Protokoll der Sitzung vom 14.11.2008

(Beifall des Abg. Sven Morlok, FDP – Stöhnen bei der Linksfraktion)

Mit Stand vom letzten Jahr sind bereits 90 verunglückte Rotmilane in Deutschland, die mit Windrädern kollidiert sind, erfasst worden. Acht davon hat es allein in Sachsen erwischt. Auch die vielgeliebten Fledermäuse sind betroffen. Insgesamt wurden 821 tote Fledermäuse an Windkraftanlagen gefunden, allein 229 in Sachsen. Das sind Zahlen von verunglückten Vogel- und Fledermausarten, die tatsächlich gefunden worden sind. Nicht enthalten sind die Vögel und Fledermäuse, die beispielsweise an anderen Stellen verstorben sind oder von Füchsen gefressen wurden.

Abschließend möchte ich noch einmal betonen, dass sich die FDP-Fraktion für den Schutz von Vogelarten ausspricht und die Debatte im Landtag ausdrücklich begrüßt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und des Abg. Gottfried Teubner, CDU)

Herr Abg. Schmidt zur Debatte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte auf diesem Weg meinen Änderungsantrag zum Antrag der CDU- und SPD-Fraktion einbringen.

Ich bitte darum, dass folgender Absatz an den Antrag „Stärkung des Artenschutzes charakteristischer Vogelarten der offenen Feldflur“ angefügt wird:

„Bei der Auflegung von Artenschutzprogrammen zur Sicherung der biologischen Vielfalt in der Kulturlandschaft sollen nicht nur die Gefahren für den Bestand charakteristischer Vogelarten im Vordergrund stehen. Es muss auch auf die Probleme aufmerksam gemacht werden, die von diesen Vögeln ausgehen. Das gilt vor allem für den Kormoran. Deshalb sind auch spezielle Artenschutzprogramme zum Schutz von charakteristischen Fischarten aufzulegen.“

Ich begründe dies hiermit. Kormorane bevorzugen möglichst großflächige Gewässer. Das erklärt sich aus ihrer ausgeprägten Neigung zu möglichst großen Kolonien. Eine Ansammlung von 1 000 Vögeln benötigt pro Tag 500 Kilogramm, pro Monat 15 000 Kilogramm Fisch. Die Kormorane suchen daher ihren Schlafplatz an einem Gewässer, wo sie diese Menge tatsächlich erjagen können, ohne weit fliegen zu müssen.

(Unruhe im Saal)

Das ideale Habitat des Kormorans in Sachsen sind Flussmündungen und nicht zu tiefe Stauseen. Dass sie in den letzten Jahren mehr und mehr an kleine und kleinste Gewässer einfliegen, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Fischbestände an den großen Gewässern für die vielen Kormorane nicht mehr ausreichen.

Dass der Kormoran für die Fischbestände und die Fischer ein weit größeres Problem verursacht als etwa der Graureiher und andere Fisch fressende Vögel, erklärt sich weitgehend allein aufgrund seiner biologischen Voraussetzung:

Erstens. Der einzelne Kormoran hat den höchsten Nahrungs- und Fischbedarf. Zweitens. Als Tauchjäger kann er mit Ausnahme dicht bewachsener Stellen alle Gewässerzonen erreichen. Drittens. Der Kormoran kann größere und schwerere Fische erbeuten. Viertens. Kormorane treten immer in größerer Anzahl an einem Gewässer auf. Fünftens. Zusätzlich zu den gefressenen Fischen werden zahlreiche Fische verletzt. Sechstens. Als schneller Flieger wechselt er problemlos zu neuen Jagdgründen, wenn der Fischbestand eines bestimmten Reviers erschöpft ist.

Der Einfluss des Kormorans auf Fischerei, Teichwirtschaft und Fischzucht einerseits und frei lebende Fischbestände andererseits ist seit vielen Jahren Gegenstand anhaltender Diskussion. Schäden durch Kormorane in Fischzuchtanlagen sind offenkundig. Auch für die sächsischen Angler ist es wichtig, den Menschen klarzumachen, dass Fischerei und Naturschutz zusammengehören. Sie fordern eine Regelung, die dazu führt, die Kormoranschäden auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

Es ist zu hoffen, dass die Sächsische Kormoranverordnung konsequent durchgesetzt wird, damit das Gesetzeswerk mit Leben erfüllt und somit die Fischbestände in den sächsischen Flüssen und Seen möglichst erhalten und stabilisiert werden. Der beschränkte Abschuss des Fischräubers Kormoran und damit seine gezielte Reduzierung muss für alle im Sinne der Abwendung erheblicher fischwirtschaftlicher Schäden begriffen werden. Deshalb bitte ich um Zustimmung für meinen Änderungsantrag. Die Natur, die Angler und die Fischereiwirtschaft werden es Ihnen danken.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Herr Prof. Mannsfeld.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ganz an den Anfang möchte ich nur die Anmerkung stellen, dass der Änderungsantrag des Kollegen Schmidt nach meinem Dafürhalten erst bei der Abstimmung über den Antrag insgesamt hätte aufgerufen werden dürfen. Das halte ich für die geeignetere Form. Ich gehe dann noch darauf ein. Aber ich möchte sagen, es würde dem sächsischen Parlament auch gut tun, wenn man einen Änderungsantrag hier einreicht und dann nicht nur von der ersten bis zur letzten Zeile den Text vorliest, der hier steht. Lesen können wir schon allein.

Also, meine Damen und Herren, selbst wenn Drucksachen in den Überschriften wie Zwillinge erscheinen, wird auch hier – wie oft bei den Zwillingen – der zweite Blick erkennen lassen, dass es doch erhebliche Unterschiede hinsichtlich der Behandlung der Drucksachen gibt. Das heißt, der Antrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 4/13679, hat andere und – wie wir meinen – den Vorstellungen besser gerecht werdende Schlussfolgerungen als der etwas später eingegangene Antrag der Bündnisgrünen in Drucksache Nr. 4/13706.

Beide Anträge beschäftigen sich zunächst völlig übereinstimmend mit einem aktuellen Vorgang, der es durchaus verdient, ein weiteres Mal öffentlich angesprochen zu werden, wie es im bisherigen Debattenverlauf bereits erkennbar wurde.

Um es gleich einleitend zu sagen: In der Beurteilung der alarmierenden Rückgänge der Vogelwelt im Offenland besteht wohl weitgehend Übereinstimmung. Aber in den politischen Konsequenzen unterscheiden sich beide Anträge doch ganz erheblich und fordern letztlich dann zu einer alternativen Entscheidung heraus.

Doch zunächst noch einmal zum analytischen Befund: Es bleibt festzustellen, dass mit den intensivierten Formen der Flächennutzung durch gesteigerten Dünger- und Pestizideinsatz, einem Rückgang von Saumstrukturen, durch die Beseitigung von Flurelementen, die Verarmung des Kulturartenspektrums, die Änderung von Schnittterminen, die Zerschneidung durch Trassen und vieles

andere mehr die unentbehrlichen Kleinbiotope des Agrarraumes vielfach verschwunden sind, sodass wichtige Lebensräume für Kleinsäuger, Reptilien, Laufkäfer, Schmetterlinge, aber auch für Feldhühner, Hasen und vor allem eben für die Vogelwelt verloren gegangen sind.

Ich darf daran erinnern, dass nach § 25 des Sächsischen Naturschutzgesetzes die Zerstörung der Bodenvegetation auf Wiesen, Feldrainen, Böschungen und Wegen eigentlich verboten ist. Dieser Paragraf und seine entsprechende Ziffer heben neben dem Abbrennen auf die unmittelbare Zerstörung ab. Man sollte sich immer noch einmal vergegenwärtigen, dass die Rechtssituation also viel zum Schutz solcher Saumelemente und Kleinstrukturen eigentlich vorgibt. Die Frage ist, inwieweit das immer berücksichtigt wird.

Auch mit der Umstellung der Tierhaltung auf der Grundlage von Mäh- und Heuwiesen auf Stallhaltung mit umgebendem großen Intensivgrasland oder – wie in den letzten sechs, acht Jahren – die rapide Zunahme im Anbau von Mais- und Rapskulturen, zum Beispiel für Biogasanlagen, dominieren im Offenland zu häufig hoch wachsende und dicht stehende Mais- und Rapskulturen, in denen weder die Greifvögel noch der Weißstorch Nahrung finden. Andererseits versuchen die Vögel, wie Feldlerche oder Kiebitz, aufgrund der verloren gegangenen Kleinstrukturen auf den Maiserwartungsflächen zu brüten mit dem Resultat, dass ab Mitte April die Nester regelmäßig zerstört werden.

Wer meint, dass das nicht tatsächlich schon zum Regelfall geworden ist, der nehme eine Zeitungsmeldung der „Dresdner Morgenpost“ vom 6. Oktober zur Kenntnis. Dort wird nach Untersuchungen des Dresdner Naturschutzinstitutes – nur für 2008 – ausgeführt, dass die gesamte Brut der zehn Feldlerchenpaare im Dresdner Norden im Umfeld des Flughafens bei der Feldbearbeitung vernichtet wurde.

Mit diesen kurzen Ausführungen zum Populationsrückgang, meine Damen und Herren, in den letzten zehn bis 15 Jahren – wenn man das andersherum rechnet, also auf einen Umfang von etwa nur noch 30 % von dem, was vor 25 oder 30 Jahren existierte – ist die Situation wohl ausreichend beschrieben. Der beobachtete Stand fordert – und auch da möchte ich das Sächsische Naturschutzgesetz bemühen – nach § 24 eigentlich zu Arterhaltungsprogrammen heraus.

Zu diesem Zweck hat die Koalition einen Antrag eingebracht, der Arterhaltungsmaßnahmen für Rebhuhn, Kiebitz und Feldlerche beantragt und das bisherige Weißstorchprogramm fortgeführt sehen möchte.

Kollegen Dr. Müller möchte ich nur sagen: Es ist natürlich nicht von den ornithologischen Gesichtspunkten her gemeint, dass die Bodenbrüter und der Weißstorch vernetzt werden sollen. Um der Fülle von Förderprogrammen zu begegnen und weil die Ansprüche an die Biotope vergleichbar sind, heben wir darauf ab, ein Förderprogramm oder ein Artenprogramm zu machen. Das war eine

etwas an den Haaren herbeigezogene Kritik am Antrag; wie auch immer.

Wir erwarten und wir hoffen, dass die Regierung entsprechende Maßnahmen ergreift und dass es natürlich nicht nur in Vogelschutzgebieten sein mag.

Damit kehre ich zur Einleitungspassage zurück. Denn obwohl der Antrag der Bündnisgrünen quasi die gleiche Zielrichtung verfolgt, bestehen in Bezug auf die Forderung Unterschiede. Ein politischer Antrag kann der Regierung nicht vorschreiben, wen sie mit der Durchführung einer Maßnahme beauftragt. Das ist einfach im Spiel zwischen Legislative und Exekutive nicht der richtige Stil. Sie fordern, bis Ende Juli 2009 rund 9 bis 10 Millionen Hektar Land zu kartieren. Wir haben 18 Millionen Hektar als Landesfläche. Bei der Verteilung der Gebiete, in denen diese Tiere brüten können, sind wir durchaus etwa bei der Hälfte, bei 9 Millionen. Der andere Teil ist nämlich Gebirgs- und Vorgebirgsland. Wer soll 9 bis 10 Millionen Hektar in einem halben Jahr kartieren? Das ist nicht nur unrealistisch; sondern ich halte es eher für kontraproduktiv, weil nämlich auf diese Weise gar nichts passieren wird.

Die notwendigen Vereinbarungen mit den Flächenbewirtschaftern und den Eigentümern sind neben deren freiwilligen Leistungen, die durchaus vorkommen – man muss auch würdigen, dass es die gibt –, mit gezielten Fördermaßnahmen realisierbar. Aber dazu, meine Damen und Herren, soll uns die Regierung Vorschläge machen. Das Parlament muss in dieser Richtung keine Vorgaben machen.

Kurzum: Es steht durchaus zu befürchten, dass das alte deutsche Volkslied „Kommt ein Vogel geflogen“ bald abzuwandeln ist in die Titelzeile „Kommt kein Vogel geflogen“.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Damit das nicht eines Tages Wirklichkeit wird, bitten wir das Hohe Haus, dem Koalitionsantrag zuzustimmen, der allein verspricht, dass dem Anliegen in der kommenden Zeit angemessen entsprochen wird.

(Beifall der Abg. Andrea Roth, Linksfraktion)

Ich bin damit eigentlich auch am Ende angelangt. Aber, Frau Präsidentin, ich habe das als Teil unseres Schlussworts zum Antrag bereits aufgefasst. Ich denke, die Argumente sind weitestgehend ausgetauscht. Deswegen erlaube ich mir, jetzt meinerseits zu dem Änderungsantrag zu sprechen. Ist das korrekt?

Das können Sie mit machen.

Er ist ja jetzt eingebracht worden.

Ja.

Dazu will ich nur ganz kurz sagen: Wenn man sich die beiden Anträge anschaut –

Kollege Schmidt bezieht sich auf den Koalitionsantrag, deswegen erlaube ich mir, dazu Stellung zu nehmen –, ist es die völlige Umkehrung des Inhalts unseres Antrages, wenn hier auf einen Vogel abgehoben wird, der auch geschützt ist, der aber in seinen Populationsaufwüchsen in der letzten Zeit für Konflikte und eine differenzierte Diskussion gesorgt hat. Er hat also nichts mit den Bodenbrütern zu tun und kann auch systematisch nicht Teil unserer Anträge werden. Das muss man einfach mal so feststellen.

Zu der Kormoranproblematik ist im Lande schon viel diskutiert worden. Wir haben eine Kormoranverordnung, die sicherlich auch manchem Naturschützer Bauchschmerzen macht, die aber durchaus mithilft, die Konfliktlage im Lande zu überwinden. Wir sollten uns davor hüten: So wie wir beim Kormoranschutz nur eine ganz einseitige, sage ich mal, Naturerhaltungsblickrichtung als nicht zielführend ansehen, darf uns auch die Blickrichtung nur aus der Sicht von Fischern und Anglern nicht dazu verführen, dass wir die Dinge miteinander vermischen.

Deswegen möchte ich hier für meine Fraktion sagen – und ich glaube, dies auch für die Koalitionsfraktion sagen zu dürfen –, dass wir diesem Änderungsantrag nicht zustimmen, und wie schon in einer kurzen Bemerkung angedeutet, bitte ich um Zustimmung zum Koalitionsantrag für die genannte Materie.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wird weiterhin das Wort gewünscht? – Dies ist nicht der Fall. Somit spricht nun Herr Staatsminister Kupfer; bitte.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den wahren Wert der Dinge erkennt der Mensch oft erst nach ihrem Verlust. Dies mag auch für die Vögel unserer Feldfluren gelten, die für uns so selbstverständlich zum ländlichen Raum gehören wie Getreidefelder, Feldwege oder Dörfer.

(Beifall bei der CDU)

Kiebitze vollführen im April lautstark ihre Flugkunststücke über den noch feuchten Senken, im Mai steigen frühmorgens Lerchen über den Äckern der Sonne entgegen und im Sommer stolzieren die Störche über die frisch gemähten Wiesen.