Auch hier ist keine Aussprache vorgesehen. Ich bitte daher die einbringende Fraktion, das Wort zu nehmen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Nachdem jahrelang Stück für Stück die informationelle Selbstbestimmung der Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land demontiert wurde, haben wir seit Mitte August eine neue, heftige Datenschutzdebatte.
Was war geschehen? Ein Mitarbeiter eines Callcenters konnte es nicht länger mit seinem Gewissen vereinbaren, Kunden anzurufen, deren Telefonnummern aus trüben, wenn nicht illegalen Quellen stammten. Die Bankkonten
daten von nicht weniger als 17 000 Bürgerinnen und Bürgern waren in die Hände dieses Callcenters geraten. Wie den Medien zu entnehmen war, wurde von mindestens fünf Personen in Sachsen illegal Geld abgebucht. Natürlich sind daran auch die entsprechenden Banken schuld, aber der Datenschutzskandal hat ein grelles Schlaglicht auf den Umfang der offenbar gängigen Praxis des illegalen Datenhandels geworfen. Der Chaos Computer Club vermutet, dass so gut wie alle Adressdaten in Deutschland in Umlauf sind.
Unser Gesetzentwurf, den wir Ihnen heute vorlegen, möchte auf Landesebene alles tun, damit diese Verhältnis
sah sich veranlasst, zu einem Datenschutzgipfel einzuladen. Wir begrüßen das, denn endlich hat die Bundesregierung einmal Datenschutz als eigenständiges Kernthema erkannt, anstatt es als Hindernis der Straftatenaufklärung zu diffamieren. Was genau auf dem Datenschutzgipfel vereinbart wurde, ist unklar. Nach Meldungen soll im Datenschutzgesetz des Bundes die Regelung aufgenommen werden, dass Bürger der Weitergabe ihrer Daten ausdrücklich zustimmen müssen. Das ist die sogenannte Opt-in-Regelung. Die Opt-in-Regelung begrüßen wir einerseits. Andererseits ist nach Pressemeldungen beschlossen worden, dass diese Opt-in-Regelung ausdrücklich nicht für das Melderecht gelten soll. Genau hier setzt unser Gesetzentwurf an.
Es ist zwar so, dass das Melderecht seit der Föderalismusreform 2006 in der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundestages steht; der Bundestag hat aber bisher noch kein Meldegesetz erlassen. Im Internet kursiert seit Juli dieses Jahres ein Entwurf, der der Referentenentwurf des Innenministeriums zu einem Bundesmeldegesetz sein soll. Auch dieser Entwurf sieht nur eine Widerspruchsmöglichkeit, etwa bei Gruppenauskünften, vor. Wie zu hören ist, gibt es Bedenken der SPD, sodass eine Verabschiedung des Gesetzes in dieser Legislaturperiode des Bundestages in den Sternen steht.
Fazit: Der Landtag des Freistaates Sachsen bleibt rechtlich für eine solche Regelung zuständig und nach unserer festen Überzeugung auch in der Pflicht. Wir müssen in Sachsen unsere Hausaufgaben machen und dort handeln, wo wir als Gesetzgeber in der Pflicht stehen. Wir als Landtag müssen alles tun, dass nicht sächsische Landes- oder Kommunalbehörden Daten ohne den Willen der Betroffenen verkaufen.
Wir dürfen nicht vergessen: Die Bürgerinnen und Bürger sind gesetzlich gezwungen, ihre persönlichen Daten abzugeben. Dieser Offenbarungszwang wird durch die Erfüllung gesetzlich bestimmter, öffentlicher Aufgaben gerechtfertigt. Gegenüber privaten Dritten muss der Bürger seine Daten nicht offenbaren, sondern kann grundsätzlich selbst bestimmen, ob und welche Daten er von sich preisgeben möchte. Es kann aber nicht sein, dass Meldebehörden Daten, die sie zu gesetzlich bestimmten, öffentlichen Zwecken von uns erhalten, gegen unseren Willen an private Dritte weitergeben können. Die Meldebehörden sind an den Grundsatz der Zweckbindung der Daten gebunden.
Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was nimmt sich der Staat eigentlich heraus, Daten, die ihm aus guten Gründen anvertraut werden mussten, an Dritte weiterzugeben? Was früher einmal als harmlose Gefälligkeit erschien – wie etwa die Weitergabe von hohen Geburtstagen an die Presse –, ist heute in den Zeiten der allgegenwärtig verknüpfbaren Daten möglicherweise der letzte
Baustein zur Vervollkommnung eines Persönlichkeitsbildes, das sich ein Dritter illegal von uns macht.
Zudem haben wir in Sachsen dringenden Handlungsbedarf, denn bald soll das Kommunale Kernmelderegister in Bischofswerda endgültig seine Arbeit aufnehmen. Dann ist es nach der geltenden Rechtslage möglich, dass private Dritte – nicht Behörden – Auskünfte über unseren Namen, Wohnsitz und Geburtstag automatisiert über das Internet abrufen dürfen. Der Betroffene kann der Form der Datenübermittlung zwar widersprechen; hat er jedoch nicht ausdrücklich widersprochen, werden seine Daten auf diese Art und Weise übermittelt.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie: War Ihnen das klar? Ich glaube, weder allen in diesem Hause noch der breiten Bevölkerung ist klar, dass unsere Wohnadressen praktisch von jedermann ohne weitere Voraussetzungen abgerufen werden können, und dann auch übers Internet. Ich kann alle Bürgerinnen und Bürger nur dringend auffordern: Gehen Sie auf Ihre Meldebehörde und widersprechen Sie ausdrücklich einer Weitergabe Ihrer Daten an private Dritte! Ansonsten müssen Sie sich nicht wundern, wenn Sie noch häufiger ungebetene Werbeanrufe erhalten oder Ihr Postfach noch mehr von lästigen Werbesendungen überquillt.
Oder, meine Damen und Herren, ist Ihnen klar, dass private Dritte weitere Daten über die sogenannte erweiterte Meldeauskunft erhalten können, nur wenn sie ein sogenanntes „berechtigtes Interesse“ geltend machen? Sie haben noch nicht einmal ein Widerspruchsrecht, sondern werden unter Umständen von der erteilten Auskunft vielleicht, aber auch nicht zwingend, nachträglich unterrichtet. Zudem prüft die Meldebehörde lediglich, ob ein „berechtigtes Interesse“ vorliegt. Diese Frage unterliegt aber der Interessenabwägung der Meldebehörde zwischen dem Auskunftsinteresse des Anfragenden einerseits und dem Geheimhaltungsinteresse des betroffenen Bürgers andererseits. In der einschlägigen Kommentierung zum Meldegesetz ist zu lesen, dass bei „rein wirtschaftlichem Interesse“ des Auskunft Begehrenden kein berechtigtes Interesse vorliege. Aber ich frage Sie: Können wir dem vertrauen?
Wir haben also den Schutz unserer Daten nicht mehr selbst in der Hand, sondern müssen darauf vertrauen, dass die Meldebehörde diesen Schutz für uns wahrnimmt. Zugleich hat die Meldebehörde über die Gebühreneinnahmen aber ein eminentes wirtschaftliches Interesse an der Weitergabe unserer Daten. Sie können sich leicht ausrechnen, wie die Behörde ihr Ermessen ausüben wird. Beispielsweise veranschlagt die Landeshauptstadt Dresden die durchaus nicht zu verachtende Summe von 375 000 Euro in ihrem Haushaltsplan als Gebühreneinnahmen aus Datenweitergaben.
– Gleich. – Ich frage Sie: Glauben Sie tatsächlich, dass die kommunalen Meldebehörden den Schutz Ihrer Daten in den Vordergrund stellen werden, wenn sie durch die Weitergabe Einnahmen erzielen können?
Sehr geehrter Herr Kollege Lichdi! Können Sie mir erklären, warum die Fraktion der GRÜNEN im Leipziger Stadtrat einen Antrag der FDPFraktion, die Weitergabe dieser Daten von einer ausdrücklichen Zustimmung abhängig zu machen, abgelehnt hat?
Ich kann Ihnen gern zugestehen, dass ich das Abstimmungsverhalten meiner Freunde in Leipzig nicht Tag für Tag und Stunde für Stunde kontrolliere. Ich habe aber gerade Blickkontakt mit dem Kollegen Weichert aufgenommen, der verneinend den Kopf geschüttelt hat, sodass ich davon ausgehe, dass Ihre Darstellung, die Sie hier getroffen haben, nicht zutreffend ist, weil ich durchaus mehr Veranlassung habe, meinem Kollegen Weichert zu vertrauen als Ihnen. – Vielen Dank.
Nein, meine Damen und Herren, wir sind überzeugt, dass der Schutz unserer Daten in unsere eigenen Hände gehört. Wir müssen das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichtes ernst nehmen, nach dem wir selbst und sonst kein anderer über die Weitergabe unserer Daten entscheiden können müssen. Dies ist nur mit einer Einwilligungsregelung der Datenweitergabe an private Dritte möglich. Dass dies mittlerweile Stand der Diskussion ist, können wir ja auch dem Ergebnis des Datenschutzgipfels letzte Woche bei Innenminister Schäuble entnehmen.
Wir haben aber aus einem weiteren wichtigen Grund dringenden Handlungsbedarf. Nach dem geltenden Meldegesetz können Parteien die Wohnadressen von Wählern abfragen, um sie anschließend mit Werbematerial zu überschütten. Schon viele werden sich gewundert haben, wieso sie auf einmal ein persönlich adressiertes Schreiben von einem freundlich lächelnden Politiker in ihrem Briefkasten gefunden haben, obwohl sie möglicherweise gerade diesen Politiker verabscheuen. Es ist überhaupt nicht einzusehen, wieso dieses Parteienprivileg weiterbestehen sollte. Entscheidend ist aber aus meiner Sicht, dass wir hier in diesem Landtag eine rechtsextremistische Partei sitzen haben, die bekanntermaßen gern verurteilte Gewalttäter aufstellt und auch sonst gute Kontakte in dieser Szene pflegt. Ich möchte verhindern, dass sich die NPD ganz legal Meldedaten bei den Behör
Ich hoffe, dass sich die demokratischen Fraktionen dieses Hauses wenigstens in diesem Ziel im Ergebnis einig sind. Unser Gesetzentwurf sieht daher auch für diesen Fall die Einwilligungsregelung vor.
Herr Kollege Despang, wenn Sie hier schon dazwischenlabern und dazwischenbrüllen, dann erklären Sie mir doch, wie es sein kann, dass Sie den Mörder von Guben 1999 auf Ihrer Liste in Brandenburg, auf der Kommunalwahlliste, stehen haben.
Ich halte es für einen Skandal sondergleichen, dass Sie einen verurteilten Mörder noch auf Ihre Liste setzen! Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind.
Meine Damen und Herren! Wir haben unsere Gesetzgebungsvorschläge bereits im Januar 2006 anlässlich der Änderung des Sächsischen Meldegesetzes beantragt, und Sie von der CDU- und SPD-Koalition haben dies abgelehnt. Ich bin sehr gespannt, ob Sie sich angesichts der jüngsten Entwicklungen weiterhin der Notwendigkeit eines strengeren, eines besseren Datenschutzes, eines Datenschutzes in unseren eigenen Händen und damit einer Einwilligungslösung widersetzen wollen. Ich bin gespannt auf die Ausschussberatungen und beantrage die Überweisung an den Innenausschuss. Meines Erachtens müsste der Gesetzentwurf auch an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss überwiesen werden.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den Entwurf Zweites Gesetz zur Änderung des Sächsischen Meldegesetzes an den Innenausschuss zu überweisen. Herr Lichdi, darf ich das als Antrag betrachten, dass Sie darüber noch abgestimmt haben möchten? – Gut.
Wir stimmen jetzt erst einmal ab über das, was das Präsidium vorgeschlagen hat, und zwar über die Überweisung an den Innenausschuss, der damit auch federführend wäre. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Diese Überweisung ist beschlossen.
Ich rufe jetzt den Antrag von Herrn Lichdi auf, diesen Entwurf auch an den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss zu überweisen. Wer ist dafür? – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Ich kann eine