Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

Sechstens und letztens fordern wir die Auflage eines Konjunkturprogramms zur Wiederankurbelung der Wirtschaft, um weiteren Arbeitsplatzverlust zu vermeiden, und es geht hierbei um Zehntausende Arbeitsplätze, insbesondere im Osten Deutschlands.

Nur eine Belebung der Konjunktur kann aus unserer Sicht eine längerfristige Rezession noch verhindern. Dazu muss in erster Linie die Binnenkaufkraft gestärkt werden, unter anderem durch eine Abkehr von der Niedriglohnspirale, durch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns nach französischem Vorbild sowie durch eine Anhebung der Renten und des Hartz-IV-Regelsatzes. Darüber hinaus brauchen wir ein Investitionsstützungsprogramm durch ein Vorziehen öffentlicher Investitionen in Bildung und Infrastruktur sowie die Wiedereinführung der degressiven Abschreibung mit Sonderabschreibungsmöglichkeiten im ersten Jahr. Und sage niemand, für all das sei kein Geld vorhanden. Das glaubt nach der Bereitstellung des gigan

tischen Rettungspaketes für die Banken ohnehin niemand mehr.

(Beifall bei der Linksfraktion, der NPD und fraktionslosen Abgeordneten)

Außerdem sollte man natürlich auch darüber nachdenken, die Einnahmenseite des Staates durch geeignete Maßnahmen zu stärken. Ich denke hierbei unter anderem an die Wiedereinführung der Vermögensteuer, eine deutliche Erhöhung der Erbschaftsteuer auf große Vermögen, das Austrocknen von nach wie vor vorhandenen Steueroasen und die Einführung einer Besteuerung auf Umsätze von reinen Finanztransaktionen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Finanzminister hat es gesagt: Die Lage ist sehr ernst. Die absehbaren Folgen sind bitter und wir alle haben daraus hoffentlich eines gelernt: Ein zügelloser Kasinokapitalismus kostet nicht nur Milliarden, sondern er bedroht letztlich auch unsere Demokratie.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion sowie der Abg. Jürgen Gansel, NPD, und Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Bitte schön, Herr Dr. Rößler.

(Jürgen Gansel, NPD: Jetzt kommt der Schwanengesang des Neoliberalismus!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu Beginn bedanke ich mich erst einmal bei Ihnen, Herr Finanzminister, dass Sie uns gestern – es gab ja erst gestern etwas Handfestes zu berichten, auch über Lösungen – und heute wieder informiert haben.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Es verschlägt einem schon den Atem, wenn man den Rettungsplan sieht – Größenordnung ein doppelter Bundeshaushalt oder ein Drittel unseres deutschen Bruttosozialprodukts. Neben dieser Bürgschaft müssen wir noch die Garantie für die Spareinlagen der Bürger sehen, die Angela Merkel für die Bundesregierung abgegeben hat. Auch das – es gibt verschiedene Schätzungen – sind fast 1 000 Milliarden Euro, also zusammen 500 Milliarden und 1 000 Milliarden Euro. Das Bruttosozialprodukt eines Jahres wird eingesetzt, um das Vertrauen in die Märkte, in die Banken wieder herzustellen.

Aber was mir besonders bemerkenswert erscheint, ist eine Aussage unserer Bundeskanzlerin von gestern – Zitat –: „Der Staat ist die einzige Instanz, die das Vertrauen zwischen“ – „zwischen“, meine Damen und Herren – „den Banken wiederherstellen kann.“

Es geht auch nicht um Banken oder Banker. Die Maßnahmen der Politik sind auf eines ausgerichtet: die Wirtschaft zu stützen und, meine Damen und Herren, die

Bürger dieses Landes und anderer Länder in diesem globalen Finanzmarkt, in dieser globalen Wirtschaft zu schützen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Hier wird ein gewaltiger Vorschuss gegeben, politisch und finanziell, und es ist so: Eine CDU-Kanzlerin erwägt die Teilverstaatlichung der Banken. Auf europäischer Ebene wird über die Teilverstaatlichung der Banken gesprochen, und wenn das notwendig werden sollte, wird das sicherlich auch passieren, denn die Lage ist ernst.

Angela Merkel und Peer Steinbrück haben mit ihren Experten in kurzer Zeit ein Programm, ein Paket geschnürt, das zum Gesetz werden soll. Jetzt zitiere ich unseren Finanzminister Peer Steinbrück und das ist die Situation: „Wenn es brennt“, hat er gestern gesagt, „muss man löschen, auch wenn es sich um Brandstiftung handelt.“

Das ist die Stunde der Politik und – lassen Sie mich das so sagen – des starken Staates. Wenn ich Sie gerade gehört habe, Herr Hahn: Sie haben doch keine Alternative aufgezeigt, Sie haben keinen anderen Weg aus dieser Not gewiesen.

(Zuruf der Abg. Caren Lay, Linksfraktion)

Deshalb: Wir brauchen in dieser Situation entschlossenes Handeln. Dieses entschlossene Handeln werden die Koalitionsfraktionen auch im Sächsischen Landtag demonstrieren. Dem dient der vorliegende Entschließungsantrag, denn in dieser Situation stehen die Volksparteien in Berlin und Dresden zusammen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Zu Recht kommt immer wieder die Frage, ja der Vorwurf: Werden denn wieder die Risiken und Verluste sozialisiert und bleiben vielleicht die Gewinne auch in Zukunft privatisiert? – Wir werden und wir müssen von Banken und Bankern einen angemessenen Preis für die Rettung – auch für ihre Rettung aus selbst verursachter Situation – fordern.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Dieses Hilfspaket wird mit politischem Einfluss auf das Banken- und Finanzsystem gegenzufinanzieren sein. Wenn fällige Bürgschaften in Anspruch genommen werden und wir den Banken helfen, dann müssen wir darüber sprechen, was passiert, wenn die Banken wieder florieren, was sie dann zurückzahlen.

(Caren Lay, Linksfraktion: So ist es!)

Wir brauchen eine Garantie, wir brauchen Kontrollinstanzen, die sicherstellen, dass die Großzügigkeit der Politik nicht missbraucht wird; denn diese speist sich aus Steuermitteln, und wenn die Hilfe gelingt, dann muss es die entsprechenden Rückflüsse geben.

Das Krisenmanagement vom Bund und in den Ländern verdient unsere Unterstützung, weil es alternativlos ist. Über die Konditionen müssen wir sprechen. Es geht um eine Neuregelung der Finanzmärkte, denn diese muss das große Geben, das hier passiert, das Geben von Steuerzahlern, legitimieren. Gerade die Nehmenden von heute waren diejenigen, die den Staat früher nicht brauchten, die gesagt haben: „weniger Staat“. Aber jetzt sind auch sie auf den Staat angewiesen und das Vertrauen des Gebers, des Staatsvolkes, muss durch Transparenz, durch Kontrolle und auch durch eigene Beschränkung gerechtfertigt werden.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Wenn man die Wurzeln der Finanzkrise wirksam bekämpfen will, dann braucht man ein vorausschauendes Finanzmarktregelwerk, dann muss man Aufsicht vernünftig verstärken, muss sie an strengere Kriterien binden, beispielsweise auch für Bonuszahlungen. Es muss schärfere Bilanzierungs- und Eigenkapitalvorschriften geben. Das alles sind Bestandteile, auf die wir in unserem Entschließungsantrag noch detailliert eingehen werden. Es zeigt sich auch, meine Damen und Herren ganz rechts und ganz links, dass der Nationalstaat allein mit dieser Situation überfordert ist.

(Jürgen Gansel, NPD: Sie rufen doch selbst nach ihm!)

Das anfangs hektische Krisenmanagement einzelner europäischer Staaten

(Zuruf des Abg. Alexander Delle, NPD)

spricht Bände, und das ist auch der Grund, warum wir heute früh in der Zeitung von einem angestrebten Weltfinanzgipfel lesen konnten. Er soll die Märkte vernünftig bändigen. Wir hoffen nur, dass die Novemberkonferenz über eine strengere Verfassung der globalen Märkte, die EU und Vereinigte Staaten vorhaben, unter Einbeziehung der G8-Staaten und der Schwellenländer, meine Damen und Herren, zu einer neuen, zu einer transparenteren und damit auch gerechteren Weltordnung der Finanzmärkte und der Wirtschaft führt.

Lassen Sie mich noch ganz kurz einiges zur Verantwortung sagen, zunächst zur Verantwortung der Europäischen Union. Die EU muss Regeln für Banken setzen. Die Bankaufsicht muss Teil einer internationalen Struktur werden. Die Europäische Union hat Einigkeit demonstriert. Am Anfang hat das auch Erfolg gehabt. Die Kurse stiegen wieder. Wenn wir heute von neuen Kurseinbrüchen lesen, dann sind sie vor allem diktiert von der Sorge, dass das, was sich auf den Finanzmärkten abspielt – gestern sagte ein Kollege im HFA, es ist ein hässliches Wort, ich gebrauche es trotzdem –, dass diese Krise der Finanzmärkte voll auf die Realwirtschaft durchschlägt,

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Was ist das anderes?)

dass sie uns Arbeitsplätze kostet, dass sie uns Wirtschaftskraft kostet. Ein wichtiger Schritt der Europäischen Union waren doch die Bemühungen, dass Spareinlagen bis zur Größenordnung von 100 000 Euro für alle EUBürger gesichert und garantiert werden sollen. Das würde ein merklicher Beitrag sein.

Die zweite Zusage, die wir heute hören: Falls es wirklich zum Kollaps einer Bank oder eines Kreditinstituts kommt, sollen die Bürger innerhalb von drei Tagen – auch das ist eine staatliche Garantie, die EU-weit angestrebt wird – an ihr Geld kommen. Das wird die Lage beruhigen.

Man muss dann diskutieren, ob die Europäer europaweit agierende Banken nicht mehr einzeln, sondern als Gruppe in ganz Europa überwachen oder ob wir vielleicht eine zentrale Überwachung, eine europäische Überwachung des Bankensystems brauchen.

Zur Verantwortung der Länder hat unser Finanzminister allerhand gesagt. Wir sollen einen Anteil dieses 500 Milliarden Paketes stemmen. Die Frage ist, wie groß unser Anteil ist. Die Frage ist, wie Vorleistungen, zugegebenermaßen unfreiwillige Vorleistungen, einfach um Lösungen zu schaffen, berücksichtigt werden, wie wir sie ja mit der Sachsen LB schon schmerzhaft erbracht haben.

Aber, meine Damen und Herren, auch hier gilt dasselbe, wie wir es in den USA bei den Querelen im Kongress über das Rettungspaket der amerikanischen Regierung erlebt haben: Wenn man Vertrauen bei den Akteuren im Finanzmarkt gewinnen will, kommt es erstens auf den richtigen Zeitpunkt an, indem international koordinierte Maßnahmen zügig und stringent durchgezogen werden. Das spürt man dann auch an den Aktienkursen.

Es geht zweitens darum, dass das Paket ohne Verzögerung in Kraft gesetzt wird. Der Hickhack in den Vereinigten Staaten sollte uns eine Lehre sein. Hier zitiere ich wieder Bismarck: „Man lernt am besten aus den Fehlern anderer.“ Und ich denke, wir werden – Bundesregierung und Bundesländer – hart unsere Interessen vertreten. Aber wir werden hier in Deutschland anders als die Amerikaner zum Ende der Woche eine Lösung präsentieren, bei der es natürlich auch darum geht, dass Länder nicht zweimal zahlen sollen, dass es uns auch darum geht, dass man sächsische Interessen vertritt. Aber wir brauchen eine Lösung bis zum Ende dieser Woche.

Lassen Sie mich noch einen letzten Punkt berühren. Wie ist es denn mit der Verantwortung der Bankvorstände, der Manager? Jetzt zitiere ich eine große überregionale Zeitung: „Das Volk rettet die Banken und wo bleibt der Beitrag der Banker?“

(Staatsminister Thomas Jurk: Sehr richtig!)

Das ist eine gute Frage.

(Lachen der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Ich wiederhole noch einmal: Was geben wir den Banken? Was bieten wir den Banken an? Der Staat gibt 400 Millionen, Herr Finanzminister, Garantien. Die Bürgschaft wird fällig, wenn Banken in Schwierigkeiten kommen,

vielleicht sogar kollabieren. Und der Staat gibt rund 100 Milliarden Spritzen unter bestimmten Bedingungen für Eigenkapital. Wo ist der Beitrag der Banker?

Da könnte man einige Gedankenexperimente anstellen. Ich bringe die nur einmal aus dieser großen Zeitung. Wenn wirklich Banken faktisch teilverstaatlicht sind, warum sollte sich der Verdienst der Bankvorstände nicht am Gehalt unseres Bundesbankchefs Weber orientieren? Nur einmal zur Information: Er erhält etwa 370 000 Euro; darüber würde sich jeder Ministerpräsident freuen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)