Was ist nun mit den angekündigten Weichenstellungen für die nächsten zehn Jahre? Sie investieren immer noch zu viel in Dinge und zu wenig in Menschen. Das verbaut uns Zukunftschancen.
Sie baten darum, Herr Finanzminister Unland, die Investitionen in Beton nicht herabzuwürdigen. Es seien ja bleibende Werte.
Sehen Sie: Wenn die ersten Landkreise wie der Altkreis Löbau-Zittau vorrechnen, dass sie beim jetzigen Stand des Straßenausbaus schon nicht mehr in der Lage sind, die, die sie haben, ordentlich in Schuss zu halten, worin besteht dann Ihrer Meinung nach der bleibende Wert weiterer Straßen, die Sie noch zu bauen beabsichtigen?
Es ist nicht die Straße an sich, die strittig ist. Es geht um die Menge der Straßen, und es geht um den Investitionsschwerpunkt Straße. Den stellen wir durchaus strittig. Da gehen Bildung und andere Sachen unserer Meinung nach durchaus vor. Wir müssen aus dem weniger werdenden Geld deutlich mehr machen. Die Wohlstandsunterschiede zwischen Ost und West sind immer noch signifikant.
Als der Solidarpakt und seine Grundsätze ausgedacht und festgeschrieben wurden, da waren die Politiker alle noch ganz benebelt von der erst kurz zuvor stattgefundenen Wiedervereinigung. Das liegt 15 Jahre zurück, meine Damen und Herren; wenn nicht noch länger. Natürlich hatten wir damals und haben wir auch jetzt noch Anpassungsbedarf. Aber seit einigen Jahren wird das doch von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen überlagert, deren Dimensionen größer sind als all das, was wir bisher in Ost und West als solche einmal kennengelernt hatten.
Das betrifft zum Beispiel die Globalisierung, die Ressourcenverknappung, die Energieverteuerung, den Klimawandel, den demografischen Wandel, insbesondere die Alterung – haben auch Sie hervorgehoben –, die Erweiterung der Industriegesellschaft um die Wissensgesellschaft, die weibliche Übernahme des Bildungserfolgs und die notwendige Migration und Toleranz.
All diese Punkte bildet dieser Haushalt nicht ab, denen wird er nicht gerecht. Er folgt immer noch sklavisch den Vorgaben des Nachbaus West. Wir werden meiner Meinung nach die Zukunft nicht gewinnen, wenn wir uns darum bemühen, 2019 dort anzukommen, wo die alte Bundesrepublik 1989 gewesen ist. Der Nachbau West ist meiner Meinung nach zu Ende. Ganz Deutschland betritt Neuland. Das müssen wir hier selber auch erfinden, da können wir gar nichts abkupfern; jedenfalls nicht innerhalb Deutschlands.
Sie wollen, Herr Unland, bis 2020 versuchen, den Anschluss an die westdeutschen Realitäten zu erreichen, und bieten uns wiederholt Rheinland-Pfalz als Maßstab an. Ich bin da ehrlich gesagt deutlich ehrgeiziger. Für mich ist dieser zukunftslose Nachbau West zu Ende. Ich blicke mich jetzt einmal in Europa um, wenn ich Maßstäbe, andere Wege und Vergleiche suche, weil die alte Bundes
Gestern haben wir die Untersuchung der OECD zur Kenntnis nehmen dürfen. Heute werden wir sie noch sachsengenau bekommen. Die anderen europäischen Länder haben sich in den letzten Jahren sehr bemüht und sind gut vorangekommen. Deutschland bildet das Schlusslicht. Da fühle ich mich als Einäugige unter Blinden in Sachsen kein bisschen besser als der Rest der Republik. „Alles wird besser und nichts wird gut“, so beschrieb der DDR-Rock einmal diesen Politikstil. Es ist an der Zeit, die ideologischen Scheuklappen abzustreifen.
Wir wollen den Solidarpakt II modernisieren. Wir wollen, dass die Investitionen daraus in Nachhaltigkeit und Wachstum ausgerichtet werden. Das muss auf der Bundesebene verhandelt werden. Aber das ist machbar. Dann könnten wir dreistellige Millionenbeträge – sogar über eine Milliarde, wenn wir das alles wollen und so entscheiden – innerhalb dieser Mittel umschichten. Wir würden kein Extrageld aufnehmen müssen. Wir könnten Schwerpunkte in der Investition bilden. Wir wollen einen eindeutigen Schwerpunkt bei Forschung und Entwicklung – das ist uns wirklich viel wert – und auch den Verzicht beim Straßenbau, nicht in Gänze, aber man kann da abspecken.
Wir könnten mit diesen Geldern übrigens auch noch EUGelder kofinanzieren und hätten damit einen finanziellen Hebel, der noch größer wäre als der, der nur in den Solidarpaktmitteln existieren würde.
Nicht alle Investitionen sind wachstumswirksam und führen zu mehr Steuereinnahmen in der Zukunft. Und umgekehrt sind nicht alle konsumtiven Ausgaben gegenwartsorientiert, sondern stellen auch wachstumswirksame oder vorsorgende Zukunftsleistungen dar.
Das CDU-Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2005 sah einmal vor, bis 2010 in Deutschland einen Anteil von 3 % des Bruttosozialprodukts in Forschung und Bildung zu investieren. Na, dann einmal ran, meine Damen und Herren von der Union! 2010 steht vor der Tür und die nächste Bundestagswahl auch schon.
Herr Tillich – jetzt ist er wieder da – spricht davon, dass er nur mehr Geld vom Bund will. Das ist ja ein bisschen wohlfeil, Herr Tillich.
Ich habe das in den Neunzigerjahren beim damaligen Forschungsminister Möllemann beobachtet. Er hatte auch mehr Geld für Forschung und Bildung locker gemacht. Das gab es dann eine Weile. Auf einmal war das Strohfeuer vorbei, und seitdem muss man wieder schauen, wo man bleibt. Ich glaube nicht, dass die Bundesebene das machen kann. Das werden wir selbst in die Hand nehmen müssen.
Ich habe Ihnen ja gesagt, den Schwerpunkt Forschung und Entwicklung können wir selbst bilden. Wenn wir die Entwicklung im Großraum Dresden, im Großraum Halle
Leipzig, in den thüringischen Städten Jena und Erfurt, im sächsischen Zwickau, Chemnitz oder Freiberg sehen, dann ist doch klar, dass man dort akzentuieren muss und nicht mehr diese Gießkannenpolitik betreiben kann. Da läuft uns die Zeit davon.
Betrachten Sie doch einmal die Zeit, die man für einen Forschungsvorlauf und eine marktreife Entwicklung braucht, um ein Produkt herzustellen. Wir haben noch zehn Jahre zusätzliches Geld für den Aufbau Ost. Da muss man jetzt Nägel mit Köpfen machen; da ist die Gießkanne vorbei.
Die Gesamtaufwendungen für Forschung und Entwicklung in den fünf neuen Ländern liegen mit 360 Euro pro Kopf und pro Jahr weit unter dem Bundesdurchschnitt von 659 Euro. Das heißt, wir haben beim Thema Forschung und Entwicklung ungefähr 54 % des Westniveaus erreicht. Hier muss man etwas machen. Wenn bei uns im Osten die Betriebe ein Drittel kleiner sind als im Westen, dann muss man diese Instrumente, die dem Aufbau Ost zur Verfügung stehen, der Situation anpassen. Da ist die richtige Antwort: Verbundforschung, wenn man nicht genügend eigene industrielle Forschung hat. Diese Dinge müssen wir diskutieren. Wenn wir den Solidarpakt nicht modernisieren, verhalten wir uns so, als würden wir noch auf Dampf- und Dieselloks setzen, anstatt unsere Bahnstrecken zu elektrifizieren.
Wir müssen Sachsen globalisierungsfest machen. Die Grundzüge des Solidarpakts sind über 15 Jahre alt. Wir können auch die westdeutschen Länder für eine gemeinsame Diskussion gewinnen. Die meisten Politiker befürchten immer, dass die westdeutschen Länder gleich den ganzen Finanzausgleich kippen wollen, weil das an das Solidarpaktfortführungsgesetz gekoppelt ist. Das sehe ich nicht so.
Wir GRÜNEN haben auf Bundesebene einen Vorschlag eingebracht, der auch dazu geeignet ist, die westdeutschen Länder zu Verhandlungen zu bewegen, und zwar den Bildungs-Soli. Die Einnahmen aus dem Soli werden in den nächsten Jahren nicht abgesenkt. Zumindest hat das noch keine Partei verkündet. Aber es werden trotzdem die Ausgaben abgesenkt, das heißt, wir bekommen weniger Geld über den Solidarpakt. Es gibt also Geld, das ab dem nächsten Jahr übrig bleibt. Dieses Geld könnte man als Bildungssoli bundesweit in Ost und West in die notwendigen Investitionen bei Forschung und Bildung stecken. Das wäre möglich.
Da wären auch sofort die westdeutschen Bundesländer im Boot, denn auch die haben Probleme zu lösen. Sie haben, wie ich finde, die richtige Idee, die revolvierenden Fonds aus den EU-Mitteln zu nehmen. Das ist sinnvoll. Ob man deswegen die SAB gleich der neuen SLB aufplustern muss, kann man noch einmal diskutieren. Dieser Idee liegen aber offensichtlich Ihre politischen Erfahrungen von der EU-Ebene zugrunde. Ergänzen Sie diese Vorgehensweise doch um die Idee, den Solidarpakt II zu modernisieren. Das rate ich Ihnen mit all meiner bundespolitischen Erfahrung, die ich zu dem Thema gesammelt
habe. 2006 waren Sie dem auch schon einmal nahe. Da hat sich Kanzlerin Merkel mit den Ost-MPs in Halle getroffen. Dazu gab es auch eine interessante wissenschaftliche Studie, welche das BMF bei IWH in Auftrag gegeben hatte. Prof. Thöne aus Köln hat dies weiterentwickelt; wir haben es aufgenommen.
Mehrheitlich sind wir uns doch in Sachsen einig, dass Verschuldung so nicht weitergehen kann und die Investitionen von der Verschuldung entkoppelt werden. Das ist hier politische Mehrheitsmeinung. Es gibt also kein Risiko mehr, immer stärker in eine Verschuldung hineinzugeraten, wenn genau überlegt wird, was eine moderne Investitionspolitik ist.
Wenn ich mir alles bedenke – Herrn Tillichs Masterplan, die notwendige Modernisierung des Solidarpakts II und das Ende des Nachbaues West –, dann dürfen wir keinen Doppelhaushalt fertigen, der über diese Legislaturperiode hinausgeht. Offensichtlich gehen viele hier im Haus davon aus, dass alles so bleibt, wie es ist. Die FDP setzt wahrscheinlich auf eine Fortsetzung der CDUAlleinregierung mit ihren Mitteln. Die SPD sieht sich irgendwie weiter im Kabinett. Die Linksfraktion hat vorhin ihren Punkt gemacht und teilt im Prinzip die Auffassung, dass man so einen Doppelhaushalt im Wahljahr vielleicht doch nicht machen könnte. Ich finde, wir müssen das hier in diesem Landtag beschließen. Wir haben deswegen heute einen Antrag eingereicht, da uns dieser Punkt wichtig ist.
Ich habe festgestellt, dass Sie im Haushaltsbegleitgesetz zwei Fonds auflegen, um die EU-Mittel-Fonds zu erstellen. Ich brauchte einen Moment des Verständnisses, weshalb das so ist. Ganz offensichtlich ist es so, dass ein Gesetz Herr Jurk bekommt, weil er Wirtschaftsminister ist; das andere Gesetz ist für Herrn Tillich, weil er von EU-Fonds Ahnung hat. Sitzen Sie da im Kabinett irgendwie im Sandkasten und beschmeißen sich mit den Förmchen? Oder was passiert da? Wieso packen Sie das nicht in ein Gesetz, wie es ganz normal gewesen wäre? Hauptsache, jeder hat seinen eigenen kleinen Orden, den er sich anheften kann. Auf dem Niveau, meine Herren, können wir nicht die Zukunft Sachsens diskutieren.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde der Aussprache. Es liegen noch weitere Wortmeldungen vor. Ich bitte Herrn Dr. Rößler von der CDU-Fraktion, das Wort zu nehmen.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die solide Finanzausstattung unserer sächsischen Kommunen steht im Mittelpunkt der Politik unserer Fraktion. Dass die Menschen unser Bemühen anerkennen, zeigen nicht zuletzt die Ergebnisse der Landrats-, Kreistags- und Bürgermeisterwahlen im Frühjahr dieses Jahres. Die CDU, meine Damen und Herren, ist eben die sächsische Kommunalpartei.
Wir halten die funktionierende Bürgergesellschaft in unseren Städten und Dörfern für das Fundament unseres föderalen Staatswesens in Deutschland.
Der kommunale Finanzausgleich spielt für uns eine zentrale Rolle im Doppelhaushalt. Deshalb bin ich froh, dass die Staatsregierung nicht nur Finanzausgleichsmassen und Verbundquoten in Übereinstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden festlegen konnte; auch zum anschließend einzubringenden Sechsten. Gesetz zur Änderung des FAG besteht Konsens mit dem Landkreistag und dem Städte- und Gemeindetag. Allerdings bewegen sich die Haushalte von Bund und Ländern auch in Sachsen noch in einem günstigen konjunkturellen Umfeld. Die Steuerquellen sprudeln reichlich und erreichen mit einem Plus von fast 19 % auf über 1,13 Milliarden Euro im ersten Halbjahr 2008 den höchsten Wert seit der Wiedervereinigung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Trotz dieses erfreulichen Ergebnisses liegt die Steuerkraft unserer Städte und Gemeinden weit unter der im Westen unserer Republik. Die Zuweisungen des Freistaates bleiben mit fast 50 % ihre wichtigste Einnahmequelle. Sachsen beteiligt die Kommunen nicht nur gerecht nach dem Gleichmäßigkeitsgrundsatz an den eigenen Steuereinnahmen und dem Länderfinanzausgleich; Sachsen sorgt auch für den Ausgleich zwischen Reich und Arm in der kommunalen Familie. Der kommunale Finanzausgleich mit seinem regelgebundenen System der gleichmäßigen Einnahmenentwicklung von Land und Kommunen gehört zu den Erfolgsgeschichten unserer Finanzpolitik. Das ist, glaube ich, nicht einmal von der Opposition bestritten worden.
Mit diesem Gleichmäßigkeitsgrundsatz, auf den wir stolz sind, organisieren wir Finanzströme und Interessen fair und berechenbar. Zwischen den Partnern nach der erfreulichen Mai-Steuerschätzung 2008 für 2009 ergeben sich die effektiven Verbundquoten und gegenüber dem ursprünglichen Haushaltansatz deutlich höhere Steuereinnahmen des Landes, sodass den Kommunen 2009/2010 Anrechnungsbeiträge aus den Vorjahren von fast einer halben Milliarde Euro zusätzlich zustehen.
Meine Damen und Herren! Das FAG stellt den allergrößten Teil der Kommunalfinanzierung mit jährlich etwas über 3,2 Milliarden Euro bereit. Dazu kommen allerdings Straßenbaufördermittel, Städtebauförderung, Kita-Zuschuss und kommunale Investitionspauschalen. Aus anderen Quellen kommen weitere Milliarden Beiträge. Damit geht mehr als ein Drittel dieses Landeshaushaltes an unsere kommunale Ebene. Das ist gut und richtig.
Doppelhaushalt hinaus gestellt. Es konnte ein Kompromiss erzielt werden, der den Kommunen langfristig und damit deutlich über den Zeitraum 2009/2010 hinaus eine gleichmäßige Entwicklung ihrer allgemeinen Deckungsmittel zusichert. Damit schafft sie die sogenannte Planungssicherheit. Manchmal ist es wichtiger, dass man langfristig weiß, worauf man sich verlassen kann, als dass man irgendwann einen einzelnen überschießenden Betrag bekommt, der dann wieder zurückgehen muss.
Darüber hinaus wurden einige strukturelle Änderungen vorgenommen, die in ihrer Wirkung ebenfalls weit über den Zeitraum von zwei Jahren hinausgehen. Zu nennen sind hier das Vorsorgemodell, die Einbeziehung der ehemaligen ISG-Mittel in die Degression der Solidarpaktmittel, eine Finanzausgleichsumlage für die Gemeinden, die ein so hohes Steueraufkommen haben, dass sie eigentlich unseren Finanzausgleich gar nicht mehr brauchen, und schließlich die Anpassung des FAG an die Funktional- und Kreisreform.
Nach dem Gesetzentwurf ist davon auszugehen, dass den Kommunen in den kommenden Jahren über den kommenden Finanzausgleich mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, als dies in den vergangenen Jahren der Fall gewesen ist. So werden – und das sind die Fakten, meine Damen und Herren – die allgemeinen Schlüsselzuweisungen der Kommunen im Jahr 2009 gegenüber 2008 um circa 108 Millionen bzw. über 5 % ansteigen und dann auf diesem erhöhten Niveau stagnieren.
Die deutliche Erhöhung der allgemeinen Schlüsselzuweisungen kommt dabei vor allem bei den kreisfreien Städten an. Diese können nach dem FAG-Entwurf mit einer Erhöhung ihrer allgemeinen Schlüsselzuweisung um circa 10 % rechnen. Das korrespondiert nicht immer mit den Klagen, die gerade die kreisfreien Städte bei uns anmelden. Vorausgesetzt, dass sich die Steuereinnahmen der Kommunen in den kommenden Jahren weiterhin so gut entwickeln, kann man mittelfristig von einer deutlichen Stabilisierung der Kommunalfinanzen ausgehen. Und das muss hier auch anerkannt werden! Zu dieser mittelfristigen Stabilisierung der Kommunalfinanzen wird in Zukunft auch das im FAG verankerte Vorsorgemodell beitragen.
Nein, das ist eine ganz wunderbare Sache, Herr Scheel. Es werden hier Mittel der Kommunen, die ihnen eigentlich in den Jahren 2009/2010 zugestanden hätten, zunächst in eine Rücklage eingebracht, die ihnen in den kommenden Jahren zur Verfügung gestellt werden. Das ist eine wirklich nachhaltige Maßnahme.