Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

Drucksache 4/13386, Antrag der Fraktion der NPD

Die NPD-Fraktion beginnt. Danach folgen: CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Bitte, Herr Dr. Müller.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Jetzt also, wo die Staatsregierung – und die sie tragende Koalition aus CDU und SPD – nach ihrem hochspekulativen und völlig unverantwortlichen finanziellen Hochseilakt in das Haifischbecken der Globalisierungsextremisten und Spekulanten abgestürzt ist, ergibt sich endlich eine Gelegenheit, wieder eine bodenständige Finanz- und Ressourcenpolitik für Sachsen zu betreiben.

Nachdem also Ihre immer wieder hoch gelobte Finanzkompetenz zig Milliarden Steuergelder schlichtweg verbrannt hat und die Heuschrecken von der Ostküste der USA, die Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren der Staatsregierung, und deren Kontrollaufsicht, also dem Sächsischen Landtag, in finanziellen Belangen leider immer voraus waren, weitergezogen sind, haben Sie mit diesem Antrag der NPD endlich eine Gelegenheit, für das Geld der Steuerzahler wieder einmal einen realen materiellen Gegenwert zu erwerben und nicht nur völlig wertlose amerikanische Anleiheschnipsel.

Worum geht es also bei unserem Antrag, meine Damen und Herren? Die beiden US-amerikanischen Gesellschafter, die jeweils zu 50 % an der Mibrag beteiligt sind, haben angekündigt, sich von dem Konzern trennen zu wollen. Zu diesem Zweck wurde die inzwischen von der Bank of America im Zuge der sich überschlagenden weltweiten Finanzkrise US-Bank Merrill Lynch beauf

tragt, den beabsichtigten Verkaufsprozess über ein Bieterverfahren abzuwickeln.

Wie nicht anders zu erwarten war, wurden zunächst einmal als angeblich einzige Interessenten auf dem deutschen Strommarkt fast monopolartig operierende Großkonzerne ins Spiel gebracht. Damit bahnt sich jetzt endgültig das Szenario an, das 1990 unter allen Umständen verhindert werden sollte, nämlich eine weitere Konzentration auf dem Energiemarkt. Im damaligen Poker um die Energiewirtschaft der Ex-DDR wurde die aus dem ehemals volkseigenen Braunkohlenkombinat hervorgegangene Mitteldeutsche Braunkohlen AG von der sogenannten Treuhand an die Amerikaner verkauft. „Die Zeit“ titelte seinerzeit – Zitat –: „Ein Monopol wird geknackt – die Treuhand will zum Ärger der großen deutschen Stromversorger an Amerikaner verkaufen.“

Der Ärger der deutschen Bevölkerung war damals noch größer als der des Energiekartells, war dies doch nur ein Teil des damals weit unter Wert ins Ausland verscherbelten Volksvermögens. Das einzig Positive war dabei, dass die Mibrag in ihrer damaligen Gestalt wenigstens als Konkurrenz auf dem Energiemarkt auftreten konnte. Mit dem drohenden Verkauf an einen der vier großen Monopolisten würde nun auch noch dieser letzte positive Effekt des damaligen Verkaufs aufgehoben werden.

Welche Chancen und Perspektiven ergeben sich also aus einem Ankauf der Unternehmensanteile entweder durch den Freistaat Sachsen oder ein Konsortium aus den drei beteiligten Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen mit oder ohne Beteiligung des Bundes? –

Durch den Rückerwerb der Mibrag und die damit verbundene Unterstellung des Konzerns unter staatliche Kontrolle würde nach langen Jahren des Ausverkaufs der energiepolitischen Daseinvorsorge mit den Mitteln der Privatisierung und Internationalisierung endlich wieder eine gewisse Einflussnahme auf dem Gebiet des Energiesektors zurückgewonnen.

Dies ist aus der Sicht der NPD die einzige Möglichkeit, der ansonsten unkontrollierbaren Preistreiberei bei Strom und Energieträgern wirksam entgegenzutreten und dem Machtmissbrauch zu begegnen, denn es müsste zumindest dem Verständnis der Staatsregierung von Ordnungspolitik entsprechen, wenn am Markt wieder eine reale Konkurrenz, diesmal in Gestalt eines staatlich dominierten Unternehmens, entstehen würde.

Warum, meine Damen und Herren, wollen denn „die Amerikaner“ die Mibrag verkaufen? Ganz einfach, die Mibrag muss für den Verkauf von Verschmutzungsrechten 30 Millionen Euro aufbringen, die angeblich den Gewinn so weit schmälern, dass dieser für Heuschrecken nicht mehr lukrativ erscheint. Diese Entwicklung betrachten wir stattdessen als Glücksfall und als Möglichkeit, zwei der lästigen Heuschrecken wieder loszuwerden.

Wir stehen damit in fundamentalem Gegensatz zum Ministerpräsidenten, der in einer Presseerklärung vom 24. September die Mibrag-Verkaufspläne als Folge verfehlter Umweltpolitik kritisierte. Dies ist umso erstaunlicher und bedeutet nichts anderes, als dass sich der frühere Umweltminister Tillich auf Kosten der sächsischen Umwelt und der deutschen Energieverbraucher mit seiner Forderung nach weiteren Privilegien für die Braunkohle bei der Zuteilung von Emissionszertifikaten indirekt für die Beibehaltung der ungerechtfertigten Gewinnmargen für Heuschrecken einsetzt.

Die NPD ist dagegen der Auffassung, dass trotz der Kosten für die Emissionszertifikate die Mibrag genügend Gewinn abwirft und dass mit einem staatlichen Ankauf der Anteile sowohl umweltpolitische Aspekte als auch finanzpolitische Notwendigkeiten in Übereinstimmung gebracht werden können. Dies sollte auch einem ehemaligen Finanzminister Tillich plausibel sein, selbst wenn er diesen Posten nur für wenige Wochen ausgeübt hat.

Um die sich hier bietende Chance eines Aufkaufs der Mibrag auch wirklich wahrnehmen zu können, fordern wir in dem vorliegenden Antrag, gemeinsam mit den Ländern Sachsen-Anhalt und Thüringen und gegebenenfalls auch mit dem Bund in Verhandlungen einzutreten, um mit einer solchen Bund-Länder-Partnerschaft eher und mit geringerem Risiko die dafür erforderlichen Mittel aufzubringen. Dazu bedarf es schnellstmöglich eines tragfähigen Finanzierungskonzepts für einen Erwerb durch die öffentliche Hand, das dem Landtag unverzüglich vorzulegen ist.

Wir Nationaldemokraten erheben diese Forderung, weil wir auf drei Feldern mit positiven Auswirkungen rechnen:

Erstens im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, denn es wäre verheerend, wenn nach dem Wegfall von fast 60 000 Stellen in diesem Sektor seit 1990 auch noch die letzten Arbeitsplätze in Gefahr gerieten. Der Staat garantiert auch hier letzten Endes eher eine sozialverträgliche Gestaltung des Unternehmens.

Zweitens. Der Staat als Unternehmer, der selbst die ökologischen Standards aufgestellt hat, ist wesentlich stärker an einer schonenden Nutzung der einheimischen Rohstoffe interessiert als profitorientierte ausländische Konzerne.

Drittens. Zum jetzigen Zeitpunkt, wo die Preise für Energieträger weltweit explodieren und deren Begrenztheit nicht nur wirtschaftliche Abhängigkeiten schafft, wäre es aus der Sicht der NPD unrealistisch, nach einem sofortigen Kohleausstieg zu rufen. Umso wichtiger ist es daher, die verbleibenden Ressourcen Deutschlands nach eigenem Gusto verwenden zu können, nicht zuletzt, um damit auch ein nachhaltiges, erneuerbares Energiesystem aufzubauen.

Ich bitte Sie daher, dem Antrag der NPD aus nationaler Verantwortung zuzustimmen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der NPD und des Abg. Klaus-Jürgen Menzel, fraktionslos)

Für die Koalition Herr Abg. Lehmann, bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heutigen Debatten waren schon aufschlussreich. Während sich die konstruktiven Kräfte in vielen Ländern der Welt um die rasche und nachhaltige Überwindung der Finanzkrise mühen, versuchen Randgruppen des politischen Spektrums, ihr ideologisches Süppchen auf dem Feuer der aktuellen Schwierigkeiten zu kochen.

(Alexander Delle, NPD: Wer hat denn die Voraussetzungen erfüllt, dass es so weit kommen konnte?)

Die Privatisierung der Banken ist eine Ihrer wohlfeilen Zutaten. Hilfskoch Apfel, der leider heute nicht mehr mitkocht, sondern anderenorts zugange ist, hat das heute Morgen laut in die Welt hinausposaunt. Es ist für die vereinigten Populisten aller Länder auch viel leichter, vorgeblich einfache Lösungen zu fordern, als Leitlinien für das global vernetzte System zu formulieren, die auf der einen Seite den Fortschritt zulassen und auf der anderen Seite selbstzerstörerische Entwicklungen verhindern.

Wir wollen die globalen Strukturen auf dem Gebiet der Banken, des Handels wie auch der Energie- und Klimapolitik nicht abschaffen, wir wollen sie qualifizieren. Wir wollen den globalen Austausch von Waren und Ideen nicht abschaffen, sondern wir wollen ihn krisensicherer machen.

Ganz anders die NPD. Sie versucht jede auftretende größere oder kleinere Schwierigkeit zu instrumentalisieren, um das Gesamtsystem infrage zu stellen. Insofern ist ihr Antrag auf Verstaatlichung der Mibrag für uns überhaupt keine Überraschung. Für die NPD ist alles gut, was zentral, national und möglichst autark geregelt ist,

(Zuruf der Abg. Gitta Schüßler, NPD)

und alles das schlecht, was dezentral, global oder international arbeitsteilig daherkommt.

Daneben vertreten Sie in Ihrem Antrag den interessanten Standpunkt, dass im Zweifelsfall der Staat der bessere Unternehmer sei.

Man könnte annehmen, dass Sie sich die untergegangene DDR-Wirtschaft zurückwünschen. Damals war alles zentral und autark. Die Betriebe waren staatlich gesteuert. Die Energiepreise waren niedrig. Trotzdem oder gerade deswegen ist dieses System auch nach wenigen Jahrzehnten an der wirtschaftlichen Auszehrung gescheitert.

Wir haben unsere Lektion gelernt. Wer in unserer modernen Welt wirtschaftlich erfolgreich sein will, muss die Vorzüge der grenzüberschreitenden Kooperation intelligent nutzen und auch ansonsten im Wettbewerb immer eine Nasenlänge voraus sein. Die deutsche Wirtschaft beherrscht das exzellent. Wir sind in diesem Jahr gerade wieder auf dem Wege, erneut Exportweltmeister zu werden, und schaffen damit Arbeitsplätze auch hier in Sachsen.

Nicht Abschottung, Ausgrenzung und Verstaatlichung sind die Schlüssel zu nachhaltig bescheidenem Wohlstand, sondern Innovation und Technologie. Wir werden dem Preisdiktat der gas- und erdölfördernden Länder mittelfristig nur entgehen können, wenn wir auf dem Wege vom fossilen hin zum solaren Zeitalter noch schneller vorankommen.

(Zuruf von der NPD: Zum atomaren!)

Bis dahin müssen wir sicherstellen, dass sich die Preiskalkulationen der Stromproduzenten insbesondere an ihren Aufwendungen orientieren und nicht an den Wünschen der Aktionäre. Das gilt insbesondere auch für unsere kommunalen Stadtwerke. Wir müssen mit einer vorausschauenden Ressourcenpolitik dafür sorgen, dass Knappheiten vermieden werden. Mit dem Votum für die Standorte Lippendorf und Boxberg haben wir in Sachsen unsere Hausaufgaben gemacht. Die dafür nötigen Regelwerke müssen hinreichend flexibel und wenigstens innereuropäisch abgestimmt sein. So viel sollten wir aus der aktuellen Bankenkrise nun doch gelernt haben.

Nein, meine Damen und Herren von der NPD, wir werden Ihrem abwegigen Ratschlag nicht folgen und die Mibrag nicht verstaatlichen. Wir wollen keine neuen Staatsbetriebe, sondern bevorzugen einen staatlichen Rechtsrahmen, der den Herausforderungen der globalen Weltwirtschaftsordnung gerecht wird. Darum werden wir Ihren Antrag heute auch ablehnen.

(Beifall bei der CDU, der FDP und der Abg. Dr. Monika Runge, Linksfraktion)

Die Linksfraktion hat keinen Redner bestimmt. Die FDP. – Herr Morlok, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, man sollte wieder einmal zur Sachlichkeit zurückkehren, wenn man von der NPD diesen Antrag vorgelegt bekommt.

Worum geht es eigentlich? Die Mibrag hat im letzten Jahr 18,6 Millionen Tonnen Braunkohle abgebaut, beschäftigt über 2 100 Mitarbeiter, hat einen Jahresumsatz von 328 Millionen Euro und hat damit im letzten Jahr einen Überschuss von nahezu 40 Millionen Euro erwirtschaftet.

Zwei Gesellschafter, die beiden Gesellschafter der Mibrag, möchten ihre Anteile verkaufen, was in der freien Wirtschaft gelegentlich schon einmal vorkommt. Der eine Gesellschafter, die URS, möchte sich auf sein Kerngeschäft konzentrieren, das aus dem Bereich Immobilien und Umwelttechnologie besteht. Er möchte sein Portfolio bereinigen, weil er sagt, das Thema Braunkohle passt eben nicht in das Portfolio hinein.

Der andere Gesellschafter, die NRG Energy, hat ein Problem mit den Auflagen im Bereich der CO2Reduzierung. Die Mibrag muss in Größenordnungen Emissionsrechte zukaufen. Man redet über einen zweistelligen Millionenbetrag; 30 Millionen Euro. Wir haben das hier im Landtag im Rahmen des Nationalen Allokationsplans diskutiert, als es darum ging, Ausnahmeregelungen bzw. andere Regelungen für die Braunkohle zu finden. Das ist von vielen Fraktionen hier im Haus abgelehnt worden. Die Staatsregierung hat es anders gesehen, konnte sich aber auch in dem Maße nicht durchsetzen, sodass wir das Problem haben, dass Braunkohletechnologie wirtschaftlich eben nicht mehr ganz so effizient erscheint wie in der Vergangenheit. – So viel zum Sachverhalt.

Was hat es mit dem Freistaat zu tun, wenn das Unternehmen URS in den USA sich auf das Kerngeschäft konzentrieren möchte? Doch eigentlich gar nichts.

Anders sieht es schon im Bereich CO2 aus, weil wir da politisch zumindest auf der Bundesebene eingewirkt haben. Wir haben doch ganz klar gesagt – nicht wir als FDP, aber die politische Mehrheit –: Wir wollen die Braunkohleverstromung verteuern.

Das jetzige Unternehmen sagt: Na ja, wenn dann meine Rendite geringer wird, möchte ich vielleicht nicht mehr Mitgesellschafter sein und mich anderswo umschauen. Das ist doch normal. Aber das müssen sich doch diejenigen fragen, die auf der Bundesebene die entsprechende Politik gemacht haben, die dazu führt, dass eben diese Investments für den Gesellschafter nicht mehr so lukrativ erscheinen. Das alles sind Dinge, die mit uns im Freistaat Sachsen und als Landtag nichts zu tun haben und über

haupt keinen Grund liefern, dass wir plötzlich irgendwo Geschäftsanteile kaufen sollten.

(Beifall bei der FDP)

Wir haben in der Vergangenheit immer wieder gemerkt, dass Wettbewerb zu besseren Ergebnissen führt. Wettbewerb führt zu günstigeren Preisen. Dass wir das im Energiebereich nicht in dem Maße bemerkt haben, liegt ja daran, dass die Bundesregierung – Rot-Grün war daran beteiligt – zum Beispiel im Rahmen der Ministererlaubnis zur Fusion E.ON/Ruhrgas genau den Wettbewerb außer Kraft gesetzt hat.

Wenn Sie von der NPD eine Konzentration im Energiebereich ansprechen, dann kann man nur froh sein, dass der mögliche Erwerb von Geschäftsanteilen der Mibrag durch Unternehmen der europäischen Energiebranche der europäischen Fusionskontrolle unterliegen würde, dass wir nicht die Angst haben müssen, dass durch eine Ministererlaubnis der Bundesregierung wieder Blödsinn gemacht wird. Das ist der große Vorteil an der Situation. Aber auch in diesem Bereich würden selbstverständlich, wenn ein europäisches Unternehmen aus der Energiebranche kaufen wollte, die gleichen Überprüfungen stattfinden. Deswegen muss der Freistaat nicht hingehen und irgendwelche Geschäftsanteile kaufen.

Die Frage ist doch: Was wäre denn wohl, wenn er sie gekauft hätte? In Deutschland sind im Rahmen der Bankenkrise bisher zwei Banken krachen gegangen. Beide waren staatlich. Die Mibrag erwirtschaftet – ich habe das vorhin dargestellt – momentan eine Umsatzrendite von 10 %. Das ist ja so schlecht nicht.