Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Gegensatz zu dem Gesetzentwurf der FDP, über den wir gestern debattieren mussten, haben sich die Liberalen mit dem vorliegenden Antrag eines wichtigen Themas angenommen.
Wie Sie inzwischen mitbekommen haben dürften, beurteilen wir Ihre Anträge nach rein sachlichen Gesichtspunkten und nicht mit einer ideologischen Brille, wie Sie es mit den Anträgen der NPD tun.
Dass die Zahl der älteren Menschen zunehmen wird, ist inzwischen eine Binsenweisheit. Die Enquete-Kommission zur demografischen Entwicklung, über die wir morgen sprechen werden, sagt in ihrem Abschlussbericht,
dass im Jahr 2020 im Freistaat Sachsen 1,1 Millionen Menschen im Rentenalter leben werden. Ihr Anteil wird dann bei fast einem Drittel der Gesamtbevölkerung liegen. Die Ursache dafür liegt in der gänzlich fehlenden Bevölkerungspolitik des etablierten Parteienblocks. Unser Fraktionsvorsitzender wird darauf morgen näher eingehen. Es nützt uns nichts, diesen Zustand, der von Ihnen und damit auch von den Liberalen verschuldet wurde, nur zu beklagen. Wir müssen uns auf die Gegebenheiten, wie sie in gut zehn Jahren sein werden, rechtzeitig einstellen. Dazu gehört es auch, ältere Menschen stärker in die Gemeinschaft einzubinden, ihre große Lebenserfahrung und Altersweisheit für die Allgemeinheit zu nutzen.
Richtig ist auch, dass sich die Lebenskraft älterer Menschen und die durchschnittliche Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten deutlich erhöht haben, und zwar vor allem durch den medizinischen Fortschritt. Deshalb haben wir es seinerzeit auch begrüßt, dass die Altersgrenzen für ehrenamtliche Bürgermeister und Ortsvorsteher abgeschafft wurden. Ebenso begrüßen wir es, dass zum 1. Januar 2009 die Altersgrenze von 68 Jahren für Ärzte gestrichen wird. Angesichts des Ärztemangels in Sachsen ist das eine dringende Notwendigkeit und ein erstes Zeichen dafür, wie wichtig die Einbeziehung älterer Menschen künftig werden wird.
Generell bedarf es eines Umdenkens in dieser Gesellschaft bezüglich der Altersstruktur. Zukünftig wird es sich der Staat nicht mehr leisten können, Menschen über 50 Jahre vom Arbeitsmarkt auszuschließen und damit auf die Sozialkompetenz der älteren Generation zu verzichten.
Die NPD-Fraktion findet zwar die Diskriminierungsrhetorik in diesem Antrag überflüssig, weil die Gesetze und Verordnungen, die die Altersgrenzen festlegen, nun einmal häufig in einer anderen Zeit unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen entstanden sind und damit gar nicht die Absicht bestand, ältere Menschen zu diskriminieren. Den Grundgedanken des FDP-Antrages können wir aber vorbehaltlos unterstützen. Deshalb werden wir ihm zustimmen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Anders als viele andere Diskriminierungsmerkmale ist das Alter ein Tatbestand, der uns alle irgendwann betrifft. Das Alter ist veränderlich. Daher erleben wir verschiedene Diskriminierungen in unterschiedlichem Alter. Denken Sie daran, dass jungen Menschen häufig mit dem Vorwurf begegnet wird, sie hätten noch nicht genug Lebenserfahrung und noch nicht genügend Berufserfahrung. Das kommt einer Abwertung gleich. Ältere Menschen dagegen sind oft mit der Auffassung konfrontiert, zu häufig krank zu sein. Aus verschie
denen Gründen ändern sich unsere Auffassungen vom Alter. Hinzu kommt ein anderes Selbstverständnis insbesondere älterer und alter Menschen.
Die FDP-Fraktion hat mit diesem Antrag nun aus der Bandbreite altersdiskriminierender Regelungen die Altershöchstgrenzen herausgenommen und möchte diese abgeschafft sehen. Das hält die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erst einmal für grundsätzlich richtig. Aber wie die FDP-Fraktion mit diesem Thema umgeht, zeigt, worum es eigentlich geht. Der Gesetzgeber hat in vielen Gesetzen Altershöchstgrenzen festgelegt, da er davon ausgeht, dass ab einem bestimmten Alter eine spezifische Leistungsfähigkeit nicht mehr vorhanden ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jeder Mensch altert individuell. Das ist mittlerweile in der Medizin unumstritten. Biologisches und individuelles tatsächliches Alter können weit auseinander liegen. Deshalb können wir nicht mehr davon ausgehen, dass ab einem bestimmten Lebensalter die Leistungsfähigkeit so weit abgenommen hat, dass dieser Mensch seinen Beruf oder ein Amt nicht mehr ausüben kann.
Daher sprechen wir uns dafür aus, dass Altershöchstgrenzen zwar zu erfassen, aber sehr sorgfältig auf ihre diskriminierende Wirkung zu prüfen sind. Jetzt kommt das erste Aber. Sehr offenherzig erklärt uns die FDP-Fraktion in ihrem Antrag, worum es geht, nämlich um ökonomische Interessen. Sie verbindet ihr Vorgehen gegen Altersdiskriminierung mit dem demografischen Wandel. Was wäre also, wenn wir keinen demografischen Wandel in Sachsen hätten? Dann dürften wir also weiter wie bisher diskriminieren?
Es scheint Ihnen, liebe Dame und liebe Herren von der FDP-Fraktion, nicht so sehr um eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller Menschen unabhängig von ihrem Alter zu gehen. Das zeigt sich insbesondere an Ihrem Punkt 2b. Darin heißt es: „Altershöchstgrenzen auf etwaige diskriminierende Wirkungen hin zu untersuchen und dabei insbesondere zu prüfen …, ob wegen des demografischen Wandels oder wegen fehlender Eignung der Altersbegrenzung Änderungen an Regelungen vorgenommen werden müssen“.
Was soll bei der Prüfung diskriminierender Wirkungen der demografische Wandel?, frage ich mich. Gibt es eine Diskriminierung aufgrund von Altersgrenzen, dann müssen diese selbstverständlich abgeschafft werden. Sonst würde das bedeuten, wenn ich mir zum Beispiel das Gebiet um Dresden anschaue und dort einen geringen demografischen Wandel annehme, dass die Ortsvorsteher mit 65 Jahren ihre Tätigkeit beenden müssen, und wenn einer nach dem 65. Lebensjahr weiter aktiv sein will, dass er dann einfach nach Annaberg-Buchholz gehen kann; denn dort gibt es einen starken demografischen Wandel. Hier hinkt Ihr Antrag also erheblich.
Neben dieser Kritik lassen Sie die Lebenswirklichkeit älterer und alter Menschen völlig außer Acht. Sie meinen, wenn die Altersgrenze fällt, ist alles in Butter. Wenngleich Alter sehr individuell ausfällt, gibt es bestimmte Problemlagen, die im Alter einfach häufiger auftreten. Es fällt älteren Menschen zum Beispiel schwerer, Treppen zu steigen, oder sie können nicht mehr 20 Stunden pro Monat ehrenamtlich tätig sein, sondern nur noch 10 Stunden. Denken Sie an die Ehrenamts-Richtlinie. Dort stehen als zu leistende Mindeststundenzahl 20 Stunden monatlich drin.
Sie hingegen, die Sie ansonsten anderen Parteien Gleichmacherei vorwerfen, sprechen nur die rundum fitten Alten an, das heißt, Sie gehen auf die Probleme, die das Alter mit sich bringt und unter Umständen zwar keine Altershöchstgrenze rechtfertigen, aber besondere Rahmenbedingungen erfordern, gar nicht ein. Sie machen die Alten, sofern mobilisiert, gegen den demografischen Wandel zum mobilen Mittdreißiger.
Wenn Sie jedoch tatsächlich ältere und alte Menschen mobilisieren wollen, dann müssen Sie einen zweiten Schritt gehen: Schaffen Sie Rahmenbedingungen zum Beispiel in Richtung Barrierefreiheit. Wenn der Gemeinderat nicht im Erdgeschoss sitzt, dann können ältere Menschen, wenn es keinen Aufzug gibt, auch nicht mehr an den Sitzungen teilnehmen. Wenn Sie etwas ändern wollen, dann müssen Sie zumindest flankierende Maßnahmen anregen. Das haben Sie in Ihrem Antrag nicht gemacht. Deshalb werden wir einen Änderungsantrag einbringen.
Das war die erste Runde der Aussprache. Ich frage, ob es von den Fraktionen weiteren Gesprächsbedarf gibt? – Das kann ich nicht erkennen. Dann frage ich die Staatsregierung, ob sie das Wort ergreifen möchte. – Herr Dr. Buttolo, bitte.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Mit dem Antrag, das Engagement von Senioren in Beruf und Ehrenamt zu fördern, rennt die FDP-Fraktion bei der Staatsregierung offene Türen ein. Der demografische Wandel schafft in der Tat eine Vielzahl von Herausforderungen, deren sich die Staatsregierung wie der Sächsische Landtag bewusst ist und auf die sie sich seit Langem vorbereitet und reagiert hat sowie auch in Zukunft reagieren wird.
Der in der Antragsbegründung angesprochene Bericht der Enquete-Kommission des Sächsischen Landtages ist der derzeit vielleicht augenfälligste Beleg, aber trotz seines beachtlichen Umfangs nur ein kleiner Ausschnitt aus den vielfältigen Aktivitäten, die dem demografischen Wandel geschuldet sind.
Sowohl die Staatsregierung als auch der Gesetzgeber sind hier in der Pflicht, und sie kommen dieser Pflicht nach.
Die Staatsregierung unterstützt im Rahmen der Förderrichtlinie „Wir in Sachsen“ das ehrenamtliche Engagement von über 8 000 älteren Bürgerinnen und Bürgern. Sie leisten einen hervorragenden Beitrag, der von der Arbeit mit Behinderten, sozial Schwachen oder alten Menschen über den Sport bis hin zur Kinder- und Jugendarbeit reicht.
Sie sehen also, dass die Staatsregierung den demografischen Wandel neben den Problemen, die er zweifelsfrei mit sich bringt, auch in seinen Chancen erkennt und die Potenziale der jungen Alten, ihre Erfahrungen, ihre Energie und ihren Lebensmut im Sinne aller Mitbürgerinnen und Mitbürger erschließt. Die Staatsregierung versteht die im Antrag geforderte Prüfung der Altershöchstgrenzen in Gesetzen und Verordnungen deshalb als originären Bestandteil ihrer Vorhaben im Hinblick auf den demografischen Wandel – und das nicht erst seit Kurzem.
Es gibt ohnehin für die verantwortungsvolle Tätigkeit als ehrenamtlicher Kreisrat, als Gemeinderat oder als Ortschaftsrat keine Altersbeschränkungen. Mit dem Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen und des Sächsischen Beamtengesetzes sind die Wählbarkeitshöchstaltersgrenzen für ehrenamtliche Bürgermeister und ehrenamtliche Ortsvorsteher von bislang 65 Jahren und die Höchstaltersgrenze für die Ausübung des Amtes bis zum 68. Lebensjahr ersatzlos weggefallen.
Sachsen hat im Bundesrat die Aufhebung der Altersgrenze für Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten, die in der Regel mit der Vollendung des 68. Lebensjahres ihre Kassenzulassung zurückgeben müssen, unterstützt. Die Regelung soll rückwirkend zum 1. Oktober 2008 in Kraft treten.
In solchen Fällen, in denen wir auf Altersbeschränkungen stoßen, die diskriminierend sind, werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, diese Altersbeschränkungen zu streichen oder hinauszuschieben; gegebenenfalls gilt es, dies mit Maßnahmen zu flankieren, die unerwünschte Seiteneffekte verhindern. Die Staatsregierung wird dabei, wie es der Antrag fordert, nicht vor bundesgesetzlichen Regelungen haltmachen und sich auch dort für eine Änderung bzw. Abschaffung von nicht gerechtfertigten Altersbegrenzungen einsetzen; denn der demografische Wandel ist ein bundesweites Phänomen. Voraussetzung ist aber, dass die Prüfung dieser Vorschriften ergibt, dass von ihnen tatsächlich eine diskriminierende Wirkung ausgeht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies führt mich zu einem Aspekt, der bei allem Handlungswillen bedacht werden muss. Altershöchstgrenzen sind auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung nicht per se diskriminierend. Nehmen wir doch das in der Begründung angesprochene Beispiel des Schöffen, der bei seiner Ernennung lediglich jünger als 70 Jahre sein soll. Damit darf er immerhin noch bis fast Mitte 70 als Richter tätig sein. Ob eine solch hohe pauschalierte Altersbeschränkung diskriminierender ist als eine Eignungsprüfung im
Verstehen Sie das bitte nur als Beispiele, die gerade mit Rücksicht auf die demografische Entwicklung nicht für Generationen festgeschrieben sind. Aber die Beispiele zeigen, dass in der Tat jeweils eine ernsthafte, einzelfallbezogene Überprüfung überkommener Regelungen und Erfahrungssätze erforderlich ist. Wir würden uns allen einen Bärendienst erweisen, wenn wir sinnvolle Altersbeschränkungen ohne sorgfältige Einzelfallprüfung pauschal mit dem Verdikt der Diskriminierung belegen würden.
Dies gilt auch für den Bereich des öffentlichen Dienstrechtes, wo viele Aspekte gegeneinander abzuwägen sind. Deshalb müssen alle Maßnahmen eine sorgfältige Prüfung vorsehen, die in der Frist von sechs Monaten, wie sie in der letzten Ziffer des Antrages für die Unterrichtung des Landtages gefordert ist, mit Rücksicht auf die Komplexität der Prüffragen mit Sicherheit nicht zu bewerkstelligen ist.
Deshalb unterstützt die Staatsregierung den Antrag der FDP-Fraktion, mit Ausnahme der letzten Ziffer. Es gilt, den eingeschlagenen Weg besonnen weiterzugehen. Über die Fortschritte auf diesem Weg wird die Staatsregierung den Landtag selbstverständlich unterrichten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit gewisser Freude stelle ich fest, dass wir in diesem Haus in nicht allzu häufiger Einmütigkeit der Auffassung sind, dass es Altersdiskriminierung nicht nur gibt, sondern dass wir ihr auf Landesebene entgegentreten müssen. Dass dieser Antrag die Zustimmung im Haus findet, freut mich natürlich auch.
Zu dem, was vonseiten der GRÜNEN zu diesem Antrag gesagt worden ist, möchte ich eines klarstellen: Dieser Antrag ist nicht allein ökonomisch determiniert. Dieser Antrag wendet sich gegen Diskriminierung. Liberale haben gegen jegliche Form von Diskriminierung bereits gekämpft, als die GRÜNEN noch nicht einmal ein frommer Wunsch waren.
Es geht darum – auch das ist gesagt worden –, dass wir die Normen in diesem Land, die nicht mehr zeitgemäß sind, der gesellschaftlichen Entwicklung, der Altersentwicklung der Menschen anpassen.
Herr Pellmann, mit Ihrem Verständnis von Altersgrenzen kann ich mich beim besten Willen nicht anfreunden. Altersgrenzen dienen dazu, hoch dotierte Stellen für Jüngere rechtzeitig freizumachen – ein relativ krudes Verständnis von Altersgrenzen.
Konsequent gedacht, führt das dazu: Je besser die Stelle bezahlt ist, desto früher geht der Inhaber in Rente. Das würde dazu führen, dass diejenigen, die die am schlechtesten bezahlten Stellen haben, auch am längsten arbeiten müssen. Das müssen Sie Ihren Wählern erst einmal verständlich machen.
Nein, es kommt auf die individuelle Fähigkeit und Lage an, Herr Pellmann, auf die individuelle und nicht auf die allgemeine! Ansonsten machen Sie sich einer Verschwendung von Erfahrungen und Ressourcen schuldig, die wir uns beim besten Willen nicht leisten können. Aber mit solchen Ressourcen gesellschaftlicher Art vernünftig umzugehen, das scheint das Letzte zu sein, was die Linken können.
Der Antrag der GRÜNEN auf Änderung scheint in manchen Punkten sinnvoll zu sein. Allerdings ist die Prüfung von diskriminierenden Wirkungen bereits im Antrag selbst enthalten. Die Vorschläge flankierender Maßnahmen können sich doch erst aus dem ergeben, was das Prüfungsergebnis hervorbringt.