Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Martens, der Rettungsdienst ist uns natürlich wichtig. Wichtig ist auch, dass er geordnet stattfindet, damit Betroffene die notwendige Hilfe bekommen können und die zuständigen Träger, seien es die Landkreise, Kommunen oder auch Zweckverbände, entsprechende Rahmenbedingungen haben. Nun gibt es verschiedene Verfahren und es fühlten sich – und das wurde bereits von meinen Vorrednern gesagt – einige im Auswahlverfahren nicht richtig bedacht und haben deshalb Klage eingereicht.

Aus unserer Sicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP-Fraktion, ist die rettungsdienstliche Versorgung in ganz Deutschland fundamentaler Bestandteil der Daseinsvorsorge.

(Beifall des Abg. Volker Bandmann, CDU)

Dieser wichtige Punkt hat die Bundesrepublik veranlasst, gerade bei der Dienstleistungsrichtlinie lange mit der EU

Kommission zu ringen, um Rahmenbedingungen zu schaffen. Ich bin froh, dass nunmehr auf dem Klageweg Rechtssicherheit entsteht, wie das zwischen Deutschland und der EU zu sehen ist. Es gilt nun mal auch in Deutschland bestimmtes nationales Recht. Glauben Sie mir, ich bin die Letzte, die nicht sagt, wir müssen in Europa viele Dinge vereinheitlichen und bestimmte Rahmenbedingungen gemeinsam setzen. In diesem Punkt gilt nationales Recht, und ich hoffe, dass die Bundesrepublik sich in diesem noch anstehenden Verfahren durchsetzen kann.

Wichtig ist allerdings in dieser Situation – und darauf wollen Sie ja vermutlich mit Ihrem Antrag aufmerksam machen –, dass Menschen, wenn sie in Not geraten, auch ab 01.01.2009 binnen kürzester Zeit mit schneller medizinischer Hilfe rechnen können und dass wir gerade diese gesetzlichen Hilfsfristen näher durchleuchtet haben, dass der Sächsische Landtag einen entsprechenden Antrag „Notfallrettung in Sachsen verbessern – gesetzliche Fristen einhalten“ verabschiedet und sehr ausführlich Bericht erstattet hat. Darauf ist Herr Bandmann bereits eingegangen. Allerdings hat sich auch hier herausgestellt, dass die Situation in den Landkreisen, Zweckverbänden und Kommunen beachtlich differenziert ist. Die Neuvergabe eines Rettungsdienstes – dann sind wir sicher wieder sehr beieinander, Herr Dr. Martens – –

Herr Dr. Martens, ich spreche mit Ihnen. Ich wiederhole für Sie: Die Neuvergabe eines Rettungsdienstes in diesem Zusammenhang ist auch eine Chance, Rechtssicherheit für die neuen Landkreise, Zweckverbände und Kommunen zu schaffen. Die Verfahren zur Neuvergabe wurden angegriffen. Es ist geregelt – und auch das haben meine Vorredner bereits benannt, im Übrigen auch Sie selbst, Herr Dr. Martens – dass im Blaulichtgesetz ein Paragraf steht, wie das ab 01.01.2009 neu zu regeln ist. Hier liegt gleichzeitig das Problem. Zwar sind Ausschreibungen vielerorts schon gelaufen, die Zuschläge zum Teil erteilt, aber sie können nicht abgeschlossen werden, weil vermutlich – oder auch eher nicht – eine Nichtvereinbarkeit mit der Vergabekoordinierungsrichtlinie der EU vorliegt. Es ist also strittig, ob es eine Verkehrsleistung ist, wie es im Vergaberecht eingebunden ist, oder die Einordnung der Rettungsdienstleistung als kommunale Daseinsvorsorge gerechtfertigt ist. Deshalb haben Gerichte unterschiedlich entschieden.

Ich will keine rechtliche Bewertung vornehmen und hoffe mit Ihnen, dass der Bundesgerichtshof recht bald entscheidet, denn dort liegt jetzt das Heft des Handelns. Allerdings ist auch zu hinterfragen, welche Folgen für eine rettungsdienstliche Versorgung eintreten, wenn keine Entscheidung getroffen wird.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: So ist es! Jetzt sind wir am Thema!)

Natürlich ist eine solche Situation weder für Betroffene, Herr Lichdi, noch für Leistungserbringer, noch für die Leistungsträger angenehm. Trotzdem erhellt ein Blick ins Gesetz das Ganze. Es ist falsch, Angst zu schüren, wenn man im Hinterkopf hat, nur private Dienstleistungen

hervorbringen zu wollen. Wettbewerb ist richtig, Wettbewerb ist korrekt, aber in welchem Rahmen er hier zulässig ist, muss noch einmal hinterfragt werden.

Das Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz benennt zwei Alternativen: Erstens. Sollten einzelne Auswahlverfahren nicht bis Ende des Jahres abgeschlossen sein, können die Träger des Rettungsdienstes den Vertrag mit den bisherigen Leistungserbringern verlängern. Das steht in § 12 Abs. 5 der Sächsischen Landesrettungsdienstplanverordnung. Das heißt also, bis zur Bestandskraft der Auswahlentscheidung kann dies in den Altkreisen mit den jetzigen Leistungserbringern fortgesetzt werden.

Zweitens. Die Träger des Rettungsdienstes übernehmen nach § 31 Abs. 7 des Blaulichtgesetzes selbst die Notfallrettung und den Krankentransport. Ob sie das können oder nicht, Herr Dr. Martens, können wir nicht einschätzen, sondern nur die Träger selbst. Wenn die Träger entsprechende Krankenhäuser und andere Möglichkeiten haben, ist auch das eine Überlegung für sie.

Ich kann für meine Fraktion feststellen, dass alle gesetzlichen Regelungen getroffen sind, damit ein Übergang gewährleistet ist. Wenn Herr Bandmann sagt, Sie kommen zu spät mit Ihrem Antrag, weil Übergangsregelungen da sind, kann ich genauso gut sagen, sie sind zu früh da,

(Heiterkeit bei der FDP)

wir brauchen die Regelung des Bundesgerichtshofes. Erst dann können wir, wenn es nötig sein sollte, denn auch das steht noch nicht fest, neue Regelungen gesetzlich festlegen. Solange dies nicht erfolgt ist, würden auch wir nur warnen, Regelungen neu zu schaffen und Verunsicherungen herbeizuführen, wo gar keine Verunsicherungen sind.

Dieser Antrag ist nur abzulehnen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD und der CDU)

Die NPD-Fraktion erhält das Wort; Herr Dr. Müller, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann mich relativ kurz fassen. Von meinen Vorrednern ist der Grund für den Antrag der FDP-Fraktion schon relativ deutlich genannt worden. Nach dem Sächsischen Gesetz über den Brandschutz, Rettungsdienst und Katastrophenschutz soll der Rettungsdienst in Sachsen ab 01.01.2009 durch Neuvergabe und durch die Pflicht zur Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zwischen den Trägern des Rettungsdienstes und der Leistungserbringer neu organisiert werden.

Das, woran sich also die FDP reibt, ist die Frage Auswahlverfahren oder Vergabeverfahren. Wir würden beides nicht wünschen; denn der bisherige Konzessionsweg ist aus unserer Sicht der bessere Weg.

Es bleibt bei all diesen Verfahren, die jetzt möglich werden und bei denen sich die Gerichte darüber streiten, ob sie möglich sind, immer wieder die Frage der Krite

rien, wonach die Auswahl erfolgen soll. Aus unserer Sicht können diese Kriterien nur wirtschaftlich orientiert sein.

Wir halten den Wechsel der Vertragserbringer mit dem entsprechenden Wechsel der Qualität der Versorgung und auch mit Problemen der Ortskenntnisse für schwierig. Gesundheit ist keine Ware, bei der man diese Vergabe an reinen wirtschaftlichen Dingen orientieren kann. Deshalb sind wir, wie gesagt, der Meinung: Die Fortschreibung des Konzessionsweges wäre die bessere Lösung gewesen. Im Gesetz steht es jetzt anders. Die Gerichte werden darüber noch einmal entscheiden, wie es im Einzelnen ablaufen soll.

Wir haben jetzt die Möglichkeit gehabt, unseren konträren Standpunkt darzulegen. Mehr kann ich zu dem Antrag jetzt nicht sagen. Zustimmen können wir natürlich nicht.

(Beifall bei der NPD)

Die Fraktion GRÜNE, bitte; Herr Abg. Lichdi.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen! Worum geht es? Ich sage es auch noch einmal: Uns geht es ebenfalls darum, dass das Rettungswesen, die Rettung von Verletzten und der Krankentransport vor Ort auch nach dem Inkrafttreten der Änderungen zum 01.01.2009 sichergestellt werden.

Meine Damen und Herren! Auch wenn es die Redner der Koalition jetzt wortreich bestreiten, Ihre Regelung – die SPD hat ja damals wohl nicht zugestimmt – aus der alten Legislaturperiode aus dem § 31 Sächsisches BRKG hat eben genau dieses Chaos verursacht, das jetzt hier zu beklagen ist. Dafür tragen Sie als Staatsregierung und Sie als Koalition die Verantwortung. Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen: Wir haben die Entscheidung des OLG Dresden, wir haben zwar auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes – nach meiner Erinnerung immerhin das höchste deutsche Gericht –, aber wir haben gleichfalls noch andere Entscheidungen wie die des OLG Düsseldorf und jetzt warten wir einmal ab. Dann sage ich Ihnen: So geht es nicht. Das ist nicht seriös.

(Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Sie können sich nicht drei Monate vor Jahresende hier hinstellen, bei einer Frist, die Sie sich selbst gesetzt haben, und dann sagen: Jetzt warten wir einmal ab, wie sich die Rechtsprechung entwickelt.

Ich denke, dass Sie damit Ihrer Verantwortung, die Sie hier so wortreich beschwören, keine Unsicherheit bei den möglicherweise Betroffenen zu säen, nicht gerecht werden.

Meine Damen und Herren! Jetzt versuchen wir doch einmal, uns ein bisschen in die rechtlichen Untiefen zu begeben. Ab 01.01. nächsten Jahres dürfen Notfallrettung und Krankentransport nur auf der Grundlage eines nach diesem Auswahlverfahren in § 31 geschlossenen öffentlich-rechtlichen Vertrages durchgeführt werden. Das

heißt, der Wille des Gesetzgebers ist – darin sind wir uns doch wohl einig –, dass erst ab dem 01.01.2009 nur von Privaten diese Leistungen durchgeführt werden dürfen, wenn das Auswahlverfahren stattgefunden hat.

Jetzt gibt es mit dem Auswahlverfahren die vielbesprochenen Probleme. Jetzt steht natürlich die Frage: Was passiert dann? Sie bieten uns hier als Lösung allen Ernstes an: Nun warten wir mal weiter ab.

Das heißt, Sie sagen jetzt, wir wollen ab dem 01.01.2009 gegen unser eigenes Gesetz verstoßen.

(Margit Weihnert, SPD, steht am Mikrofon.)

Frau Weihnert, vorsichtig, ich komme gleich auf Sie zu.

(Margit Weihnert, SPD: Gut! – Die Abgeordnete setzt sich wieder.)

Diesmal in freundlicherer Gesinnung.

Jetzt haben Sie gerade in Ihrem Redebeitrag gesagt: Aber das ist doch alles kein Problem, wir haben den § 12 Landesdienstplanstellenverordnung. Ich kann das Wort gar nicht richtig sagen, jedenfalls eine Verordnung.

(Zuruf des Abg. Dr. Jürgen Martens, FDP)

Landesrettungsdienstplanverordnung; vielen Dank, Herr Kollege Dr. Martens.

Da sage ich Ihnen einfach einmal: Das ist eine Rechtsverordnung. Wir reden hier aber über das SächsBRKG. Wie uns der letzte Buchstabe unschwer zu erkennen gibt, ein Gesetz, ein Landesgesetz. Ich habe einmal gelernt, dass Gesetze im Normenrang über Verordnungen stehen. Jetzt bieten Sie uns allen Ernstes also an, Frau Kollegin Weihnert, dass die Verordnung in der Lage wäre, die gesetzliche Regelung ab 01.01.2009 auszuhebeln. Da sage ich Ihnen als Jurist: Da sträuben sich mir etwas die Haare, das glaube ich nämlich nicht.

(Zurufe von der FDP)

Wir haben gerade noch einmal mit dem Kollegen Martens die Verordnungsermächtigung nachgesehen, wenn Sie jetzt darauf kommen wollen; der § 31 Abs. 3 war es wohl. Dort steht ausdrücklich drin: „Das Nähere des Auswahlverfahrens regelt die Landesrettungsdienstplanverordnung.“

(Margit Weihnert, SPD: Prima!)

Es geht also um das Nähere des Verfahrens. Damit ist aber mitnichten eine Ermächtigung beinhaltet, die Frist 01.01.2009 außer Kraft zu setzen.

Meine Damen und Herren! Ich wollte darauf wirklich nicht eingehen, aber Sie haben mir keine andere Wahl gelassen. Der Kern des Problems ist doch, dass Sie ein Gesetz gemacht haben, bei dem schon damals – wenn Sie in die Anhörungsunterlagen hineinschauen – mehrere Sachverständige Ihnen gesagt haben: Das geht so nicht auf, ihr geht ein hohes Risiko ein!

Die damalige CDU-Fraktion hat es im Landtag durchgesetzt und Sie tragen es jetzt offensichtlich mit.