In diesem Kontext ist es völlig inakzeptabel, dass dann auch noch zusätzlich ein besonderer Bus geplant wird, mit dem die einsprachig-deutschen Mittelschulen leichter erreicht werden können, während andererseits die erforderliche Unterstützung für den Transport von Schülern aus entlegeneren Dörfern an das sorbische Gymnasium in Bautzen nicht in jedem notwendigen Fall gewährleistet wird. Und schier die Sprache verschlägt es einem, wenn Eltern, die zur Sicherung der zweisprachigen Bildung ihrer Kinder den Rechtsweg beschreiten, per Gerichtsbescheid gesagt bekommen, dass der Schulweg zum sorbischen Gymnasium zwar in der Tat unzumutbar sei, sich aber doch in zumutbarer Entfernung ein anderes – leider eben nicht sorbisches – Gymnasium befindet. Aus Sicht der Linken besteht hier dringender Handlungsbedarf;
denn es geht, meine Damen und Herren, in dieser Frage um nicht mehr und nicht weniger als um die Einhaltung der Landesverfassung und der darin verankerten Minderheitenrechte des sorbischen Volkes.
Noch ein letzter Hinweis, Herr Kollege Wöller: Am Ende Ihrer Rede zitieren Sie den Verhaltensbiologen Konrad Lorenz.
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Der hat alles an Gänsen ausprobiert! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)
Ich weiß ja nicht, wer Ihnen die Reden schreibt; aber bestimmte Dinge, das will ich deutlich sagen, dürfen einfach nicht passieren. Konrad Lorenz war ein bekennender Nazi. Laut Wikipedia schreibt er in seinem Aufnahmeantrag in die NSDAP – ich zitiere –: „Schließlich darf ich wohl sagen, dass meine ganze wissenschaftliche Lebensarbeit, in der stammesgeschichtliche, rassenkundliche und sozialpsychologische Fragen im Vordergrund stehen, im Dienste nationalsozialistischen Denkens steht.“
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Er hat Menschen zu Gänsen gemacht! – Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)
Sie würden sich künftig besser informieren, welche vermeintlichen „Experten“ Sie diesem Hohen Hause zumuten.
Herr Kollege Wöller, ich will gar nicht verschweigen, dass es in Ihrer Regierungserklärung auch positive Aspekte gibt, wie zum Beispiel die Zusammenfassung der Zuständigkeit für die Bildungsfragen in einem Ministerium. Das hatte DIE LINKE im Übrigen bereits vor Jahren gefordert und hier im Landtag beantragt. Die CDU hat das damals abgelehnt. Ich stelle fest, Sie sind nicht völlig lernunfähig, auch dies will ich hier gern einmal sagen. Alles in allem aber, Herr Kultusminister, blieb die heutige Regierungserklärung weit unter unseren ohnehin schon nicht sehr hohen Erwartungen zurück. Deshalb will ich für DIE LINKE abschließend folgende grundsätzlichen Positionen formulieren:
Bildung ist die zentrale Grundlage für die spätere Lebensbewältigung und damit auch nicht zuletzt für eine berufliche Perspektive. Bildung entscheidet ganz wesentlich über den sozialen Auf- und Abstieg sowie über die tatsächlichen Möglichkeiten der Teilhabe an demokratischen Entscheidungsprozessen. Bildung ermöglicht den Zugang zu Kultur und schafft die Voraussetzungen, die einen eigenständigen Wissenserwerb, ein lebenslanges Lernen erst möglich machen. Bildung entscheidet nicht zuletzt auch über Erfolg oder Misserfolg von Integrationsmaßnahmen für Zuwanderer. Deshalb ist es berechtigt zu sagen: Bildung ist der Schlüssel zu allem.
Ich habe bereits in der 1. Lesung zum Haushalt darauf hingewiesen, dass der Freistaat Sachsen unbestritten viel Geld in diesem Bereich ausgibt, nämlich etwa 3 Milliarden Euro, das sind 20 % des Landeshaushaltes. Nur muss man fragen: Was kommt dabei am Ende heraus? Eine solche Betrachtung bringt erschreckende Ergebnisse zutage, ich kann es Ihnen auch heute nicht ersparen. Noch immer erlangen circa 9 % eines Jahrganges, das sind jährlich mehr als 4 000 Jugendliche, nicht einmal den Hauptschulabschluss. Früher lag die Quote ausweislich des Bildungsberichtes noch deutlich über 10 %. Wenn man die Zahlen addiert, dann kommt man zu dem Ergebnis: In 17 Jahren CDU-geführter Regierung haben fast 90 000 Schülerinnen und Schüler in Sachsen die Schule ohne Abschluss verlassen. Dazu kommen noch einmal 10 % der Schüler, die einen so schlechten Haupt- und Realschulabschluss haben, dass ihnen kaum eine berufliche Perspektive bleibt. Das heißt, jeder fünfte Schulabgänger ist bereits abgehängt, bevor sein eigenständiges Leben so richtig begonnen hat. Das darf nicht so bleiben, und ich füge hinzu: Wir werden das ändern.
Bald, Herr Kollege Brangs. – Das aus unserer Sicht notwendige lebenslange Lernen bedarf, um erfolgreich zu sein, einer Gesamtstrategie, das heißt aus unserer Sicht, einer Vernetzung von Reformen im Vorschul- und Schulbereich mit der Hochschulentwicklung. Ich stimme zu: Wir brauchen nicht nur eine Debatte über Schulstrukturen, wir brauchen vor allem eine neue Form der Kultur an unseren Schulen.
Erstens. Wir wollen einen umfassenden Ausbau des Betreuungssystems vor der Schule; denn hier werden wichtige Grundlagen für die spätere Entwicklung gelegt. Wir wollen, dass alle Kinder frühzeitig gemeinsam mit anderen Kindern aufwachsen und sich spielerisch in der Gemeinschaft entwickeln können.
Zweitens. Eine Schule für alle ist das Gebot der Zeit. Wir wollen, dass in der Gemeinschaftsschule eine anspruchsvolle und moderne Allgemeinbildung vermittelt wird. Wir wollen Schulen, die keine Lernfabriken sind, sondern als Entwicklungsräume die Förderung und Entwicklung jedes Einzelnen in den Mittelpunkt stellen.
Drittens. Jeder und jede soll gefördert, jedem die Teilhabe ermöglicht und Benachteiligungen, die den Zugang zu besserer Bildung behindern, sollen ausgeglichen werden. Wir wollen perspektivisch dahin kommen, dass alle Heranwachsenden wenigstens den erfolgreichen Abschluss der 10. Klasse erreichen.
Viertens. Wir wollen, dass mehr junge Leute das Abitur erwerben oder über andere Wege eine Hochschulzugangsberechtigung erlangen.
Fünftens. Wir wollen eine starke öffentliche Bildung. Den zunehmenden Privatisierungsbestrebungen in diesem Bereich erteilen wir eine klare Absage.
Sechstens. Die personellen und sächlichen Bedingungen für den Bildungsbereich müssen verbessert werden. Notwendig ist dabei auch eine umfassende Reform der Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern sowie anderer pädagogischer Kräfte. Studium und praktische Ausbildung der Pädagogen müssen wieder enger miteinander verzahnt werden.
Und schließlich: Das Recht auf Weiterbildung muss in unserer schnelllebigen Gesellschaft dauerhaft gesichert werden. Dazu bedarf es auch einer Stärkung der Volkshochschulen. Wir wollen das! Auch dazu habe ich leider vom Minister wenig gehört.
Aus alledem ergibt sich für mich: Die ersten zehn Jahre nach der Wende waren für Sachsen Jahre des Um- und Aufbruches sowie einer demokratischen Neugestaltung. Die zweiten zehn Jahre im Freistaat waren geprägt von Konsolidierung, aber auch von zunehmender Stagnation. Das dritte Jahrzehnt in Sachsen nach 1989 muss das Jahrzehnt der Bildungsoffensive werden
und, meine Damen und Herren, natürlich das Jahrzehnt einer Bildungsoffensive, die nicht mehr von der CDU dominiert werden kann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich komme noch einmal auf meine Eingangsbemerkung zurück. Es hat sich meiner Fraktion nicht wirklich erschlossen, warum Sie gerade heute eine Fachregierungserklärung abgegeben haben. Sofern es um den kürzlich vorgelegten Bildungsbericht geht, so haben Sie damit persönlich so gut wie nichts zu tun; denn dafür sind Sie erst zu kurz im Amt. Sofern Sie allerdings Zeichen für die Zukunft setzen wollten, so fehlen Ihnen nicht nur die Visionen, sondern Sie werden dafür auch nicht lange genug im Amt sein.
Sachsen braucht aber eine moderne und zukunftsorientierte Bildungspolitik. DIE LINKE arbeitet daran, und wir werden in Kürze für die notwendigen Veränderungen sorgen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hahn, das war ja schon mal eine ganz handfeste Wahlkampfrede.
Ich denke, wir können dem sehr gelassen entgegentreten – mit einer Analyse dessen, was sich in den letzten Jahren in Sachsen gerade im Schulbereich an Positivem entwickelt hat.
Meine Damen und Herren! Gute Bildung und Erziehung ist tatsächlich der Garant für eine umfassende Entwicklung junger Menschen in Gegenwart und Zukunft. Wir haben in den zurückliegenden Jahren die Landeshoheit in Sachsen genutzt, um ein leistungsfähiges Schulsystem auf- und auszubauen. Damit haben wir die Voraussetzungen für die Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen in unserem Land geschaffen, die sie für die Herausforderungen im beruflichen Leben ebenso benötigen wie die persönliche Freiheit, die Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist.
Politisches Anliegen dieses Hauses und der Staatsregierung müssen die Sicherung der Qualität des Bildungswesens und dessen Weiterentwicklung sein. Qualitätsmerkmale lassen sich aber, meine Damen und Herren, nicht aus politischen Wunschvorstellungen oder ideologischen Denkmustern herleiten.
Vielmehr ist es wohl notwendig, den Verlauf und die Ergebnisse von Bildungsentwicklung zu analysieren und Konsequenzen für die Lösung neuer Aufgaben abzuleiten. Ich denke, das ist mit der Vorgabe des aktuellen Bildungsberichts, der unter anderem auch Grundlage für diese heute anstehende Diskussion ist, durchaus gelungen.
Mit dem in den letzten Tagen vorgelegten Bildungsbericht erfüllt die Staatsregierung nicht nur die Beschlussfassung des Landtages von 2005, der festgelegt hat, dass in jeder Legislaturperiode ein Bericht über die Lage der schulischen Ausbildung vorgelegt werden soll. Diese Vorgabe schließt sich an die Festlegung des Bundestages von 2002 an, eine umfassende nationale Bildungsberichterstattung aufzubauen. Ziel eines damit beabsichtigten Bildungsmonitorings ist es – ich zitiere –, „datengestützte Informationen über Rahmenbedingungen, Verlaufsmerkmale, Ergebnisse und Erträge von Bildungsprozessen für die Bildungspolitik und die Öffentlichkeit bereitzustellen“.
Meine Damen und Herren! Mit dieser Vorgabe bietet der Bildungsbericht auch für dieses Hohe Haus die Chance, bildungspolitische Debatten wesentlich sachbezogener und auf der Grundlage gesicherter Kennziffern und nachvollziehbarer Entwicklungen zu führen. Zudem geht es mit der Berichterstattung nicht um eine Nabelschau der Staatsregierung. Vielmehr soll und wird die Berichterstattung wesentlich dazu beitragen, konkrete Maßnahmen zur Weiterentwicklung unseres Schulsystems herzuleiten – auch dies, wie gesagt, fernab von ideologisch vorgefassten Meinungen.
Im ersten Teil des Berichts wird das Schulsystem, wie es sich im Ergebnis der schulgesetzlichen Vorgaben von 1992 etabliert hat, vorgestellt und äußere Rahmenbedingungen werden analysiert. Ziel der Schulgesetzgebung von 1992 war es, hier im Land ein chancen- und leistungsgerechtes Schulsystem zu installieren. Dem individuellen Leistungsvermögen des einzelnen Schülers und seiner Entwicklung gerecht zu werden, individuelle Lebenschancen zu erschließen und Teilhabe an der Gesellschaft und ihrer Entwicklung zu ermöglichen, das war und ist Anspruch unseres gegliederten Schulsystems, das wegen seiner erfolgreichen Entwicklung – der Herr Minister hat schon darauf hingewiesen – im Laufe der Zeit Modell auch für andere Bundesländer geworden ist.
Meine Damen und Herren! Ein besonderes Markenzeichen ist die Durchlässigkeit unserer Schullandschaft. Sie ist sowohl vertikal als auch horizontal durchlässig, weil sie einen Wechsel der Schulform unter entsprechenden Leistungsvoraussetzungen ermöglicht. Vertikal ist sie
durchlässig, weil es keine Sackgassen gibt. In unseren Schulen gibt es keinen Abschluss ohne Anschluss. Insbesondere im berufsschulischen Bereich mit seinem hohen Differenzierungsgrad sind Möglichkeiten für einen optimalen Einstieg ins Berufsleben für jeden Schüler realisiert.
Meine Damen und Herren! Die Behauptung der Opposition, unser gegliedertes Schulsystem sei ein sozial selektives System, ist und bleibt ein Schauermärchen.