Protokoll der Sitzung vom 10.03.2005

143 zu 45, okay, Herr Minister, da gebe ich mich geschlagen; aber in der Relation sind wir uns einig.

Es besteht die Möglichkeit, dass hier die sächsische Landwirtschaft tatsächlich profitiert – mehr noch als westdeutsche Betriebe. Deswegen teile ich überhaupt nicht die Ansicht des Abg. Paul, der sagt, hier würden etliche Arbeitsplätze vernichtet werden. Ich weiß, es wird kritisch im Bereich der Milchwirtschaft, dort gibt es Schwierigkeiten. Deswegen hat die FDP auch im Bundestag beantragt, die Übergangsfrist für die Abschmelzung der entkoppelten Betriebsprämie vom Jahr 2007 an in das Jahr 2010 zu verschieben, damit es nicht zu den von der Frau Kollegin Altmann beklagten Strukturbrüchen innerhalb der Prämienregelung kommt. Das haben wir auch vorgeschlagen, das halten wir für sinnvoll.

Um noch einmal zum Ausgangspunkt der Debatte zurückzukommen – auch im Hinblick auf meine begrenzte Redezeit –: Wir halten den Antrag für sinnvoll und werden dem so zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Herr Weichert für die GRÜNEN beendet die Runde der Abgeordneten; bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Herr Sonnleitner, hat die Einführung der Einhaltung der EU-Vorschriften als „Einfallstor für Kontrollterror“ und als „Alptraum für die Landwirte“ bezeichnet. Dem möchte ich entgegenhalten: Im Bereich der ökologischen Landwirtschaft sind die Standards weitaus höher als in der konventionellen Landwirtschaft, und was der Präsident des Bauernverbandes als Terror und Alptraum klassifiziert, ist für ökologische Betriebe geübte Praxis. Es geht um nicht weniger als die Einhaltung von Umwelt- und Tierschutzstandards und deren Dokumentation. Das geht leider nicht ohne Kontrolle und ein Mindestmaß an Bürokratie.

Meine Damen und Herren, die bisherige Agrarpolitik hat die Interessen von Bauern, Landwirtschaft und Verbrauchern nicht mehr erfüllt und erhebliche Probleme beim Tierschutz, Umweltschutz und Verbraucherschutz verursacht. Sie hat für die ländlichen Räume in Sachsen keine Perspektiven mehr eröffnet. Diese Zeiten sind nun vorbei; die Reform der deutschen Agrarförderung auf der Grundlage von EU-Beschlüssen wird im Großen und Ganzen so stattfinden, wie es die zuständige Ministerin, Frau Künast, vorgeschlagen hat. Im letzten Jahr wurde damit das mehr als 50 Jahre alte Agrarsystem abgeschafft, bei dem der belohnt wurde, der besonders viel produzierte – oft am Markt und am Bedarf vorbei und allzu häufig zulasten des Verbraucherschutzes, des Tierschutzes sowie zulasten von Umwelt und Kulturlandschaft.

Jetzt wird die Reform hier in Sachsen schrittweise umgesetzt und ab 2010 wird die Entkopplung schrittweise gestartet. Ab 2013 wird es dann eine regional einheitliche Flächenprämie geben. Das ist der entscheidende Schritt zu Marktwirtschaft und unternehmerischer Freiheit unter

den Bedingungen nachhaltigen Wirtschaftens. Denn dann wird nicht mehr produziert, wofür es die höchsten Prämien, sondern wofür es die besten Marktchancen gibt. Überschussproduktion wird nicht mehr durch Förderprämien erst forciert und dann subventioniert zum Nachteil der Entwicklungsländer auf den Weltmärkten abgesetzt.

Meine Damen und Herren, die EU-Agrarreform hat die Osterweiterung der Gemeinschaft erst möglich gemacht. Sie wäre ansonsten nicht finanzierbar. Jetzt sind die Agrarfinanzen gedeckelt; sie müssen nun für 25 statt für 15 Länder reichen. Dies bedeutet eine erhebliche Absenkung der Agrarförderung pro Mitgliedsland und eine starke Absenkung des Agraranteils am Haushalt der EU. Die Fördermittel dürfen keine marktverzerrenden Wirkungen mehr auf dem Weltmarkt entfalten; sie müssen die Bedingungen der so genannten Greenbox der WTO erfüllen. Damit ist die Agrarreform ein entscheidender Schritt, um den Forderungen der Entwicklungsländer nach mehr Handelsgerechtigkeit entgegenzukommen.

Mit der Neuregelung gibt es zugleich mehr Geld für die nachhaltige Produktion und zur Entwicklung ländlicher Räume auch außerhalb der Landwirtschaft. Die bisherigen ausstoßgebundenen Direktzahlungen werden schrittweise um 5 % mit dem Instrument der so genannten Modulation verringert und umgeleitet. Die umgeleiteten Mittel kommen der zweiten Säule, der Stärkung ländlicher Regionen sowie besonderen Leistungen und Programmen in den Bereichen Regionalentwicklung, Schutz von Umwelt, Natur, Kulturlandschaft, Tierschutz oder Lebensmittelsicherheit, zugute.

Künftig werden auch die Landwirte subventioniert, die weniger intensiv wirtschaften, also auch weniger Ackergifte einsetzen und die Böden weniger auslaugen. Auch die Biobauern werden mehr vom großen Kuchen abbekommen; in der Stellungnahme der Staatsregierung kann man das nachlesen.

Damit wird deutlich, meine Damen und Herren, dass meine Fraktion die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik als Chance für unsere Bauern, für die Verbraucher und für den ländlichen Raum in Sachsen sieht. Dem Antragsbegehren, die Auswirkungen der gemeinsamen Agrarpolitik hier im Freistaat zu verfolgen und dem Landtag dazu Bericht zu erstatten, können wir uns daher voll und ganz anschließen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Staatsminister Tillich, bitte.

Vielen Dank, Herr Präsident! – Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich bin davon überzeugt, dass die Landwirte und der ländliche Raum heute mit dieser Debatte mehr Aufmerksamkeit verdient hätten als die gestrige Debatte um die gleiche Uhrzeit um Eintrittspreise in den Park von Pillnitz.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Denn es geht ja heute um die Zukunft des ländlichen Raumes und um die Sicherung der Arbeitsplätze im ländlichen Raum.

Den Bundes- und Landesgesetzgebern ist es gelungen, die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen oder Grundlagen für die Umsetzung der EU-Agrarreform zu schaffen. Damit ist aber nur ein erster Meilenstein zur Einführung eines neuen Verwaltungsund Kontrollsystems gesetzt. Die Agrarbetriebe wie auch die Verwaltung werden noch viel Mühe und gegenseitiges Verständnis aufbringen müssen, um das deutsche Umsetzungsmodell zu beherrschen. Große Probleme sehe ich nämlich bei der Art und Weise, wie die GAP-Reform in Deutschland umgesetzt werden soll. Das deutsche Kombinationsmodell – wie durch Frau Künast durchgeboxt – wird einen immensen Verwaltungsaufwand, so wie ihn schon andere Redner kritisiert haben, erfordern. Hierzu habe ich die sächsische Agrarverwaltung angewiesen, gerade in dem von den Rednern angesprochenen Bereich des Cross Compliance so unbürokratisch wie nur möglich mit den Landwirten gemeinsam die Anforderungen zu erfüllen.

Ich bedaure es, dass es Sachsen und anderen Bundesländern nicht gelungen ist, im Bundesrat eine Mehrheit zu finden, um dieses Gesetzesvorhaben der Bundesregierung abzulehnen bzw. eine Anpassung des Gesetzes der Bundesregierung letztendlich nicht durchgehen zu lassen.

Jetzt werden wir wohl oder übel mit dem, was das Bundesgesetz vorschreibt, leben müssen; denn ungeachtet dessen, meine Damen und Herren, hält die Europäische Kommission an ihrem hohen Anspruch auf eine regelkonforme Umsetzung uneingeschränkt fest. Deswegen sind auch unsere Spielräume, was das erste bzw. das zweite Jahr betrifft, relativ eingeschränkt.

Ab diesem Jahr wird die sächsische Agrarverwaltung ein Beihilfevolumen von etwa 300 Millionen Euro durchzuleiten haben. Ich kann Ihnen versichern, dass die sächsische Agrarverwaltung alles ihr Mögliche veranlassen wird, damit unsere Landwirte im Dezember 2005 ihr Geld auf dem Konto haben.

Ich hoffe aber auch, dass die Auszahlung nicht an Formalismen scheitert, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen. Ausschließen kann man das nicht. Deshalb habe ich auf der letzten Agrarministerkonferenz Frau Künast aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass gegebenenfalls eine Vorschussund/oder Abschlagszahlung vorgenommen werden kann. Wenn wir für die Landwirte größere unternehmerische Spielräume schaffen, müssen wir auch einen Abbau von Bürokratie betreiben. Ich befürchte allerdings, dass genau das nicht das Anliegen von Frau Künast ist.

Lassen Sie mich das begründen! Den Mitgliedsstaaten wurden weit reichende Entscheidungsspielräume insbesondere für eine struktur- bzw. auch sozialpolitisch verträgliche Ausgestaltung des erforderlichen Anpassungsprozesses angeboten. Die Bundesregierung hat ihr Vorschlagsrecht für ein Umsetzungsmodell genutzt und von Anfang an Richtung und Strategie bestimmt. Deswegen bedauere ich es sehr, dass sich die Mehrheit der Ländervertreter auf eine von Frau Künast initiierte Gewinner-Verlierer-Betrachtung eingelassen hat. Gerade die

sektoralen Folgen für die Landwirtschaft wurden nicht berücksichtigt. Insbesondere den nachhaltigen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Milchwirtschaft wurde nicht der nötige Stellenwert eingeräumt. Nach wie vor halte ich das Umsetzungsmodell à la Künast für einen grundsätzlichen agrarpolitischen Fehler. Die heimischen Milchviehbetriebe werden dies ausbaden müssen. Frau Künast hat einmal mehr bewiesen, dass sie kein Interesse an Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung im ländlichen Raum hat.

Meine Damen und Herren! Mit dem deutschen Umsetzungsmodell werden die großen Einkommensabstände der Ackerbaubetriebe zu den Verbund- und Futterbaubetrieben bis 2013 festgeschrieben. Folglich werden die Landwirte im Ackerbau keinen Grund haben, ihre Unternehmensausrichtung zu verändern. Insofern wird es auch nicht zu einer Erhöhung der Wertschöpfung in diesen Betrieben kommen können.

Diejenigen Landwirte, die nicht im Haupterwerb tätig sind, werden durch das deutsche Umsetzungsmodell profitieren. Aber auch das passt natürlich in die seit Jahren betriebene grüne Agrarpolitik bestens hinein.

Diejenigen aber, die die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Landwirtschaft zum Ziel haben, um ihr Einkommen aus der Landwirtschaft erzielen zu können, werden diese grüne Agrarpolitik nicht akzeptieren können.

Vorrangiges Ziel der sächsischen Agrarpolitik ist es deswegen, diese negativen Auswirkungen so weit wie möglich zu begrenzen. Gemeinsam mit den Landwirten werden wir die Agrarreform umsetzen und den uns verbliebenen Spielraum für die sächsischen Landwirte nutzen. Wir werden uns vehement gegen weitere Benachteiligungen der sächsischen Landwirtschaft stellen. Für die Experten nenne ich die Stichworte: Ausgleichszulage, Saldierungseinschränkung bei der Milchquote, bundesweiter Milchquotenhandel und Degression.

Unternehmerisch ausgerichtete wertschöpfungs- und beschäftigungsorientierte Erzeugung werden wir weiterhin gezielt unterstützen. Wir werden uns auch gegen bestehende Wettbewerbsverzerrungen wenden bzw. diese so weit wie möglich abbauen. Ich erinnere an die Koalitionsvereinbarung bezüglich der 1 : 1-Umsetzung des EU-Rechts. Angesichts der Struktur, der Produktivität und der professionellen Betriebsführung sowohl in der Land- als auch in der Ernährungswirtschaft ist mir um den Agrarstandort Sachsen dennoch nicht bange. Auch wenn Strukturanpassungen wahrscheinlich sind, stelle ich doch fest: In Sachsen hat Landwirtschaft Zukunft!

Lassen Sie mich einen Satz zum Redebeitrag von Frau Altmann sagen. Wir haben unseren Spielraum bezüglich der Grünlandprämie ausgenutzt, soweit der bundesrechtliche Rahmen uns das ermöglicht hat. Gesagt werden muss aber auch, dass im Jahre 2013 alle Betriebe letztlich gleichgestellt werden.

Ich appelliere von hier aus an die Unteren Naturschutzbehörden bzw. an die Landkreise: Sie sind angehalten, den Landwirten heute schon die Informationen über bestehende und ausgewiesene Biotope zur Verfügung zu stellen. Wir werden den Landwirten Anfang nächster Woche weiteres Anleitungsmaterial zur Verfügung stel

len, damit sie einen sach- und fachgerechten Antrag stellen können.

Auf den Beitrag der NPD möchte ich wie folgt eingehen: Herr Paul, wir haben im Freistaat Sachsen eine exklusive Förderung von Investitionen in der Landwirtschaft. Ich glaube, das sollten Sie wissen. Auch im Bereich der umweltgerechten Landwirtschaft sind wir Spitzenreiter. Deswegen glaube ich – Herr Heinz hat schon auf die neue umweltgerechte Landwirtschaft hingewiesen –: Nach dem Jahr 2007 werden wir uns den Anforderungen, unsere Landwirte in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen, auch stellen.

Herr Martens, lassen Sie mir noch eine Bemerkung übrig, nachdem wir schon ein kleines Rededuell hatten: Ich bitte Sie, das, was Ihnen herausgerutscht ist, nicht zu wiederholen. Sie haben davon gesprochen, dass die Landwirte ein Mindestmaß an Verantwortung gegenüber dem Boden und der Umwelt walten lassen sollten. Deswegen seien die Forderungen von Cross Compliance gerechtfertigt. Die Landwirte gehen schonend und sorgsam mit ihrem wichtigsten Produktionsmittel, Grund und Boden, um. Mit diesem können sie nicht einfach nach Asien oder nach Südamerika verschwinden. Sie sind darauf angewiesen, hier, an unseren Standorten zu produzieren.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das war die erste Runde. Mir ist weiterer Redebedarf der Fraktionen angekündigt worden. Herr Schmidt, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben schon sehr viel über die anstehende GAP-Reform gehört. Es wurde dargelegt, welche Verordnungen selbstverständlich einzuhalten sind. Betrachten wir das Ganze aber einmal aus der Sicht des Landwirtes, der im Alltag damit leben muss. Was muss er beachten? Zuordnung seiner Anbauflächen in Feldblöcke und Unterteilung dieser in Feldstücke und -schläge, möglichst quadratmetergenau GPS-vermessen sowie mit den Nachbarn abgestimmt;

Erfassung sämtlicher Landschaftselemente, wie schon erwähnt, mit den noch nicht einzuschätzenden Sanktionsrisiken;

Einhaltung von Vogelschutzrichtlinien, wiederum in Verbindung mit dem Erhalt der Landschaftselemente;

Einhaltung von Grundwasserschutzrichtlinien und Klärschlammrichtlinien;

Einhaltung der Bestimmungen des Düngemittelrechts und der Nitratrichtlinie mit den damit verbundenen Höchstwerten, Dokumentationspflichten, Sperrzeiten, Abstandsregeln bei der Ausbringung und Sicherheitsbestimmungen für die Lagerstätten;

Einhaltung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und der damit verbundenen Schutzgebietsverordnungen und Einzelanordnungen;

Einhaltung der Bestimmungen zur Erosionsvermeidung und der vorgeschriebenen Bedeckungsgrade sowie der Bestimmungen zu Umfängen und Zeiträumen;

Erstellung jährlicher Humusbilanzen oder sechsjährlicher Bodenuntersuchungen auf Humus;

Einhaltung von Regelungen für die Pflege von aus der landwirtschaftlichen Erzeugung genommenen Flächen;

Einhaltung von Abstandsregeln zu Saumkulturen entsprechend von Kleinstrukturanteilen und, daraus resultierend, Biotopkennzahlen, die natürlich wieder von Gemarkung zu Gemarkung schwanken;

Einhaltung der Richtlinien zu Kennzeichnung und Registrierung von Tieren und damit verbundenen Verordnungen in Bezug auf Ohrmarken, Tierpässe, Bestandsregister für Rinder, Schafe und Ziegen.

Und so weiter, und so weiter! Stellen wir uns vor, im Jahre 2010 reibt sich eine Großvieheinheit, sprich: Kuh, an einem im Jahre 2005 registrierten und inzwischen morschen Landschaftselement, besser bekannt als Baum, und reißt sich dabei die Ohrmarken aus. Sollte dabei der morsche Baum unberechtigterweise einfach umfallen, verstieße die Kuh aufgrund der fehlenden Ohrmarken nicht nur gegen die Tierkennzeichnungspflicht, sondern aufgrund der Beseitigung des Landschaftselements auch noch gegen die Vogelschutzrichtlinie, möglicherweise sogar gegen die FFH-Richtlinie. Einfach so und ohne vorher einen förderunschädlichen Maßnahmenbeginn zu beantragen!