Protokoll der Sitzung vom 16.10.2008

Spannungsbogen zwischen Staat und Wirtschaft. Das wirtschaftliche, besser gesagt das unternehmerische Risiko liegt in letzter Konsequenz beim Staat, wobei die Geschäftsführung bzw. der Vorstand die Aufgabe hat, das Unternehmen in eigener Verantwortung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und dem Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmanns zu leiten.

Regelmäßig ist in den Unternehmen ein Aufsichtsgremium installiert. Das Verhältnis zwischen Aufsichtsgremien und Geschäftsführung bzw. Vorstand wird dabei durch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Satzung und die Geschäftsordnung, geregelt. Neben dem Gesellschafter entscheidet das Aufsichtsgremium – bei der Rechtsform der AG sogar nur das Aufsichtsgremium – über die grundsätzliche strategische Ausrichtung der Geschäftspolitik des Unternehmens. Innerhalb dieses vorgegebenen Rahmens ist die Wahrnehmung des operativen Geschäfts allein Aufgabe der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes. Das Aufsichtsgremium überwacht mit dem ihm zustehenden Instrumentarium die Tätigkeit der Geschäftsführung bzw. des Vorstandes und hat die Pflicht, bei unternehmerischen Fehlentwicklungen lenkend einzugreifen. Diese Struktur ist der privatrechtlichen Organisationsform der GmbH bzw. der AG immanent, sie hat sich grundsätzlich bewährt.

Die Interessen des Freistaates werden in den Landesunternehmen durch Vertreter der Exekutive, durch Externe oder durch Vertreter des Landtags gewahrt. Dabei sind die Aufsichtsgremien der Unternehmen des Freistaates mit Personen besetzt, deren Qualifikation auf das jeweilige Unternehmen zugeschnitten ist. Es gibt keine vorgegebenen Qualifikationen mit allgemeiner Gültigkeit für jedes Unternehmen.

Das SMF, das die Gesellschafterrechte für den Freistaat wahrnimmt, besetzt das Kontrollgremium in Abstimmung mit den betroffenen Fachressorts unter Berücksichtigung der unternehmensspezifischen Belange. Aufgrund der positiven Erfahrungen finden sich verstärkt externe Fachleute unter den bestellten Gremiumsmitgliedern. Die Besetzung mit externen Fachleuten unterliegt dabei jedoch rechtlichen und faktischen Einschränkungen. Aus rechtlicher Sicht verlangt unsere Haushaltsordnung, dass der Freistaat in den Überwachungsorganen seiner Unternehmen einen angemessenen Einfluss erhält. Ein solcher Einfluss wird naturgemäß eher bei einer Besetzung mit Mitgliedern der Staatsregierung und mit Landesbediensteten gewährleistet.

Faktisch stellt auch die Frage nach der Vergütung ein Hindernis für eine weitere Verstärkung der Aufsichtsgremien mit externen Mitgliedern dar. Externe Vertreter lassen sich häufig nur bei entsprechender Vergütung für Tätigkeiten in Aufsichtsgremien eines Landesunternehmens gewinnen. Bei den Landesunternehmen wird jedoch im Regelfall nur eine geringe oder gar keine Vergütung gezahlt, da eine hohe Vergütung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Unternehmen häufig nicht ange

messen wäre bzw. die Unternehmen zum Teil Zuschüsse erhalten.

Unabhängig von der Besetzung des Aufsichtsgremiums mit einem Landesbediensteten oder einem externen Vertreter achtet der Gesellschafter darauf, dass die Mandatsträger die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten mitbringen. Die eigentliche Mandatswahrnehmung erfolgt nicht unter ständiger Aufsicht des Gesellschafters, sondern eigenverantwortlich, da es sich bei der Mitgliedschaft in einem Kontrollgremium um ein höchst persönliches und weisungsungebundenes Mandat handelt, dessen Übernahme für den Mandatsträger auch individuell haftungsrechtliche Konsequenzen haben kann. Die Mitglieder der Kontrollgremien sind nicht dem Gesellschafter verpflichtet, sondern ausschließlich dem Unternehmen.

In diesem Sinne obliegt es allein dem Mandatsträger, darauf zu achten, dass ihm auch genügend Zeit zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgabe zur Verfügung steht und er an den regelmäßigen Sitzungen teilnehmen kann.

Abschließend darf ich daher feststellen: Die Forderung der FDP-Fraktion nach mehr Sachverstand in den Kontrollgremien von Landesunternehmen geht ins Leere. Ich empfehle Ihnen die Ablehnung des Antrages.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Wird noch das Wort gewünscht? – Wenn nicht, dann bitte das Schlusswort; Herr Abg. Schmalfuß.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Patt, ich würde Ihnen gern einige Fragen beantworten. Ihr Redebeitrag bestand zum größten Teil aus Fragestellungen, auf die Sie selbst keine Antworten geliefert haben.

(Zuruf des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Sie haben in Ihrem Beitrag ausgeführt, dass die Rechtsaufsicht über die Landesbank Sachsen der Verwaltungsrat wahrnimmt. Das ist unrichtig.

Die Rechtsaufsicht über die Landesbank Sachsen und die Fachaufsicht im Rahmen der Beteiligungsverwaltung hat das Staatsministerium der Finanzen.

(Widerspruch des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Zu haftungsrechtlichen Fragen möchte ich Ihnen erwidern, dass der Verwaltungsrat möglicherweise ein Organverschulden begangen hat. Der Verwaltungsrat der Sachsen LB hatte die Aufgabe, die Geschäfte und die Umsetzung der Strategie der Landesbank Sachsen zu überwachen. Sie haben vorhin auf die Frage meines Kollegen Morlok geantwortet, dass die Vorstände der Landesbank Sachsen durch den Verwaltungsrat ausgewählt wurden. Das ist unrichtig. Ich möchte richtigstellen, dass die Anteilseignerversammlung der Sachsen-Finanzgruppe die

Vorstände ausgesucht hat. Wenn ich für meine Geschäfte Erfüllungsgehilfen beanspruche, die diese Geschäfte nicht so erledigen, wie ich das als Anteilseigner gern möchte, habe ich als Anteilseignerversammlung ein sogenanntes Auswahlverschulden begangen und müsste entsprechende Konsequenzen ziehen.

Im Übrigen kann der Aufsichtsrat der Sachsen LB die Vorstände später persönlich haftbar machen. Bis zum heutigen Zeitpunkt ist das auch nicht geschehen.

(Karl Nolle, SPD, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Zum Beitrag meines Kollegen Scheel – –

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Dr. Schmalfuß?

Ja, selbstverständlich, Kollege Nolle.

Herr Kollege, erinnern Sie sich mit mir an das Ernst-&-Young-Gutachten und die Vernehmung des Zeugen Müller-Tronnier vor dem Untersuchungsausschuss, wo gesagt worden ist, dass die Jahresabschlüsse teilweise nicht korrekt waren

(Widerspruch bei der CDU)

und dass deswegen der Verwaltungsrat, der diese beschlossen hat, somit nicht korrekte Beschlüsse gefasst hat?

Was Sie sagen, kann ich entsprechend dem Protokoll bestätigen.

(Gottfried Teubner, CDU: Du warst doch gar nicht mehr da!)

Ich würde gern auf den Redebeitrag von Kollegen Pecher eingehen. Kollege Pecher, Sie hatten gesagt, ich hätte unterstellt, dass Minister oder Landtagsabgeordnete per se nicht geeignet seien, Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsmandate wahrzunehmen. Herr Staatsminister Jurk hatte vorhin gesagt, das wäre eine Unterstellung und es gehe um eine Kumulation von Aufsichtsratsmandaten. Wenn ich fünf Aufsichtsratsmandate habe und Minister bin, ist es die Frage, ob ich die fünf Aufsichtsratsmandate so wahrnehmen kann, dass die Qualität entsprechend den Anforderungen gewährleistet ist. Aber das müssen Sie selbst einschätzen. Das kann ich nicht, insofern war das keine Unterstellung.

Ich möchte gern noch einmal auf die Studie von Prof. Thum und Prof. Hau zu sprechen kommen. Bei den öffentlich-rechtlichen Banken hat man die Biografien der Verwaltungsrats- und Aufsichtsratsmitglieder analysiert. Es wurde gefragt, wer Finanzmarkterfahrungen im engeren Sinne habe. Bei den privaten Banken sind es 34,9 % der Mitglieder, bei den öffentlich-rechtlichen Banken 9,6 %. Noch schlimmer ist der Wert, wenn gefragt wird, wer US-Finanzmarkterfahrungen hat. Das waren bei den privaten Banken im Durchschnitt 24,7 % und bei den öffentlich-rechtlichen Banken 2,5 %. Jetzt frage ich Sie, die Mitglieder des Verwaltungsrates der Sachsen LB waren: Haben Sie US-Finanzmarkterfahrungen gehabt? Die Sachsen LB hat rund 30 Milliarden Euro auf diesem Markt gedreht. Haben Sie die Geschäfte wirklich inhaltlich verstanden?

Ich erinnere nur an die Aussage von Herrn Petersen in öffentlicher Sitzung beim Untersuchungsausschuss zur Sachsen LB. Dort habe ich nachgefragt, wie oft es Nachfragen im Verwaltungsrat gab? Gab es überhaupt Nachfragen im Verwaltungsrat? Die Antwort lautete: keine. Ich habe noch einmal gefragt, ob es wirklich keine Nachfragen gab. Ich bekam zur Antwort: selten. Man hat auch nicht nachgefragt, und wer nicht fragt, stimmt zu.

In diesem Sinne bitte ich im Namen der FDPLandtagsfraktion um Zustimmung zu unserem Antrag. Zeigen Sie als Parlament, dass Sie die richtigen Lehren aus der Finanzmarktkrise in Deutschland ziehen!

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich stelle die Drucksache 4/11817 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist diese Drucksache mehrheitlich abgelehnt worden.

Mir ist gerade eingefallen, dass Sie punktweise Abstimmung wollten. Aber nun ist es vorbei.

(Heiterkeit bei der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Ich wollte es nicht unerwähnt lassen, aber der Antragsteller hat offensichtlich auch nicht mehr die Kondition gehabt, das noch einmal ordentlich zu beantragen.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 8

Öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht vom Internetzeitalter ausschließen

Drucksache 4/13441, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde lautet: GRÜNE, CDU, Linksfraktion, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung.

Die Aussprache ist eröffnet. Ich erteile der Fraktion GRÜNE als Einreicherin das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir im Sächsischen Landtag über Medienpolitik diskutieren, dann hecheln wir der Entwicklung meist hinterher. So ist es beim Elften Rundfunkänderungsstaatsvertrag, der sich mit Gebührenerhöhung und Jugendmedienschutz befasst und für den der zuständige Ausschuss – warum auch immer – noch eine Anhörung geplant hat. Der Staatsvertrag ist jedoch längst unterzeichnet. Der Zug ist abgefahren. Wir haben nur noch die Wahl, zum Fahrtziel entweder Ja zu sagen oder ihn mit einem Nein zum Entgleisen zu bringen.

Ganz anders ist es beim vorliegenden Antrag unserer Fraktion. Hier können wir noch Weichen stellen, denn die Beratungen zum Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag wollen die Ministerpräsidenten erst Ende Oktober abschließen. Der Vertrag hat zwei Aufgaben zu lösen. Zum einen muss er den in EU-Beihilfeverfahren erzielten Kompromiss umsetzen, zum anderen – und das ist aus meiner Sicht noch wichtiger – definiert er die Rolle der öffentlich-rechtlichen Sender im digitalen Medienzeitalter. In seinen Rundfunkurteilen hat das Bundesverfassungsgericht die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks immer wieder hervorgehoben. Im Digitalzeitalter bedeutet dies, dass das Internet zur dritten Säule neben Hörfunk und Fernsehen ausgestaltet werden kann. Das betrifft aber nicht nur die Nutzung der Übertragungswege, sondern auch die Entwicklung eines internetgeeigneten Angebotes.

Dabei begibt sich die Medienpolitik in ein Dilemma. Zum einen ist das Internet das freieste und demokratischste Medium, das derzeit existiert. Deshalb haben autoritäre Regimes so große Schwierigkeiten damit und versuchen immer wieder, ihre Bevölkerung von dieser Art Information fernzuhalten. Zum anderen aber brauchen Anbieter von Internetplattformen und Internetinhalten gewisse Regeln, die ihnen Wettbewerbsgarantien und Planungssicherheit verschaffen. Deshalb finde ich es rückblickend gar keine schlechte Idee, dass private Rundfunkanbieter ein EU-Beihilfeverfahren angestrengt haben, um in Brüssel Rechts- und Wettbewerbsklarheit zu erhalten.

Im Ergebnis, dem sogenannten Brüsseler Kompromiss, hat die EU-Kommission einerseits Einschränkungen für die Online-Angebote öffentlich-rechtlicher Sender formuliert. Das dreistufige Prüfverfahren für alle neuen und veränderten digitalen Angebote gehört ebenso dazu wie der generelle Ausschluss flächendeckender lokaler Berichterstattung, von Werbung und Sponsoring sowie die Verpflichtung, eine detaillierte Negativliste für öffentlichrechtliche Telemedien festzulegen. Andererseits wurde der Grundsatz der Technologieneutralität bestätigt und ein originärer Online-Auftrag der Anstalten wie folgt formuliert: „Auch könnte der öffentlich-rechtliche Auftrag Dienste, wie Online-Informationsdienste, umfassen, die keine Programme im traditionellen Sinne sind, sofern diese auch unter Berücksichtigung der Entwicklung und Diversifizierung der Tätigkeiten im digitalen Zeitalter

denselben demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Gesellschaft dienen.“

Um den Forderungen der Wettbewerbshüter aus Brüssel gerecht zu werden, liegt nun der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag fast unterschriftsreif vor. Die Verhandlungen wurden von einem argumentativen Schlagabtausch zwischen den öffentlich-rechtlichen Sendern auf der einen und den privaten Sendern sowie Zeitungsverlagen auf der anderen Seite begleitet. Aus dem Blick geraten ist bei diesem Kampf aber offensichtlich das Wichtigste überhaupt, nämlich die Interessen der Internetnutzer und der Rundfunkteilnehmer. Was im Vertrag so eng und streng geregelt werden soll, erfüllt nicht nur die Brüsseler Forderungen, sondern ist in wichtigen Punkten weit restriktiver, es schränkt zusätzlich ein, es verbietet. Restriktionen sind aber das Gegenteil von Entwicklungsmöglichkeiten.