde, stehe überhaupt nicht mehr infrage.

Bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ sieht es ähnlich aus. Bundesfinanzminister Steinbrück hat einen Etatentwurf vorgelegt, in welchem die GA mit 624 Millionen Euro ausgestattet ist. Das sind 20 Millionen Euro weniger als bisher. Aber denken Sie einmal daran, dass der Bund vor zwei Jahren 100 Millionen Euro weniger für den Osten bereitstellen wollte und schließlich – im letzten Akkord des letzten

Aktes des damals inszenierten Schauspiels – alles zurückgenommen und die Summe beibehalten hatte! Diesmal geht es um 20 Millionen Euro – für den Bundeshaushalt im Prinzip Peanuts. Ich prophezeie Ihnen heute, dass es auch diesmal einen letzten Akkord in einem letzten Akt geben wird, und dann werden Sie sich erneut gegenseitig auf die Schultern klopfen, weil Sie so „erfolgreich gekämpft haben“.

Meine Damen und Herren! Für das Wort „Farce“ gibt es zwei entscheidende Synonyme. Das eine lautet „Betrug“, das andere „Einlage“. Unter „Betrug“ versammeln sich dann so schöne deutsche Wörter wie Irrtum, Machenschaft, Begünstigung, Mogelei, Täuschung, Pfusch, Gaunerstreich, Schwindel, Manipulation, Nepp und Bauernfängerei.

(Marko Schiemann, CDU: Was? – Leichte Heiterkeit bei der CDU)

Das Synonym „Einlage“ steht für Beilage, Zugabe oder auch Füllmasse. Suchen Sie sich einfach aus, was Ihnen am besten gefällt, aber eine Farce bleibt eine Farce; denn wenn es Ihnen ernsthaft darum gehen würde, mit den vorgeblich oder sogar tatsächlich wichtigsten Förderinstrumenten die wichtigsten wirtschaftspolitischen Probleme des Landes anzupacken, dann müsste es Ihnen heute eigentlich schon längst um die Inhalte des Investitionszulagengesetzes und vor allem der Gemeinschaftsaufgabe gehen. Es ist ein Fakt – damit wende ich mich direkt an die Kolleginnen und Kollegen der FDP –, dass beide Förderinstrumente zum wirtschaftspolitischen Erbe der Bundesrepublik gehören. Mit diesem Erbe sorgsam umzugehen würde bedeuten, es zu pflegen und weiterzuentwickeln. Es müsste uns um die Ausgestaltung dieses Erbes gehen, damit es auch in der heutigen Zeit seine Wirkung entfalten kann.

Um ein Beispiel zu benennen: Die drohenden Insolvenzen bei MZ in Zschopau, bei der Pulsnitzer Lebkuchenfabrik oder auch bei vielen anderen kleinen und mittelständischen Unternehmen können weder mit einer Investitionszulage noch mit den Fördermitteln aus der GA aufgefangen werden. In alle diese Unternehmen wurde aber seit 1990 investiert, auch unter Zuhilfenahme dieser beiden bedeutenden Förderinstrumente. Aber diese Investitionen haben es nicht vermocht, die KMU in ihrer Gänze insolvenzsicher am Markt zu etablieren. Sie kranken nach wie vor an ihrer eigenen, viel zu dünnen Kapitaldecke. Nach wie vor können sie Marktschwankungen nicht oder nur selten kompensieren. Auf ihnen lastet der von ihnen allein nicht zu bewältigende Druck des globalen Wettbewerbes.

Um es gleich zu sagen: Ich bin weit davon entfernt zu glauben, dass der verhältnismäßig kleine Freistaat Sachsen mit seinen Förderinstrumenten dem internationalen Wettbewerb die Stirn bieten könnte, indem er einfach ein paar Stellschrauben an seinen Förderinstrumenten verändert. Aber das hat er auch gar nicht vor. Nein, heute geht es im Antrag der Koalition lediglich darum, die Höhe und die Dauer von zwei Förderinstrumenten vorzuschreiben, und zwar unverändert. Ich bezweifle, ob das ausreicht,

und stelle infrage, ob dies den heute bestehenden Klein- und mittelständischen Betrieben in Sachsen auch nur im Entferntesten hilft.

CDU und SPD haben in der Begründung ihres Antrages geschrieben, dass sie jungen, sich neu gründenden Unternehmen verpflichtet seien. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Dafür steht auch meine Fraktion. Aber, meine Damen und Herren Antragsteller, was wird aus diesen Unternehmen, wenn sie – mithilfe von Steuergeldern und Subventionen – gegründet sind und dann die gleichen Probleme zu spüren bekommen, wie sie bei Tausenden von Unternehmen im Bestand heute zu verzeichnen sind? Darüber machen Sie sich überhaupt keine Gedanken. Deshalb war es auch deplatziert, heute aus Ihren 10- oder 12-Punkte-Programmen zu zitieren.

Aus diesem Grund meine ich, dass Ihr heutiger Antrag nicht nur als Teil des alle Jahre wiederkehrenden monotonen und selbstgenügsamen Schauspiels zu werten ist, sondern dass er auch in besonderer Weise weder den Kriterien der Nachhaltigkeit noch einer vorausschauenden Wirtschaftspolitik gerecht wird. Aber dies passt nun wieder zur Kontinuität dieser Koalition. Insofern bleiben Sie sich treu.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Danke. – Die NPDFraktion wird durch den Abg. Gansel vertreten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Investitionszulage und die GA-Förderung zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sind zwei unentbehrliche Förderinstrumente, die nach Auffassung der NPD-Fraktion unbedingt verlängert werden müssen. Für den immer noch eigenkapitalschwachen Mittelstand zwischen Elbe und Oder sind sie zuweilen von existenzieller Bedeutung. Dem Wunsch der mitteldeutschen Ministerpräsidenten nach einer Fortführung der Investitionszulage bis 2013 will die Bundesregierung nun auch entsprechen. Die Verlängerung der Investitionszulage dürfte aber weniger selbstkritischen Einsichten in die sozialökonomische Strukturkrise der mitteldeutschen Länder geschuldet sein, als vielmehr dem bereits heraufziehenden Bundestagswahlkampf.

Vor dem Superwahljahr 2009 wird die Bundesregierung ganz sicher einige Füllhörner über Mitteldeutschland ausschütten, die als Beruhigungspillen für die ökonomisch verunsicherte und sozial weiter abstiegsbedrohte Bevölkerung dienen sollen. Als NPD-Fraktion befürchten wir aber, dass man sich am Berliner Kabinettstisch ganz schnell darauf verständigen wird, die Fördermittelströme wieder umzuleiten oder sogar auszutrocknen, wenn sich der Pulverdampf des Bundestagswahlkampfes erst einmal gelegt hat.

Und das, obwohl Mitteldeutschland weiterhin massiv gefördert werden muss, wenn nicht die letzten sozioökonomischen Fundamente erodieren sollen.

Zur Fördermittelbedürftigkeit Mitteldeutschlands bemerkte selbst die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am 3. Juli dieses Jahres: „Zählt man Westpendler und Unterbeschäftigte zusammen, fehlen immer noch 1,8 Millionen Stellen. Die gesamte Wirtschaftsleistung legt schwächer zu als im Westen, das Bruttoinlandsprodukt je Kopf kommt dem Referenzwert nicht näher. Ohne die Milliardentransfers für die Sozialsysteme und den Ausbau Ost ist die Region auch 18 Jahre nach der Wiedervereinigung nicht überlebensfähig. Im Jahr ihrer Volljährigkeit können die neuen Länder noch immer nicht alleine laufen.“ – So kommentiert es die „Frankfurter Allgemeine“.

Wenn von der ökonomischen Strukturschwäche der neuen Länder und dem daraus resultierenden Fördermittelbedarf gesprochen wird, muss aber auch von den wirtschaftspolitischen Fehlentscheidungen der Kohl-Regierung während der Vereinigung gesprochen werden. Der Kardinalfehler seiner schwarz-gelben Regierung war der naive Glaube, dass die Marktkräfte quasi im Selbstvollzug „blühende Landschaften“ schaffen würden. In Wirklichkeit räumte die Treuhandanstalt, die Exkanzler Helmut Schmidt einmal als „Nebenregierung“ bezeichnete, das Feld für zahllose in- und ausländische Privatisierer frei, die aber größtenteils nicht sanierten, sondern konsequent entindustrialisierten.

Helmut Schmidt bemerkte zu den Folgen der Treuhandpolitik: „Tatsächlich wird in den östlichen Bundesländern eine Fabrik nach der anderen, ein Unternehmen nach dem anderen geschlossen. Tatsächlich erlebt man dort einen Umgang mit Grundstücken und Gebäuden im Stile eines orientalischen Basars“, so der frühere sozialdemokratische Bundeskanzler.

So, wie Helmut Kohl blühende Landschaften versprach, verspricht Sachsens Ministerpräsident Tillich nun einen selbsttragenden Wirtschaftsaufschwung in Mitteldeutschland bis zum Jahr 2019. Tillich bezog sich mit seiner kühnen Prognose zweifelsohne auf das 10-PunkteProgramm der CDU zur Weiterentwicklung des Aufbaus Ost, das er gemeinsam mit CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am 26. Juni dieses Jahres in Berlin vorstellte.

Neben der sinnvollen Forderung nach einer Verlängerung der Investitionszulage bis zum Jahre 2013 und der steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung besteht das Programm aber im Wesentlichen aus Liberalisierungsmaßnahmen, wie der Einführung von Abweichungsrechten und Öffnungsklauseln im Arbeitsrecht und der Senkung des Schuleintrittsalters zum Ausgleich des Jugendschwundes. Eher ins politische Kuriositätenkabinett gehört für uns die Idee eines sogenannten Transportkorridors von der Ostsee bis zur Adria und zum Schwarzen Meer. Immerhin hat man sich etwas einfallen lassen.

Mit Durchliberalisierung und Entstaatlichung auf allen Ebenen wollen einige schneidige CDU-Reformer Mitteldeutschland zu den, wie es euphorisch heißt, „wettbewerbsfähigsten und innovativsten Regionen im Herzen Europas“ machen. Nun, das wollte auch Helmut Kohl, als er 1990 von den „blühenden Landschaften“ sprach.

Seitdem sind viele Regionen Mitteldeutschlands durch Abwanderung und Infrastrukturverlust, durch Massenarbeitslosigkeit und Armut regelrecht ausgeblutet, wodurch übrigens auch die vom Grundgesetz geforderte Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in ganz Deutschland in immer weitere Ferne rückt. Ohne einen grundlegenden Politikwechsel wird sich in Mitteldeutschland definitiv kein selbsttragender Aufschwung bis zum Jahr 2019, wenn der Solidarpakt II ausläuft, einstellen.

Dem Antrag der Koalitionsfraktionen für eine Verlängerung der Investitionszulage und für eine Verstetigung der GA-Förderung stimmt die NPD-Fraktion zu, weil der Antrag immerhin richtige Absichtserklärungen enthält. Den Antrag der FDP lehnen wir natürlich ab, weil er gerade die neoliberalen Forderungen des 10-PunkteProgramms der CDU aufgreift und in Mitteldeutschland perspektivisch eine wie auch immer etikettierte Sonderwirtschaftszone herstellen will, in der nicht die Landschaften, sondern nur das Sozialdumping blühen.

(Beifall bei der NPD)

Herr Weichert von der Fraktion der GRÜNEN beschließt diese Runde.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zum Antrag der Koalition. Die Investitionszulage und die GAFörderung zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sind Grundfesten zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland, insbesondere in Ostdeutschland.

Doch Grundfesten beginnen immer dann zu wanken, wenn das Fundament, auf dem sie errichtet sind, brüchig wird. Dieses Fundament bildet im Fall der Investitionszulage die Ausgestaltung des Rechtsanspruches auf Förderung sowie die Bindungsvoraussetzung für die geförderten Investitionen.

Genau an diesem Punkt, meine Damen und Herren, herrscht dringender Reformbedarf. Bei der Investitionszulage handelt es sich um die klassische Gießkannenförderung, von der in den Sonntagsreden kein Ministerpräsident, kein Aufbau-Ost- oder Finanzminister mehr etwas wissen will. Doch, wo angesichts knapper Mittel eine Konzentration der Gelder nötig wäre, bekommt jeder, der in den neuen Ländern investiert, die Förderung hinterhergeworfen. Dabei wird nicht darauf geachtet, ob es sich um eine sinnvolle Investition handelt oder nicht. Egal, ob großer Autokonzern, Handwerksbetrieb oder Start-up der Spitzentechnologie – die Investitionszulage bekommt erst einmal jeder.

Alle wissen, dass die Investitionszulage so zielgenau wie eine Ladung Schrott, nein, eine Ladung Schrot ist.

(Heiterkeit im Saal – Zuruf des Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion)

Das war der freudsche Beitrag zum Thema. – Joachim Ragnitz, Geschäftsführer des ifo Institutes für Wirtschaftsforschung, bringt es in einem Interview mit der „Märkischen Oder-Zeitung“ am 15. Mai auf den Punkt. Ich zitiere: „Es ist kein zielgenaues Förderinstrument. Die Maßnahme ist ineffizient.“ Ragnitz bemängelt, dass Auszahlungen stattfinden, ohne zu prüfen, ob es sich um lohnenswerte Investitionen handelt. So werden häufig Fehlinvestitionen in nicht zukunftsfähige Produkte gefördert. Es kann sein, dass das in Brandenburg öfter als hier passiert. Das ist ganz klar.

(Dr. Monika Runge, Linksfraktion: Das scheint so!)

Weil jedoch die Westländer einen guten Teil der Finanzierung stemmen, halten hier im Osten alle den Mund und machen so weiter wie bisher. Meiner Meinung nach kann man mit Geld, schon gar nicht mit fremdem, so nicht umgehen. Statt den Status quo zu zementieren, fordere ich die Regierung auf, sich dafür einzusetzen, die Investitionszulage zu einer zielgenauen Förderung umzubauen und sich am Wirtschaftswachstum und am Aufbau von Arbeitsplätzen zu orientieren.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen mit der Koalition überein: Das Geld muss der ostdeutschen Wirtschaft und Technologie erhalten bleiben. Jedoch brauchen wir eine andere Vergabepraxis, damit es gezielt in Wachstumsbranchen bzw. ausgewählte Regionen investiert werden kann. Das ist zentralistisch von der Ebene des Bundes aus kaum zu realisieren. Die Länder benötigen mehr Entscheidungsfreiheit in der Frage, wofür und wo die Mittel eingesetzt werden sollen.

So gehört es zur wirtschaftspolitischen Strategie jedes einzelnen Bundeslandes, in welchem Umfang wirtschaftliche Zentren und/oder strukturschwache Regionen gefördert werden. Am Beispiel des Osterzgebirges oder der Oberlausitz können Sie sich live und in Farbe ein Bild darüber machen, was geschieht, wenn in strukturschwachen Gegenden keine ausreichende wirtschaftliche Basis etabliert ist.

Kritik an der Investitionszulage in ihrer derzeitigen Form gibt es noch an einer anderen Stelle, denn sie verleitet zu Mitnahmeeffekten und bietet ein geradezu unüberblickbares Missbrauchsrisiko. Mitnahmeeffekte liegen immer dann vor, wenn eine Investition auch ohne Förderung stattgefunden hätte. Großunternehmen nutzen die Zulage, obwohl sie diese gar nicht brauchen. Den Kürzeren ziehen dabei kleine und mittelständische Unternehmen, die ohnehin meist wenig Geld für Investitionen übrig haben. Ganz ähnlich verhält es sich im Falle der GA-Förderung.

Die missbräuchliche Verwendung der Investitionszulage kostet den Bund jährlich viele Millionen Euro. Wie viele es genau ist, weiß die Bundesregierung selbst nicht so genau. Auf eine Anfrage des Kollegen Peter Hettlich im Bundestag im April dieses Jahres räumte die Bundesregierung allerdings ein, dass es keine Statistik darüber gibt, in welchem Rahmen sich der Missbrauch bewegt.

Dass die Summen immens hoch sein müssen, zeigt ein Blick nach Brandenburg. Dort stoppten die Finanzämter 2007 die Auszahlung von 24,2 Millionen Euro. Das entspricht einem Viertel des insgesamt beantragten Geldes.

Meine Damen und Herren! Ich möchte an dieser Stelle die Ungereimtheiten rund um die Investitionszulage noch einmal zusammenfassen: Der Bund gibt für diesen Teil des Solidarpaktes II jährlich circa 600 Millionen Euro aus. Der Bundesfinanzminister weiß nicht, wer, wo und was mit dieser Investitionszulage gefördert wird. Sie stimmen sicher mit mir darüber überein, wenn ich fordere, diesen Zustand schnellstens zu reformieren.

Im Rahmen der Überarbeitung der Zugangskriterien sollten neue Standards gesetzt werden, auch in Bezug auf Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit. Sowohl Investitionszulage als auch GA-Förderung sollten die Unternehmen belohnen, die effizient mit Rohstoffen wirtschaften, zum Beispiel Unternehmen, die nach EMAS oder ISO 14001 zertifiziert sind. So machen wir unsere Wirtschaft fit für den globalen Wettbewerb und tun etwas für den Klimaschutz.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition! Ihr Antrag ist im Kern unterstützenswert, geht es doch darum, die wirtschaftliche Entwicklung Sachsens auch in den kommenden Jahren abzusichern. Deshalb werden wir ihm zustimmen. Wir vermissen aber jenes Maß an Kreativität, das zur Lösung der geschilderten Probleme notwendig wird. Das werden wir demnächst mit einer parlamentarischen Initiative noch einmal einfordern und mit Ihnen diskutieren.

Nun komme ich zum FDP-Antrag. Meine Damen und Herren! Seit dem gesamtdeutschen wirtschaftlichen Neuanfang 1990 verstummen die Rufe nach der Sonderwirtschaftszone Ost nicht. Egal, ob CDU, SPD oder allen voran die FDP, immer, wenn das Versagen staatlicher Intervention zum Ankurbeln der schwächelnden ostdeutschen Wirtschaft offenbar wird, findet sich irgendein Politiker, der sich blitzschnell um 180 Grad dreht und ein neoliberales Konzept für den Osten aus dem Hut zaubert. Frau Pieper, Herr Merz, Herr von Dohnanyi – die Liste der Deregulierungsfans ist zu lang, um sie ohne zu langweilen vortragen zu können. Beschränken wir uns stattdessen auf die Kernaussagen.

So heißt es, im Osten entstünde eine ganz neue Dynamik, wo die neuen Länder das Recht bekämen, etwa die Regeln des Tarifvertrages, des Betriebsverfassungsgesetzes oder der Plan- und Genehmigungsverfahren mehr individuell und abweichend vom Bundesrecht anzuwenden. Es gelte, das Korsett an Überregulierung und Bürokratie abzustreifen, denn sonst könne der Osten dem Wettbewerb mit den alten Bundesländern nicht standhalten.

Meine Damen und Herren! Der Abbau von Bürokratie und schneller verlaufende Genehmigungsverfahren bei Investitionen sind durchaus begrüßenswert, solange die Quantität nicht zulasten der Qualität geht. Sie sind jedoch nur die eine Seite der Medaille. Einen Blick auf die

andere Seite eröffnete uns Frau Pieper bereits vor zwei Jahren, indem sie die Diskussion mit dem Vorschlag bereicherte, das Arbeitsrecht so auszuhebeln, dass der Kündigungsschutz erst ab 20 Mitarbeitern gilt oder zugunsten von Abfindungsregelungen ganz wegfällt. Mixt man diese Aussage mit der Forderung des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters Klaus von Dohnanyi nach Billiglöhnen im Osten, so erhält man einen bitteren frühkapitalistischen Cocktail, der dem einen oder anderen in den Kopf steigt, der Mehrheit aber gehörig auf den Magen schlägt.