Protokoll der Sitzung vom 10.09.2008

Natürlich ist auch dieser Doppelhaushalt grundsätzlich ganz solide. Er ist solide Hausmannskost. Natürlich schmeckt Hausmannskost. Aber immer nur Bratkartoffeln, Kopfsalat und Sülze macht die Sache auf Dauer doch ein bisschen fad.

Der Finanzminister hat vorhin zwei Regenwolken skizziert, die derzeit über Sachsen kreisen und in den nächsten Jahren noch viel dunkler werden könnten. Das ist zum einen die demografische Entwicklung und zum anderen die Tatsache der auslaufenden Solidarpaktmittel. Ich wundere mich deswegen, weil Sie es angesprochen haben, aber auch darüber, dass dieser Haushalt auf diese beiden entscheidenden Einflussfaktoren aus unserer Sicht zu wenig Bezug nimmt. Ich wundere mich auch darüber, dass man elf Jahre, bevor die Transferleistungen aus dem Westen auslaufen, so lax und zum Teil auch so naiv in die Zukunft blickt.

Man kann sicher mit diesem Haushalt auch die nächsten zwei Jahre sehr ordentlich wirtschaften, aber ich frage Sie: Wo ist der Glanz, wo ist das innovative dynamische Element in der sächsischen Haushaltspolitik, wo sind vor allem die energischen Weichenstellungen für die Zukunft unseres Landes?

Dieser Haushalt verwaltet das, was seit der Wende geschaffen worden ist, und er verwaltet es – das will ich gern zugeben – ganz gut. Allein, er kann kaum die geeignete Grundlage für die dynamische Fortentwicklung unseres Landes in den nächsten Jahren sein. Verwalten ja, gestalten nein – das ist das Dilemma, in dem die sächsische Haushaltspolitik seit einiger Zeit steckt.

Ich wundere mich, dass der Freistaat so wenig dafür tut – auch das haben Sie richtigerweise angesprochen –, selbst und vor allem kurzfristig wieder mehr eigene Handlungsspielräume und eigene finanzpolitische Gestaltungsoptionen zu bekommen. Es gibt kein Erkenntnisdefizit, das weiß ich. Sie selbst haben bei der Analyse der mittelfristi (Beifall bei der FDP)

gen Finanzplanung skizziert, dass wir als Land im Jahre 2012 nur noch über rund 3 % unserer Haushaltsmittel frei verfügen können. Alle anderen Mittel sind langfristig gebunden. Das hängt zum Teil mit Gesetzen zusammen, die aus Europa bzw. vom Bund kommen. Ferner spielen die Tarife eine Rolle. Aber es hängt auch mit der Landesgesetzgebung zusammen, das heißt, wir haben uns selbst an die Kette gelegt. Das ist nicht gerade eine gute Ausgangsposition für eine kreative Finanzpolitik in den nächsten zehn Jahren.

Wenn ich auf den Haushalt 2009/2010 schaue, stelle ich fest: Auch dieser Haushalt steckt schon voller Zwänge. Aber – damit sind wir aus unserer Sicht beim Kern – dieser Haushalt steckt auch deswegen voller Zwänge, weil diese Regierung selbst für diese Zwänge gesorgt hat. Die CDU und die SPD haben aus unserer Sicht das anatomische Wunder vollbracht, sich selbst die Zwangsjacke anzuziehen. Das geschah allein dadurch, dass es diese Regierung in den letzten vier Jahren versäumt hat, vieles Notwendige und vieles dringend Erforderliche durch Tatkraft und Engagement anzugehen.

Es ist die Reformunfähigkeit dieser Regierung, es ist die Reformunwilligkeit dieser Regierung und es ist wahrscheinlich auch die Reformmüdigkeit von Schwarz-Rot – übrigens keinesfalls nur in Sachsen, sondern vor allem auch in Berlin –, die unser Land erst in diese Zwangslage gebracht haben. Das zeigt einmal mehr, dass Große Koalitionen am wenigsten dazu geeignet sind, große Probleme zu lösen oder große Dinge anzupacken.

(Beifall bei der FDP)

CDU und SPD regieren in Sachsen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, leider oft zum Nachteil der Zukunftschancen unseres Landes. Wichtige Reformen werden entweder überhaupt nicht angegangen oder sie werden im Zweifel nur halbherzig in Angriff genommen. Wenn wir uns das Beispiel der Gestaltungsspielräume anschauen, wenn wir immer mehr durch unsere eigene, auch durch Landesgesetzgebung gebunden sind, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als durch diesen Gesetzes- und Verordnungsdschungel endlich einmal durchzugehen. Weniger Gesetze könnten unter Umständen zu mehr Freiheit und zu mehr Gestaltungsspielräumen führen. Mancherorts nennt man das Entbürokratisierung. Das ist genau der Punkt, den die Staatsregierung überhaupt nicht in Angriff genommen hat; und der noch von Thomas de Maizière im Wahlkampf mit ordentlichem Getöse angekündigte Paragrafenpranger ist schlichtweg die Posse dieser Legislaturperiode geworden, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE)

Obwohl die Bürgerinnen und Bürger, die Verbände und die Unternehmen unseres Freistaates sowie die Verwaltung selbst mehr als 1 800 Vorschläge zum Abbau der Bürokratie unterbreiteten, haben es die CDU und die SPD immer noch nicht geschafft, einen entsprechenden Ge

setzentwurf vorzulegen. Auch im neuen Haushaltsbegleitgesetz finde ich einen solchen Vorstoß nicht.

Die Sache wird aber noch viel schlimmer, denn Sie haben nicht nur nicht gehandelt, um Bürokratie abzubauen, sondern Sie haben in den letzten Jahren das Gegenteil getan. Sie haben nämlich durch Ihr Regierungshandeln unser Land weiter bürokratisiert. Allein im Jahre 2007 haben die Landesbehörden 132 neue Verwaltungsvorschriften erlassen. Jeden dritten Tag also, meine Damen und Herren, gibt es in Sachsen eine neue Verordnung. Insofern muss ich Ihnen, Herr Ministerpräsident, bei allem Respekt sagen, dass ich Ihre Ankündigung für eine neue, abermalige Entbürokratisierungsinitiative in diesem Land beim besten Willen nicht mehr ernst nehmen kann.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich noch eines sagen: Eine mit Verve und Druck in Angriff genommene Entbürokratisierungsinitiative würde im Übrigen auch dazu führen, dass wir mehr Gestaltungsspielräume bekommen und unter Umständen der öffentliche Finanzbedarf schlichtweg sinkt. Das wäre aus unserer Sicht zukunftsorientiert. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie bei CDU und SPD im Fall der Entbürokratisierung Ihre Hausaufgaben erledigt hätten, denn dann würde die Zwangsjacke wesentlich lockerer sitzen.

Wir können aber auch ein anderes Beispiel nehmen, das wir zurzeit in den ersten Auswirkungen spüren, und zwar die völlig unzureichende und schlecht gemachte Verwaltungsreform. Wir alle wissen, dass eines der Zukunftsprobleme in Sachsen, die auch den Haushalt in der nächsten Zeit immer mehr belasten werden, die stetig steigenden Personalkosten sind.

Jetzt haben wir eine Verwaltungsreform gemacht mit dem Ziel, vor allem Personalkosten zu sparen. Ich glaube schon, dass wir uns überlegen müssen, wofür wir die wertvollen Steuereinnahmen und die wertvollen Transfergelder, die wir vor allem aus den westdeutschen Ländern immer noch bekommen, ausgeben. Wir müssen überlegen, ob wir sie für Sozialleistungen, für Bildung, für Investitionen und für mehr Kinderfreundlichkeit ausgeben oder ob wir sie immer mehr dafür ausgeben müssen, den eigenen Staatsapparat zu erhalten, das eigene Personal zu finanzieren, sodass wir sie im Endeffekt nur für uns selbst ausgeben.

Das kann aus unserer Sicht keine zukunftstaugliche Politik sein. Wir haben sehr gehofft, dass es durch diesen großen Wurf Verwaltungsreform endlich auch dort zu einer Kehrtwende kommt. Wir hatten jetzt – um eine Säule herauszunehmen – den Personalübergang von 4 144 Stellen an die Kommunen. Abgesehen davon, dass es mir als Steuerzahler völlig egal ist, wo der Einzelne gerade sitzt – ob er nun vom Land, von der Kommune oder vom Bund bezahlt wird –, muss es generell heruntergehen. Aber raten Sie einmal, welchen Effekt wir allein durch diese 4 144 Stellen bezüglich der Personalkosten im Freistaat Sachsen erzielen? Wir bekommen Luft für maximal ein einziges Jahr. Wenn ich den Doppelhaushalt

richtig lese, dann sehe ich, dass wir zunächst in den Personalkosten ein wenig herunterkommen, aber schon ab dem Jahre 2009 wieder höhere Personalkosten einzustellen sind.

Das heißt, der gesamte Effekt dieser Verwaltungsreform – zumindest was die Personalkosten betrifft – ist nach einem einzigen Jahr schon wieder hin und weg. Dann haben wir erneut mit dem Problem zu kämpfen, dass wir insgesamt höhere Personalkosten bekommen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das ist ein Effekt, bei dem wir im Teufelskreis sitzen, den wir, wenn wir nicht bald gegensteuern – und zwar sofort –, am Ende nicht mehr in den Griff bekommen können.

(Zuruf des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Die mit großem Brimborium gefeierte Verwaltungsreform verschafft uns nur ganz kurz Luft, meine Damen und Herren. Das ist ein sehr schlimmes Ergebnis, was CDU und SPD hier vorgelegt haben.

(Beifall bei der FDP)

Eine ordentliche Verwaltungsreform, meine Damen und Herren, wäre der entscheidende Schlüssel für eine gute Finanzpolitik im Freistaat Sachsen und für ein zukunftsfähiges Land gewesen.

Leider hat man eine solche Reform nicht hinbekommen.

Leider gab es eben keine vernünftige Aufgabenkritik im Vorfeld.

Leider gab es aus unserer Sicht keinen relevanten Aufgabenverzicht, wie wir ihn in Sachsen dringend brauchen.

Und leider gab es überhaupt keine einzige echte Privatisierungsbemühung.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Das ist billig!)

Dieser Staat bleibt nach dieser Verwaltungsreform – und das ist das Grunddilemma – dick und fett und kugelrund, genauso dick und fett und kugelrund, wie er schon in den letzten Jahren gewesen ist, und das angesichts der dünnen Reformergebnisse und des aus unserer Sicht sehr dringenden Austritts des Freistaates Sachsen aus der Tarifgemeinschaft der Länder als eine wichtige Weichenstellung für die Zukunft. Dass diese Regierung nicht diskussionsfähig ist, braucht uns an dieser Stelle nicht zu wundern.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe es am Anfang meiner Rede bereits gesagt: Der Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik. Der neue Doppelhaushalt ist damit das in Zahlen gegossene Versäumnis der CDU- und SPD-Regierung in diesem Land.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion GRÜNE spricht Frau Abg. Hermenau, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Als Herr Tillich – er ist

gerade nicht anwesend – vor reichlich 100 Tagen das Amt des Ministerpräsidenten übernahm, erweckte er in seiner Regierungserklärung durchaus die Hoffnung, dass ein paar notwendige Veränderungen der Landespolitik ante portas stünden.

Nun liegt der Haushalt vor, das Kassenbuch der real existierenden Politik, und dieser Haushalt besteht die Nagelprobe nicht. Es ist die alte Politik, die Herr Tillich – vielleicht lächelnd – hier andient.

Sie, Herr Finanzminister Unland, haben sich darüber gewundert, dass die Parlamentarier über die Verwendung von 7 % disponibler Mittel durchaus diskutieren. Sie müssen ja nicht gleich in Ritterrüstung ins Parlament kommen, wenn Sie den Krach fürchten. Aber ein bisschen mehr Leidenschaft, Herr Finanzminister, hätte ich mir gewünscht, wenn wir hier Zukunftsfragen diskutieren. Man kann auch mit Augenmaß leidenschaftlich sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Ich habe am Freitag mit Interesse der Presse entnehmen dürfen, dass es im Frühjahr einen Masterplan in Sachsen geben wird. Da frage ich mich natürlich, wie Sie diesen finanzieren wollen. Mit dem Haushalt offensichtlich nicht.

(Zuruf von der CDU: Warum nicht?)

Oder gilt der Masterplan vielleicht erst ab 2011?

Dann frage ich mich, warum Sie diese Eile haben, ihn im Wahlfrühjahr zu veröffentlichen.

(Alexander Delle, NPD: Wahlkampfgeplänkel! Da wird wieder alles versprochen!)

Wenn Sie erkannt haben, dass Sie etwas besser machen müssen in Sachsen, warum handeln Sie dann nicht und stellen die Weichen in diesem Haushalt? Machen Sie doch endlich einmal Politik mit dem Haushalt und nicht durch Statistik und stramme Meldungen nach Berlin!

Wir stimmen nämlich in wesentlichen finanziellen Prämissen überein. Auch wir wollen eine Begrenzung der Personalausgaben. Auch wir wollen eine Begrenzung der expliziten und impliziten Verschuldung. Warum wir uns aber innerhalb dieses Rahmens nicht klüger verhalten, will mir nicht in den Kopf.

Auf Seite 23 steht bei der mittelfristigen Finanzplanung – dröge wie immer –: „Die Staatsregierung hält an ihrem Ziel fest, die Solidarpaktmittel zukünftig weiterhin maßgabengerecht zu verwenden. Damit dies gelingt, sind weitere Anstrengungen nötig.“

Das war es? Weiter so?