Protokoll der Sitzung vom 10.03.2005

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Auch bei der Änderung des Rundfunkgesetzes folgen die Altparteien der unausgesprochenen BRD-Räson, nämlich der Selbstentmachtung des deutschen Staates zugunsten Brüsseler Fremdbestimmung.

Bei der öffentlichen Anhörung in diesem Raum am 3. Februar fragte ich unter anderem den Intendanten des Mitteldeutschen Rundfunks, Udo Reiter, ob er die hiesige Rundfunkpolitik medienrechtlich als von Brüssel fremdbestimmt ansieht. MDR-Intendant Reiter sagte – so steht es im Protokoll –: „Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen Europa und den Ländern, nicht nur auf dem Sektor Rundfunk, sondern auch auf anderen Sektoren. Was den Rundfunk angeht, gibt es in Brüssel die Tendenz, ihn als reines Wirtschaftsgut zu sehen wie andere Wirtschaftsgüter auch.“ Und Herr Reiter sagte weiter: „Bei den Ländern gibt es eine Anschauungsweise, nämlich dass der Rundfunk ein Kulturgut ist und von daher Ländersache ist. Unsere Aufgabe ist es jetzt, unseren Standpunkt in Brüssel zu vertreten und unsere Rechte zu sichern.“

Es wäre eine schöne Sache, wenn auch sächsische Politiker einmal auf die Idee kämen, eigene Interessen zu definieren und in Brüssel zu vertreten. Aber da scheint Herr Reiter Ihnen einiges voraus zu haben.

Damit der Rundfunk aber nicht zum reinen Wirtschaftsgut herabsinkt, wie es die Eurokraten in Brüssel wollen, und damit die Reste von Programmqualität nicht Quote und Profit geopfert werden, muss erstens der Grundversorgungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks endgültig gültig definiert werden und zweitens der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziell bestandsfähig gehalten werden. Insofern haben Rundfunkgebühren selbstverständlich ihre Existenzberechtigung, Gebührenerhöhungen unserer Meinung nach hingegen nicht.

Damit wäre ich bei dem Hauptgrund, warum die NPDFraktion dieses Gesetz ablehnt. Die Erhöhung der Rundfunkgebühren auf monatlich 17,03 Euro ab dem 1. April ist den Bürgern weder vermittelbar noch sozial zumutbar. Nach Angaben der „Dresdner Neuesten Nachrichten“ vom 3. Februar dieses Jahres nimmt der öffentlichrechtliche Rundfunk pro Jahr mehr als 6,5 Milliarden Euro Gebühren ein. Nach Angaben der Gebührenkommission KEF planen ARD und ZDF in den Jahren 2005 bis 2008 überdies, jeweils mehr als 500 Millionen Euro über Werbung einzunehmen. Wenn die öffentlich-rechtlichen Anstalten mit diesem Budget nicht auszukommen meinen, müssen sie endlich die vor Jahren schon angekündigte Reform durchführen und sich ein Sparprogramm verordnen. Für die offenkundige Reform- und

Sparunfähigkeit der Sender darf nicht länger der Gebührenzahler büßen.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Offen stellt sich die Frage, ob das gebotene Programm überhaupt noch den Qualitätsstandards entspricht, mit denen Gebührenerhöhungen stets begründet werden. Wo ist denn diese Programmqualität bei ARD und ZDF heute noch?

Am heutigen Tag kann man in der ARD etwa Sendungen wie „Verbotene Liebe“, „Marienhof“ oder „Fliege“ auf sich einflimmern lassen. Das ZDF bietet heute „Bianca – Wege zum Glück“, „Johannes B. Kerner“ und „Drei Tage leben – Der Alltagstest für Politiker“. – In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass in der gestern ausgestrahlten Sendung Frau Hermenau als vermeintlich alltagstaugliche Politikerin eine Hauptrolle spielte.

An diesem Beispiel lässt sich begründen und die berechtigte Frage stellen, ob wir es noch mit öffentlich-rechtlichem Qualitätsfernsehen zu tun haben.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN)

Nein, eine Hermenau-Fernsehsendung rechtfertigt keine Gebührenerhöhung.

(Lachen und Beifall bei der NPD)

Richtiges erklärte in diesem Zusammenhang der Landtag von Baden-Württemberg 2001. Ich zitiere: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss im Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger als ein besonderes Qualitätsangebot verankert sein, das bei den privaten Veranstaltern nicht zu erhalten ist und für das es sich deshalb lohnt Gebühren zu zahlen.“

Die NPD-Fraktion bekennt sich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk, meint aber, dass das Gebührenvolumen von jährlich 6,5 Milliarden Euro völlig ausreicht, um die Sender bestandsfähig zu halten.

(Prof. Dr. Cornelius Weiss, SPD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. Ich wollte jetzt wirklich, Herr Weiss, den allerletzten Satz sprechen: Da wir die Gebührenerhöhung ablehnen, lehnen wir auch dieses Gesetz ab.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der FDP das Wort. Herr Herbst, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Alle Jahre wieder“ könnte man vielleicht diese Diskussion überschreiben. Es kommt mir manchmal vor wie ein Theaterstück, wie ein Drehbuch, das eigentlich vorgeschrieben ist und nur alle Jahre wieder neu aufgeführt wird.

Erst kommt ein Erhöhungsvorschlag. Dann folgt der ritualisierte Aufschrei. Die Herren von der CDU hier in Sachsen beteiligen sich immer gern daran. Am Ende wird doch eingeknickt und zugestimmt.

Meine Damen und Herren, das Ritual mag für Sie normal sein, für die FDP-Fraktion ist es das definitiv nicht.

(Beifall bei der FDP)

Die Befürworter der Rundfunkgebührenerhöhung argumentieren: Diese Erhöhung sei notwendig, weil der Bestand des öffentlichen Rundfunks sonst gefährdet wäre. Als Grund geben sie an, dass Kostensteigerungen auf sie zukommen. Das stimmt. Kostensteigerungen gibt es im Übrigen überall, auch in der freien Wirtschaft. Nun frage ich Sie einmal: Wie geht ein Unternehmen mit Kostensteigerungen um?

(Dr. André Hahn, PDS: Es schmeißt Leute raus!)

Nicht unbedingt. Ein Unternehmen überlegt sich, ob es Kostensteigerungen auf die Preise umlegen kann. Oft ist das heute in der Marktsituation nicht möglich. Das heißt: Es muss über Einsparungen nachdenken. Wenn es die Preise erhöhen würde, würde es Kunden verlieren. Doch das ist genau der entscheidende Unterschied zum öffentlichen Rundfunk. Denn hier gibt es keinen Markt. Der Gebührenzahler hat nicht die Wahl, mit seinem Verhalten zu mehr Sparsamkeit beizutragen. Er ist eben kein Kunde, sondern er ist am Ende den Politikern ausgeliefert und wird durch die Gebühr geschröpft.

(Dr. Karl-Heinz Gerstenberg, GRÜNE: Sie haben nichts begriffen!)

Wir haben – Herr Gerstenberg, sorry – eine wirtschaftliche und soziale Situation, bei der viele Menschen mit Sorge in die Zukunft blicken. Das werden sicher auch Sie unterschreiben können. Wir haben als Staat eine besondere Verantwortung, den Menschen diese Sorge zu nehmen.

Ich glaube, die Diskussion, die wir heute um Kaufkraftzurückhaltung, um lahmende Binnenkonjunktur und viele kleine Erhöhungen erleben, die in der Summe vielleicht erst einmal klein erscheinen, aber insgesamt doch dazu beitragen, zeigt, dass der Bürger das Gefühl hat, dass ihm immer tiefer in die Tasche gegriffen wird und er deshalb sein Geld nicht mehr ausgibt.

(Beifall bei der FDP)

Stichwort „angemessen“. Auch dieses Stichwort fiel oft. Ich möchte nur einmal zwei Zahlen nennen. Seit 1992 sind die Lebenshaltungskosten in Sachsen um 32,5 % angestiegen. Mit dieser Rundfunkgebührenerhöhung, wenn wir sie so beschließen, würden die Rundfunkkosten um über 40 % ansteigen. Meine Damen und Herren! Was rechtfertigt eigentlich einen Anstieg der Rundfunkkosten, der über dem Anstieg der Lebenshaltungskosten liegt?

(Karl Nolle, SPD: Damit der Intendant nicht verhungert!)

Herr Nolle, das ist jetzt Ihre Interpretation. Ich wiederhole das natürlich nicht. Die Erhöhung sei notwendig, heißt es, weil der öffentlich-rechtliche Rundfunk sonst in seinem Bestand gefährdet sei. Meine Damen und Herren! Aus Gebühreneinnahmen fließen jedes Jahr 6,7 Milliarden Euro. Private Rundfunksender haben alle zusammen etwa vier Milliarden Euro an Einnahmen. Die Angebote, die heute der öffentlich-rechtliche Rundfunk unterbreitet, gehen doch längst über das hinaus, was sich einmal die Väter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks vorgestellt haben.

Ich frage Sie: Brauchen wir 18 öffentlich-rechtliche Fernsehprogramme in Deutschland, ohne Digital-Bouquets wohlgemerkt? Brauchen wir über 60 Radiosender und Fernseh-Radio-Sender, die zum Teil 24 Stunden am Tag senden?

Allein die Sendeminuten haben sich seit 1990 vervierfacht, und dies hat nicht nur etwas mit den neuen Bundesländern zu tun. Ich frage Sie, ob wir eine Behörde wie die GEZ brauchen – eine Behörde, die für ihre eigene Verwaltung 121 Millionen Euro pro Jahr verschlingt. Ich sage Ihnen: Die brauchen wir nicht!

(Beifall bei der FDP und der NPD)

Wenn wir über Qualitätsangebote im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sprechen, fällt mir vieles ein, eines als Sachse auf alle Fälle: Brauchen wir MDR Jump? Ich frage Sie: Was unterscheidet, bitte schön, MDR Jump von Radio PSR? Ich kann da keinen Unterschied erkennen.

(Heinz Eggert, CDU: Jump ist schlechter!)

Ja, wenn Jump schlechter ist, sollten Sie sich vielleicht dafür einsetzen, dass zumindest an dieser Stelle eine Reform erfolgt. Zu Recht bemängelt die EU-Kommission, dass die Internet-Angebote längst über das hinausgehen, was programmbegleitende Inhalte sind. Allein der WDR hat vor kurzem noch die Internetadresse „www.flirtboerse.de“ betrieben. Ich frage mich: Soll das denn wirklich der Gebührenzahler finanzieren?

Ich sage: Wir brauchen das System, so wie es sich heute entwickelt hat, in dieser Form nicht mit einer staatlichen Garantie und auch nicht mit einer staatlichen Zwangsrundfunksteuer. Meine Damen und Herren, insbesondere von der CDU: Ich will Ihnen gern zubilligen, dass Sie insbesondere bei der Diskussion der letzten Erhöhung eines angeregt haben: dass man über Strukturen nachdenkt und vielleicht auch ein paar Reformen begonnen wurden und man über Einsparpotenziale nachdenkt. Doch, Herr Wöller: Was sind denn die Erfolge, die Sie hier verkündet haben? Sie haben gesagt, die Expansion wurde gestoppt. – Ja, toll, die Expansion, die Vervierfachung der Sendeminuten? Ist das ein Erfolg? Wir wollen nicht die Expansion stoppen, wir wollen den Grundversorgungsauftrag neu definieren und es für die Bürger am Ende preiswerter machen.

(Beifall bei der FDP)

Sie werden jetzt zu Recht entgegnen: Wo sparen wir denn eigentlich und wo können wir sparen? Ich will Ihnen einige wenige Punkte nennen. Stichwort: Landesmedienanstalten. Die Landesmedienanstalten werden bisher, wie Sie wissen, mit rund 2 % aus dem gesamten Gebührenaufkommen finanziert. Diese Steigerung wird nicht mitgetragen, aber sie erhalten trotzdem viel mehr Geld, als sie für ihren gesetzlichen Auftrag benötigen. Allein neun Landesmedienanstalten in Deutschland sind mit einem so genannten Vorwegabzug konfrontiert, das heißt, es wird vorab Geld weggenommen, das ihnen eigentlich zustehen würde, um es in die Filmförderung zu stecken. Und die Landesmedienanstalten funktionieren prima. Das heißt, hier muss doch zu viel Geld hineinfließen, wenn sie trotzdem ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen können.

Ich möchte ein zweites Beispiel nennen: Produktionskosten. An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich den MDR loben. Wenn es für annähernd dasselbe Programmformat Produktionskostenunterschiede in Deutschland von bis zu 300 % gibt, dann frage ich mich, ob das wirklich alles der Gebührenzahler finanzieren soll. Ich bin nicht dieser Meinung. Ich frage mich, ob wir Unterhaltungsproduktionen in der Menge an Sendeminuten brauchen, ob wir Boulevard in der Menge an Sendeminuten brauchen. Ich freue mich auch über Harald Schmidt – natürlich, ich finde ihn lustig. Aber muss er denn wirklich in der ARD gesendet werden? Gibt es nicht ein kommerzielles Angebot, das ihn auch senden kann?

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, PDS)

Ich finde es „fantastisch“, dass Königshochzeiten parallel in mehreren öffentlich-rechtlichen Programmen übertragen werden und dass ARD und ZDF sich in ihrer Programmstruktur auf Kosten der Gebührenzahler eine Quotenschlacht liefern. Das kann es doch nicht sein, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und des Abg. Jürgen Schön, NPD)

Wir müssen umsteuern. Wir wollen zurück zu einer Neudefinition des Grundversorgungsauftrages, zurück zu Qualität statt Quote. Wir sind der Meinung, dass öffentliche Rundfunkanbieter das anbieten sollten, was Private nicht anbieten können, zum Beispiel ein SorbenMagazin, wie es auf dem MDR läuft. Es ist doch völlig klar: Das würde kein Privater bieten, das ist eine Domäne für die Öffentlich-Rechtlichen.

Ich möchte auch ganz klar sagen: Einsparpotenziale liegen auch in der Kooperation der Sender, und der MDR beweist länderübergreifend, wie man Kosten sparen kann – im Übrigen ist er auch eine der wenigen Anstalten, die durch ihr Controlling wissen, was ihre Produktionen kosten. Viele andere öffentlich-rechtliche Sender in Deutschland wissen das nicht einmal.

Meine Damen und Herren, insbesondere von der CDU! Bei der Diskussion des Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrages haben Sie ein Stück weit Geschichte geschrieben. Sie haben Reformen angestoßen. Sie haben damals gesagt, diese Gebührenordnung sei die letzte in der alten Rundfunkordnung. Haben wir jetzt eine neue