Protokoll der Sitzung vom 17.10.2008

Auch hierin zeigt sich ein weiteres Mal – das sage ich mit Blick auf Ihre Anmerkung, Herr Hilker –, dass es nicht die Industrie ist, die Forschung und Entwicklung im Osten voranbringt, anders als in den westlichen Bundesländern, sondern dass es die staatlichen Investitionen sind, sowohl aus Sachsen als auch aus Deutschland und aus Europa, die es überhaupt möglich machen, dass solche Ansiedlungen stattfinden können.

Wir haben in Forschung und Entwicklung heute international bestimmende Industrieaktivitäten. Einige sind bereits genannt worden: Advanced Mask Technology Center zur Entwicklung der Fotomasken von künftigen Chipgenerationen, die Aktivitäten im Bereich von OLED und Polytronic, das Fraunhofer-Center für nanoelektronische

Technologien, aber auch das Carl-Zeiss-Innovationscenter Dresden, das höchst auflösende Partikelstrahlsysteme für die Analytik in der Nanoelektronik entwickelt und erprobt. In diesem Zentrum wird ein hochmodernes Helium-Ionen-Mikroskop für die industrielle Anwendung vorbereitet. In dieser Form geschieht das an keinem anderen Standort in der Welt.

Silicon Saxony ist dabei, sich auf die Herausforderungen der Zukunft einzustellen. Jüngstes und erfolgreiches Beispiel – das möchte ich noch einmal hervorheben – war die Auswahl des Clusters Cool Silicon – Energy Efficiency Innovations in der Region Dresden, Freiberg und Chemnitz im Rahmen des Spitzen-Cluster-Wettbewerbes des BMWF. In diesem Cluster sind zwölf Großunternehmen, 22 kleine und mittlere Unternehmen, zwei Public Private Partnerships, neun Forschungseinrichtungen und drei Hochschulen mit 16 Lehrstühlen für ein sehr ehrgeiziges Ziel miteinander verbunden.

Im Mittelpunkt steht die Schaffung der technologischen Grundlage für die massive Steigerung der Energieeffizienz in der Schlüsselbranche Informations- und Kommunikationstechnologie. Damit kann der Cluster eine internationale Spitzenstellung bei der Lösung eines der zentralsten Probleme – Herr Dr. Gerstenberg hat es angesprochen – der Zukunft einnehmen, nämlich der Frage der Energieeffizienz sowohl in der Produktion als auch im Betrieb der Mikroelektronik.

Vor dem Hintergrund der erfolgreichen Entwicklung der Silizium-Chiptechnologie in Dresden ist eine im Bereich OLED in Europa führende Initiative mit dem Namen Center for Organic Materials and Electronic Devices Dresden entstanden. Innerhalb weniger Jahre werden so in Dresden circa 300 bis 400 hoch qualifizierte Mitarbeiter auf diesem Feld in Forschung und Industrie tätig sein. In diesen Bereichen liegen unsere Stärken.

Wir haben aber auch einen gravierenden Standortnachteil, der sich in der kapitalintensiven Mikroelektronik besonders negativ auswirkt. Auch das spielte in den Beiträgen bereits eine Rolle. Ich möchte es kurz erwähnen: der gnadenlose Preiskampf auf den Weltmärkten und die mit jeder neuen Technologiegeneration anwachsenden Investitionskosten. Ich möchte hinzufügen: nicht nur Investitionskosten, sondern aufgrund der Energieproblematik auch Betriebskosten, die damit verbunden sind, was wir gerade bei NaMLab, einem Private-Public-PartnershipUnternehmen der Technischen Universität Dresden, erfahren.

Die Investitionskosten künftiger Chipfabriken werden im zweistelligen Millarden-Dollar-Bereich liegen, und sie zwingen die Unternehmen dazu, Investitionen an Standorten vorzunehmen, die hohe Subventionen gewährleisten. Investiert wird dort, wo die Finanzierung der Investitionen optimal gelingt. Der Blick der Investoren richtet sich deshalb vorwiegend nach Asien. Während Investitionen auf dem europäischen Markt den strengen Regularien der EU-Beihilfe folgen, erhalten Großunternehmen in nichteuropäischen Staaten so gute Subventionsangebote, dass

es für sie wesentlich attraktiver ist, außerhalb Europas zu investieren. Das Spektrum von Ländern wie den USA, China, Malaysia oder Taiwan reicht von Investitionszuschüssen und anderen Formen der massiven, direkten Förderung über verschiedene Steuererleichterungen und die Befreiung von Zöllen und Abgaben bis zur kostenlosen Überlassung von Grundstücken. Zudem sollen große asiatische und amerikanische Unternehmen der Branche in der Vergangenheit staatliche Unterstützung zur Abwendung drohender Insolvenzen erhalten haben, zum Beispiel bei Umschuldungen oder Liquiditätshilfen nach Umstrukturierungsprozessen.

Um Investoren und Unternehmen, die in Europa investieren, eine faire Chance auf dem Weltmarkt zu geben, ist es daher erforderlich, europäische Subventionsregeln zu treffen, die es erlauben, Unternehmen im internationalen Standortwettbewerb – sogenannte Mobile Investments – die gleichen Anreize zu bieten, die ihnen auch außerhalb der EU angeboten werden.

Die Sächsische Staatsregierung hat deshalb eine Arbeitsgruppe gegründet, die auf die Europäische Kommission einwirken soll, damit die Beihilferegeln diesen geschilderten Verhältnissen in der Halbleiterindustrie und in anderen kapitalintensiven, im weltweiten Wettbewerb stehenden Branchen angepasst werden. Dabei ist sicher das zu berücksichtigen, was von Ihnen zu Recht gesagt worden ist: Langfristig brauchen wir eine wirksame internationale Begrenzung dieser Subventionen, aber im Rahmen der WTO, nicht nur im Rahmen von Europa. Kurzfristig müssen wir Schritte einleiten, um diese strategische Schlüsselindustrie am Standort Sachsen weiterzuentwickeln.

Wir stehen mit dieser Arbeit noch am Anfang. Es wird nicht leicht werden, die EU-Kommission von der Notwendigkeit der Änderungen im Beihilferegime zu überzeugen. Die derzeitige Kommissarin für Wettbewerb, Frau Neelie Kroes, hat sich diesem Anliegen bisher stets verschlossen, so vor allem am 28. April des vergangenen Jahres auf dem Informellen Rat für Wettbewerbsfähigkeit in Würzburg. Dies geschah auch vor dem Hintergrund, dass die Delegation in Würzburg die Europäische Kommission gebeten hatte, die bestehende Beihilfekontrollpolitik der EU im Hinblick auf die Möglichkeit der Vergabe von Beihilfen in besonderen Fällen eines internationalen

Standortwettbewerbes zu überprüfen. In diesem Zusammenhang baten die Delegationen die EU-Kommission, insbesondere bei den neuen Binnenmarktstrategien die nachhaltige Positionierung der EU im internationalen Standortwettbewerb in den Mittelpunkt zu stellen und weiterführende Vorschläge zu machen. Nichts davon ist geschehen. Vielmehr äußerte Frau Kroes im Rahmen einer Diskussion mit dem Europa-Staatssekretär Herrn Dr. Bernd Pfaffenbach am 11. Juli 2008 beim BDI in Berlin, dass sie insoweit keine Herausforderungen zu erkennen vermöge.

Das ist sehr bezeichnend. Die Europäische Kommission tut sich selbst schwer damit, die Ermessensspielräume im Rahmen der bestehenden Regelwerke bei den Unternehmen, die vor einem internationalen Standortwettbewerb stehen, auszuschöpfen, wie sich bei einem Gespräch erst jüngst, am 2. Oktober 2008, zwischen der Kommission und dem Bundeswirtschaftsministerium auf Abteilungsleiterebene gezeigt hat.

Die Amtszeit der derzeitigen Kommission endet im kommenden Jahr. Wir werden uns auf die neue Kommissarin mit ihren neuen politischen Schwerpunkten einstellen. Aber wir werden eines nicht aus dem Auge verlieren: unser gemeinsames Ziel, den Standort Europa, den Standort Deutschland, den Standort Dresden auch für die Unternehmen attraktiv zu erhalten, die von Standorten außerhalb Europas besonders umworben werden.

Abschließend möchte ich nochmals betonen: Das wird nur möglich sein, wenn wir die gesamte Kette – von der Bildungspolitik über die Forschungspolitik, die Technologiepolitik bis hin zur Wirtschaftspolitik – im Blick behalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wird von Ihnen noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die 1. Aktuelle Debatte, beantragt von den Fraktionen der CDU und der SPD zum Thema „ITStandort Sachsen – Perspektiven im globalen Wettbewerb“, beendet.

Wir kommen zu

2. Aktuelle Debatte

Das Demokratieverständnis der sächsischen Blockparteien nach den Kreistagswahlen

Antrag der Fraktion der NPD

Zunächst spricht die Fraktion der NPD, danach folgen die CDU, die Linksfraktion, die SDP, die FDP, die GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Herr Gansel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Informell gilt die Formel

‚NPD plus eins’ als Regel für die Mindestfraktionsstärke in den sich konstituierenden sächsischen Kommunalparlamenten der neu zugeschnittenen Landkreise. Kein Fraktionsstatus für die NPD!“ Mit diesen Worten beschrieb der Journalist Olaf Sundermeyer am 2. September in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ treffend das Verhalten der Blockparteien gegenüber der NPD nach

ihrem erstmaligen Einzug in sämtliche Kreistage Sachsens.

Das demokratiewidrige Ausgrenzungsprozedere begann bereits kurz nach den Kreistagswahlen damit, dass der CDU-dominierte Landkreistag seinen Mitgliedern mit Schreiben vom 26. Juni 2008 vorschlug, die Mindestfraktionsstärke auf bis zu sieben Mandate anzuheben. Durch die Rechtsprechung sei das abgesegnet und damit nicht angreifbar.

Gänzlich anderslautende Urteile der Verwaltungsgerichtsbarkeit wurden den Landräten geflissentlich verschwiegen. Die Landräte, die in Sachsen seit dem 1. August allesamt von der CDU gestellt werden, versuchten in vielen Fällen den frisch gewählten Kreisräten zu suggerieren, die vorgeschlagene Mindeststärke sei quasi verbindlich.

Im Landkreis Görlitz mussten unsere Kreisräte von der Geschäftsordnung des neuen Kreistages aus der Tagespresse erfahren. Entgegen den Empfehlungen der alten Kreistage von Löbau/Zittau und dem Niederschlesischen Oberlausitzkreis für eine Mindestzahl von drei Mandaten für den Fraktionsstatus wurde die Mindeststärke hier auf sechs Mandate erhöht. Welcher Zufall bei fünf Sitzen für die NPD!

Diese Willkür, mit der viele demokratische Spielregeln in den Kreistagen außer Kraft gesetzt werden, nur um die NPD auszubremsen, zeugt von Machtarroganz und von einer groben Missachtung des Wählerwillens durch den Kreistag. Besonders arrogante Vertreter wie der nordsächsische Landrat Michael Czupalla luden zu den Vorgesprächen zur Konstituierung des Kreistages die NPD-Vertreter gar nicht erst ein. Obwohl die NPD in Nordsachsen 5 % der Kreisräte stellt, mussten unsere Kreisräte auch dort von dem Gespräch aus der Zeitung erfahren.

In Nordsachsen eskalierte die Situation bei der konstituierenden Sitzung am 28. August dann auch erwartungsgemäß. Bei der Wahl zu zwei Kreisausschüssen erhielten die NPD-Kandidaten jeweils zwei Fremdstimmen aus anderen Fraktionen. CDU-Landrat Czupalla brach daraufhin wutentbrannt die Sitzung ab und erklärte die Wahlen, deren Ausgang ihm nicht gefallen hat, kurzerhand für ungültig. Wes Geistes Kind DIE LINKE als Kungelpartner der CDU ist, offenbarte deren Fraktionschef Michael Friedrich, der die heimlichen Unterstützer der NPD als „Verräter“ brandmarkte. Das ist stalinistisches Vokabular, das Herr Friedrich als strammer SED-Kader wahrscheinlich während seines Studiums in der Sowjetunion verinnerlicht hat.

In den folgenden Tagen erregten die Vorgänge im Torgauer Schloss sogar bundesweit Aufsehen, auch weil es die „Torgauer Zeitung“ gewagt hatte, eine Presseerklärung der NPD so wie die anderer Parteien auch abzudrucken. Außerdem hatte CDU-Fraktionsvize Roland Maertz – ich spreche vom Kreistag Nordsachsen – gegenüber der Presse erklärt, Anträge nicht einfach deshalb abzulehnen, nur weil sie von der NPD stammen, sondern bei Sachanträgen gegebenenfalls auch der NPD zuzustimmen.

Um zu verhindern, dass NPD-Kreisräte erneut mit Fremdstimmen in die Ausschüsse gewählt werden, verstieß Landrat Czupalla bei der juristisch sowieso schon umstrittenen Wiederholung der Ausschusswahlen am 16. September ganz offen gegen § 38 der Sächsischen Landkreisordnung zur Zusammensetzung der beschließenden Ausschüsse. Das bisherige Verhältniswahlverfahren, das der NPD mit fünf Stimmen je einen Ausschusssitz eingebracht hatte, wurde willkürlich durch ein Mehrheitswahlverfahren ersetzt mit der Folge, dass ein NPDKreisrat trotz seiner sechs Stimmen keinen Ausschusssitz mehr erhielt.

Die Anwendung des Mehrheitswahlverfahrens stellt aber einen klaren Rechtsbruch dar, weil die NPD-Kreisräte einer Einigung und einer Einheitsliste bei jedem Wahlgang klar widersprachen und jeweils eigene Wahlvorschläge einreichten. Die NPD hat deshalb bereits einen Tag nach der Kreistagssitzung Beschwerde bei der Landesdirektion Leipzig als Rechtsaufsichtsbehörde für den Kreistag Nordsachsen eingelegt.

Genauso sind die NPD-Kreisräte auch in allen anderen Fällen verfahren, in denen rechtswidrig die Rechte der gewählten Volksvertreter eingeschränkt wurden. Zurzeit liegen bei allen Landesdirektionen Beschwerden gegen diverse Rechtsverstöße vor und werden reihenweise die Verwaltungsgerichte in Sachsen beschäftigen. Deshalb ist es sicher kein Zufall, dass bei der letzten Konstituierung eines Kreistages – am 18. September im Erzgebirge, der NPD der Fraktionsstatus nicht mehr vorenthalten wurde. Der Kreistag wollte einen Rechtsstreit vermeiden, berichtete die „Freie Presse“ am 19. September. Gegen die undemokratische Festlegung der Ausschussgrößen und der Sitzverteilung werden wir aber auch im Erzgebirgskreis juristisch vorgehen.

An dieser Stelle sei zustimmend der ehemalige Annaberger Landrat Jürgen Förster zitiert, der als Vorsitzender der FWE-Fraktion richtig feststellte: „Die CDU hat ihre 43 % Wählerstimmen in 58 % Stimmenanteil in den Ausschüssen umgemünzt. Das ist politisch unanständig.“ Es ist die Machtarroganz der CDU, oft im Bündnis mit der Linken, die sie glauben lässt, sie könne in den Kreistagen schalten und walten, wie sie will. Aber Hochmut kommt vor dem politischen Fall und auch vor der juristischen Niederlage. Das gilt vor allem für die Landräte der CDU, die sich vielerorts als kleine Kurfürsten aufführen und die Landkreise zur Beute ihrer Parteiinteressen gemacht haben.

Auch deshalb ist zu hoffen, dass die Sachsen am 30. August 2009 den Wahlzettel zum Strafzettel für die selbstherrlichen Blockparteien machen. Die neuen Kreistagsfraktionen der NPD sind jedenfalls eine wichtige Basis für weitere Erfolge der nationalen Opposition.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile das Wort der CDUFraktion. Wird das gewünscht? – Bitte, Herr Bandmann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema dieser Aktuellen Debatte ließ keinen ernsthaften Beitrag erwarten.

(Jürgen Gansel, NPD: Den haben Sie doch gerade gehört!)

Die Aussagen und die Ausfälle meines Vorredners haben meine Befürchtungen übertroffen.

(Höhnisches Lachen bei der NPD)

Diese Debatte heute ist nur zulässig, weil alle Fraktionen bei der Beantragung von Themen einen großen Spielraum haben. Unsere wehrhafte Demokratie ist stark genug, ihre Gegner zu ertragen und ihnen ihre Grenzen aufzuzeigen.

(Holger Apfel, NPD: Ihnen werden die Grenzen aufgezeigt!)

Ihre Klage zeigt, dass Demokratie funktioniert und Ihnen als NPD offensichtlich diese Grenzen nicht gefallen. Deshalb in aller Kürze: Der Antrag selbst ist ein großer Unfug.

(Holger Apfel, NPD: Das ist doch kein Antrag!)

Es gibt keine Blockparteien im Freistaat Sachsen.

(Beifall bei der CDU)