Protokoll der Sitzung vom 12.11.2008

Es ist nicht das Geld allein. Es ist das gesellschaftliche Bewusstsein. Da sind alle angesprochen, auch die Medien.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Jetzt spricht Frau Klinger.

Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Strempel, Sie haben zwar gesagt, dass es des Antrags nicht bedurft hätte, aber wahrscheinlich hat es das doch getan, denn Sie haben ja dazu einige Ausführungen gemacht. Im Übrigen ist es so, dass die Oppositionsfraktionen dieses Thema im Hohen Hause schon mehrfach angesprochen haben. Wir haben unter anderem eine Große Anfrage gestellt, das ist erwähnt worden. Es gab eine öffentliche Anhörung, bei der wir uns zu einer vormittäglichen Zeit dazu verständigt haben. Da musste das nicht am Abend passieren. Auch die Koalitionsfraktionen haben das Thema bereits auf die Tagesordnung gesetzt. Das wurde damals leider mehrfach verschoben. Wir wissen nicht, woran das lag. Aber wir freuen uns, dass es nun wieder einen Anlass gibt, sich darüber zu verständigen.

Ich wollte mit dem Satz einsteigen, dass weitere Kürzungen im Bereich der Drogen- und Suchthilfe mit der Linksfraktion nicht zu machen sind.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Deshalb freuen wir uns natürlich über Ihre Ankündigung.

Der größte Teil der Kosten im Drogen- und Suchthilfebereich entfällt auf die Personalkosten. Frau Strempel, dabei

geht es nicht nur um eine Würdigung dieser Arbeit, sondern es geht um die Absicherung der Arbeit, die dort geleistet wird. Hier nur von einer Würdigung zu sprechen ist eindeutig zu wenig. Die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, die da arbeiten, halten dieses System aufrecht, aber stoßen dabei schon seit Jahren an ihre Grenzen.

Es gibt in Sachsen eine mangelnde Versorgungsdichte an Angeboten in der Drogen- und Suchthilfe. Die Voraussetzung für eine entsprechende Versorgungsdichte ist ein flächendeckendes Netz an Beratungs-, Behandlungs- und Betreuungseinrichtungen. Es gibt einen festgelegten Schlüssel, wie viele Fachkräfte für die Suchtberatungs- und Behandlungsstellen je Einwohner vorhanden sein müssen. Der ist 1 : 20 000. Leider wird diese Zahl in einigen „Altlandkreisen“ nicht mal zur Hälfte erreicht. Das ist erschreckend.

Seit dem Jahr 2000 nimmt die Zahl der Fachkräfte kontinuierlich ab. Die Zahl der Klienten steigt aber kontinuierlich an, seit dem Jahr 2000 – ich nehme wieder diesen Zeitraum – um mehr als 35 %, und zwar – Kollegin Herrmann hat es gesagt – trotz des Bevölkerungsrückgangs. Das betrifft Menschen, die Suchtprobleme mit illegalen Substanzen haben. Aber auch die Zahl der Therapieanträge und stationären Behandlungen ist steigend.

In Sachsen funktioniert die Finanzierung der Suchtberatungs- und -behandlungsstellen über ein Punktesystem. Die Aufgaben werden darüber abgerechnet. Aber wichtige Aufgaben werden dabei weitgehend nicht berücksichtigt. Das betrifft zum Beispiel die psychosoziale Begleitung bei der Substitution. Diesen Punkt möchte ich noch einmal hervorheben. Es gibt die Substitution mit Methadon und Polymethadon. Dieses System stützt sich auf zwei Säulen. Da ist einmal der Arzt, der das Substitutionsmittel verschreibt, zum anderen aber auch die psychosoziale Begleitung. Diese ist gesetzlich vorgeschrieben und müsste eigentlich vertraglich geregelt werden.

Diese psychosoziale Begleitung wird durch die Sozialarbeiter und Pädagogen in den Suchtberatungs- und -behandlungsstellen durchgeführt. Das Problem ist aber, dass das ein weit gefasstes Aufgabenfeld ist. Das reicht von einer psychotherapeutischen Behandlung bis zur allgemeinen sozialen Unterstützung. Es sollte eigentlich so sein, dass sich die Klientin/der Klient, die Sozialarbeiterin/der Sozialarbeiter, die Ärztin und der Arzt in regelmäßigen Abständen treffen und gemeinsame Fallbesprechungen vornehmen. Aber dafür wird nicht genügend Raum gegeben, weil die Finanzierung nicht gesichert ist. Trotz der notwendigen sehr intensiven Begleitung wird die psychosoziale Begleitung in dem Punktesystem eben nicht berücksichtigt. Das muss unbedingt geändert werden. Frau Ministerin, vielleicht können Sie in Ihrem Redebeitrag darauf eingehen.

(Beifall der Abg. Dr. Cornelia Ernst, Linksfraktion)

Es gibt noch mehr problematische Fälle. Frau Strempel, Sie haben vorhin viele Substanzen aufgezählt, aber eine ganz wichtige vergessen. Wir haben in Sachsen ein spezifisches Problem mit Crystal, einem Methamphetamin, das hier sehr verbreitet ist und spezielle Therapie- und Behandlungsmaßnahmen erfordert. Dafür müssen spezielle Konzepte entwickelt werden.

Ein weiteres Problem ist das teilweise rigide Vorgehen der ARGEn, wenn es um Kürzungen der Hartz-IV-Regelsätze geht, falls sich Menschen in Therapie begeben. Die Kürzungsdrohung verunsichert arbeitslose Suchtkranke und führt dazu, dass sie sich nicht in Therapie begeben.

Weiterhin notwendig ist der Ausbau bzw. die Verstärkung von Präventionsarbeit. Auch das wird über die Suchtberatungs- und -behandlungsstellen geleistet.

Ich will klarstellen: Wir wollen mindestens auf dem Niveau von 2007 bleiben; das sind 3,8 Millionen Euro. Die Zusicherung für diesen Betrag hat es gegeben. Aber natürlich müssen auch die Löhne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Suchtberatungs- und -behandlungsstellen der Inflation angeglichen werden. Wir hatten ursprünglich vor, entsprechende Änderungsanträge zu stellen. Ich hoffe, das bleibt uns jetzt erspart.

Dem gesamtgesellschaftlichen Problem Sucht kann nur durch eine entsprechende finanzielle und personelle Ausstattung der Suchtberatungs- und -behandlungsstellen begegnet werden. Lassen Sie uns das gemeinsam angehen!

(Beifall bei der Linksfraktion)

Danke schön. – Frau Dr. Schwarz, Sie sprechen für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meiner Kollegin Strempel für ihre etwas grundsätzlichere Betrachtung ausdrücklich Dank sagen.

(Beifall bei der CDU und der Staatsregierung)

Ich hoffe, dass ihr Appell bei vielen von uns auf fruchtbaren Boden fällt.

Im Folgenden beziehe ich mich konkret auf den Antrag. Viele von Ihnen haben sicherlich die Briefe der Beratungsstellen erreicht. Wie gesagt, die Koalition hat schon gehandelt.

Ich möchte hinzufügen, dass wir in Sachsen über ein flächendeckendes Netz von Suchtberatungsstellen und eine Vielzahl von engagierten Selbsthilfegruppen verfügen. Dazu stehen in Sachsen 46 Suchtberatungs- und -behandlungsstellen mit insgesamt 23 Außenstellen zur Verfügung. Ich denke, diese Zahlen sollten noch einmal genannt werden. Wir wollen, dass dieses Netz erhalten bleibt und dass Menschen, die von einer Abhängigkeitskrankheit betroffen sind, eine gute Behandlung zuteil wird. Wir wissen, dass es eine sehr schwierige Arbeit ist, die dort tagtäglich geleistet wird, und schätzen sie in hohem Maße.

(Beifall bei der CDU, des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion, und der Staatsministerin Christine Clauß)

Kollegin Herrmann, Sie haben zu Recht auf den Koalitionsvertrag verwiesen. Auch wir haben mit unserem gemeinsamen Antrag an der Problematik gearbeitet. Die Schwerpunkte der Arbeit sehen wir insbesondere in den Bereichen Prävention, Früherkennung und Intervention sowie Nachsorge. Diese Schwerpunkte der Suchtprävention sind auch im ersten Sächsischen Landesplan zur primären Suchtprävention festgeschrieben. Um diese Schwerpunkte umsetzen zu können, ist eine ausreichende Finanzierung notwendig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie werden sich erinnern, dass wir schon im Doppelhaushalt 2007/2008 diese Zuschüsse eben nicht zurückgefahren, sondern auf gleichem Niveau fortgeführt haben. Ihr Anliegen von den GRÜNEN ist es ja gerade, dass diese Finanzierung gesichert ist.

Sie haben in Ihren Antrag einen umfangreichen Prüfauftrag mit immerhin zehn Kriterien aufgenommen. Ich sehe nicht, dass das zeitnah zu leisten ist und noch Auswirkungen auf den Doppelhaushalt 2009/2010 haben kann.

Der aktuelle Haushaltsentwurf sieht die Kürzung vor. Deswegen haben die Vorstände der Koalitionsfraktionen vereinbart, die Suchthilfe in Sachsen auf hohem Niveau fortzuführen, das heißt, es wird nicht gekürzt, sondern sogar – wenn auch nur ganz leicht – erhöht. Wir werden für diesen Bereich einen entsprechenden Änderungsantrag zum Haushaltsentwurf einbringen. Darauf haben wir uns schon am 1. November verständigt, also noch vor Einbringung Ihres Antrags. Ich hoffe, dass wir damit die Arbeit auf dem hohen Niveau fortsetzen können, wie wir uns das im Interesse der betroffenen Menschen, aber auch derjenigen, die diese Beratung leisten, wünschen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und des Abg. Horst Wehner, Linksfraktion)

Danke sehr. – Für die NPD-Fraktion Frau Schüßler, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn möchte ich an die Debatte vom 21. Juni 2007 in diesem Haus anknüpfen, auf die sich unter anderem der heutige Antrag der GRÜNEN bezieht. Damals wurde die Frage aufgeworfen, ob CannabisKonsum suchtfördernd und als Einstiegsdroge für härtere Drogen anzusehen sei. Beides wurde vom GRÜNENAbgeordneten Lichdi in Zwischenrufen mit „Nein, nein“ beantwortet.

(Johannes Lichdi, GRÜNE: Cannabis ist keine Einstiegsdroge! Das ist eine Legende!)

Noch heute ist auf der Internetpräsenz der Grünen Jugend Sachsen der Ruf nach Legalisierung und Entkriminalisierung von Drogen abrufbar.

Meine Damen und Herren! Wer den Drogenkonsum dermaßen verharmlost und eine Legalisierung einfordert, so wie es weite Teile der GRÜNEN und auch der Linken tun, ist nicht nur unglaubwürdig; er gehört nach Ansicht der NPD auch nicht in Therapie, sondern wegen Anstiftung auf die Anklagebank.

(Caren Lay, Linksfraktion: Was ist mit Biertrinken?)

Aber nicht nur die GRÜNEN und DIE LINKE machen sich unglaubwürdig. Gemäß dem derzeit noch gültigen Haushaltsentwurf sollen ausgerechnet Suchtprävention und Suchtkrankenhilfe aus den Einnahmen staatlich geförderter Sucht finanziert werden. In den vorangegangenen Plenardebatten war sich dieses Haus einig, dass neben der stofflichen die nichtstoffliche Sucht ebenso gefährlich ist – Stichwort: Spielsucht; Frau Strempel ist vorhin darauf eingegangen. Dem Einzelplan 08 Titel 685 54 Kapitel 07 ist zu entnehmen, dass ausgerechnet die Aufgaben der Suchtbekämpfung – damit auch der Spielsucht – aus den Reinerträgen der unter anderem vom Freistaat Sachsen veranstalteten Sportwetten finanziert werden sollen.

Jetzt zum eigentlichen Anliegen des Antrags. Selbstverständlich – darin war sich das Haus schon vor reichlich zwei Jahren einig – stellen Suchthilfe und -prävention aufgrund der gesellschaftlichen Vernachlässigung – ich möchte aber auch betonen: durch Versuche der Legalisierung durch weite Teile des linken Spektrums – eine immer nachhaltigere Aufgabe dar. Als NPD legen wir im Unterschied zu den Linken jedoch den Schwerpunkt auf Prävention. Nicht erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, darf die Gesellschaft einschreiten. Wir wünschen uns daher im Interesse der Vorbeugung Zivilcourage gegenüber den Protagonisten einer Legalisierung, die erst die Menschen an die Drogen – auch Cannabis – heranlassen, um sie dann vielleicht zu heilen.

Wenn in Ihrem Antrag die Einlassungen der Sächsischen Landesstelle gegen die Suchtgefahren e. V. aus dem Jahresbericht „Sucht 2007“ undifferenziert übernommen werden, dabei aber im vorliegenden Entwurf für den Doppelhaushalt selbst die Anfragen zum Haushaltsentwurf augenscheinlich nicht einmal wahrgenommen werden, braucht man sich über das Ergebnis nicht zu wundern. So findet zwar tatsächlich eine Haushaltskürzung im Einzelplan 08 statt – die nun wieder zurückgenommen wird –, aber dafür werden andere Haushaltstitel aufgestockt. Das Kapitel 02 Titel 531 01 soll im kommenden Jahr um fast 81 000 Euro aufgestockt werden. Aus diesem Haushaltstitel wird unter anderem der Landessuchtplan finanziert. Dieser Titel ist sowieso ziemlich faszinierend. Daraus werden zum Beispiel der GenderBeauftragte und das „gläserne Regierungsviertel“ finanziert.

Aus dem Haushaltstitel 08 03 684 04 werden – hier bin ich optimistisch – Selbsthilfegruppen wie die SHG der Angehörigen alkoholkranker Frauen, die SHG Alkoholfreies Leben – jeweils in Chemnitz – und auch die Sucht

krankenhilfe KOMMT in Schlettau-Crottendorf und Königswalde unterstützt.

Meine Damen und Herren! Es gibt zahlreiche sinnvolle Projekte der Suchthilfe. Die GRÜNEN übernehmen lediglich undifferenziert die pauschale Forderung des sogenannten Einwohnerfachkraftschlüssels, wonach auf 20 000 Einwohner eine Fachkraft vorhanden sein sollte. Im Bericht der ambulanten Suchtkrankenhilfe wird im Weiteren sogar darauf verwiesen, dass – Zitat – „die Versorgungsdichte im Freistaat Sachsen im Bereich der ambulanten Suchtkrankenhilfe noch nicht bundesdeutsches Niveau von circa 1 : 15 000 erreicht hat, obwohl keine Ost-West-Unterschiede hinsichtlich der Häufigkeit von Suchtstörungen mehr bestehen“.

Schaut man sich jedoch einerseits die katastrophale demografische Entwicklung und andererseits die regionale Struktur sowie das tatsächlich schon vorhandene Fachpersonal an, so ist festzustellen, dass in den Kreisen sowie im Umland der Großstädte das Angebot heute schon gegeben ist. So ist der Schlüssel für Chemnitz zum Beispiel 1 : 21 800, für Dresden 1 : 20 587 und für Leipzig beträgt der Schlüssel 1 : 17 672.

Meine Damen und Herren! Sachsen kann und wird sich auch nicht der Suchtkrankenhilfe entziehen, gleich, ob im staatlichen oder nichtstaatlichen Drogenbereich. Noch wichtiger ist jedoch die Prävention. Dass ein – vorsichtig formuliert – liberaler Drogenkurs, wie ihn die GRÜNEN und DIE LINKE fahren, dem entgegensteht, ist offensichtlich.

Wir als NPD erachten die Haushaltszuweisung für 2009, vor allem nach den Ausführungen der Staatsregierung, für ausreichend. Über die für 2010 verfügbaren Zahlen brauchen wir uns heute aufgrund der nicht absehbaren Finanz- und Wirtschaftskrise nicht weiter zu unterhalten. Meine Fraktion hat dazu einen Antrag eingebracht, der, wie Sie wissen, am Freitag behandelt wird. Insofern würde eine Thematisierung des Haushaltsansatzes lediglich spekulativ sein. Wir werden uns bei diesem Antrag der Stimme enthalten.

Besten Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der NPD)

Sie, Frau Schütz, beschließen die Runde für die FDP-Fraktion.