Protokoll der Sitzung vom 17.10.2008

Wie sieht es denn aus mit dem Breitbandinternetanschluss im gesamten Freistaat Sachsen? Diese Frage können Sie sich selbst beantworten, zumindest diejenigen, die auf dem flachen Land wohnen.

Wie sieht es denn aus mit dem Hochschulabschluss? Warum ist es nicht unser Ziel, dass so viele Jugendliche wie möglich die Hochschulreife erreichen? Ein kleines Beispiel am Rande: Wie kann es sein, dass die Universität Chemnitz ihre Kinderuni schließt?

Sie sehen: Die innovativen Potenziale Sachsens werden nicht genutzt. Sie werden seit Jahren nicht genutzt. Die Mittel für die Technologiezentren wurden gekürzt. Die Mittel für die Forschungs-GmbHs wurden eingeschränkt. Forschung und Entwicklung wurden nicht in entsprechendem Maße gefördert.

Natürlich kann man darauf verweisen, dass mit dem neuen Landeshaushalt die Mittel für die landeseigene Forschung verdoppelt werden: von vier auf neun Millionen Euro. Ich hatte vorhin die Zahlen für Abu Dhabi genannt.

Sie sehen an diesem Subventionswettlauf: Wenn wir diesen weiter betreiben, ist das Herangehen für uns sinnlos. Andere Länder haben Staatsfonds. Sie wollen als Staat Geld investieren und sie wollen, dass dieses Geld auch wieder zurückfließt.

Sachsen ist als IT-Standort unserer Meinung nach in Gefahr, zumindest im globalen Wettbewerb. Sachsen muss im IT-Wettbewerb neu aufgestellt werden. Es bedarf in einer neuen Zeit neuer Strategien. Der Staat, so zeigen es andere Länder, ist auch in diesem Bereich ein entscheidender Akteur. Hier ist die Staatsregierung gefordert.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wird von der NPD-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die FDP. – Auch nicht. Die GRÜNEN. – Auch nicht. Dann frage ich noch mal die CDU-Fraktion.

(Zuruf von der CDU-Fraktion: Ja!)

Herr Rasch, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Reden wir doch noch einmal vom Telefonbuch. Herr Porsch, wenn Sie vorhin aufgepasst hätten, hätten Sie verstanden, dass ich quasi für eine

Nische, einen speziellen Zweig der Entwicklung stellvertretend ein Unternehmen im Land genannt habe. Ich habe ganz bewusst auch nicht nur Unternehmen genannt, die in Dresden angesiedelt sind, sondern das sind eben welche in Radeberg, welche in Mittelsachsen, welche in Chemnitz. Die sind auch schon ein ganzes Stück verteilt im Land, obwohl natürlich der absolute Schwerpunkt in Dresden sitzt.

(Volker Bandmann, CDU: Und Görlitz nicht vergessen!)

Nun höre ich von Kollegen Hilker, die Asiaten und Araber hätten uns überholt. Darüber müsste man intensiv diskutieren, ob es wirklich so ist.

Was ich von Ihnen auch gehört habe – und das klang wie Kritik –, wie weltoffen, wie kulturell-innovativ wir seien, und da könnten wir offensichtlich nicht Schritt halten.

Herr Hilker, Sie haben doch gestern in der gleichen Veranstaltung wie ich drüben im ICC gesessen. Dort waren die Biotechnologen beieinander. Da habe ich als Beispiel berichtet, wie es an einem Ort wie dem MaxPlanck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik hier in Dresden aussieht. Herr Prof. Simon hat mich einmal herumgeführt und mir in den einzelnen Arbeitsgruppen deutlich gemacht, woher die Leute kommen. Die kommen aus aller Herren Länder und man nimmt nur die Besten. Man lässt sie hier promovieren und in äußerst kreativen Arbeitsgruppen arbeiten. Dabei kommt natürlich etwas heraus. Da wird wirklich eine Dynamik entfaltet, die beeindruckend ist. Das ist notwendig. Also nicht dass es uns fehlte, das gibt es hier, man muss es nur zur Kenntnis nehmen.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Was Ihre Kritik an dem Umgang mit den Technologiezentren angeht, so muss ich Ihnen recht geben. Das ist unser Problem. Da haben wir auch als CDU-Fraktion einen vergeblichen Kampf gekämpft. Möge es möglich sein, in einer nächsten Periode diesen Sachverhalt besser zu gestalten und auch die Technologiezentren wirklich in ihrem Teil von Möglichkeiten anders zur Wirkung kommen zu lassen.

Lassen Sie mich noch einen einzigen Punkt benennen, bei dem ich denke, dass man auf ihn mehr Konzentration legen könnte. Wir haben unter anderem auch in Relation zu ZMD ein Unternehmen Microelectronic Packaging. Dort arbeitet man an Multichipsystemen.

Meine Damen und Herren! Ich denke, wir sollten vor allen Dingen neben dem hochinteressanten Thema Energieverbrauch von Mikroelektronik, was ja jetzt erfolgreich läuft, ein anderes Thema nicht geringschätzen. Das sind die integrierten Systeme, wo vor allen Dingen Leistungselektronik kombiniert wird mit Mikroprozessorsystemen, Interfacesystemen, gegebenenfalls sogar mit Sensorsystemen, wo komplette, leistungsfähige kleine mikroelektronische Einheiten entstehen, die ihrerseits in mancher industriellen Entwicklung einen ganz neuen

Schub bedeuten würden, wenn man sie nur hätte und verkaufen könnte.

Auch dafür haben wir hier gute Ansätze. Vieles davon ist quasi schon da, insbesondere gerade bei ZMD. Wenn ich daran denke, dass wir zum Beispiel auch Atmel da haben als Unternehmen, also nicht nur die großen Schaltkreise von AMD für die Computer, sondern eben für integriertes Computing die Atmel-Prozessoren, da kann man sinnvolle Ausgangspunkte nutzen, um bei solchen integrierten Systemen voranzukommen.

Schätzen wir das Thema Software nicht gering. Dazu ist wenig gesagt worden. Dazu wird auch wenig hörbar in unserer Technologieszene. Ich denke aber, wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass ein immer größerer Anteil dieser Systeme, gerade solcher integrierter Systeme, Software bedeutet. Da kann man eben den einfachen Kommunikationsschaltkreis plötzlich in sich selbst vernetzenden Systemen einsetzen, wenn man nur in der Lage ist, die Software dafür zu gestalten.

Insofern, meine ich, sollten wir diese Sachfrage in der Zukunft in unserer technologischen Entwicklung noch stärker in den Fokus nehmen und dort einfach weitere neue Chancen finden und realisieren.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der Abg. Dr. Simone Raatz, SPD)

Wird von den Fraktionen weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung. – Frau Staatsministerin Dr.. Stange, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn ich Staatsminister Jurk vertreten darf, da er zeitgleich im Bundesrat weilt, wie schon zu hören war, bin ich doch sehr froh über diese Debatte.

Wir haben bereits an den Diskussionsbeiträgen gehört, dass wir es hier mit einem komplexen Thema zu tun haben, das nicht nur ein Wirtschaftsthema und nicht nur ein Technologiethema ist, sondern auch ein Bildungs- und Forschungsthema; denn nur in dieser Einheit kann man auch über die Perspektive des IT-Standortes Sachsen reden. Insofern fühle ich mich eigentlich ganz wohl bei dem Thema.

Ich will kurz etwas vorwegschicken, Herr Hilker, weil ich die Debatte schon sehr aufmerksam verfolgt habe: Es ist in der Tat so, dass wir uns gemeinsam überlegen müssen, wie die Zukunft des IT-Standortes Sachsen von der Grundlagenforschung bis hin zur Herstellung von Produkten und zur Ansiedlung aussieht und dass dazu auch eine entsprechende Strategie erarbeitet wird. Ich habe aber in Ihrem Beitrag – und das sage ich jetzt, das tue ich normalerweise nicht, sehr deutlich – leider keinen Ansatz gefunden. Nur darauf zu verweisen, dass Abu Dhabi mehr Geld aus seinem Staatsfonds hineinsteckt, reicht schlicht

und ergreifend nicht aus, um dieses komplexe Thema so anzugehen, dass wir die Wirtschaft als eigenständig handelnden Partner mit der Forschung und der Bildungspolitik zusammenbringen können. Dazu wünschte ich mir – ich bin auch gern bereit, Anregungen aufzunehmen –, einen Input zu bekommen, vielleicht auch von Ihnen.

(Beifall bei der CDU)

Ich sage das auch deshalb, weil wir aus anderen Debattenbeiträgen Hinweise wahrnehmen konnten – ich bin Herrn Rasch und Herrn Gerstenberg sehr dankbar –, dass es nicht nur um die Großen geht, auf die ich jetzt gleich zu sprechen komme, sondern dass es hierbei sehr wohl darum geht, die breite Vielfalt der kleinen und mittelständischen Unternehmen mit zu betrachten, die mittlerweile ein eigenständiges, auch international sichtbares Profil entwickeln konnten.

Wir brauchen – darin stimme ich mit Herrn Dr. Gerstenberg völlig überein – eine exzellente Forschungs- und Bildungslandschaft; denn nur auf dieser Grundlage werden wir dieses hohe Technologietempo im IT-Bereich – auch in anderen Bereichen, aber insbesondere in diesem Bereich – durchhalten können. Das ist ein Anspruch an die Universitäten, aber auch ein Anspruch an die Forschungseinrichtungen, dies entsprechend zu realisieren. Das ist aber auch ein Anspruch an die Schulen, denn das Thema MINT, über das wir so oft diskutieren, hat damit sehr eng etwas zu tun. Es muss gelingen, ausreichend junge Menschen von früh an dafür zu gewinnen, dass sie sich in der Physik, in der Informatik und in der Technik wohlfühlen und dort auch wissenschaftlich etwas vorantreiben wollen.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die letzten Wochen – das ist gerade deutlich geworden – haben einmal mehr gezeigt, mit welcher Dynamik und mit welcher Geschwindigkeit sich die Halbleiterbranche entwickelt und wie hart der internationale Standortwettbewerb ist. Die Entwicklung der Halbleiterbranche erinnert an eine rasante Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen, wenn mir der Vergleich gestattet ist, und nicht an eine sanfte Kutschfahrt in der Ebene.

Die Gründung von AMD-ATIC-Foundry und der schmerzhafte Restrukturierungsprozess von Qimonda zeigen, wie dicht Licht und Schatten beieinander liegen. Wir sehen die Gründung des neuen Halbleiterunternehmens The Foundry Company von AMD und der Advanced Technology Investment Company aus dem Emirat von Abu Dhabi als eine große Chance für den Standort Dresden an. Hier gehen Spitzentechnologie und strategisch orientiertes Geld eine vielversprechende und nachhaltige Symbiose ein. Damit wird auch der Ausbau der Fab 38 – Fab als Kürzel für Fabrik, wie sicherlich dem einen oder anderen bekannt ist – beschleunigt. Die Entscheidung, die vierte Fab nicht in Dresden zu bauen, ist äußerst bedauerlich. Wir sehen aber in der Nähe der neuen Fab zum Partner IBM auch ein wichtiges Moment für

künftige technologische Spitzenstellungen des neuen Unternehmens.

Es ist zu hoffen, dass Qimonda die Restrukturierung und damit verbundene Fokussierung auf Infrastruktur und Grafikprodukte erfolgreich gelingt. Für Dresden als das globale Forschungs- und Entwicklungszentrum des Konzerns mit einer 300-mm-Pilotfertigung hängt sehr viel davon ab. Wir arbeiten mit dem Unternehmen und den Arbeitnehmervertretungen daran, dass der Abbau von 950 Stellen sozialverträglich geschieht und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möglichst eine berufliche Perspektive in der Region erhalten.

Meine Damen und Herren! Sachsen hat in den letzten Jahren im Halbleiterbereich eine internationale Spitzenposition erworben und ist heute die Nummer eins in Europa. Wenn wir heute über strategische Fragen nachdenken, dann ist das nicht mehr nur ein Thema für Dresden, für Sachsen oder für Deutschland, sondern es ist ein europäisches Thema, wie sich Dresden als IT-Standort in den nächsten Jahren aufstellt.

Das sächsische Mikroelektronik-IKT-Cluster umfasst rund – diese Zahl ist heute schon einmal genannt worden – 1 200 Unternehmen mit circa 44 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Gesamtjahresumsatz von circa 6 Milliarden Euro. Sachsen steht mit diesem Cluster vielleicht mehr als andere Standorte in Europa im internationalen Wettbewerb.

Aber nicht nur für die sächsische Wirtschaft ist die Mikroelektronik mit einem Umsatzanteil von deutlich über 10 % am verarbeitenden Gewerbe von zentraler Bedeutung. Worin besteht die besondere volkswirtschaftliche Stellung der Mikroelektronik und warum ist es richtig, dass wir die Mikro- und Nanoelektronik als eine strategische Linie sowohl der Wirtschaft, der Technologie als auch der Forschungsförderung haben? Sie besteht aus meiner Sicht in drei Punkten:

Erstens. Die Mikroelektronik ist von zentralem strategischem Wert für die Wettbewerbsfähigkeit aller Branchen in modernen Volkswirtschaften und damit für die Zukunft und Beschäftigung. Viele Beispiele sind von Herrn Rasch bereits genannt worden, die zunächst nicht so offensichtlich unter dem Thema Mikroelektronik laufen. Ich will nur erwähnen, dass ein Automobil heute ohne die Weiterentwicklung der Mikroelektronik überhaupt nicht denkbar wäre – und das nicht nur in Deutschland.

Zweitens. Keine Branche basiert auf einem derart umfangreichen industriell ausgereiften Technologiepotenzial und Ingenieur-Know-how und bestimmt damit das Leistungsniveau der Volkswirtschaften insgesamt.

Drittens. Keine Branche verfügt über derart hoch entwickelte und globalisierte Strukturen, um technologische Neuentwicklungen in die großindustrielle Anwendung zu bringen. Auch das ist ein Alleinstellungsmerkmal der Mikroelektronik und damit für die strategische Ausrichtung des Standorts von besonderer Bedeutung.

Der internationale bzw. globale Standortwettbewerb wird vor diesem strategischen Hintergrund geführt. Deshalb gibt es diese internationale Aufmerksamkeit für die Mikroelektronik. Daher haben wir es hier mit industriepolitischen Herausforderungen in ganz Europa zu tun. Es geht nicht nur darum, sich als Fertigungsstandort zu empfehlen, sondern vor allem von dem Know-howZufluss und dem dadurch Erreichten, auch dem Qualifikationszuwachs vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zu profitieren. Es geht also schlicht und ergreifend um Zukunft.

Wie konsequent nichteuropäische Standorte ihre Ziele verfolgen, zeigt sich vor allem in Südostasien. Dem Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik zufolge sollen in dieser Region 74 Chipfabriken in Planung bzw. im Bau sein. In Europa ist es im Wesentlichen die Fab 38 von AMD in Dresden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns darüber im Klaren, dass es in der Mikroelektronik in den Bereichen für uns schwer wird, in denen der Preiswettbewerb alles entscheidet. Unsere Chance liegt in den Bereichen, in denen ein Qualitätswettbewerb mit hoher Forschungs- und Entwicklungsintensität stattfindet. Sachsen hat von Beginn an auf die Ansiedlung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der Unternehmen und auf den Ausbau der Forschungs- und Entwicklungsinfrastruktur großen Wert gelegt. Unsere großen Standortvorteile sind daher – das ist schon mehrfach angesprochen worden, das kann man nicht ausdrücklich genug betonen – hoch qualifizierte Menschen und eine exzellente Forschungs- und Entwicklungsstruktur.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wenn das immer so lapidar klingt: Die großen Firmen, von denen heute die Rede ist, hätten sich niemals in Sachsen angesiedelt, wenn es nicht einen Nährboden gegeben hätte, nämlich ZMD, die Technische Universität Dresden und das Forschungspotenzial, also hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie eine Forschungseinrichtung und eine Hochschule, die in der Lage sind, dieses Forschungs- und Entwicklungspotenzial weiter zu mobilisieren.

Auch hierin zeigt sich ein weiteres Mal – das sage ich mit Blick auf Ihre Anmerkung, Herr Hilker –, dass es nicht die Industrie ist, die Forschung und Entwicklung im Osten voranbringt, anders als in den westlichen Bundesländern, sondern dass es die staatlichen Investitionen sind, sowohl aus Sachsen als auch aus Deutschland und aus Europa, die es überhaupt möglich machen, dass solche Ansiedlungen stattfinden können.