Protokoll der Sitzung vom 11.09.2008

Jetzt bitte ich die Sächsische Ausländerbeauftragte, Frau de Haas, das Wort zu nehmen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Das Thema Menschenrechte und Kinderrechte verdient unsere volle Aufmerksamkeit. Der Schutz von Kinderrechten und die Sorge um das Wohl unserer Kinder sind elementarer Bestandteil unseres Selbstverständnisses als demokratischer Rechtsstaat. Dies gilt für alle Kinder, die hier in Sachsen leben, seien sie nun Deutsche oder Flüchtlinge. Offenbar ist Ihnen, Herr Gansel, das entgangen. Sie kennen offensichtlich die Verfassung unseres Landes nicht.

(Beifall bei der CDU und der FDP)

Die 1992 für Deutschland in Kraft getretene UN-Kinderrechtskonvention verdeutlicht dies im besonderen Maße. Seit Inkrafttreten dieser Kinderrechtskonvention gibt es Streit um die durch Deutschland eingelegte Vorbehaltserklärung, insbesondere um den sogenannten Ausländervorbehalt. Vieles ist dazu gesagt worden.

Meine Damen und Herren, diese Debatte wird auch weiterhin geführt werden, aber sie darf nicht auf dem Rücken der betroffenen Kinder und Jugendlichen ausgetragen werden. Entscheidend ist vielmehr, was wir in Sachsen tatsächlich für Kinder und Jugendliche tun und ob wir Kindern gemäß der Kinderrechtskonvention den Schutz und die Fürsorge zukommen lassen, die zu ihrem Wohlergehen notwendig sind. Entscheidend ist zudem, ob wir unseren verfassungsrechtlichen Geboten der Menschenrechte und Menschenwürde im Umgang mit Flüchtlingskindern nachkommen. Deshalb ist das Kindeswohl im Rahmen der Anwendung ausländerrechtlicher und asylrechtlicher Bestimmungen im Freistaat Sachsen nicht lediglich zu berücksichtigen, wie es die Antragsteller fordern. Die Anwendung von Ausländer- und Asylrecht auf Kinder und Jugendliche muss, um verfassungskonform zu sein, im Einklang mit dieser Fürsorgepflicht erfolgen, denn die Fürsorgepflicht für das Kindeswohl ist Ausdruck des Menschenrechtsschutzes unserer Verfassung.

Meine Damen und Herren, dabei dürfen die das Ausländerrecht tragenden Ordnungsprinzipien nicht außer Acht gelassen werden. Skandalisierungen und Falschinformationen etwa zum bekannt gewordenen und durch die Antragsteller erwähnten Fall der Kinder von Treuen helfen den betroffenen Kindern in keiner Weise. Wenn tatsächlich Fehler gemacht worden sind, dann darf ich erwarten, dass dies sachlich und rechtsstaatlich aufgeklärt und, wenn nötig, entsprechend gebotene Konsequenzen gezogen werden. Alles andere spielt nur den Falschen in die Hände.

(Beifall des Abg. Dr. Fritz Hähle, CDU)

Meine Damen und Herren, Sie wissen um meine Haltung zur Unterbringung in Sachsen lebender Asylbewerberinnen und Asylbewerber. Stets habe ich gute Beispiele genannt, aber auch die Defizite aufgezeigt und deutlich gemacht, dass eine menschenwürdige Unterbringung unabdingbare Voraussetzung unseres Zusammenlebens

mit den Betroffenen ist. Pauschale Verallgemeinerungen wie von den Linken vorgetragen, sind dabei wenig hilfreich und zielführend.

Offenbar fahren sehr viele meiner Kolleginnen und Kollegen durchs Land und besuchen solche Heime; auch ich habe das getan und habe mich überzeugen und über den Zustand der Heime informieren können.

Sie wissen auch, dass sich nach meiner Auffassung eine dezentrale Unterbringung aus verschiedenen Gründen als vorteilhaft erweisen kann. Dennoch möchte ich davor warnen, in der dezentralen Unterbringung die Lösung aller Probleme zu sehen. Es kommt, wie so oft, stets auf den Einzelfall an. Es gibt Heime in Sachsen, die über gute Wohneinrichtungen und entsprechende Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche verfügen. Und es gibt dezentral Untergebrachte, die aber aus Gründen der sozialen Isolierung, fehlender Sprachkenntnisse und mangelnder Selbsthilfemöglichkeiten lieber früher als später zurück in ein Heim möchten. Noch einmal: Es kommt auf den Einzelfall an.

Meine Damen und Herren, lassen Sie es mich in diesem Zusammenhang deutlich sagen: Wir bekennen uns zu einem familien- und kinderfreundlichen Freistaat. Das heißt für mich dann auch: Familien mit Kindern und Jugendlichen, die die Schule besuchen, die sich vielleicht sogar im Verein engagieren, soll die dezentrale Unterbringung in Wohnungen ermöglicht werden. Hier muss eine Regelung über den Einzelfall hinaus möglich sein.

Meine Damen und Herren, zum Thema Härtefallkommission. Als Vorsitzende der Sächsischen Härtefallkommission werde ich zu konkreten in der Kommission behandelten Fällen keine Aussagen in der Öffentlichkeit treffen. Ich darf mich darauf verlassen, dass der Staatsminister des Innern alle Ersuchen der Kommission – also auch diejenigen, die Kinder und Jugendliche betreffen – keiner wohlwollenden, sondern einer gewissenhaften Prüfung unterzieht.

(Beifall des Staatsministers Geert Mackenroth)

Meine Damen und Herren, die Sorge um das Wohl betroffener Kinder muss auch dann im Mittelpunkt stehen, wenn es um Abschiebungen geht. Wiederholt haben wir auch zu diesem Thema hier in diesem Haus gesprochen. Klar muss sein: Abschiebungen sind gesetzliche ausländerrechtliche Maßnahmen, und dazu gehört auch die Abschiebehaft. Abschiebemaßnahmen bedeuten für die Betroffenen wie für die Vollzugsbeamten eine Stresssituation – in ganz besonderem Maße, wenn Kinder und Jugendliche betroffen sind. Deshalb habe ich bereits früher deutlich gemacht, dass es unabdingbar ist, spezifisch geschultes Personal für Abschiebungen einzusetzen. Kinder gehören grundsätzlich nicht in Abschiebehaft.

(Beifall bei der Linksfraktion und der SPD)

Kinder, die jünger sind als 14 Jahre, sind davon auch nicht betroffen. Für die älteren gilt: Entscheidend ist das Kindeswohl. Im Einzelfall kann die Trennung von Vater

oder Mutter und die Unterbringung in einem Kinderheim schwerer wiegen als die gemeinsame Inhaftierung. Daher ist es wichtig, dass in sächsischen Vollzugseinrichtungen Abschiebehaftplätze eingerichtet werden, die den spezifischen Bedürfnissen von Abschiebehäftlingen gerecht werden – gerade dann, wenn Familien betroffen sind.

Kinder und Jugendliche, die allein nach Deutschland gekommen sind, benötigen unsere Hilfe. Kinder und Jugendliche, die mit ihren Eltern gekommen sind, haben ihre schwierige persönliche Situation nicht selbst herbeigeführt. Sie sind die Leidtragenden der Entscheidung anderer. Das verlangt unsere besondere Aufmerksamkeit und sollte von keiner Seite und zu keinem Zeitpunkt für politische Ziele instrumentalisiert werden. Kinder haben Anspruch auf unseren Schutz; daran darf es keinen Zweifel geben.

(Beifall bei der CDU, der FDP, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Gibt es weiteren Diskussionsbedarf aus den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung; Herr Minister Mackenroth, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen unserer Ausländerbeauftragten und des Abg. Krauß wäre das, was ich in Vertretung des Innenministers jetzt noch zu sagen hätte, eine reine Wiederholung. Ich kann deshalb meine Rede guten Gewissens zu Protokoll geben.

(Beifall bei der CDU)

Dann rufe ich das Schlusswort auf; Frau Abg. Herrmann, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch kurz auf einige wenige Punkte eingehen.

Frau de Haas, ich glaube, es ist nicht der richtige Ausdruck, wenn Sie sagen, dass mittels Beispielen die Situation für Kinder ohne deutschen Pass in Sachsen als Skandal dargestellt werden soll; im Gegenteil, Beispiele sind notwendig, um Ihnen zu zeigen, was mit dieser Auffassung in Sachsen möglich ist: dass minderjährige Kinder in Abschiebehaft sitzen und dann das Kindeswohl eben nicht die entscheidende Bedeutung hat, sondern ausländer- oder asylrechtliche Gesichtspunkte schwerer wiegen.

Wenn Sie hier sagen, dass im Einzelfall Kindeswohl auch bedeuten kann, dass das Kind gemeinsam mit den Eltern inhaftiert wird, dann frage ich mich, weshalb, wenn es

sich um deutsche Straftäter handelt, nicht im Einzelfall die Möglichkeit besteht, dass Kinder gemeinsam mit ihren Müttern im Strafvollzug untergebracht werden. Dann bedeutet Kindeswohl immer, dass Kinder und Mütter getrennt werden. Im Fall von Kindern mit Migrationshintergrund kann Kindeswohl bedeuten, dass Kinder ebenso im Gefängnis untergebracht werden. Das finde ich einen Widerspruch, auf den ich an dieser Stelle hinweisen möchte.

Wir können hier nicht jahrelang über Kindeswohl diskutieren und dann Kinder in zwei verschiedene Gruppen einteilen: die Kinder, für die Kindeswohl uneingeschränkt gilt, und die Kinder, für die Kindeswohl eingeschränkt gilt; und zwar stehen dann ausländerrechtliche und asylrechtliche Gesichtspunkte im Vordergrund. Das finde ich nicht seriös und das macht uns in den Augen der Öffentlichkeit nicht glaubwürdiger und auch nicht in Hinsicht auf andere Länder, von denen wir erwarten, dass sie die UN-Kinderrechtskonvention umsetzen. Hier ist es wichtig, dass Deutschland mit gutem Beispiel vorangeht und diese Vorbehaltserklärung zurücknimmt.

Ich bin auch nicht bereit, mich auf diese Spitzfindigkeiten einzulassen, die Herr Krauß hier gebraucht hat; denn klar ist, wozu es führt: Es führt zum Beispiel dazu, dass Kinder mit Migrationshintergrund weniger Anspruch auf gesundheitliche Betreuung haben als deutsche Kinder. Das kann man einfach nicht hinnehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Wir kommen jetzt zur Abstimmung. Es ist punktweise Abstimmung beantragt worden. Ich frage noch einmal, ob über die einzelnen Buchstaben abgestimmt werden soll. – Das ist nicht der Fall.

Ich rufe jetzt die Drucksache 4/12713, den Punkt 1, auf. Wer möchte die Zustimmung geben? – Die Gegenstimmen, bitte? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmen dafür wurde Punkt 1 mit Mehrheit abgelehnt.

Ich rufe den Punkt 2 auf. Wer gibt die Zustimmung? – Die Gegenstimmen? – Die Stimmenthaltungen? – Bei einer Stimmenthaltung und Stimmen dafür wurde Punkt 2 dennoch mit Mehrheit abgelehnt. Damit erübrigt sich eine Gesamtabstimmung.

Meine Damen und Herren, die Drucksache ist nicht beschlossen und der Tagesordnungspunkt ist beendet.

Erklärung zu Protokoll

Die Bundesrepublik hat am 6. März 1992 die UN-Kinderrechtskonvention ratifiziert. Zugleich hat sie eine Erklärung formuliert, die die Anwendung der Konvention in der Bundesrepublik klarstellen soll.

Die Antragstellerin fordert eine Zurücknahme der Nummer IV der Erklärung. Diese Vorschrift des sogenannten Ausländervorbehaltes aber will allein einer Missinterpretation der Konvention vorbeugen. Diese Klarstellung hat sich grundsätzlich bewährt und steht nicht im Widerspruch zum Geist der Konvention, auch nicht im Widerspruch zum Kindeswohl. Schon gar nicht steht sie im Widerspruch zu den Menschenrechten ausländischer Kinder.

Mit einer Rücknahme der Vorbehaltserklärung – die zwölf von 16 Bundesländern, nicht nur Sachsen, ablehnen – könnten rechtlich nicht erfüllbare Erwartungen über eine mögliche Änderung des Rechtsstatus von Flüchtlingskindern geweckt werden. Es würde die Illusion geschaffen, dass bereits durch eine Rücknahme materielles Recht geschaffen und dem Kindeswohl gedient sei. Das ist aber nicht der Fall.

Außerdem wäre der Eindruck kaum zu vermeiden, Kinder hätten weltweit einen rechtlichen Anspruch auf Einreise und Aufenthalt. Nach dem Wortlaut der Konvention ist dies aber nicht der Fall, weil allein die Minderjährigkeit weder nach nationalem noch nach internationalem Recht ein Einreiserecht begründen oder zur Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft verhelfen kann. Zudem könnte die Rücknahme dazu führen, dass durch eine Fehlinterpretation die konsequente Durchsetzung der Ausreisepflicht vollziehbar ausreisepflichtiger Minderjähriger – ja, auch so etwas gibt es – erschwert wird. Diese trifft speziell

diejenigen Personen, die ohne Vorlage von Dokumenten vortragen, minderjährig zu sein.

Die Vorbehaltserklärung führt klarstellend aus, dass die UN-Kinderrechtskonvention innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung findet. Sie begründet vielmehr ausschließlich eine völkerrechtliche Verpflichtung der Vertragsstaaten, zu der die Bundesrepublik und der Freistaat Sachsen selbstverständlich stehen.

Unser geltendes innerstaatliches Recht berücksichtigt das Kindeswohl aber bereits jetzt in hohem Maße. Gerade der in der Begründung zu Nr. 2 des Antrages angeführte und auch von Frau Abg. Herrmann dargestellte Fall im Zusammenhang mit dem Asylbewerberheim Posseck zeigt aber auch, dass das Kindeswohl keineswegs nur darin besteht, dem jeweils aktuellen Willen der Minderjährigen zu folgen. In ihrer Antwort auf die genannte Kleine Anfrage hat die Staatsregierung dargelegt, dass sie im Sinne des Kindeswohls gehandelt und Kinder und Sorgeberechtigte wieder zusammengeführt hat. Die Polizeibediensteten leisteten in diesem Fall Vollzugshilfe gemäß § 61 Polizeigesetz des Freistaates Sachsen.

Mit der Aufrechterhaltung der deutschen Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention sollen nicht die Rechte der Flüchtlingskinder geschmälert werden. Ziel ist es vielmehr, eine unberechtigte Zuwanderung ausländischer Kinder und auch die gelegentlich damit verbundene Gefahr einer missbräuchlichen Ausnutzung des Instruments der Familienzusammenführung zu verhindern. Dieses Ziel ist legitim.

Ich bitte Sie deshalb, den Antrag der GRÜNEN-Fraktion abzulehnen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Rechnung des Sächsischen Rechnungshofs für das Haushaltsjahr 2006 – Entlastung des Präsidenten des Sächsischen Rechnungshofs (zu Drs 4/10728 – Band 4; Einzelplan 11 – Unterrichtung durch die Staatsregierung)

Drucksache 4/13117, Beschlussempfehlung des Haushalts- und Finanzausschusses

Es ist keine Aussprache vorgesehen. Wünscht dennoch ein Abgeordneter das Wort? – Das ist nicht der Fall.

Dann stimmen wir jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses in der Drucksache 4/13117 ab. Wer die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. –